Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1194/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_1194/2012

Urteil vom 31. Mai 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichter Stadelmann,
Gerichtsschreiber Egli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 24. Oktober 2012.

Erwägungen:

1.

1.1. Der dominikanische Staatsangehörige X.________ (geb. 1989) reiste am 8.
März 2004 im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt eine
Aufenthaltsbewilligung, die letztmals bis am 6. April 2010 verlängert wurde. Am
16. Januar 2010 ist X.________ mit der Schweizerin Y.________ zusammengezogen.

 X.________ bezog seit seiner Volljährigkeit bis zum 31. Juli 2012 Sozialhilfe
und wurde deswegen am 25. September 2009 vom Migrationsamt des Kantons Zürich
verwarnt. In der Zeit zwischen April 2008 und Juni 2011 wurden
Unterstützungsleistungen in der Höhe von Fr. 79'879.70 ausgerichtet.

1.2. Am 18. August 2011 verweigerte das Migrationsamt des Kantons Zürich die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.________ wegen fortgesetzter
Sozialhilfeabhängigkeit und wies ihn aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen
kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos.

1.3. Vor Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und das Migrationsamt des
Kantons Zürich anzuweisen, die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Ferner sei
ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

 Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und das Bundesamt für Migration
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich verzichtete auf eine Vernehmlassung.

1.4. Der Abteilungspräsident hat der Beschwerde mit Verfügung vom 17. Januar
2013 aufschiebende Wirkung erteilt.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer gründet seinen Aufenthaltsanspruch auf Art. 8 EMRK
und Art. 13 Abs. 1 BV, da er mit seiner Partnerin in einem eheähnlichen
Konkubinat lebe. Dies bedarf näherer Prüfung. Ob dem Beschwerdeführer
tatsächlich eine Bewilligung zu erteilen ist, bildet Gegenstand der
nachfolgenden materiellen Beurteilung (vgl. BGE 137 I 284 E. 1.3 S. 287 mit
Hinweisen). Insoweit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).

 Nicht einzutreten ist dagegen auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, da ihr
vorliegend keine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. Urteile 2C_398/2011 vom
25. Oktober 2011 E. 2; 2C_1270/2012 vom 2. April 2013 E. 2.1) : Sie bezieht
sich ebenfalls auf die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wobei der
Beschwerdeführer eine Anspruchsbewilligung geltend macht und die von ihm
erhobenen Rügen im Rahmen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten geprüft werden.

2.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Hinsichtlich der
Verletzung von Grundrechten, darin eingeschlossen solcher, die sich aus
Völkerrecht ergeben, gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG;
BGE 138 V 74 E. 2 S. 76 f.; 138 I 367 E. 5.2 S. 373, 274 E. 1.6 S. 280 f.).

2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.). Abzustellen
ist auf den Sachverhalt zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids;
nachträglich eingetretene Tatsachen und Beweismittel ("echte Noven") bleiben
damit im bundesgerichtlichen Verfahren unberücksichtigt (Art. 99 Abs. 1 BGG;
BGE 138 II 393 E. 3.5 S. 397; 135 I 221 E. 5.2.4 S. 229; 133 IV 342 E. 2.1 S.
343 f.; vgl. ferner Urteil 2C_683/2012 vom 19. März 2013 E. 3.3).

3.
Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV), da ihm die Vorinstanz vor Erlass des Urteils nicht
ausdrücklich Gelegenheit gegeben habe, zur Konkretisierung der Heiratsabsichten
Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdeschrift vor
der Vorinstanz auf den Willen zur Eheschliessung hingewiesen und das
Nachreichen entsprechender Belege in Aussicht gestellt. Die Vorinstanz war
aufgrund von Art. 29 Abs. 2 BV nicht gehalten, sich vor Erlass des Urteils beim
Beschwerdeführer zum Stand der Dinge zu erkundigen (vgl. BGE 137 II 266 E. 3.2
S. 270; 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188 f.; 135 II 286 E. 5.1 S. 293; 129 II 297 E.
2.2 S. 504 f.; je mit Hinweisen; vgl. ferner Urteil 2C_81/2013 vom 30. Januar
2013 E. 2.2).

4.

4.1. Unter die Garantie des Familienlebens nach Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1
BV fallen neben der sog. "Kernfamilie" (vgl. BGE 137 I 113 E. 6.1 S. 118) auch
weitere familiäre Verhältnisse, sofern eine genügend nahe, echte und
tatsächlich gelebte Beziehung besteht; entscheidend ist die Qualität des
Familienlebens und nicht dessen rechtliche Begründung (BGE 135 I 143 E. 3.1 S.
148). Das Bundesgericht hat hieraus abgeleitet, dass sich aus einem Konkubinat
ein Bewilligungsanspruch dann ergibt, wenn die partnerschaftliche Beziehung
seit Langem eheähnlich gelebt wird oder konkrete Hinweise auf eine unmittelbar
bevorstehende Hochzeit hindeuten. Die Beziehung der Konkubinatspartner muss
bezüglich Art und Stabilität in ihrer Substanz einer Ehe gleichkommen. Dabei
ist wesentlich, ob die Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben; zudem ist
der Natur und Länge ihrer Beziehung sowie ihrem Interesse und ihrer Bindung
aneinander, etwa durch Kinder oder andere Umstände wie die Übernahme von
wechselseitiger Verantwortung, Rechnung zu tragen (BGE 135 I 143 E. 3.1 S. 148;
Urteile 2C_1035/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 5.1; 2C_634/2011 vom 27. Juni
2012 E. 4.2.2; 2C_207/2012 vom 31. Mai 2012 E. 3.3; 2C_702/2011 vom 23. Februar
2012 E. 3.1; Urteile des EGMR Van der Heijden gegen Niederlande vom 3. April
2012, § 50; Serife Yigit gegen Türkei vom 2. November 2010, §§ 93 ff.).

4.2. Im Urteil 2C_97/2010 vom 4. November 2010 hat das Bundesgericht in
Auseinandersetzung mit der einschlägigen Praxis der Konventionsorgane eine
hinreichende Stabilität der Beziehung in einem Fall verneint, in dem die
Betroffenen seit drei Jahren zusammengelebt hatten, keine Heiratsabsichten
bestanden und die Beziehung kinderlos geblieben war. Es wies darauf hin, dass
nach der Rechtsprechung ein Zusammenleben von 18 Monaten zur Begründung des
Bewilligungsanspruchs in der Regel (noch) nicht genügt (so die Urteile 2C_225/
2010 vom 4. Oktober 2010 E. 2.2 und 2C_300/2008 vom 17. Juni 2008 E. 4.2) und
die Konventionsorgane beim Fehlen von gemeinsamen Kindern einen Anspruch bisher
in Fällen bejaht haben, in denen die Beziehungen jeweils sechs bis achtzehn
Jahre gedauert hatten (E. 3.3). Im Entscheid 2C_1035/2012 vom 21. Dezember 2012
liess das Bundesgericht ein Zusammenleben von vier Jahren alleine nicht genügen
und wies auf das Fehlen konkreter Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende
Hochzeit sowie auf den Umstand hin, dass die Konkubinatspartner weder
gemeinsame Kinder hatten noch gemeinsam Kinder eines Partners aufzogen (E.
5.2). Am 31. Januar 2011 bejahte das Bundesgericht einen Bewilligungsanspruch
bei einem Konkubinatspaar, das zwei Jahre zusammengelebt hatte, wobei eine
Heirat beabsichtigt und aus der Beziehung ein gemeinsames Kind hervorgegangen
war (Urteil 2C_661/2010 vom 31. Januar 2011 E. 3); es verweigerte die
beantragte Bewilligung indessen gestützt auf eine Interessenabwägung im Rahmen
von Art. 8 Ziff. 2 EMRK (E. 4).

4.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, mit Y.________ seit Dezember 2007 eine
Paarbeziehung zu führen und seit dem 16. Januar 2010 zusammenzuleben, wobei er
bereits nach seinem Wegzug aus der elterlichen Wohnung ungefähr fünf Monate bei
der Familie seiner Partnerin verbracht habe. Der Beschwerdeführer hat den
angeblich beabsichtigten Eheschluss im vorinstanzlichen Verfahren nicht
konkretisiert; die im bundesgerichtlichen Verfahren aufgelegten Unterlagen
bleiben als echte Noven unberücksichtigt. Aus der Beziehung sind bisher keine
Kinder hervorgegangen. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers wird seit
seinem freiwilligen Verzicht auf die Sozialhilfe ab 1. August 2012
hauptsächlich von seiner Partnerin bestritten.

4.4. Das im massgeblichen Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils knapp
dreijährige Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner Partnerin begründet
für sich alleine kein eheähnliches Konkubinat, wie das Bundesgericht bereits im
Zusammenhang mit einem drei- bzw. vierjährigen Zusammenleben festgestellt hat
(Urteile 2C_1035/2012 vom 21. Dezember 2012 E. 5.2; 2C_97/2010 vom 4. November
2010 E. 3.3). Vorliegend ist in jüngster Zeit die Bestreitung des
Lebensunterhalts durch die Partnerin hinzugetreten, was es dem Beschwerdeführer
seit August 2012 ermöglicht, bis auf Weiteres keine Sozialhilfe mehr zu
beziehen. In einer solchen massgeblichen finanziellen Unterstützung kann sich
zwar die Übernahme wechselseitiger Verantwortung manifestieren. Doch ist hier
zu beachten, dass die finanzielle Solidarität erst seit relativ kurzer Zeit,
frühestens ab Mai 2012, aktenkundig ist und zeitlich mit dem laufenden
ausländerrechtlichen Verfahren zusammenfällt. Aufgrund dieser Umstände ist
nicht erstellt, dass die partnerschaftliche Beziehung seit Langem eheähnlich
gelebt wird und bezüglich Art und Stabilität in ihrer Substanz einer Ehe
gleichkommt.

4.5. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf den zivilrechtlichen
Konkubinatsbegriff führt zu keinen anderen Schlüssen. Abgesehen davon, dass
dieser Begriff in einem anderen rechtlichen Kontext (Auswirkungen eines
Konkubinats auf die [nach-]ehelichen Unterhaltsansprüche) geprägt worden ist,
versteht die zivilrechtliche Rechtsprechung unter einem qualifizierten bzw.
gefestigten Konkubinat "eine auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte
umfassende Lebensgemeinschaft zweier Personen unterschiedlichen Geschlechts mit
grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter, die sowohl eine geistig-seelische
als auch eine wirtschaftliche Komponente aufweist" (verkürzt als "Wohn-, Tisch-
und Bettgemeinschaft" bezeichnet; BGE 138 III 97 E. 2.3.3 S. 100 f.; 118 II 235
E. 3b S. 238). Eine solch umfassende Lebensgemeinschaft im Sinne einer
eheähnlichen Schicksalsgemeinschaft ist nach der erwähnten ausländerrechtlichen
Praxis Anknüpfungspunkt für einen auf Art. 8 EMRK gestützten
Bewilligungsanspruch, in casu aber gerade nicht erstellt.

4.6. Nicht zu prüfen ist im vorliegenden Verfahren, ob die nach dem Zeitpunkt
des vorinstanzlichen Urteils eingetretenen Tatsachen (Einleiten eines
Ehevorbereitungsverfahren) einen Bewilligungsanspruch begründen können (vgl.
BGE 138 II 393 E. 3.5 S. 397).

5.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensichtlich unbegründet ist. Sie ist
daher im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG abzuweisen. Dem
Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer
kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit nicht zu entsprechen (Art. 64 BGG).
Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 31. Mai 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Egli

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