Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1271/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1271/2012

Urteil vom 6. Mai 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donjallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Egli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Kurt Gaensli,
Beschwerdeführer,

gegen

Polizei Luzern Abteilung Gastgewerbe und Gewerbepolizei,
Kasimir-Pfyffer-Strasse 26, 6002 Luzern.

Gegenstand
Waffenwesen,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 19. November 2012.

Sachverhalt:

A.
Der Schweizer Bürger X.________ ersuchte am 24. Oktober 2011 bei der Luzerner
Polizei um Ausstellung eines Europäischen Feuerwaffenpasses. Der beigelegte
Strafregisterauszug vom 19. Oktober 2011 weist zwei Einträge auf: Am 22.
Februar 2008 wurde X.________ wegen Fahrens ohne Führerausweis oder trotz
Entzugs zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 150.-- verurteilt.
Zugleich wurde eine ambulante Behandlung angeordnet. Am 9. März 2011 erfolgte
eine weitere Verurteilung wegen Fahrens ohne Führerausweis oder trotz Entzugs
und wegen Fälschung von Ausweisen zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu Fr.
50.--.
Aufgrund dieser Vorstrafen wollte die Luzerner Polizei am 17. November 2011 die
Waffen und die Munition von X.________ beschlagnahmen. Da dieser nicht anwesend
war, konnte die Beschlagnahme nicht vorgenommen werden. X.________ sicherte
jedoch bei der anschliessenden polizeilichen Befragung zu, seine Waffen bis am
19. Dezember 2011 bei der Polizei abzugeben. Am 16. Dezember 2011 teilte
X.________ der Polizei mit, dass er dazu nicht mehr bereit sei.

B.
Am 24. Februar 2012 ordnete die Luzerner Polizei die Beschlagnahme der Waffen,
Munition und des Zubehörs an und forderte X.________ auf, der Polizei die
genannten Gegenstände herauszugeben. Gleichzeitig wurde X.________ das
rechtliche Gehör betreffend die Einziehung bzw. Verwertung eingeräumt.
X.________ verweigerte die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände und gab
an, diese versteckt zu haben. Mit Entscheid vom 30. Mai 2012 ordnete die
Luzerner Polizei die Einziehung und Verwertung dreier namentlich genannter
Waffen (Repetierbüchse, Drilling, Bockdoppelflinte) und der Munition von
X.________ an. Unter Androhung der Ungehorsamsstrafe (Art. 292 StGB) wurde ihm
der Erwerb und Besitz von Waffen untersagt und X.________ wurde verpflichtet,
alle weiteren in seinem Besitz befindlichen Waffen und seine Munition der
Polizei abzugeben; eine Ausdehnung der Einziehungsverfügung blieb ausdrücklich
vorbehalten. Gegen den Entscheid vom 30. Mai 2012 erhob X.________ erfolglos
Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern.

C.
Vor Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 19. November 2012 aufzuheben, ihm die Waffen und die
Munition zur freien Verfügung unter bestimmungsgemässem Gebrauch zu belassen,
den Erwerb und Besitz von Waffen weiterhin zu bewilligen, auf eine
Beschlagnahme, Einziehung und Verwertung der Waffen zu verzichten, eventualiter
die Waffen bis auf Weiteres staatlich oder privat aufzubewahren und ihm für
konkrete Jagdausflüge auf sein Begehren herauszugeben.
Die Luzerner Polizei und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern beantragen
die Abweisung der Beschwerde.

D.
Der Beschwerdeführer hat am 6. März 2013 eine Replik eingereicht.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen kantonal letztinstanzliche Urteile, die gestützt auf das Bundesgesetz
vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG; SR
514.54) bzw. die entsprechende Verordnung vom 2. Juli 2008 (Waffenverordnung,
WV; SR 514.541) ergehen, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 ff. BGG; vgl. Urteile
2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 1.1; 2C_797/2008 vom 30. April 2009 E.
1.1, nicht publ. in: BGE 135 I 209). Auf die form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde des hierzu legitimierten Beschwerdeführers (Art. 89
Abs. 1 BGG) ist daher einzutreten.

