Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1170/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_1170/2012

Urteil vom 24. Mai 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Egli.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Oliver Borer,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertr. durch Migration und
Schweizer Ausweise.

Gegenstand
Familiennachzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
16. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der kosovarische Staatsangehörige Y.________ (geb. 1981) reiste im Rahmen
des Familiennachzugs am 11. November 1995 in die Schweiz ein und erhielt eine
Aufenthaltsbewilligung.

 Am 20. September 2001 wurde Y.________ wegen mehrfacher Widerhandlung gegen
das Strassenverkehrsgesetz mit einer Busse von Fr. 1'000.-- bestraft. Am 11.
Januar 2005 erfolgte eine Verurteilung zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren
wegen Raubes, versuchten Diebstahls, Sachbeschädigung, Anstiftung zur
Irreführung der Rechtspflege und mehrfachen Führens eines Personenwagens ohne
Führerausweis.

 Am 18. Mai 2005 verweigerte das Migrationsamt des Kantons Aargau die
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von Y.________ und verfügte seine
Wegweisung. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Am 3. Februar
2006 erfolgte eine Verurteilung wegen illegaler Einreise und illegalen
Aufenthalts zu 30 Tagen Gefängnis. Gleichentags wurde Y.________ ausgeschafft
und mit einer Einreisesperre bis am 2. Februar 2009 belegt.

A.b. Am 17. Januar 2008 heiratete Y.________ im Kosovo die Landsfrau X.________
(geb. 1987). Die Ehefrau war am 8. April 1996 in die Schweiz eingereist und ist
hier niederlassungsberechtigt. Aus der Ehe sind bisher keine Kinder
hervorgegangen.

 Am 13. Februar 2008 reichte die Ehefrau ein Familiennachzugsgesuch zugunsten
ihres Ehemanns ein. Das Departement des Innern des Kantons Solothurn wies das
Gesuch am 31. Juli 2008 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn blieb erfolglos. Die anschliessende
Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 27. März 2009 (2C_793/2008)
ab.

B.
Am 23. Mai 2011 stellte X.________ erneut ein Familiennachzugsgesuch für ihren
Ehemann. Das Departement des Innern des Kantons Solothurn wies das Gesuch mit
Verfügung vom 16. Mai 2012 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn blieb erfolglos.

C.
Vor Bundesgericht beantragt X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 16. Oktober 2012 aufzuheben und das
Familiennachzugsgesuch für den Ehemann Y.________ zu bewilligen, eventualiter
die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 Das Departement des Innern des Kantons Solothurn, das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn sowie das Bundesamt für Migration (BFM) beantragen die
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin ist in der Schweiz niederlassungsberechtigt und
seit dem 17. Januar 2008 mit Y.________ verheiratet. Sie hat grundsätzlich
einen gesetzlich (Art. 43 Abs. 1 AuG [SR 142.20]) wie verfassungs- (Art. 13 BV)
bzw. konventionsmässig (Art. 8 Ziff. 1 EMRK) begründeten Anspruch darauf, ihren
Gatten in die Schweiz nachziehen zu können (Urteil 2C_817/2012 vom 19. Februar
2013 E. 1). Ob die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage
der materiellen Beurteilung (BGE 136 II 177 E. 1.1 S. 179 f.; Urteil 2C_195/
2012 vom 2. Januar 2013 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 139 I 37). Auf die form-
und fristgerecht eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 90
BGG) ist daher einzutreten (vgl. Art. 82 i.V.m. Art. 83 lit. c Ziff. 2 [e
contrario], Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 89 BGG).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Hinsichtlich der
Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs.
2 BGG; BGE 136 I 229 E. 4.1 S. 235 mit Hinweisen).

 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.).

2.

2.1. Hat eine ausländische Person nahe Verwandte mit einem gefestigten
Anwesenheitsrecht in der Schweiz und wird die intakte familiäre Beziehung
tatsächlich gelebt, kann es Art. 8 EMRK verletzen, wenn der ausländischen
Person die Anwesenheit in der Schweiz untersagt und damit ihr Familienleben
vereitelt wird (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen). Die EMRK
garantiert jedoch grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufenthalt in einem
Konventionsstaat (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 f.). Es ergibt sich aus ihr
weder ein Recht auf Einreise noch auf Wahl des für das Familienleben am
geeignetsten erscheinenden Orts (BGE 139 I 37 E. 3.5.1 S. 47 f.; Urteil des
EGMR de Souza Ribeiro gegen Frankreich vom 13. Dezember 2012, § 77; je mit
Hinweisen).

 Das Recht auf Achtung des Familienlebens kann daher nur angerufen werden, wenn
eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme gegen eine ausländische
Person zur Trennung von Familienmitgliedern führt. Ist es den in der Schweiz
anwesenheitsberechtigten Familienmitgliedern "ohne Schwierigkeiten" möglich,
mit der ausländischen Person auszureisen, wird der Schutzbereich der genannten
Garantie normalerweise nicht berührt (BGE 116 Ib 353 E. 3c S. 357; Urteil
2A.676/2006 vom 13. Februar 2007 E. 3.1); anders kann es sich beim kombinierten
Schutzbereich von Privat- und Familienleben verhalten (vgl. BGE 130 II 281 E.
3.2 S. 286 ff.). Erscheint hingegen die Ausreise für die Familienangehörigen
"nicht von vornherein ohne Weiteres zumutbar" (BGE 116 Ib 353 E. 3d S. 358),
ist stets eine Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK geboten, bei der
sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. zum Ganzen BGE
137 I 247 E. 4.1.1 S. 249; 135 I 143 E. 2.2 S. 147, 153 E. 2.1 S. 155; Urteile
2C_163/2013 vom 1. Mai 2013 E. 2.1; 2C_639/2012 vom 13. Februar 2013 E. 4.2).

2.2. Der in Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Anspruch auf Achtung des Privat- und
Familienlebens entspricht materiell der Garantie von Art. 8 EMRK und gewährt
darüber hinaus im Bereich des Ausländerrechts keine zusätzlichen Ansprüche (BGE
137 I 284 E. 2.1 S. 288; 129 II 215 E. 4.2 S. 218 f.; 126 II 425 E. 4c/bb S.
433; Urteil 2C_505/2009 vom 29. März 2010 E. 5.1, nicht publ. in: BGE 136 I 285
).

2.3. Soweit eine Straftat zur Diskussion steht, welche in Art. 121 Abs. 3 BV
(Fassung vom 28. November 2010; "Ausschaffungsinitiative") genannt ist
(vorsätzliches Tötungsdelikt oder Raub usw.) und dazu führen soll, dass der
ausländische Täter bzw. die ausländische Täterin "alle Rechtsansprüche auf
Aufenthalt in der Schweiz verliert", trägt das Bundesgericht der entsprechenden
Wertung im Rahmen des geltenden Ausländergesetzes insoweit Rechnung, als sich
dies mit anderen Verfassungsbestimmungen (Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 2 BV)
in Einklang bringen lässt und zu keinem Widerspruch mit übergeordnetem Recht
bzw. zu Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den
einzelnen Konventionsstaaten im Rahmen des Schutzes des Privat- und
Familienlebens bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik im
Einzelfall zugesteht (BGE 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34; Urteile 2C_1257/2012 vom 18.
April 2013 E. 4.5; 2C_856/2012 vom 25. März 2013 E. 6.1.1).

3.

3.1. Gemäss Art. 51 Abs. 2 AuG erlöschen die Ansprüche nach Art. 43 AuG, wenn
sie rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werden (lit. a) oder wenn
Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG (lit. b) vorliegen. Einen derartigen
Widerrufsgrund setzt eine ausländische Person unter anderem dann, wenn sie zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem
Jahr, verurteilt worden ist, wobei mehrere unterjährige Strafen bei der
Berechnung nicht kumuliert werden dürfen (Art. 51 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 62
lit. b AuG; BGE 137 II 297 ff.; 135 II 377 E. 4.2 S. 381). Keine Rolle spielt,
ob die Sanktion bedingt, teilbedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde (Urteil
2C_515/2009 vom 27. Januar 2010 E. 2.1). Ein Widerruf ist auch möglich, wenn
die ausländische Person erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche
Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen oder diese
gefährdet hat (Art. 51 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 62 lit. c AuG; Art. 80 VZAE
[SR 142.201]).

3.2. Die Verweigerung bzw. Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung sowie
deren Widerruf wegen des Vorliegens von Erlöschensgründen nach Art. 51 AuG
setzt eine Verhältnismässigkeitsprüfung voraus. Auch wenn solches aus dem
Wortlaut der genannten Bestimmung nicht ohne Weiteres hervorgeht, folgt dies
bereits aus dem Willen des Gesetzgebers, in diesen Fällen den
konventionsrechtlichen Anspruch auf Familienleben einzuhalten (Art. 8 EMRK;
Botschaft vom 26. August 1987 zur Änderung des Bürgerrechtsgesetzes
[nachfolgend: Botschaft Bürgerrechtsgesetz], BBl 1987 III 293, 321 Ziff. 25.21,
322 Ziff. 25.23; Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die
Ausländerinnen und Ausländer [nachfolgend: Botschaft AuG], BBl 2002 3709, 3796
zu Art. 50 E-AuG). Zudem verweist Art. 51 AuG ausdrücklich auf die
Widerrufsgründe der Art. 62 f. AuG, die ihrerseits den Widerruf einer
Anwesenheitsbewilligung nur nach Vornahme einer umfassenden Güterabwägung
zulassen (Art. 96 AuG; vgl. BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381 f.; 120 Ib 6 E. 4 S.
12 ff.; Urteile 2C_977/2012 vom 15. März 2013 E. 3.6; 2C_817/2012 vom 19.
Februar 2013 E. 2.1.2; 2C_97/2012 vom 14. Dezember 2012 E. 2.1).

3.3. Eine strafrechtliche Verurteilung verunmöglicht die Erteilung einer
(neuen) Aufenthaltsbewilligung nach der bundesgerichtlichen Praxis
grundsätzlich nicht ein für alle Mal. Soweit der Betroffene, gegen den eine
Entfernungsmassnahme ergriffen wurde, weiterhin in den Kreis der nach Art. 42
ff. AuG nachzugsberechtigten Personen fällt und es seinen hier anwesenden nahen
Angehörigen nicht zumutbar ist, ihm ins Heimatland zu folgen und dort das
Familienleben zu pflegen, ist eine Neubeurteilung angezeigt, wenn er sich seit
der Verurteilung bzw. Strafverbüssung bewährt und sich für eine angemessene
Dauer in seiner Heimat klaglos verhalten hat, sodass eine Integration in die
hiesigen Verhältnisse nunmehr absehbar und eine allfällige Rückfallgefahr
vernachlässigbar erscheint (Urteile 2C_964/2010 vom 5. Dezember 2011 E. 3.3;
2C_36/2009 vom 20. Oktober 2009 E. 3.2). Das öffentliche Interesse an der
Gefahrenabwehr verliert an Bedeutung, soweit die Entfernungsmassnahme gegen den
Fehlbaren ergriffen, durchgesetzt und für eine der Schwere der Tat angemessene
Zeitdauer aufrechterhalten wurde.

 Der Zeitablauf, verbunden mit Deliktsfreiheit, kann somit dazu führen, dass
die Interessenabwägung anders ausfällt als zum Zeitpunkt der strafrechtlichen
Verurteilung oder der Entlassung aus dem Strafvollzug. Damit wird dem Umstand
Rechnung getragen, dass die seit der Tat verflossene Zeit und das seitherige
Verhalten der ausländischen Person beim bewilligungsrechtlichen Entscheid
mitzuberücksichtigen sind (BGE 130 II 493 E. 5 S. 504; Urteile 2C_487/2012 vom
2. April 2013 E. 5.2; 2C_817/2012 vom 19. Februar 2013 E. 3.2.1; 2C_715/2011
vom 2. Mai 2012 E. 4.3; 2C_36/2009 vom 20. Oktober 2009 E. 3.2).

3.4.

3.4.1. Wie diese ausländerrechtliche Bewährungsfrist zu bemessen ist, wird
weder in Art. 51 AuG noch an anderer Stelle ausdrücklich geregelt. Dabei ist -
in Präzisierung der bisherigen Praxis (vgl. oben E. 3.3) - zwischen der
Neubeurteilung des Anspruchs auf Familiennachzug und dem Wegfall einer früheren
Verurteilung als Erlöschensgrund nach Art. 51 AuG zu unterscheiden. Soweit eine
Neubeurteilung angezeigt ist, sind die Behörden gehalten, auf ein
entsprechendes Gesuch einzutreten und dieses materiell neu zu prüfen. Im Rahmen
dieser materiellen Prüfung ist zu berücksichtigen, dass eine frühere
Verurteilung durch den Zeitablauf, verbunden mit Deliktsfreiheit,
typischerweise an Gewicht verliert, bis hin zu dem Zeitpunkt, in dem sie als
Erlöschensgrund wegfällt und für sich alleine eine Einschränkung des Anspruchs
auf Familiennachzug nicht (mehr) zu rechtfertigen vermag (vgl. unten E. 3.5).
Eine Neubeurteilung ist dabei nicht erst dann vorzunehmen, wenn ihr Ergebnis
infolge Wegfalls des Erlöschensgrundes feststeht, sondern bereits dann, wenn
ein anderes Ergebnis ernstlich in Betracht fällt (vgl. BGE 136 II 177 E. 2.2.1
S. 181 f.; 130 II 493 E. 5 S. 504). Sinnvollerweise ist heute an die Regelung
zur Dauer des Einreiseverbots in Art. 67 AuG anzuknüpfen (Urteil 2C_817/2012
vom 19. Februar 2013 E. 3.2.6) : Fällt das öffentliche Interesse an der
Fernhaltung des Betroffenen durch den Zeitablauf dahin, ist es angezeigt, den
Aufenthalt in der Schweiz neu zu prüfen.

3.4.2. Dabei ist zu beachten, dass die Regelhöchstdauer des Einreiseverbots
nach Art. 67 Abs. 3 AuG fünf Jahre beträgt und nur im Ausnahmefall bei
Vorliegen einer ausgeprägten Gefahr ("menace caracterisée") für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung überschritten werden darf (Urteil 2C_318/2012 vom 22.
Februar 2013 E. 6.3, zur Publikation vorgesehen). Hat sich der Betroffene daher
während fünf Jahren im Ausland bewährt, ist es regelmässig angezeigt, den
Anspruch auf Familiennachzug neu zu prüfen. Das schliesst eine frühere Prüfung
nicht aus, soweit das Einreiseverbot von Beginn an unter fünf Jahren angesetzt
ist oder eine Änderung der Sachlage eintritt, die derart ins Gewicht fällt,
dass ein anderes Ergebnis ernstlich in Betracht fällt (vgl. BGE 136 II 177 E.
2.2.1 S. 181 f.; 130 II 493 E. 5 S. 504; Urteile 2C_487/2012 vom 2. April 2013
E. 4.6; 2C_715/2011 vom 2. Mai 2012 E. 4.2). Letzteres kann etwa dann der Fall
sein, wenn - wie vorliegend mit der Heirat (vgl. unten E. 4.1) - ein potenziell
anspruchsbegründender Tatbestand eintritt.

3.5.

3.5.1. Allerdings leben die Ansprüche nach Art. 42 ff. AuG auf
einen dauerhaften Aufenthalt in der Schweiz nach Wegfall des öffentlichen
Interesses an der Fernhaltung nicht ohne Weiteres wieder auf. Das
Einreiseverbot verunmöglicht der betroffenen Personen - unter Vorbehalt von
Art. 67 Abs. 5 AuG - jeglichen Aufenthalt in der Schweiz. Die Massnahme wiegt
daher schwerer als die Nichterteilung einer Bewilligung für einen dauerhaften
Aufenthalt, was in die Interessenabwägung einzufliessen hat (vgl. BGE 120 Ib 6
E. 4a S. 12 f.). Zudem kann es je nach den Umständen sinnvoll sein, von der
betroffenen Person zunächst eine weitere Bewährung im Rahmen von
bewilligungsfreien Besuchsaufenthalten zu verlangen und erst danach einen
Daueraufenthalt zu bewilligen (Urteil 2C_36/2009 vom 20. Oktober 2009 E. 3.4).

3.5.2. Der Ablauf der auf Art. 67 AuG abgestimmten ausländerrechtlichen
Bewährungsfrist rechtfertigt daher eine Neubeurteilung des Anspruchs auf
Familiennachzug nach den Art. 42 ff. AuG, bedeutet aber nicht, dass die
früheren Straftaten durch den Zeitablauf bereits derart an Gewicht verloren
haben, dass sie als Erlöschensgründe ausser Betracht fallen (Art. 51 AuG).
Vielmehr ist bei der materiellen Beurteilung eine umfassende Güterabwägung
vorzunehmen, wobei die durch den Zeitablauf nachlassende Wirkung der
Erlöschensgründe gegen die privaten Interessen der betroffenen Personen
abzuwägen ist. Zu berücksichtigen ist namentlich die Intensität der familiären
Beziehungen zur Schweiz, bildet dieses Kriterium doch Grundlage der
gesetzlichen Abstufung der Erlöschensgründe (vgl. Art. 51 Abs. 1 lit. b AuG im
Vergleich zu Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG; Botschaft Bürgerrechtsgesetz, BBl 1987
III 293, 322 Ziff. 25.23; Botschaft AuG, BBl 2002 3709, 3796 zu Art. 50 E-AuG)
und ist Ausdruck davon, dass regelmässig kein Eingriff in den Anspruch auf
Familienleben (Art. 8 EMRK; Art. 13 BV) vorliegt, wenn den Familienangehörigen
zugemutet werden kann, ihr gemeinsames Leben im Ausland zu führen (vgl. oben E.
2.1).

3.5.3. Wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die früheren Straftaten als
Erlöschensgründe nach Art. 51 AuG dahinfallen und für sich alleine den
Ansprüchen nach Art. 42 ff. AuG nicht weiter entgegenstehen, ist aufgrund der
Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Bei der Beurteilung des Rückfallrisikos
ist nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu differenzieren:
Je schwerer die möglichen Rechtsgüterverletzungen sind, desto niedriger sind
die Anforderungen an die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr. Je weiter die
Straftaten der ausländischen Person zurückliegen, um so eher lässt sich ihr
wieder Vertrauen entgegenbringen und kann sich die Annahme rechtfertigen, dass
es zu keinen weiteren Straftaten kommen wird (Urteil 2C_36/2009 vom 20. Oktober
2009 E. 3.2 am Ende).

4.

4.1. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin ein erstes Familiennachzugsgesuch
für ihren Ehegatten kurz nach der Heirat und noch während der laufenden
Einreisesperre gestellt. Die kantonalen Behörden haben dieses Gesuch angesichts
der neu eingetretenen Umstände materiell geprüft und abgewiesen. Das
Bundesgericht hat dieses Vorgehen mit Urteil vom 27. März 2009 (2C_793/2008)
bestätigt. Bereits damals wurde darauf hingewiesen, dass die auslaufende
Fernhaltemassnahme das Ergebnis der Prüfung des Anspruchs auf Familiennachzug
nicht vorwegnehme, zumal die Einreisesperre in der irrtümlichen Annahme erfolgt
ist, Y.________ sei bloss wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts
verurteilt worden (Urteil 2C_793/2008 vom 27. März 2009 E. 3.2). Dies übersieht
die Beschwerdeführerin, wenn sie im vorliegenden Verfahren vom Wegfall der
Fernhaltemassnahme auf den Anspruch auf Familiennachzug schliessen möchte.
Offenbleiben kann, ob die Straftaten von Y.________ - gemessen am heutigen Art.
67 Abs. 3 AuG - schwerwiegend genug sind, um eine Fernhaltemassnahme von über
fünf Jahren zu rechtfertigen. Die Vorinstanzen sind auf das gut fünf Jahre nach
dem Verlassen der Schweiz eingereichte Gesuch um Familiennachzug eingetreten
und haben dieses materiell geprüft. Damit haben sie die allenfalls
erforderliche Neubeurteilung vorgenommen.

4.2. Bei der Interessenabwägung fällt hauptsächlich die Verurteilung von
Y.________ zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren ins Gewicht, wobei die
strafrechtlichen Behörden von einem schweren Verschulden ausgegangen sind. Das
Bezirksgericht Baden sprach von einer rücksichtslosen und hinterhältigen Tat
und berücksichtigte erschwerend, dass sich Y.________ weder geständig noch
kooperativ gezeigt hatte. Hinzu kommt, dass Y.________ nach Verbüssung seiner
Haftstrafe weiter gegen die Schweizer Rechtsordnung verstiess, indem er illegal
in die Schweiz einreiste und sich hier illegal aufhielt. Was die Bewährung im
Heimatland betrifft, hat die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren ausser
einem Strafregisterauszug von Y.________ aus dem Jahr 2010 keine weiteren
Belege aufgelegt, obwohl ihr eine entsprechende Obliegenheit zukommt (Art. 90
AuG; Urteil 2C_1007/2011 vom 12. März 2012 E. 4.4 mit Hinweisen). Die
Vorinstanz hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bewährung im
Heimatland nicht zuverlässig beurteilt werden kann. Aufgrund dieser Sachlage
kann nicht davon gesprochen werden, dass die Erlöschensgründe der Art. 51 Abs.
2 lit. b i.Vm. Art. 62 lit. b und c AuG durch den Lauf der Zeit inzwischen
dahingefallen sind, soweit eine Neubeurteilung aufgrund der unklaren Bewährung
im Heimatland überhaupt angezeigt ist.

4.3. Mit Bezug auf die Intensität der familiären Beziehungen zur Schweiz ist zu
berücksichtigen, dass Y.________ die Beschwerdeführerin erst nach der
Ausschaffung aus der Schweiz in der gemeinsamen Heimat der Eheleute geheiratet
hat. Die familiären Beziehungen zur Schweiz erscheinen nicht besonders
ausgeprägt, zumal die Ehe bis heute kinderlos geblieben ist und die Vorinstanz
zu Recht darauf hingewiesen hat, dass es der Beschwerdeführerin zumutbar ist,
in den Kosovo zurückzukehren, um dort mit ihrem Ehemann zusammenzuleben. Dabei
bleibt nicht unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführerin eine allfällige
Ausreise in ihr Herkunftsland nicht leicht fallen dürfte, da sie im Zeitpunkt
des vorinstanzlichen Urteils 25 Jahre alt war und seit ihrem 9. Altersjahr in
der Schweiz lebt, wo sie beruflich und sozial integriert ist. Ins Gewicht fällt
aber, dass eine Rückkehr in das gemeinsame Heimatland der Eheleute in Frage
steht und die Beschwerdeführerin bei der Heirat wusste, dass ein gemeinsames
Eheleben in der Schweiz bis auf Weiteres nicht möglich sein wird. Y.________
konnte seinerseits während des Aufenthalts in der Schweiz keine wirtschaftliche
Selbständigkeit aufbauen. Er verfügt über keine Berufslehre, versteht die
deutsche Sprache zwar, aber kann sich darin nicht besonders gut verständigen.
Zwei Drittel seines Lebens hat Y.________ in seiner Heimat verbracht, wo er
geboren und aufgewachsen ist.

4.4. Angesichts dieser Umstände ist die vorinstanzliche Würdigung, wonach zum
heutigen Zeitpunkt (noch) kein Anspruch auf Familiennachzug besteht, nicht zu
beanstanden. Ohne wesentliche Änderung der Sachlage wird sich Y.________ in dem
von der Vorinstanz festgelegten Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren weiterhin
im Rahmen von bewilligungsfreien Kurzaufenthalten in der Schweiz zu bewähren
haben. Allerdings werden die früheren Verurteilungen für sich alleine nach
Ablauf dieser Zeitspanne gemäss der zutreffenden vorinstanzlichen Würdigung
eine weitere Einschränkung des Anspruchs nach Art. 43 AuG kaum mehr
rechtfertigen können.

5.
Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Verfahrensausgang
entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66
BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Mai 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Egli

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