Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.130/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_130/2012,
2C_131/2012

Urteil vom 9. Mai 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch X.A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Dienststelle Steuern des Kantons Luzern, Buobenmatt 1, 6002 Luzern.

Gegenstand
Staats- und Gemeindesteuern 2010,
Direkte Bundessteuern 2010,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 22.
September 2011.

Erwägungen:

1.
X.________ bezieht eine Rente der Invalidenversicherung und
Ergänzungsleistungen. Sie geht keiner Erwerbstätigkeit nach, besucht aber seit
August 2009 die Tagesstätte A.________ in Luzern. Mit Verfügung des Steueramts
Sursee vom 29. April 2011 wurde X.________ mit einem steuerbaren Einkommen von
Fr. 15'300.-- veranlagt. Die geltend gemachten Pauschalabzüge (Kosten des
Fahrrads Fr. 700.--; Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung Fr. 3'200.--;
Kosten der Berufsausübung Fr. 2'000.--) wurden nicht anerkannt. Eine Einsprache
gegen diese Veranlagung blieb ohne Erfolg. Mit Entscheid vom 22. September 2011
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die hiergegen gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Steuerpflichtigen ab. Mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht
sinngemäss, die geltend gemachten Berufskosten und Mehrkosten der auswärtigen
Verpflegung seien anzuerkennen.

Es wurden lediglich die Akten eingeholt.

I. Direkte Bundessteuer

2.
Als Berufskosten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit können bei der direkten
Bundessteuer gemäss Art. 26 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte
Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG; SR 642.11) u. a. abgezogen werden: Die
notwendigen Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte (lit. a), die
notwendigen Mehrkosten für Verpflegung ausserhalb der Wohnstätte (lit. b) sowie
die übrigen für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kosten (lit. c).
Ausserdem können von den Einkünften (Art. 16-23 DBG) die Krankheits- und
Unfallkosten abgezogen werden, soweit der Steuerpflichtige diese selber trägt
und sie fünf Prozent der um die Aufwendungen (Art. 26-33 DBG) verminderten
steuerbaren Einkünfte übersteigen (Art. 33 Abs. 1 lit. h DBG). Steuerpflichtige
mit Behinderungen im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13.
Dezember 2002 (BehiG; SR 151.3) können zudem behinderungsbedingte Kosten gemäss
Art. 33 Abs. 1 lit. hbis DBG vollumfänglich von den Einkünften abziehen, soweit
sie die Kosten selber tragen.

3.
Um Berufskosten geht es bei den vorliegend geltend gemachten Abzügen
offensichtlich nicht. Die Beschwerdeführerin übt keine (unselbständige)
Erwerbstätigkeit aus. Merkmal der unselbständigen (wie auch der selbständigen)
Erwerbstätigkeit ist, dass sie auf die Erzielung von Einkommen gerichtet ist.
Die Beschwerdeführerin besucht die Tagesstätte A.________ in Luzern. Diese
bietet Menschen mit einer geistigen und mehrfachen Behinderung u. a. Arbeiten
in einem wirtschaftsidentischen Umfeld. Behinderte Menschen können damit im
wirtschaftlichen Sinn eine produktive Leistung erbringen. Das bedingt, dass die
Tagesstätte regelmässig wie ein Arbeitsplatz besucht wird, d. h. an fünf Tagen
in der Woche. Der Arbeitsinhalt orientiert sich am Angebot einer geschützten
Werkstatt, die Betreuung am Konzept einer Beschäftigungsgruppe. Das
Rechtsverhältnis zwischen der Tagesstätte und der Beschwerdeführerin wird in
einem Tagesplatzvertrag geregelt. Dieser stellt die Betreuung der Person mit
Behinderung zum Wohl dieser Person in den Vordergrund.

Ein Lohn wird aber nicht bezahlt. Das Mittagessen wird mit Fr. 10.-- pro
Mahlzeit in Rechnung gestellt, allenfalls weitere Kosten richten sich nach der
Taxordnung. Es handelt sich deshalb nicht um eine auf Erwerb gerichtete
Tätigkeit. Es können somit auch keine Berufsunkosten (Gewinnungskosten) geltend
gemacht werden.

4.
Die geltend gemachten Abzüge sind auch keine Krankheitskosten. Krankheitskosten
entstehen aufgrund eines vorübergehenden Zustandes. Das Element der
Dauerhaftigkeit unterscheidet die behinderungsbedingten von den
krankheitsbedingten Kosten (Felix Richner et al., Handkommentar zum DBG, 2.
Aufl. 2009, N. 142 zu Art. 33 DBG).

5.
Zu prüfen sind die geltend gemachten Abzüge somit einzig noch unter dem
Gesichtswinkel der behinderungsbedingten Kosten nach Art. 33 Abs. 1 lit. hbis
DBG. Als Mensch mit Behinderung gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 BehiG eine Person,
der es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische
Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen
vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- oder
fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Um abzugsfähig zu sein,
müssen die Kosten als direkte Folge der Behinderung im Sinne von Art. 2 Abs. 1
BehiG entstehen. Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin die
Tagesstätte wegen ihrer Behinderung besucht. Um abzugsfähig zu sein, müssen die
Kosten daher durch den Besuch der Tagesstätte verursacht sein.

Inwiefern das bei der Kosten für das Fahrrad der Fall sein soll, wird in der
Beschwerde nicht dargelegt. Die Fahrtkosten werden der Beschwerdeführerin
zurückerstattet, wie sie in der Einsprache ausführen liess. Unter diesen
Umständen können die Kosten für die Benutzung eines Fahrrads nicht als durch
den Besuch der Tagesstätte verursacht angesehen werden.

Was die Kosten der Verpflegung betrifft, so können diese - wie bei den
nichtbehinderten Personen - im Umfang der Mehrkosten für die auswärtige
Verpflegung als behinderungsbedingte Kosten anerkannt werden. Kosten der
üblichen Verpflegung sind nicht behinderungsbedingt. Das Mittagessen in der
Tagesstätte wurde der Beschwerdeführerin in der fraglichen Periode mit Fr.
10.-- pro Mahlzeit in Rechnung gestellt. Dieser Betrag übersteigt die üblichen
Kosten der Verpflegung kaum (vgl. Richner et al., a.a.O., N. 24 zu Art. 26
DBG). Auch diese Kosten können daher nicht als behinderungsbedingt anerkannt
werden.

Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführerin durch
den Besuch der Tagesstätte ähnliche Kosten wie bei einer erwerbstätigen Person
erwachsen sollen. Mit dem pauschalen Lohnabzug sind grundsätzlich alle mit der
Berufsausübung notwendig verbundenen Kosten wie Berufswerkzeuge (z. B.
Personalcomputer), Berufskleider, Fachliteratur, Beiträge an Berufsverbände
usw. abgegolten, es sei denn, dass höhere tatsächliche Auslagen nachgewiesen
werden können (vgl. Luzerner Steuerbuch § 33 Nr. 3). Auch insoweit sind keine
behinderungsbedingten Kosten nachgewiesen.

Die Beschwerde ist daher hinsichtlich der direkten Bundessteuer abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist.

II. Staats- und Gemeindesteuern

6.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann nach Art. 95
lit. a BGG die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden. Die Verletzung von
kantonalem Recht bildet keinen eigenständigen Rügegrund. Das Bundesgericht
prüft frei, ob die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts im
harmonisierten Bereich mit den bundesrechtlichen Vorschriften übereinstimmen.
Wo das Bundesrecht den Kantonen einen Spielraum einräumt, ist die Kognition des
Bundesgerichts auf Willkür beschränkt (BGE 134 II 207 E. 2 S. 210). Vorliegend
stimmen die massgeblichen Vorschriften des Steuergesetzes des Kantons Luzern
vom 22. November 2012 (StG, in der hier anwendbaren Fassung vom 9. März 2009)
mit den Vorschriften des DBG wörtlich überein (vgl. § 33 Abs. 1, § 40 Abs. 1
lit. h StG). Unter diesen Umständen drängt sich eine analoge Auslegung der
kantonalen Vorschriften auf und ist die Beschwerde hinsichtlich der Staats- und
Gemeindesteuern gleich zu beurteilen wie in Bezug auf die direkte Bundessteuer.
Das führt zur Abweisung der Beschwerde auch hinsichtlich der Staats- und
Gemeindesteuern.

7.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, soweit darauf einzutreten ist,
und im vereinfachten Verfahren zu erledigen (Art. 109 BGG). Auf die Erhebung
von Gerichtskosten wird ausnahmsweise verzichtet (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der direkten Bundessteuer abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.

2.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Staats- und Gemeindesteuern abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Dienststelle Steuern des Kantons
Luzern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Mai 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Wyssmann