Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1259/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1259/2012

Urteil vom 22. April 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich, Berninastrasse 45, 8090 Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 14. November 2012.

Sachverhalt:

A.
Der kosovarische Staatsangehörige X.________ (geb. 1983) reiste Ende 1995 in
die Schweiz ein und ersuchte zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern
erfolglos um Asyl. Im Rahmen einer gruppenweise vorläufigen Aufnahme von
Asylsuchenden aus dem Kosovo konnte er zunächst in der Schweiz verbleiben. Die
kollektive vorläufige Aufnahme wurde per 16. August 1999 wieder aufgehoben und
X.________ kehrte in seine Heimat zurück. Mitte 2002 reiste er wieder zum
Zwecke der Heiratsvorbereitung in die Schweiz ein. Am 9. September 2002
heiratete er die spanische Staatsangehörige Y.________ (geb. 1965), worauf ihm
eine bis 8. September 2007 gültige Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA erteilt
wurde. Im Mai 2005 zog X.________ aus der ehelichen Wohnung aus und weilte in
der Folge im Kosovo. Am 1. November 2005 kehrte er in die Schweiz zurück und
wohnte zunächst bei seinem Vater und später in einer eigenen Wohnung. Trotz des
getrennten Wohnsitzes der Ehegatten verlängerte das Migrationsamt des Kantons
Zürich die Aufenthaltsbewilligung von X.________ jeweils um ein Jahr, zuletzt
bis 8. September 2011.

B.
Mit Verfügung vom 2. August 2011 widerrief das Migrationsamt die
Aufenthaltsbewilligung und setzte X.________ eine Frist bis 31. Oktober 2011,
um die Schweiz zu verlassen. Die Sicherheitsdirektion bzw. das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich bestätigten am 16. April 2012 bzw. 14.
November 2012 diesen Entscheid.

C.
X.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
vom 19. Dezember 2012, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich
sei aufzuheben und ihm der weitere Verbleib in der Schweiz zu ermöglichen;
eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Die Sicherheitsdirektion und das Migrationsamt des Kantons Zürich haben sich
nicht vernehmen lassen. Das Bundesamt für Migration schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2012 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig - d.h. in
willkürlicher Weise - oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte
ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss
rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete
Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft erscheint (Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255; 133 III 350 E. 1.3 S.
352). Willkür liegt nicht bereits dann vor, wenn eine andere Sicht ebenfalls
vertretbar oder sogar zutreffender erschiene, sondern nur, wenn sich die
vorinstanzliche Beurteilung als offensichtlich unhaltbar erweist, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt bzw. in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148 mit
Hinweisen). Auf rein appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.).

1.2 Es ist fraglich, inwieweit die vorliegende Eingabe den entsprechenden
Anforderungen genügt (vgl. auch LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar,
Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 52 ff. zu Art. 42 BGG): Der
Beschwerdeführer beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die bereits vor der
Vorinstanz erhobenen Einwände zu wiederholen. Zwar behauptet er, die
Feststellung des Sachverhalts und die Schlussfolgerungen der Vorinstanz seien
willkürlich, er legt indessen nicht dar, inwiefern die Darlegungen der
Vorinstanz als offensichtlich unhaltbar gelten müssten (vgl. Art. 106 Abs. 2
BGG; "qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht": BGE 133 II 249 E. 1.4.2
S. 254). Dies ist auch nicht ersichtlich.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, die Vorinstanz habe seinen
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Sie habe zu Unrecht den Mangel, dass
das Migrationsamt ihn zu den Befragungen der Kinder seiner Ehefrau nicht mehr
vernommen habe, als im Rekursverfahren vor der Sicherheitsdirektion geheilt
betrachtet (vgl. angefochtener Entscheid E. 2.2).

2.2 Grundsätzlich führt die Verletzung des rechtlichen Gehörs ungeachtet der
Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E. 2.2 S. 197 mit Hinweis). Eine nicht
besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann aber
ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit
erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den
Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser
Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst
bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von
einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die
Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen
Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten)
Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache
nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f. mit Hinweisen).
Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, vor der Sicherheitsdirektion des
Kantons Zürich, welche den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen
konnte, umfassend Akteneinsicht zu nehmen und sich zu den diversen Befragungen,
insbesondere der Kinder seiner Ehefrau, zu äussern. Unter diesen Umständen ist
im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den von ihr
festgestellten Gehörsmangel als im Rechtsmittelverfahren geheilt betrachtet
hat.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer hat als Ehegatte einer EU-Bürgerin gestützt auf das
Freizügigkeitsrecht grundsätzlich einen Anspruch auf die Bewilligung, solange
die Ehe formell fortbesteht (Art. 7 lit. d des Abkommens zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit [FZA; SR
0.142.112.681] i.V.m. Art. 3 Anhang I FZA; Urteil des EuGH vom 13. Februar 1985
C-267/83 Diatta, Rec. 1985 S. 567; BGE 130 II 113 E. 8 S. 127 ff.). Dieses
Recht steht indessen unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs (BGE 130 II 113
E. 9 S. 129 ff.); fehlt der Wille zur Gemeinschaft und dient das formelle
Eheband ausschliesslich dazu, die ausländerrechtlichen Zulassungsvorschriften
zu umgehen, fällt der entsprechende Anspruch dahin (Urteile 2C_886/2011 vom 28.
Februar 2012 E. 3.1; 2A.557/2002 vom 3. Juni 2004 E. 5). Die abgeleitete
Bewilligung des Drittstaatsangehörigen kann in diesem Fall mangels
Fortbestehens der Bewilligungsvoraussetzungen gestützt auf Art. 23 Abs. 1 VEP
(SR 142.203) i.V.m. Art. 62 lit. a (falsche Angaben oder Verschweigen
wesentlicher Tatsachen) oder lit. d AuG (Nichteinhalten einer mit der Verfügung
verbundenen Bedingung) widerrufen werden.