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Hinsichtlich der
Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs.
2 BGG; BGE 136 I 229 E. 4.1 S. 235 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Art. 9, 26 und 36 BV sowie der
Bestimmungen des Waffengesetzes. Es sei unverhältnismässig, ihm wegen zweier
Verstösse im "Bagatellbereich" die Waffen zu entziehen und ihm damit die
jahrzehntelang korrekt ausgeübte Tätigkeit als Jäger zu verunmöglichen. Zudem
habe er ungeachtet seiner Strafregistereinträge 2009 einen Jagdpass für
Jagdpächter erhalten und in schutzwürdiger Weise darauf vertraut, auch die zur
Jagd benötigten Waffen besitzen und gebrauchen zu dürfen. Ferner sei stossend,
dass erst sein Antrag um einen Europäischen Feuerwaffenpass Anstoss für das
vorliegende Verfahren gegeben habe. Als mildere Massnahme zur Einziehung und
Verwertung der Waffen sei deren Verwahrung bei der Waldbehörde oder
Jagdgesellschaft anzuordnen.

3.
3.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht kein Anlass, auf die
mit Urteil 2C_158/2011 vom 29. September 2011 bestätigte Rechtsprechung
zurückzukommen. Das Bundesgericht hat im genannten Urteil seine Praxis
bestätigt, wonach bei zwei Strafregistereinträgen die Voraussetzungen für die
Beschlagnahme erfüllt sind, ungeachtet der Art der eingetragenen Verbrechen
oder Vergehen (vgl. Art. 31 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. d WG).
Dabei ist nicht zusätzlich im Einzelfall zu prüfen, ob sich die Beschlagnahme
rechtfertigt bzw. ob sie verhältnismässig ist. Genauso wenig ist ausdrücklich
festzustellen, ob der Betroffene eine gewalttätige oder gemeingefährliche
Gesinnung bekundet (Urteil 2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 3; vgl. ferner
Urteile 2C_125/2009 vom 4. August 2009 E. 3.3 ff.; 2C_93/2007 vom 3. September
2007 E. 5.1).

3.2 Diese durchaus strenge Praxis des Bundesgerichts folgt dem Wortlaut der
einschlägigen Normen (Art. 31 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 lit. d WG),
entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Urteil 2C_125/2009 vom 4. August
2009 E. 3.4) und ist zum Schutz der Polizeigüter bzw. zur Bekämpfung der
missbräuchlichen Verwendung von Waffen geboten (Art. 1 Abs. 1 WG; Urteil 2C_158
/2011 vom 29. September 2011 E. 3.5). Personen, die Waffen besitzen wollen,
müssen mit Blick auf die erhöhten Gefahren, welche von diesen Gegenständen
ausgehen, besonders zuverlässig sein. Durch wiederholtes deliktisches Verhalten
von erheblicher Schwere (Vergehen oder Verbrechen) wird das Vertrauen in die
betreffende Person erschüttert, dass sie weiterhin in jeder Hinsicht
ordnungsgemäss mit Waffen umgehen wird (Urteil 2C_158/2011 vom 29. September
2011 E. 3.5).

3.3 Diese Rechtsprechung gilt ebenso für Jäger bzw. für sog. privilegierte
Waffen im Sinne von Art. 10 WG (Jagdwaffen), die ohne Waffenerwerbsschein
erworben werden können (Urteil 2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 3). Die in
Art. 8 Abs. 2 WG genannten waffenrechtlichen Hinderungsgründe stehen allgemein
dem Recht auf Waffenerwerb, Waffenbesitz und Waffentragen entgegen (Art. 3 WG;
vgl. insb. Art. 10a Abs. 2, Art. 28b lit. b sowie Art. 31 Abs. 1 lit. b und
Abs. 2 WG; Urteile 2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 3; 2A.358/2000 vom 30.
März 2001 E. 5b; HANS WÜST, Schweizer Waffenrecht, 1999, S. 73, 170 ff.). Die
einschlägige Norm zum Waffenbesitz (Art. 12 WG) nennt zwar das Fehlen
waffenrechtlicher Hinderungsgründe nicht ausdrücklich als Voraussetzung für das
Recht auf Waffenbesitz. Solches ergibt sich aber durch den expliziten Verweis
auf den rechtmässigen Erwerb (Art. 12 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 WG bzw. Art. 10a
Abs. 2 WG) wie auch implizit über die Regelung zur Beschlagnahme und Einziehung
(Art. 31 WG; Urteil 2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 3.6).

3.4 Die beiden Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen Vergehen (vgl. Art. 10
StGB i.V.m. Art. 95 SVG) im Strassenverkehrsbereich sind demnach
Hinderungsgründe für den weiteren Waffenbesitz; eine Beschlagnahme ist
gerechtfertigt. Welche Umstände den Straftaten zugrunde lagen, ist angesichts
der rechtskräftigen Strafurteile nicht entscheidend. Ebenfalls ist unerheblich,
dass die Behörden erst tätig wurden, nachdem der Beschwerdeführer einen
Europäischen Feuerwaffenpass beantragt und hierbei einen Strafregisterauszug
aufgelegt hatte (vgl. Urteil 2C_158/2011 vom 29. September 2011 E. 3.7).

3.5 Als mildere Massnahme gegenüber der Einziehung und Verwertung beantragt der
Beschwerdeführer, die Waffen bei der Waldbehörde oder bei der Jagdgesellschaft
zu verwahren, damit er sie dort jeweils für die Jagd beziehen könne. Die
beantragte Massnahme widerspricht jedoch der gesetzlichen Regelung: Aufgrund
der waffenrechtlichen Hinderungsgründe ist dem Beschwerdeführer der
Waffenbesitz nicht gestattet, auch nicht im Rahmen der Jagd (vgl. E. 3.3). Zu
Recht hat die Vorinstanz die Gefahr missbräuchlicher Verwendung der
beschlagnahmten Gegenstände bejaht und sie eingezogen. Der Begriff der "Gefahr
missbräuchlicher Verwendung" als Voraussetzung für die (definitive) Einziehung
nach Art. 31 Abs. 3 lit. a WG ist nach der Rechtsprechung weit zu fassen (vgl.
BGE 135 I 209 E. 3.2.1 S. 213 f. und E. 3.2.2 S. 214 f.; Urteile 6B_204/2012
vom 11. Juni 2012 E. 4.2; 2C_93/2007 vom 3. September 2007 E. 6.3; 2A.358/2000
vom 30. März 2001 E. 6a). Darunter fallen auch die vorliegenden
Hinderungsgründe, die dem Recht auf Waffenerwerb und -besitz noch mehrere Jahre
entgegenstehen (vgl. Urteil 2A.294/2003 vom 17. Juni 2004 E. 3.3). Hinzu kommt,
dass die Vorinstanz ausführlich und nachvollziehbar darlegte, weshalb aufgrund
des bisherigen renitenten und uneinsichtigen Verhaltens des Beschwerdeführers
gegenüber staatlichen Organen nicht ausgeschlossen werden kann, dass er in
Situationen, in denen er sich allenfalls erneut provoziert sieht, seine Waffen
missbräuchlich verwenden könnte.

3.6 Das Waffengesetz und die Praxis hierzu berücksichtigen die Anliegen der
Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) hinreichend. Der angefochtene Entscheid beruht
nach dem Gesagten auf einer gesetzlichen Grundlage, liegt im öffentlichen
Interesse und ist verhältnismässig (Art. 36 BV). Ein allfälliger Nettoerlös aus
der Verwertung der eingezogenen Gegenstände wird dem Beschwerdeführer
ausbezahlt (vgl. Art. 54 WV; BGE 135 I 209 ff.).

3.7 Schliesslich begründet der Umstand, dass die zuständigen Jagdbehörden dem
Beschwerdeführer einen Jagdpass ausgestellt haben, keine
Vertrauensschutzposition (vgl. Art. 9 BV; BGE 137 I 69 E. 2.5.1 S. 72 f. mit
Hinweisen). Jagd- und Waffenwesen sind unterschiedliche Regelungsbereiche, die
von unterschiedlichen Behörden vollzogen werden. Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens ist nicht die Jagdberechtigung des Beschwerdeführers, sondern die
Beschlagnahme und Einziehung seiner Waffen. Letzteres ist in der
Jagdgesetzgebung nicht besonders geregelt, namentlich geht mit der
Jagdberechtigung kein Recht auf Waffenerwerb und -besitz einher (Art. 2 Abs. 3
WG; Art. 4 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender
Säugetiere und Vögel [Jagdgesetz, JSG; SR 922.0]; §§ 15 ff. des Kantonalen
Gesetzes vom 5. Dezember 1989 über die Jagd und den Schutz wildlebender
Säugetiere und Vögel [Kantonales Jagdgesetz; SRL 725]; Urteil 2C_158/2011 vom
29. September 2011 E. 3.1).

4.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist abzuweisen. Dem
Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Mai 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Egli

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