Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1196/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1196/2012

Urteil vom 25. April 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung, Bundeshaus
Ost, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin in Sirkka Messerli,

Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation, Effingerstrasse 27,
3003 Bern.

Gegenstand
Nachträglicher Erwerb eines Hochschultitels,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II, vom
22. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________, schweizerische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz,
absolvierte die Physiotherapieschule Bad Säckingen in Baden-Württemberg
(Deutschland) und erhielt am 14. Juli 1997 die Erlaubnis zur Führung der
Berufsbezeichnung "Physiotherapeutin". Am 26. Juli 1999 stellte das
Schweizerische Rote Kreuz (SRK) X.________ einen Anerkennungsausweis aus,
wonach diese als "diplomierte Physiotherapeutin" registriert werde. Seit 2000
arbeitete sie in verschiedenen Stellen in der Schweiz als Physiotherapeutin. Im
Jahre 2011 absolvierte sie an der Berner Fachhochschule Gesundheit den
Nachdiplomkurs "wissenschaftliche Vertiefung in Physiotherapie" mit einem
Umfang von 10 ECTS-Credits.
A.b Mit Gesuch vom 14./15. September 2011 beantragte X.________ beim Bundesamt
für Berufsbildung und Technologie (BBT; heute: Staatssekretariat für Bildung,
Forschung und Innovation, SBFI) den nachträglichen Erwerb des
Fachhochschultitels. Mit Verfügung vom 14. Oktober 2011 trat das BBT auf das
Gesuch nicht ein (recte: wies es das Gesuch ab), da X.________ kein
entsprechendes Diplom einer vom SRK anerkannten schweizerischen Schule
nachweisen könne.

B.
X.________ erhob dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem
Antrag, es sei ihr in Aufhebung der angefochtenen Verfügung und in Gutheissung
ihres Gesuchs vom 15. September 2011 nachträglich der Fachhochschultitel "dipl.
Physiotherapeutin FH" zu erteilen. Mit Urteil vom 22. Oktober 2012 hiess das
Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut, hob die angefochtene Verfügung auf
und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurück.

C.
Mit Eingabe vom 30. November 2012 erhebt das Eidgenössische
Volkswirtschaftsdepartement (EVD; heute: Eidgenössisches Departement für
Wirtschaft, Bildung und Forschung, WBF) beim Bundesgericht Beschwerde mit dem
Antrag, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und die Verfügung
des BBT vom 14. Oktober 2011 zu bestätigen. Das Bundesverwaltungsgericht
verzichtet auf Vernehmlassung. Das SBFI unterstützt die Beschwerde des
Departements. X.________ beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten,
eventuell sie abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den
angefochtenen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich
zulässig (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Ein Ausnahmegrund
liegt nicht vor, namentlich nicht derjenige von Art. 83 lit. t BGG, da es nicht
um die Beurteilung einer individuellen Fähigkeit geht, sondern um die
Voraussetzungen zur Tragung eines Berufstitels aufgrund einer bestimmten
Ausbildung (vgl. BGE 138 II 42 E. 1.2; Urteile 2C_417/2011 vom 13. Januar 2012
E. 1; 2C_731/2010 vom 16. November 2011 E. 1.1.3). Das Departement ist aufgrund
von Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG zur Beschwerde legitimiert.

1.2 Der angefochtene Entscheid ist ein Rückweisungsentscheid und damit ein
Zwischenentscheid, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93 BGG
beim Bundesgericht anfechtbar ist (BGE 133 V 477 E. 4). Weist ein Gericht eine
Sache mit verbindlichen Vorgaben zur neuen Beurteilung an eine Behörde zurück,
so stellen diese Vorgaben für die Behörde einen nicht wieder gut zu machenden
Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) dar, weil sie entgegen ihrer
Rechtsauffassung einen Entscheid erlassen müsste, den sie in der Folge nicht
mehr anfechten kann (BGE 133 V 477 E. 5.2.4). Dies gilt gemäss Rechtsprechung
auch für Behörden, die auf einen Rückweisungsentscheid hin nicht selber neu
verfügen müssen, wenn sie in der interessierenden Sache zwar beim Bundesgericht
beschwerdebefugt sind, nicht jedoch bei der dem Bundesgericht vorgelagerten
Instanz (Urteile 2C_258/2008 vom 27. März 2009 E. 3.6.2; 8C_969/2008 vom 2.
März 2009 E. 3.2; 2C_420/2008 vom 3. Februar 2009 E. 4.5.2 und 2C_275/2008 vom
19. Juni 2008 E. 1.2). Vorliegend hätte das SBFI die neue Verfügung zu
erlassen; das Departement könnte dessen Entscheid nicht beim
Bundesverwaltungsgericht anfechten; es kann daher grundsätzlich gegen den
angefochtenen Rückweisungsentscheid Beschwerde erheben (Art. 37 VGG i.V.m. Art.
48 VwVG; Art. 61 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die
Berufsbildung [Berufsbildungsgesetz, BBG; SR 412.10]; Urteil 2C_275/2008 vom
19. Juni 2008 E. 1.2).

1.3 Dies gilt aber nur, soweit der Rückweisungsentscheid materiellrechtliche
Vorgaben enthält, welche die untere Instanz bei ihrem neuen Entscheid befolgen
muss. Erschöpft sich der Rückweisungsentscheid in der Aussage, dass eine Frage
ungenügend abgeklärt erscheine und deshalb näher zu prüfen sei, ohne dass damit
materiellrechtliche Vorgaben verbunden sind, so entsteht der Behörde, an die
zurückgewiesen wird, kein nicht wieder gut zu machender Nachteil, führt die
Rückweisung doch bloss zu einer dieses Kriterium nicht erfüllenden Verlängerung
oder Verteuerung des Verfahrens (BGE 136 II 165 E. 1.2.1; 133 V 477 E. 5.2.2;
Urteil 8C_190/2011 vom 13. Februar 2012 E. 3, nicht publ. in BGE 138 V 161;
Urteile 8C_400/2012 vom 28. Juni 2012 E. 2.2; 2C_258/2008 vom 27. März 2009 E.
3.5, StE 2009 B 96.21 Nr. 14; HANSJÖRG SEILER, Rückweisungsentscheide in der
neueren Sozialversicherungspraxis des Bundesgerichts,
Sozialversicherungsrechtstagung 2008, S. 32 f.). Dasselbe gilt, wenn ein
Rückweisungsentscheid zwar einige materielle Teilfragen beantwortet, aber nur
solche, die von der Beschwerde führenden Behörde gar nicht beanstandet werden,
und in anderen Punkten zu neuer Prüfung ohne materielle Vorgaben zurückweist.
Denn in diesem Fall entsteht für die Behörde kein nicht wieder gut machender
Nachteil, so dass kein Anlass besteht, auf die Beschwerde einzutreten. Damit
lässt sich auch die Problematik vermeiden, dass das Bundesgericht materielle
Rechtsstandpunkte zum Nachteil der privaten Gegenpartei bestätigt, welche den
Rückweisungsentscheid nicht anfechten konnte (vgl. dazu BGE 138 V 106 E. 2.2;
SEILER, a.a.O., S. 37 ff.).

1.4 Streitthema ist vorliegend, ob die Beschwerdegegnerin die Voraussetzungen
für den (nachträglichen) Erwerb des Fachhochschultitels gemäss Art. 1 Abs. 3
der Verordnung des EVD vom 4. Juli 2000 über den nachträglichen Erwerb des
Fachhochschultitels (SR 414.711.5) erfüllt, wobei einzig die Voraussetzung nach
lit. a dieser Bestimmung (Diplom einer vom SRK anerkannten Schule) umstritten
ist.
Die Vorinstanz erwog zunächst, die Schule Bad Säckingen sei im Zeitpunkt, in
dem die Beschwerdegegnerin ihr Diplom erworben habe, nicht vom SRK anerkannt
gewesen, weshalb die streitige Voraussetzung nicht erfüllt sei (E. 4). Sodann
verneinte sie einen Anspruch auf den Fachhochschultitel aus Treu und Glauben
(E. 5). Ebenso verneinte sie eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit (E. 7).
Bezüglich der von der Beschwerdegegnerin erhobenen Rüge der Verletzung des
Gleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) führte die Vorinstanz aus, eine allfällige
Gleichbehandlung müsse mit Blick auf das Verhältnis zwischen der
Beschwerdeführerin (bzw. heutigen Beschwerdegegnerin) und Diplomierten der
Physiotherapieschule Bad Säckingen, welche dort das zusätzliche vierte
Ausbildungsjahr absolviert hätten, geprüft werden. Es stelle sich die Frage, ob
sich das von den Diplomierten der späteren Jahrgänge abgeschlossene zusätzliche
Ausbildungsjahr inhaltlich und qualitativ mit dem zusätzlichen Praxisjahr
gleichsetzen lasse, welches die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben im
Hinblick auf die Anerkennung ihres Abschluss durch das SRK habe vorweisen
müssen. Diese Frage könne anhand der vorliegenden Akten nicht beantwortet
werden, sondern es bedürfe dazu ergänzender tatsächlicher Feststellungen, die
wegen ihrer fachtechnischen Natur nicht durch das Bundesverwaltungsgericht
vorzunehmen wären (E. 6.5.1). Falls sich das Praxisjahr als gleichwertig
herausstellen sollte, bliebe in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen, ob das SRK
mit der Anerkennung des vierten Ausbildungsjahres auch die Physiotherapieschule
Bad Säckingen als solche anerkannte; ein Stempel des SRK auf entsprechenden
Diplomen dürfte diese Anerkennung indizieren (E. 6.5.2). Die Darstellung des
BBT, wonach das von der Beschwerdeführerin absolvierte Ausbildungsprogramm vom
SRK nicht geprüft worden sei, scheine mindestens ungenau zu sein, da laut
Anerkennungsausweis das SRK die Ausbildung und Berufskenntnisse der
Beschwerdeführerin vor ihrer Registrierung als dipl. Physiotherapeutin geprüft
habe. Worin die Prüfung im Einzelnen bestanden habe, gehe aus dem
Anerkennungsausweis nicht hervor (E. 6.5.3). Zusammenfassend habe das BBT den
Sachverhalt hinsichtlich verschiedener für die Beurteilung einer etwaigen
Gleichbehandlung relevanter Aspekte zu wenig abgeklärt. Angesichts des
überwiegend fachtechnischen Charakters seien die gebotenen ergänzenden
Abklärungen durch das BBT vorzunehmen (E. 6.6).

