Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1175/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}

2C_1175/2012       

2C_1176/2012

Urteil vom 29. Juli 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Verfahrensbeteiligte
1. X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Raoul Stampfli,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn, Schanzmühle, Werkhofstrasse 29c, 4509
Solothurn.

Gegenstand
Staatssteuer 2007 (2C_1175/2012) und direkte Bundessteuer 2007 (2C_1176/2012),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 24.
September 2012.

Sachverhalt:

A.
Z.________ (geb. 1920), unterzeichnete am 26. November 1992 im Alter von 72
Jahren als Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigter zwei
Lebensversicherungspolicen der Säule 3b. Die erste Police mit einer
Einmalprämie von Fr. 514'093.-- schloss er auf das Leben seiner Tochter
X.________ (geb. 1962) ab, die zweite Police mit einer Einmalprämie von Fr.
513'210.-- auf das Leben seiner Tochter Y.________ (geb. 1964). Ablaufdatum
beider Policen war der 26. November 2007. Am 26. November 2007 gelangten die
Erlebensfallleistungen von Fr. 1'155'249.-- und Fr. 1'157'186.-- zur
Auszahlung. Z.________ schenkte diese Beträge seinen Töchtern.

B.
Bei der Veranlagung von Z.________ für die Staatssteuer 2007 und die direkte
Bundessteuer 2007 erfasste die Veranlagungsbehörde Grenchen die Differenz
zwischen den ausbezahlten Kapitalen und den Einmalprämien als Ertrag aus
Kapitalversicherung mit Einmalprämie (Veranlagung vom 23. März 2009). Eine
Einsprache wies die Veranlagungsbehörde am 20. Dezember 2011 ab.

Hiergegen führten die beiden Töchter als Rechtsnachfolgerinnen ihres inzwischen
verstorbenen Vaters Rekurs und Beschwerde beim Steuergericht des Kantons
Solothurn. Dieses wies mit Urteil vom 24. September 2012 die Rechtsmittel
hinsichtlich der direkten Bundessteuer und der Staatssteuer ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen X.________
und Y.________, das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 24.
September 2012 sei aufzuheben und auf die Besteuerung der Erträge aus
Kapitalversicherung von Fr. 1'285'132.-- sei zu verzichten.

Das Steueramt des Kantons Solothurn, das Steuergericht des Kantons Solothurn
und die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Die Beschwerdeführerinnen haben mit Eingabe vom 9. April 2013 zu den
Vernehmlassungen Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die vorliegende Sache betrifft einerseits die direkte Bundessteuer 2007,
andererseits die Staatssteuer 2007. Das Kantonale Steuergericht Solothurn hat
die beiden Steuern im nämlichen Urteil behandelt, und auch die
Beschwerdeführerinnen haben nur eine Beschwerdeschrift eingereicht. Es
rechtfertigt sich, die beiden Verfahren zu vereinigen (vgl. Art. 71 BGG i.V.m.
Art. 24 BZP; BGE 131 V 461 E. 1.2 S. 465, 59 E. 1 S. 60 f.; Urteile 2C_711/
2012, 2C_712/2012 vom 20. Dezember 2012 E. 1.2, in: StE 2013 B 26.21 Nr. 7).

1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter
Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG)
eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) einer
letzten, oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG) in
einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG). Die
Beschwerdeführerinnen als Steuernachfolgerinnen ihres Vaters sind durch die
Entscheidung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren
Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.3. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen
Steuerrechts durch die kantonalen Instanzen gleich wie Bundesrecht mit freier
Kognition. In den Bereichen, in denen das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990
über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG;
SR 642.14]) den Kantonen einen gewissen Gestaltungsspielraum belässt oder keine
Anwendung findet, beschränkt sich die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür
(BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; 130 II 202 E. 3.1 S. 205 f.; Urteil 2C_705/2011
vom 26. April 2012 E. 1.5.2 mit Hinweisen).

2.

2.1. Das Kantonale Steueramt Solothurn und die Eidgenössische Steuerverwaltung
beantragen Nichteintreten auf die Beschwerde. Sie erachten die
Beschwerdeschrift als unzureichend begründet. Die Beschwerdeeingabe bestehe im
wesentlichen aus einer Wiederholung der Ausführungen in Rekurs und Beschwerde
an das kantonale Steuergericht und setze sich mehr mit den Ausführungen der
Eidgenössischen Steuerverwaltung im vorinstanzlichen Verfahren auseinander als
mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids.

2.2. Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung
ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht
verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das bedingt, dass sich der Beschwerdeführer
wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids
auseinandersetzt (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245 f.; 134 V 53 E. 3.3 S. 60).
Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten geltend
gemacht wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Eine Verfassungsrüge muss in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet werden (BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88). Dies
bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und
detailliert darzulegen ist, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie
verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234 mit Hinweisen).
Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerde, soweit sie die direkte
Bundessteuer betrifft. Es ist zwar richtig, dass die Beschwerdeführerinnen
nicht ausdrücklich auf einzelne Erwägungen der Vorinstanz Bezug nehmen. Doch
legen sie in ihrer Beschwerdeeingabe nochmals ihre Rechtsstandpunkte und Rügen
dar, die sie in der Beschwerde an die Vorinstanz vorgetragen haben. Das mussten
sie tun, weil blosse Verweisungen auf die Eingaben im kantonalen Verfahren
unstatthaft sind (BGE 138 III 252 E. 3.2 S. 258; 134 I 303 E. 1.3 S. 306;
Urteil 5A_911/2012 vom 14. Februar 2013 E. 2.2). Sodann setzen sie sich mit den
Vorbringen der Eidgenössischen Steuerverwaltung in deren Vernehmlassung an die
Vorinstanz vom 26. März 2012 auseinander. Das ist zweifellos berechtigt und
angebracht, zumal antizipiert werden musste, dass die Eidgenössische
Steuerverwaltung ihre Rechtsstandpunkte auch im bundesgerichtlichen Verfahren
in gleicher oder ähnlicher Weise vortragen wird. Das Steuergericht folgte in
seinem Urteil massgeblich den Ausführungen in den behördlichen Eingaben,
namentlich in der Vernehmlassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Wenn die
Beschwerdeführerinnen sich daher eingehend mit den Argumenten dieser Behörden
auseinandersetzen, nehmen sie implizit auch Stellung zu den Ausführungen im
angefochtenen Entscheid.

2.3. Die Beschwerde genügt damit den Begründungsanforderungen, soweit sie die
direkte Bundessteuer betrifft, deren Anwendung das Bundesgericht frei prüft.
Anders verhält es sich in Bezug auf die Staatssteuer (s. dazu im Kontext,
nachfolgende Ziffer II).

I. Direkte Bundessteuer

3.

3.1. Gemäss Art. 20 Abs. 1 DBG sind steuerbar die Erträge aus beweglichem
Vermögen und nach lit. a insbesondere:

" a. Zinsen aus Guthaben, einschliesslich ausbezahlter Erträge aus
rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit Einmalprämie im Erlebensfall oder
bei Rückkauf, ausser wenn diese Kapitalversicherungen der Vorsorge dienen. Als
der Vorsorge dienend gilt die Auszahlung der Versicherungsleistung ab dem
vollendeten 60. Altersjahr des Versicherten auf Grund eines mindestens
fünfjährigen Vertragsverhältnisses, das vor Vollendung des 66. Altersjahres
begründet wurde. In diesem Fall ist die Leistung steuerfrei".

Übergangsrechtlich bestimmt Art. 205a Abs. 1 DBG:

"Bei Kapitalversicherungen gemäss Art. 20 Absatz 1 Buchstabe a, die vor dem 1.
Januar 1994 abgeschlossen wurden, bleiben die Erträge steuerfrei, sofern bei
Auszahlung das Vertragsverhältnis mindestens fünf Jahre gedauert oder der
Versicherte das 60. Altersjahr vollendet hat."

3.2. Kapitalversicherungen in diesem Sinn sind Lebensversicherungen mit
einmaliger Leistung im Versicherungsfall. Dazu gehören insbesondere die
Todesfallversicherungen, die Erlebensfallversicherungen sowie die gemischten
Versicherungen. Sie sind rückkaufsfähig, sofern bei ihnen ein Kapital angespart
wird. Das ist dann der Fall, wenn der Eintritt des versicherten Ereignisses
gewiss ist. Rückkaufsfähige Versicherungen sind somit mit einem Sparvorgang
verbunden und sammeln ein Deckungskapital an. Nicht rückkaufsfähig sind
Versicherungen, bei denen kein Kapital gebildet wird, bei denen also ein reines
Risiko versichert ist. Tritt das versicherte Ereignis nicht ein, hat der
Versicherer keine Leistung zu erbringen (vgl. BGE 138 II 311 E. 2.4; 136 II 256
E. 2; Kreisschreiben Nr. 24 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 30. Juni
1995 für die direkte Bundessteuer, in: ASA 64 S. 463; Höhn/Waldburger,
Steuerrecht, Band II, 9. Aufl. 2002, § 54 ff. Rz. 59 ff. S. 824 ff.; Gladys
Laffely Maillard, Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 17 f. zu
Art. 20 DBG; Markus Reich, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band
I/2a, 2. Aufl. 2008, N. 22 f. zu Art. 20 DBG; Richner/Frei/Kaufmann/Meuter,
Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 84 zu Art. 20, N. 44 f. zu Art. 24
DBG).
Wie in der Literatur dargelegt wird, ist nach Art. 24 lit. b DBG der
Vermögensanfall aus rückkaufsfähiger privater Kapitalversicherung grundsätzlich
steuerfrei. Die Besteuerung der Erträge aus rückkaufsfähigen
Kapitalversicherungen mit Einmalprämie gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG
bedeutet daher eine Ausnahme vom Grundsatz (Peter Locher, Kommentar zum DBG,
2001, N. 29 zu Art. 20, N. 21 f. zu Art. 24 DBG). Steuerfrei sind diese
Kapitalversicherungen mit Einmalprämie nur, wenn sie der Vorsorge dienen
(Ausnahme von der Ausnahme; Richner et al., a.a.O., N. 86 zu Art. 20 DBG).

3.3. Als der Vorsorge dienend gilt die Auszahlung aus einer rückkaufsfähigen
Kapitalversicherung mit Einmalprämie, wenn - kumulativ - die Auszahlung ab dem
vollendeten 60. Altersjahr erfolgt, das Vertragsverhältnis vor Vollendung des
66. Altersjahres des Versicherten begründet worden ist und mindestens fünf
Jahre gedauert hat (Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG). Bei rückkaufsfähigen
Kapitalversicherungen mit Einmalprämie, die vor dem 1. Januar 1994 begründet
worden sind, bleiben die Erträge steuerfrei, wenn - alternativ - bei der
Auszahlung das Vertragsverhältnis mindestens fünf Jahre gedauert hat  oder der
Versicherte das 60. Altersjahr vollendet hat (Art. 205a Abs. 1 DBG).

4.
Im vorliegenden Fall geht es um zwei rückkaufsfähige Kapitalversicherungen mit
Einmalprämie, die vor dem 1. Januar 1994 abgeschlossen wurden. Art. 205a DBG
findet Anwendung. Bei beiden Kapitalversicherungen mit Einmalprämie dauerte das
Vertragsverhältnis länger als fünf Jahre und hatte der Versicherte bei der
Auszahlung das 60. Altersjahr vollendet. Die Voraussetzungen von Art. 205a Abs.
1 DBG sind damit unbestrittenermassen erfüllt.

Umstritten ist aber, ob eine Kapitalversicherung mit Einmalprämie als
Eigenversicherung ausgestaltet sein muss oder ob eine Fremdversicherung genügt.
Der Versicherungsnehmer, der im Zeitpunkt der Versicherungsabschlüsse das 72.
Altersjahr bereits vollendet hatte, hat die Versicherungen als
Fremdversicherungen auf das Leben seiner Töchter abgeschlossen. Zu prüfen ist
somit, ob Art. 205a Abs. 1 DBG die Ausgestaltung der Kapitalversicherung mit
Einmalprämien als Versicherung auf fremdes Leben gestattet oder nicht. Art.
205a DBG knüpft an Art. 20 Abs. lit. a DBG an. Diese Vorschrift muss daher zur
Auslegung mit herangezogen werden.

4.1. Gemäss Art. 111 Abs. 4 BV fördert der Bund "in Zusammenarbeit mit den
Kantonen die Selbstvorsorge namentlich durch Massnahmen der Steuer- und
Eigentumspolitik". Art. 111 Abs. 4 BV entspricht praktisch wörtlich Art.
34quater Abs. 6 aBV und betrifft die dritte Säule, und zwar nicht nur das
gebundene Sparen (Säule 3a), sondern auch das freie Sparen (Säule 3b; vgl. s.
auch P.-Y. Greber, in: Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen
Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, N. 116 zu Art. 34quater aBV; Ueli Kieser,
in: Die schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 19 zu Art. 111 BV;
Pascal Mahon, in: Petit commentaire de la Constitution fédérale de la
Confédération suisse, 2003, Rz. 15 zu Art. 111 BV). Der Verfassungstext
bezeichnet die steuerlich Begünstigten und die zu treffenden steuerlichen
Massnahmen nicht näher, sondern überlässt deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber.
Die Einbettung in das Drei-Säulen-Konzept setzt der steuerlichen Privilegierung
(durch den Gesetzgeber) allerdings auch Grenzen und verbietet deren Ausdehnung
auf ein "allgemeines Sparen". Die Verfassungsvorschrift kann daher nicht als
Grundlage für die Sparförderung schlechthin dienen. Darauf hat der Bundesrat
bereits in seiner Botschaft vom 10. November 1971 zum Entwurf betreffend die
Änderung der Bundesverfassung auf dem Gebiet der Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (neuer Artikel 34quater BV, BBl 1971 II 1625 f. Ziff. 130.6)
und erneut in der Botschaft vom 1. März 1993 zur Änderung des Bundesgesetzes
über die direkte Bundessteuer (Neufassung von Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG, BBl
1993 I 1201 Ziff. 121) hingewiesen (s. auch Greber, a.a.O., N. 116 zu Art.
34quater aBV; Mahon, a.a.O., Rz. 15 zu Art. 111 BV).

4.2. Das ist auch bei der Auslegung von Art. 20 Abs. 1 lit. a (und Art. 205a
Abs. 1) DBG zu beachten. Bei der  Selbstvorsorge im Sinne von Art. 111 Abs. 4
BV resp. Art. 34quater Abs. 6 aBV geht es um die Vorsorge für die eigene
Person. Das folgt direkt aus dem verfassungsrechtlichen Begriff. Eine
Versicherung auf fremdes Leben läuft diesem Gedanken zuwider. Es ist im Rahmen
der Selbstvorsorge im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a und Art. 205a DBG daher
nicht möglich, den Eintritt des Versicherungsfalls an das Leben einer dritten
Person zu knüpfen. Versicherungsnehmer und versicherte Person müssen somit auch
bei Anwendung von Art. 20 Abs. 1 lit. a und Art. 205a DBG identisch sein.
Obschon das Erfordernis im Gesetz lediglich als "Vorsorge" umschrieben ist,
ergibt sich diese Auslegung doch klar aus dem verfassungsrechtlichen Begriff
der Selbstvorsorge.
Eine Beschränkung der zulässigen Versicherung auf das eigene Leben drängt sich
um so mehr auf, als die Vorsorge per definitionem dazu dienen soll, dem
Versicherten Leistungen zur Verfügung zu stellen für den Fall, dass er den
Versicherungsfall erlebt. Sonst könnte der Steuerpflichtige Versicherungen auf
beliebige Ereignisse abschliessen. Nach der Praxis der Eidgenössischen
Steuerverwaltung ist denn auch eine Versicherung auf zwei Leben nur
ausnahmsweise zulässig, nämlich bei gemeinsamer Veranlagung, d.h. bei Ehegatten
oder eingetragener Partnerschaft (Kreisschreiben, a.a.O., Ziff. 2; so auch
Laffely Maillard, a.a.O., 2008, N. 23 zu Art. 20 DBG; Locher, a.a.O., N. 33 zu
Art. 20 DBG; Reich, a.a.O., N. 26a zu Art. 20 DBG; Richner et al., a.a.O., N.
91 zu Art. 20 DBG).

4.3. Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, entscheidend sei nicht, wessen Leben
versichert sei, sondern wer die begünstigte Person sei. Ältere Leute müssten
oft auf Familienangehörige zählen können. Es sei daher keineswegs abwegig, das
Leben nächster Angehöriger zu versichern. Wirtschaftlich laufe die vom
Verstorbenen gewählte Lösung auf das gleiche hinaus wie eine Eigenversicherung.
Sterbe die versicherte Person vor dem Auslaufen der Lebensversicherung, gelange
die Versicherungssumme vorzeitig zur Auszahlung an den Versicherungsnehmer.
Dieser habe sie also früher wieder zur Verfügung, was ihm im Blick auf die
Sicherung seiner eigenen Existenz zum Vorteil gereiche. Ohne ihnen Gelegenheit
zur Äusserung gegeben und ohne irgendwelche Sachverhaltsabklärungen vorgenommen
zu haben, würde die Vorinstanz annehmen, dass beim Verstorbenen nicht der
Aspekt der Altersvorsorge im Vordergrund gestanden sei. Damit habe die
Vorinstanz den Anspruch der Beschwerdeführerinnen auf rechtliches Gehör
verletzt und den Sachverhalt willkürlich festgestellt.

4.4. Diese Einwendungen sind unbegründet. Die Vorinstanz hat zu Recht erwogen,
beim Steuerpflichtigen dürfte beim Abschluss der Lebensversicherung nicht der
Aspekt der Altersvorsorge im Vordergrund gestanden haben, zumal er damals
bereits 72 Jahre alt gewesen sei, sondern fiskalische Aspekte. Dabei handelt es
sich aber nur um das - hier nicht rechtserhebliche - Motiv. Entscheidend ist
vielmehr, ob die rückkaufsfähige Kapitalversicherung mit Einmalprämie die
Kriterien der Selbstvorsorge und des ausreichenden Versicherungsschutzes
objektiv erfüllt. Diesbezüglich wird weder eine willkürliche Feststellung des
Sachverhalts noch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt.
Entscheidend ist auch nicht, ob die vom Versicherungsnehmer gewählten
Lebensversicherungen auf das Leben seiner Töchter auf das Gleiche hinauslaufen
wie eine Eigenversicherung oder dieser sogar überlegen sind, wie die
Beschwerdeführerinnen geltend machen. Sie lassen dabei ausser Acht, dass der
Versicherungsnehmer nicht sein eigenes Todesfallrisiko abgesichert hat, sondern
dasjenige dritter Personen. Indem der Versicherungsnehmer die erheblich
kleineren Todesfallrisiken seiner beiden Töchter versichern liess, stellt sich
ohnehin die Frage, ob von einem genügenden Versicherungsschutz gesprochen
werden kann. Immerhin haben die Beschwerdeführerinnen in der Einsprache selbst
darauf hingewiesen, dass die Versicherungsgesellschaft nicht bereit gewesen
sei, angesichts des Alters des Vaters dessen Leben zu versichern. Reines
Versicherungssparen ist aber nach Art. 20 Abs. 1 lit. a DBG steuerlich nicht
privilegiert (s. auch zur Steuerumgehung, vgl. Laffely Maillard, a.a.O., N. 19
zu Art. 20 DBG, mit Hinweis auf das Urteil 2A.361/1991 vom 18. Mai 1993 E. 8e,
in: ASA 62 S. 705).

4.5. Nach dem Gesagten können daher die Streitgegenstand bildenden
Kapitalleistungen von der Steuer nicht befreit werden und erweist sich die
Beschwerde hinsichtlich der direkten Bundessteuer als unbegründet.

II. Staatssteuer

5.

5.1. Mit dem Bundesgesetz vom 19. März 1999 über das Stabilisierungsprogramm
1998 wurde Art. 7 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
mit einem Absatz 1ter ergänzt. Danach sind Erträge aus rückkaufsfähigen
Kapitalversicherungen mit Einmalprämie steuerfrei, wenn sie der Vorsorge
dienen. Diese Vorschrift trat auf den 1. Januar 2001 in Kraft (AS 1999 2374).
Gemäss der Übergangsbestimmung in Art. 78a StHG ist diese Vorschrift (Art. 7
Abs. 1ter StHG) auf Kapitalversicherungen mit Einmalprämien anwendbar, wenn
diese nach dem 31. Dezember 1998 abgeschlossen wurden. Damit wird
sichergestellt, dass auf altrechtliche Verträge das bisherige kantonale Recht
und nicht die neuen verschärften Bestimmungen des DBG und StHG Anwendung finden
(s. dazu Markus Reich, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Band I/1, 2.
Aufl. 2002, N. 1 f. zu Art. 78a StHG). Auf die hier in Frage stehenden
rückkaufsfähigen Kapitalversicherungen mit Einmalprämie, die bis zum 31.
Dezember 1998 abgeschlossen wurden, finden daher nicht die harmonisierten
bundesrechtlichen Vorschriften Anwendung, sondern das bisherige kantonale
Recht.

5.2. Ob der angefochtene Entscheid kantonales Recht verletzt, prüft das
Bundesgericht nur auf Willkür hin und nur insoweit, als eine solche Rüge in der
Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 42 Abs. 2 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG, vorn E. 2.2). Willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist ein
Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar
erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er offensichtlich
unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine
Norm oder einen unumstrittenen Rechtssatz krass verletzt oder in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51 mit
Hinweisen), was in der Beschwerde darzulegen ist. Soweit die
Beschwerdeführerinnen den Entscheid des kantonalen Steuergerichts in
allgemeiner Weise kritisieren, ohne darzulegen, inwiefern das kantonale Recht
im genannten Sinn geradezu willkürlich angewendet worden sein soll, ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten.

5.3. Ausreichend begründet ist die Beschwerde einzig hinsichtlich der Rügen,
das kantonale Steuergericht habe ihnen keine Gelegenheit zur Äusserung gegeben
und - ohne irgendwelche Sachabklärungen vorzunehmen - angenommen, beim
Verstorbenen habe nicht der Aspekt der Altersvorsorge im Vordergrund gestanden
(Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs, willkürliche
Sachverhaltsfeststellung). Diese Rügen sind aber materiell unbegründet, wie zur
direkten Bundessteuer dargelegt worden ist (vorn E. 4.3 f.). Die Beschwerde ist
in Bezug auf die Staatssteuer abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

6.
Da die Beschwerdeführerinnen vollumfänglich unterliegen, haben sie die
Gerichtskosten zu tragen; sie haften hierfür solidarisch (Art. 65 und 66 Abs. 1
und 5 BGG). Ein Anspruch der beteiligten Verwaltungen auf eine
Parteientschädigung besteht nicht (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 2C_1175/2012 und 2C_1176/2012 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der direkten Bundessteuer abgewiesen.

3.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Staatssteuer abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

4.
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftung auferlegt.

5.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem Steueramt des Kantons
Solothurn, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Juli 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Wyssmann

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