3.2 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (vgl. E.
1 hiervor), dass es Ende Mai 2005 zur Trennung der Ehegatten kam und eine
Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bis heute nicht stattgefunden hat.
Aufgrund diverser Befragungen der Ehegatten sowie der Kinder der Ehefrau kam
die Vorinstanz zum Schluss, dass der Beschwerdeführer und seine fast 20 Jahre
ältere Ehefrau zwar immer noch freundschaftlich miteinander verbunden sind, das
Verhältnis zwischen ihnen aber lediglich noch einen unverbindlichen kollegialen
Charakter aufweist. Daraus hat die Vorinstanz geschlossen, der Beschwerdeführer
könne aus dem bloss noch formalen Bestand der Ehe kein Aufenthaltsrecht mehr
ableiten (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.4 und 3.5).

3.3 Was der Beschwerdeführer dagegen ausführt, vermag nicht zu überzeugen: Der
Beschwerdeführer lebt mittlerweile seit fast acht Jahren von seiner Ehegattin
getrennt. Konnte in einer Anfangsphase allenfalls noch davon ausgegangen
werden, dass die Eheleute wieder zusammenfinden würden, war dies bei Erlass der
Verfügung durch das Amt für Migration am 2. August 2011 nicht mehr der Fall.
Zwar macht der Beschwerdeführer geltend, sie stünden in regelmässigem
telefonischen Kontakt und es bestehe nach wie vor eine "starke seelische
Verbundenheit" zueinander; es komme auch noch zu intimen Kontakten. Es handle
sich keinesfalls um eine "völlig inhaltslose Ehe". Der Beschwerdeführer räumt
weiter ein, es möchten einzelne Indizien für eine bloss noch freundschaftliche
Verbundenheit sprechen; es lägen aber auch gewichtige Indizien gegen diese
Annahme vor.
3.3.1 Zu Recht hat die Vorinstanz jedoch darauf hingewiesen, dass persönliche
Treffen der Eheleute selten sind und diese auch seit mehreren Jahren keine
Ferien mehr zusammen verbracht haben. Auch andere gemeinsame Aktivitäten sind
weder dargelegt noch ersichtlich. Daraus durfte die Vorinstanz schliessen, die
Ehegatten hätten sich im Laufe der nun bald acht Jahre anhaltenden Trennung
nicht wieder angenähert und trotz der jeweils erklärten Absicht, die eheliche
Gemeinschaft wieder aufzunehmen, seien offenbar keine konkreten Schritte in
diese Richtung unternommen worden. Dies gilt umso mehr seit dem Umzug der
Ehefrau, wodurch die örtliche Distanz zwischen den Eheleuten sogar noch grösser
wurde (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.5). Die Wiederaufnahme eines
gemeinsamen Familienlebens scheint unter diesen Umständen als äusserst
unwahrscheinlich und die diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers als
reines Wunschdenken.
3.3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich somit auf eine inhaltsleere, nur noch
formell fortbestehende Ehe, um sein Anwesenheitsrecht zu sichern. Hierzu dient
die freizügigkeitsrechtliche Nachzugsregelung für Drittstaatsangehörige
indessen nicht. Die Bewilligung war dem Beschwerdeführer zum Verbleib bei
seiner Gattin erteilt worden; mit dem materiellen Scheitern der Ehe und der
ausschliesslich noch ausländerrechtlich motivierten Anrufung des Ehebands sind
die Bewilligungsvoraussetzungen dahingefallen und durfte die
Aufenthaltsbewilligung deshalb widerrufen werden.

3.4 Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer auch nicht (mehr) auf Art. 49
bzw. 50 AuG. Es sind denn auch keine wichtigen Gründe für getrennte Wohnorte
bzw. wichtige persönliche Gründe für einen weiteren Verbleib des
Beschwerdeführers in der Schweiz ersichtlich.

4.
4.1 Der angefochtene Entscheid verletzt damit weder Bundes- noch
Staatsvertragsrecht. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen.

4.2 Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet
(Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, der
Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer,
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. April 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger