Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1165/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1165/2012

Urteil vom 24. Mai 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Hänni.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Daniel Küng,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
St. Leonhard-Strasse 40, 9001 St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32,
9000 St. Gallen.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung; unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 22. November 2012.

Erwägungen:

1.
X.________ (geb. 1957) verfügt aufgrund seiner Heirat mit einer in der Schweiz
niedergelassenen Frau seit 1992 über eine Aufenthaltsbewilligung. 1994 und 1996
sind der Ehe zwei Kinder entsprungen. 2010 haben sich die Eheleute scheiden
lassen. X.________ wurde seit seiner Einreise öfters strafrechtlich verurteilt,
meist wegen ausländerrechtlichen oder Strassenverkehrsdelikten, aber auch
(zuletzt) wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz (SR 812.121) und
Urkundenfälschung. Er ist alkoholabhängig und bezieht seit 2009 Sozialhilfe.

2.
Am 28. März 2012 hat das Migrationsamt des Kantons St. Gallen die
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung von X.________ verfügt und ihn aus
der Schweiz weggewiesen. Diesen Entscheid hat das Sicherheits- und
Justizdepartement des Kantons St. Gallen am 16. Oktober 2012 bestätigt. Am 22.
Oktober hat X.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
(Vorinstanz) dagegen Beschwerde erhoben und um unentgeltliche Rechtspflege
nachgesucht. Dieses Gesuch hat der Präsident des Verwaltungsgerichts mit
Zwischenverfügung vom 22. November 2012 wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen.
Dagegen führt X.________ (Beschwerdeführer) mit Eingabe vom 25. November 2012
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventuell subsidiäre
Verfassungsbeschwerde.

3.
Bei der angefochtenen Verfügung einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs.
1 lit. c BGG), mit der die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde,
handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), da zugleich
auch die Anhandnahme des Rechtsmittels von der Bezahlung eines
Kostenvorschusses durch die gesuchstellende Partei abhängig gemacht wird (BGE
128 V 199 E. 2b S. 202 mit Hinweisen; Urteil 8C_665/2011 vom 26. Januar 2012 E.
5.2). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (Urteile
2C_164/2012 vom 31. August 2012 E. 1.2; 2C_111/2011 vom 7. Juli 2011 E. 1.2;
5A_145/2010 vom 7. April 2010 E. 1.1). Der Beschwerdeführer meint, der auf Art.
8 EMRK gründende Anspruch auf Achtung seines Privatlebens verschaffe ihm
angesichts seiner langen Anwesenheit in der Schweiz einen Rechtsanspruch auf
Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Dies erscheint zweifelhaft. Da sich
das Rechtsmittel jedoch ohnehin als unbegründet erweist, kann dies
offengelassen werden, und ebenso die Frage, ob die Eingabe als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten oder als subsidiäre
Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen ist.

4.
Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 29
Abs. 3 BV Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten
beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als
ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als
aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage
halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine
Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger
Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen
Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht
deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 138 III 217 E. 2.2.4
S. 218; 133 III 614 E. 5 S. 616 mit Hinweis). Ob im Einzelfall genügende
Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer summarischen Prüfung
nach den Verhältnissen zur Zeit, zu der das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gestellt wird (BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218; 133 III 614 E. 5
S. 616 mit Hinweisen; Urteil 2D_46/2012 vom 16. Januar 2013 E. 4.1).

5.
Der Beschwerdeführer ist geschieden, sein älteres Kind ist volljährig und zu
seinem jüngeren Kind pflegt er nach den von ihm nicht substanziiert
bestrittenen Feststellungen der Vorinstanz "offensichtlich keine besonders enge
Beziehung". Ein allfälliges Anwesenheitsrecht zur Gewährleistung des
Familienlebens fällt somit ausser Betracht. Ein Bewilligungsanspruch des
Beschwerdeführers könnte sich somit höchstens aus seiner langen Anwesenheit in
der Schweiz ergeben. Ein langer Aufenthalt in der Schweiz kann in den
Schutzbereich des Privatlebens im Sinn von Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 BV
fallen (Urteil 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 1; Urteil des EGMR Gezginci
gegen Schweiz vom 9. Dezember 2010 § 56 f., in: Plädoyer 2011 1 S. 65).
Allerdings bedarf es hierfür besonders intensiver, über eine normale
Integration hinausgehender privater Bindungen gesellschaftlicher oder
beruflicher Natur bzw. entsprechender vertiefter sozialer Beziehungen zum
ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich (BGE 130 II 281 E. 3.2.1 S. 286;
126 II 425 E. 4c/aa S. 432; 126 II 377 E. 2c/aa S. 385; Urteile 2C_373/2013 vom
8. Mai 2013 E. 5.1; 2C_42/2011 vom 23. August 2012 E. 1).

6.
Für eine solche Annahme fehlen vorliegend jegliche Hinweise. Der
Beschwerdeführer substanziiert keine engeren persönlichen Beziehungen zu
Personen, die in der Schweiz leben. Wirtschaftlich scheint er ebenfalls nicht
integriert zu sein, bezieht er doch seit Jahren Sozialhilfe. Die Hintergründe
seiner Delinquenz, auf die in der Beschwerde vertieft eingegangen wird, können
bei diesem Ergebnis offenbleiben. Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn
die Vorinstanz aufgrund einer summarischen Prüfung der Sachlage das Vorliegen
einer besonders intensiven, schützenswerten Beziehung zur Schweiz und folglich
eines Anspruchs des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner
Aufenthaltsbewilligung als sehr unwahrscheinlich bezeichnet und somit die bei
ihr anhängig gemachte Beschwerde als aussichtslos qualifiziert hat. Darin liegt
kein Verstoss gegen den verfassungsmässigen Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege. Die Beschwerde ist darum unbegründet und muss abgewiesen werden.

7.
Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 65 und 66
BGG). Seinem Gesuch, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren, kann nicht
entsprochen werden, da der angefochtene Entscheid im Einklang mit der
gefestigten und veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichts steht und
der Beschwerdeführer deshalb nicht ernsthaft mit einer Gutheissung seines
Rechtsmittels rechnen durfte (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des
Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Mai 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Die Gerichtsschreiberin: Hänni

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