Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.209/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_209/2012

Urteil vom 20. April 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn.

Gegenstand
Niederlassungsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
13. Februar 2012.

Erwägungen:

1.
X.________, 1951 geborener Kosovar, reiste im Oktober 1994 zusammen mit Ehefrau
und den drei gemeinsamen Kindern in die Schweiz ein. Dem Asylgesuch der Familie
wurde am 4. August 1995 entsprochen; X.________ erhielt am 14. Oktober 1999 die
Niederlassungsbewilligung im Kanton Solothurn.

X.________ hatte verschiedene Funktionen in der kosovarischen
Widerstandsbewegung inne. So war er während des Kosovokriegs Generalstabschef
der Kosovo Befreiungsarmee; nach dem Krieg wurde er 1999 vorübergehend
kosovarischer Verteidigungsminister. Seit 1999 ist er im Präsidium einer
kosovarischen Partei. Er unternahm ab 2000 zahlreiche Reisen nach Albanien und
in den Kosovo, wobei er einen gefälschten albanischen Pass verwendete.
Schliesslich meldete er sich am 18. November 2010 im Kosovo im Hinblick auf die
dort anstehenden Parlamentswahlen an, und im Dezember 2010 wurde er ins
kosovarische Parlament gewählt. Angesichts der seit 1999 massgeblich
veränderten Verhältnisse und seiner im Kosovo ausgeübten Funktionen wurde sein
Asyl bereits am 6. Oktober 2000 widerrufen.

X.________ ging nie einer Erwerbstätigkeit nach. Zunächst bezog er für sich und
seine Familie Sozialhilfe. Gestützt auf eine Invalidität aus psychischen
Gründen wurden ihm ab 2002 Ergänzungsleistungen ausgerichtet; die Zusprechung
einer (angesichts des festgestellten Invaliditätsgrades 100-prozentigen)
IV-Rente fiel ausser Betracht, da er nie Versicherungsbeiträge geleistet hatte.
Zwischen 2001 und 2003 absolvierte er trotz seiner gesundheitlichen
Beeinträchtigung ein Fernstudium an einer Privatuniversität in den USA und
erwarb dort einen Mastertitel und in der Folge auch das Doktorat. Nachdem die
Summe der Ergänzungsleistungszahlungen auf über 400'000 Franken angestiegen
war, wurde ein Verfahren auf Einstellung der Ergänzungsleistungen eingeleitet,
das noch vor dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hängig ist; Anlass
dazu gaben die vielseitigen Aktivitäten von X.________, der weiterhin kein
Erwerbseinkommen erzielte, nach Auffassung der Behörden aber in den Genuss
gewisser, gegenüber der zuständigen Ausgleichskasse pflichtwidrig nicht
deklarierter finanzieller Unterstützungsleistungen zur Finanzierung seiner
unzähligen Reisen, des Studiums usw. kam.

Am 29. März 2011 erliess das Departement des Innern des Kantons Solothurn
(Sektion Migration und Schweizer Ausweise) eine Verfügung. Zum einen stellte es
fest, dass die Niederlassungsbewilligung von X.________ erloschen sei, zum
andern widerrief es die Niederlassungsbewilligung; zugleich ordnete es die
Wegweisung an. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 13. Februar 2012 ebenso
ab wie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Mit als Einsprache bezeichnetem, vom 2. März datiertem und am 5. März 2012 zur
Post gegebenem Schreiben beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts sei aufzuheben; es sei die Niederlassungsbewilligung
weiterhin zu gewähren; es sei festzustellen, dass der Vollzug der Wegweisung
ungerecht sei, und daher die Sistierung der Wegweisung anzuordnen.

Innert ihm hierfür angesetzter Frist hat der Beschwerdeführer das angefochtene
Urteil nachgereicht. Die kantonalen Akten sind beigezogen, weitere
Instruktionsmassnahmen nicht angeordnet worden.

Das in der Beschwerdeschrift sinngemäss gestellte und mit Schreiben vom 5.
April (Eingang beim Bundesgericht 10. April) 2012 definitiv bestätigte Gesuch
um aufschiebende Wirkung (Sistierung der Wegweisung) wird mit dem vorliegenden
instanzabschliessenden Urteil gegenstandslos.

2.
2.1 Nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG haben Rechtsschriften unter anderem die
Begehren und deren Begründung zu enthalten; in der Begründung ist in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletze. Die Begründung
hat sachbezogen zu sein; der Beschwerdeführer muss gezielt auf die für das
Ergebnis des angefochtenen Entscheids massgeblichen Erwägungen der Vorinstanz
eingehen. Besonderes gilt für die Kritik an den vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellungen: An die tatsächlichen Feststellungen seiner
Vorinstanzen ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden (Art. 105 Abs. 1
BGG), es sei denn, diese seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. 97 Abs. 1 BGG).
Dabei fallen letztlich bloss die Rügen in Betracht, die
Sachverhaltsfeststellung sei willkürlich oder sie beruhe auf der Verletzung von
Verfahrensrechten (willkürliche Anwendung kantonaler Verfahrensvorschriften,
Verletzung des rechtlichen Gehörs); entsprechende Rügen müssen den strengen
Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügen (BGE 133 II 249 E.
1.4.3 S. 254 f.; 134 II 244 E. 2.2 S. 246).

Vorliegend geht es um das Wegfallen der Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers, wobei die kantonalen Behörden zwei Gründe hierfür anführen:
Einerseits soll die Bewilligung durch längeren Auslandaufenthalt erloschen
sein, andererseits sei sie zu widerrufen. Insofern liegen zwei Begründungen
vor, die je für sich genügen, die Anwesenheitsberechtigung des
Beschwerdeführers als Niedergelassener dahinfallen zu lassen. Dies setzt
voraus, dass der Beschwerdeführer in beiderlei Hinsicht eine den gesetzlichen
Anforderungen genügende Beschwerdebegründung vorträgt, ansonsten auf die
Beschwerde nicht eingetreten wird (BGE 133 IV 119 E. 6.3 S. 120 f.; 132 I 13 E.
3 S. 16 f.).

2.2 Gemäss Art. 61 Abs. 2 AuG erlischt die Niederlassungsbewilligung nach sechs
Monaten, wenn der Ausländer die Schweiz verlässt, ohne sich abzumelden; die
Niederlassungsbewilligung kann auf - zuvor gestelltes (vgl. Art. 79 Abs. 2
VZAE) - Gesuch hin während vier Jahren aufrechterhalten werden. Bereits das bis
Ende 2007 geltende Recht liess bei sechsmonatigem Auslandaufenthalt die
Niederlassungsbewilligung erlöschen (Art. 9 Abs. 3 lit. c des Bundesgesetzes
vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; BS 1
121]). Dabei kommt es grundsätzlich auf die tatsächliche Landesabwesenheit an,
unabhängig von der Frage des zivilrechtlichen Wohnsitzes.

Das Verwaltungsgericht stellt zunächst fest, dass sich der Beschwerdeführer
bereits im Zeitraum von anfangs April 1999 bis anfangs Februar 2000, also
während rund zehn Monaten, im Wesentlichen im Ausland aufgehalten habe; dies
habe seine Funktion als Verteidigungsminister mit sich gebracht. Es erwähnt
sodann zahlreiche weitere - mit den politischen Funktionen des
Beschwerdeführers verbundene - kontinuierliche Auslandaufenthalte. Namentlich
stellt es, wenn auch im Zusammenhang mit der Beurteilung des Widerrufs der
Niederlassungsbewilligung, darauf ab, dass der Beschwerdeführer sich im
November 2010 im Kosovo angemeldet habe, um dort im Folgemonat - erfolgreich -
an den Parlamentswahlen teilnehmen zu können. Allein im Zeitraum 21. Februar
bis 7. April 2011 nahm er an sechs Parlamentssitzungen teil und hatte er
Fernsehauftritte. In zeitlicher Nähe dazu gab er (nach unbestritten gebliebener
Feststellung im angefochtene Urteil) seine eigene hiesige Wohnung auf; in der
Schweiz findet er Unterkunft nur noch in der Wohnung seiner Tochter. Im Kosovo
verfügt er über ein Haus; dass dieses in der Vermögensdeklaration des
Beschwerdeführers aufgeführte Haus nicht ihm, sondern "eigentlich" seiner
Familie gehöre, wie er in der Beschwerdeschrift geltend macht, ist im
vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Das Verwaltungsgericht zieht aus den
gesamten Umständen den tatsächlichen Schluss, dass der Beschwerdeführer heute
im Kosovo nicht bloss bestens integriert sei, sondern dort über eine gesicherte
und eigenständige Existenz verfüge. Was der Beschwerdeführer in
appellatorischer Weise geltend macht, genügt nicht, um die aus den Erwägungen
des Verwaltungsgerichts resultierende Tatsache, dass er sich seit Ende 2010 im
Wesentlichen im Kosovo bzw. ausserhalb der Schweiz aufhalte, in Frage zu
stellen. Damit aber wird mit der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern die vom
Verwaltungsgericht bestätigte Feststellung, die Niederlassungsbewilligung des
Beschwerdeführers sei wegen über sechsmonatigen Auslandaufenthalts erloschen,
schweizerisches Recht (namentlich Art. 61 Abs. 2 AuG) verletzte. Ob der
Beschwerdeführer vor gut zehn Jahren, als er Verteidigungsminister war, bereits
einmal über sechs Monate ausserhalb der Schweiz weilte, und ob dies genügte, um
heute die Niederlassungsbewilligung gestützt darauf als erloschen zu
betrachten, kann somit dahinstehen.

2.3 Liegt schon hinsichtlich des Erlöschens der Niederlassungsbewilligung keine
formgerechte Rüge vor, muss nicht geprüft werden, ob die Umstände es zusätzlich
rechtfertigten, die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen (vorne E. 2.1 am
Ende). Soweit der Beschwerdeführer zudem die Verweigerung der Beigabe eines
unentgeltlichen Rechtsanwalts im vorinstanzlichen Verfahrens rügt, fehlt es an
der notwendigen verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit E. 4 des
angefochtenen Urteils.

Die Beschwerde enthält insgesamt offensichtlich keine hinreichende Begründung
(Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG), und es ist darauf mit Entscheid des
Einzelrichters im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten.

2.4 Da die Beschwerde von vornherein als aussichtslos erschien, kann dem auch
für das vorliegende Verfahren gestellten Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
nicht entsprochen werden (Art. 64 BGG).

Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65 BGG), dem Verfahrensausgang
entsprechend, dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz
BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. April 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Feller