1.5 Das Beschwerde führende Departement äussert sich mit keinem Wort zum
Vorliegen der Voraussetzungen zur ausnahmsweisen Anfechtung von
Rückweisungsentscheiden (vgl. vorne E. 1.2 und E. 1.3). Es stellt auch nicht
die materiellen Aussagen der Vorinstanz in den E. 4, 5 und 7 des angefochtenen
Entscheides in Frage, sondern beanstandet nur die Verpflichtung, eine
Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots zu prüfen. Es macht geltend, zwischen
dem Abschluss der Beschwerdegegnerin und dem der Absolventen ab 1999 bestünden
Unterschiede, die eine identische Titelvergabe nicht rechtfertigen würden. Das
Bundesverwaltungsgericht verkenne zudem, dass die gesamtschweizerische
Anerkennung einer Ausbildungsstätte durch das SRK (im Sinne von Art. 1 Abs. 3
lit. a Ziff. 1 der Verordnung) und die Prüfung der Gleichwertigkeit eines
ausländischen Abschlusses auf unterschiedlichen Verfahren und Zielsetzungen
beruhten. Massgebend für die nachträgliche Erteilung des Fachhochschultitels
könne nicht das Ergebnis der vom Bundesverwaltungsgericht verlangten Prüfung
der Gleichwertigkeit des Abschlusses der Beschwerdegegnerin aus dem Jahre 1997
mit den ab 1999 erfolgten Ausbildungsabschlüssen sein. Massgebend sei, dass die
Diplome der Schule Bad Säckingen erst ab 1999 den Status eines Diploms einer
vom SRK anerkannten Schule erlangt hätten. Es könne nicht Gegenstand des
nachträglichen Erwerbs eines Fachhochschultitels sein, vorfrageweise zu prüfen,
ob ein Abschluss mit dem zum Erwerb des Fachhochschultitels berechtigenden
Abschluss vergleichbar sei.

1.6 Die Erwägungen der Vorinstanz können in der Tat den Eindruck erwecken, dass
nicht unterschieden wird zwischen der Frage, unter welchen Umständen eine
(ausländische) Ausbildung zur Berufsausübung in der Schweiz berechtigt (was
Gegenstand der durch das SRK erfolgten Registrierung der Beschwerdegegnerin
war) und der hier einzig zur Diskussion stehenden Frage, unter welchen
Voraussetzungen der Fachhochschultitel nachträglich erworben werden kann.
Indessen hat die Vorinstanz diesbezüglich keine materiellen Vorgaben gemacht:
Sie hat die Angelegenheit einzig zur Prüfung einer "etwaigen Gleichbehandlung
relevanter Aspekte" (E. 6.6 des angefochtenen Entscheids) zurückgewiesen, aber
nicht festgelegt, was mit dem Ergebnis einer solchen Prüfung zu geschehen habe
und was die Konsequenz wäre, wenn sich erweisen sollte, dass die von der
Beschwerdegegnerin absolvierte Ausbildung mit der ab 1999 in der Schule Bad
Säckingen angebotenen als gleichwertig erscheint. Insbesondere hat sie nicht
verbindlich festgelegt, dass in diesem Fall der Beschwerdegegnerin der
Fachhochschultitel zu erteilen sei. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt
werden, dass der angefochtene Entscheid materiellrechtliche Vorgaben enthält,
welche die untere Instanz bei ihrem neuen Entscheid befolgen muss.

2.
Auf die Beschwerde kann aus diesen Gründen nicht eingetreten werden. Das
Departement trägt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG), hat aber der
Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung hat der
Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung
und Innovation sowie dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 25. April 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben