Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.179/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_179/2012

Urteil vom 17. April 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Seiler,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Eidgenössisches Finanzdepartement, Generalsekretariat, Rechtsdienst,
Bundesgasse 3, 3003 Bern.

Gegenstand
Staatshaftung; unentgeltlicher Rechtsbeistand,

Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom
24. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 16. November 2007 erliess die Eidgenössische Bankenkommission (EBK; heute:
Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) mit superprovisorischer Verfügung eine
vorsorgliche Massnahme (Einsetzung eines Untersuchungsbeauftragten) gegen
X.________ und seine Einzelfirma Y.________, Zug, sowie seine Gesellschaft
Z.________ AG, Zug. Mit Verfügung vom 24. Januar 2008 stellte die EBK Verstösse
gegen das Bankengesetz und das Börsengesetz fest und eröffnete über die
Y.________ sowie die Z.________ AG den Konkurs. Diese Verfügung erwuchs in
Rechtskraft. Das gegen X.________ eröffnete Verwaltungsstrafverfahren wegen
Verdachts auf Widerhandlung gegen das Anlagefonds- und Börsengesetzes sowie
gegen das Bankengesetz wurde mit Entscheiden vom 21. September 2009 bzw. 27.
April 2010 des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) eingestellt. Mit
Schreiben vom 31. März 2011 an das EFD verlangte X.________ vom Bund
Schadenersatz in der Höhe von Fr. 20'400'000.-- und Genugtuung in der Höhe von
Fr. 300'000.--, da die Verfügungen zu Unrecht ergangen seien und ihn
wirtschaftlich ruiniert hätten. Gegen den abweisenden Bescheid des EFD erhob
X.________ am 26. September 2011 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und
beantragte die unentgeltliche Rechtspflege sowie einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand.

B.
Mit Zwischenverfügung vom 14. November 2011 gewährte das
Bundesverwaltungsgericht X.________ die unentgeltliche Rechtspflege, wies das
Gesuch aber bezüglich der unentgeltlichen Verbeiständung ab. Zur Begründung
wurde ausgeführt, zwar sei der Beschwerdeführer als bedürftig und die
Beschwerde "nicht als völlig aussichtslos, jedoch auch nicht als sehr
aussichtsreich" zu betrachten. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes sei es zur
Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers weder für die Abklärung des
Sachverhalts noch für die Klärung der Rechtsfragen erforderlich, einen Anwalt
beizuziehen. Mit Stellungnahme vom 15. Januar 2012 wiederholte der
Beschwerdeführer sein Gesuch um Gewährung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands, da sein Fall zu komplex sei, als dass er ihn ohne Beistand
führen könne. Mit Verfügung vom 24. Januar 2012 wies das
Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Gewährung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands erneut ab und führte dazu aus, dass die Begründung in seiner
Zwischenverfügung vom 14. November 2011 auch unter Berücksichtigung der neu
vorgebrachten Argumente zutreffend sei.

C.
X.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei
aufzuheben, soweit die unentgeltliche Verbeiständung verweigert worden sei, und
das Bundesverwaltungsgericht sei zu verpflichten, dem gestellten Gesuch auch
diesbezüglich zu entsprechen. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht.

Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung und das EFD
schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
Der selbständig eröffnete Entscheid, mit dem im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung abgewiesen
wurde, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid dar, welcher geeignet ist,
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu verursachen, und daher sofort
gesondert angefochten werden kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteile 8C_172/
2010 vom 29. März 2010 E. 1; 2C_143/2008 vom 10. März 2008 E. 2; je mit
Hinweisen). Auf die Beschwerde ist einzutreten, zumal auch die übrigen
Voraussetzungen hiefür erfüllt sind.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht dem
Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren einen unentgeltlichen Anwalt
zu bestellen hat. Dies bedingt - nebst den vom Bundesverwaltungsgericht
bejahten und damit hier nicht weiter zu prüfenden Voraussetzungen der
prozessualen Bedürftigkeit und der Nichtaussichtslosigkeit der
Beschwerdebegehren -, dass ein Anwalt zur Wahrung seiner Interessen notwendig
ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG [SR 172.021]; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV).

Nach der Rechtsprechung trifft dies zu, wenn die Interessen der
gesuchstellenden Partei in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug
eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende
Verfahren besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person
einzugreifen, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters
grundsätzlich geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles
besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der
Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 E.
2.2 S. 182 mit Hinweisen; MARCEL MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.],
Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 38 zu
Art. 65 VwVG; MARTIN KAYSER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum
Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, N. 29 ff. zu Art. 65 VwVG).

3.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, dass es zur Wahrung der Rechte des
Beschwerdeführers weder für die Abklärung des Sachverhalts noch für die Klärung
der Rechtsfragen erforderlich sei, einen Anwalt beizuziehen, auch wenn die
Interessen des Beschwerdeführers "nicht unerheblich betroffen" seien. Die
Vorinstanz hat zudem auf den Untersuchungsgrundsatz verwiesen, wonach das
Bundesverwaltungsgericht die erforderlichen Abklärungen von sich aus veranlasse
(vgl. Zwischenverfügung vom 14. November 2011 S. 3). Im angefochtenen Entscheid
wird im Wesentlichen bloss die Begründung der oben erwähnten Zwischenverfügung
wiederholt.
Diese Betrachtungsweise überzeugt nicht: Die Frage, ob das Hauptverfahren
besonders stark oder bloss - wie die Vorinstanz ausführt - "nicht unerheblich"
in die Rechtsposition des Beschwerdeführers eingreift, kann zwar offen gelassen
werden. Auf jeden Fall kommen hier aber zur relativen Schwere des Falles
besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzu, denen der
Beschwerdeführer auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre. So geht es
etwa um die Frage, ob die einjährige Verwirkungsfrist gemäss Art. 20 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie
seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32)
abgelaufen ist oder nicht. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu entscheiden
haben, ob dem Beschwerdeführer - gemäss Argumentation des EFD - die
haftungsbegründenden Tatsachen bereits mit Erhalt der Verfügung der EBK vom 28.
Januar 2008 bekannt gemacht wurden oder ob - wie der Beschwerdeführer vorbringt
- die Einstellungsverfügung des EFD vom 27. April 2010 für den Beginn der
Verwirkungsfrist relevant ist. Weiter geht es um die Tragweite von Art. 12 VG
(Rechtsmässigkeit formell rechtskräftiger Entscheide im
Verantwortlichkeitsverfahren). Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen sind
diese Rechtsfragen nicht als einfach zu betrachten. Insbesondere vermag die von
der Vorinstanz ins Feld geführte Untersuchungsmaxime für sich alleine eine
anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres als unnötig erscheinen zu lassen
(BGE 130 I 180 E. 3.2 S. 183); sie rechtfertigt es bloss, an die
Voraussetzungen, unter denen eine Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt
sachlich geboten ist, einen strengen Massstab anzulegen (BGE 125 V 32 E. 4b S.
36; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht,
2008, Rz. 4.120).

Selbst unter Anwendung eines strengen Massstabs erscheinen die vorliegenden
Rechtsfragen insgesamt aber als recht komplex und der Sachverhalt als
unübersichtlich. Zudem ist die Fähigkeit des Beschwerdeführers, sich im
Verfahren zurechtzufinden, aufgrund des erlittenen finanziellen Verlusts bzw.
der geltend gemachten "verlorenen Reputation" eingeschränkt. Bei dieser
Ausgangslage erscheint eine anwaltliche Verbeiständung für das vorinstanzliche
Verfahren erforderlich. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer der
deutschen Sprache mächtig ist (Urteil 8C_172/2010 vom 29. März 2010 E. 4).

Demnach sind sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands im Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht erfüllt.
Dementsprechend ist die Beschwerde gutzuheissen.

4.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der nicht anwaltlich
vertretene Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art.
68 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. Januar 2012 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der
Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Eidgenössischen Finanzdepartement
und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. April 2012
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger