Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1141/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1141/2012

Urteil vom 1. Mai 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Winiger.

Verfahrensbeteiligte
Y.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, Postfach 3439, 6002
Luzern,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002
Luzern.

Gegenstand
Ausländerrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 8. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Der aus dem Kosovo stammende Y.________ (geboren 18. September 1979) reiste
als Kind in die Schweiz ein, erhielt am 31. August 1986 eine Aufenthalts- und
am 10. Juni 1992 eine Niederlassungsbewilligung. Er ist seit dem 2. März 2001
mit der in der Schweiz niedergelassenen portugiesischen Staatsangehörigen
Z.________ verheiratet. Das Paar hat drei Kinder (geboren 1999, 2002 und 2011),
die alle über die portugiesische Staatsbürgerschaft und eine
Niederlassungsbewilligung verfügen.
A.b Y.________ trat bereits als Jugendlicher im Alter von 14 Jahren
strafrechtlich mit einer Tätlichkeit in Erscheinung. Es folgten innerhalb von
zwei Jahren vier weitere Verfehlungen (Diebstahl, SVG-Delikte und verbotenes
Waffentragen). Im Alter von 17 Jahren wurde er wegen qualifizierter einfacher
Körperverletzung zu 30 Tagen Einschliessung verurteilt. Ab 1998 bis 2001 wurde
er achtmal wegen Übertretungen oder Vergehen verurteilt, wegen (teils massiven)
Verstössen gegen das SVG, Tätlichkeiten, Drohungen und Widerhandlungen gegen
das Waffengesetz. Er wurde am 6. Dezember 1999 fremdenpolizeilich verwarnt. Am
18. April 2000 schlug Y.________ im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung
mehrmals mit einer Eisenstange auf ein Opfer ein. Am 16. November 2001 lockte
er zusammen mit einem Komplizen ein Opfer in eine Falle, setzte es massiv unter
Druck und nötigte es, Fr. 6'000.-- zu übergeben. Am 18. November 2001 beging er
zusammen mit einem Mittäter einen bewaffneten Raubüberfall. Am 2. Dezember 2001
schoss er zwei Mal auf ein unbewaffnetes Opfer, ohne vorher angegriffen worden
zu sein. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen und ist seither teilinvalid.
Y.________ wurde in der Tatnacht festgenommen und befand sich vom 2. Dezember
2001 bis 16. April 2002 in Untersuchungshaft. Am 29. Januar 2003 beging er
zusammen mit einem Mittäter einen qualifizierten Raub, bei welchem das Opfer
gefesselt und mit Füssen ins Gesicht getreten wurde. Er wurde erneut in
Untersuchungshaft versetzt. Von dort aus verfasste er mehrere Kassiber, um zwei
Personen zu falschen Aussagen zu bewegen und seine Ehefrau sowie seinen Bruder
und Vater aufzufordern, gegen Bezahlung Zeugen zu suchen, die ihn entlasten
würden. Nach einem Rechtsmittelverfahren, das bis vor Bundesgericht führte
(Urteil 6B_236/2008 vom 1. September 2008) wurde er mit Urteil des Obergerichts
des Kantons Luzern vom 15. Januar 2009 wegen der genannten Sachverhalte
(vollendeter Versuch der vorsätzlichen Tötung; Gefährdung des Lebens; Raub;
qualifizierter Raub; räuberische Erpressung; mehrfacher vollendeter Versuch der
Anstiftung zu falschem Zeugnis) zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren
verurteilt.
A.c Das Amt für Migration des Kantons Luzern widerrief mit Verfügung vom 28.
Juni 2011 die Niederlassungsbewilligung von Y.________ und wies diesen aus der
Schweiz weg.

B.
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (Entscheid vom 23.
März 2012) und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (Urteil vom 8. Oktober
2012) wiesen die dagegen erhobenen Rechtsmittel ab.

C.
Y.________ erhebt mit Eingabe vom 19. November 2012 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Begehren, es sei die
angefochtene Verfügung aufzuheben und ihm die Niederlassungsbewilligung EG/EFTA
zu belassen. Eventualiter sei ihm die Anwesenheit im Kanton Luzern durch
Erteilung einer von seiner portugiesischen Ehefrau abgeleiteten
Aufenthaltsbewilligung EG/EFTA zu bewilligen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sowie das Bundesamt für Migration
beantragen Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 22. November 2012 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist auf dem Gebiet
des Ausländerrechts gegen Entscheide betreffend Bewilligungen ausgeschlossen,
auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt
(Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Gegen den Widerruf einer
Niederlassungsbewilligung kann ohne weitere Voraussetzungen an das
Bundesgericht gelangt werden, da diese zeitlich unbeschränkt gilt (vgl. Art. 34
Abs. 1 AuG [SR 142.20]) und ohne Widerruf weiterhin Rechtswirkungen entfalten
würde (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Der Beschwerdeführer kann sich sodann als
Ehemann einer portugiesischen Staatsangehörigen auf das Abkommen vom 21. Juni
1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der
Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und zudem auf Art. 8 EMRK berufen.

1.2 Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG
geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
(Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Mit einer Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können diese nur dann gerügt werden,
wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich sind (BGE 133 II 249 E.
1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398) oder auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG beruhen. Zudem ist vom Beschwerdeführer aufzuzeigen, dass
die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.3 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer reicht als Novum einen Bericht von
Dr. med. Q.________ vom 15. November 2012 ein. Ob dieses Novum zulässig ist,
kann mit Hinblick auf das Folgende (vgl. E. 4.3.1 hiernach) offen bleiben.

2.
2.1 Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer zu
einer längerfristigen Freiheitsstrafe, d.h. zu einer solchen von mehr als einem
Jahr, verurteilt worden ist (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit. b AuG;
BGE 135 II 377 E. 4.2 S. 381). Dieser Widerrufsgrund gilt auch bei
Niederlassungsbewilligungen ausländischer Personen, die sich seit mehr als 15
Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten (Art. 63 Abs.
2 AuG). Er bildet ebenfalls Grundlage für den Widerruf einer
Niederlassungsbewilligung EG/EFTA, da diese durch das Freizügigkeitsabkommen
nicht geregelt ist und nach Massgabe des nationalen Rechts erteilt wird (vgl.
Art. 2 Abs. 2 AuG; Art. 5 und 23 Abs. 2 VEP [SR 142.203]; vgl. Urteil 2C_831/
2010 vom 27. Mai 2011 E. 2.2). Dabei ist aber zusätzlich zu berücksichtigen,
dass eine strafrechtliche Verurteilung nur insoweit als Anlass für einen
Bewilligungswiderruf herangezogen werden darf, als die ihr zugrunde liegenden
Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige
Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht
aufenthaltsbeendenden Massnahmen entgegen, die (allein) aus generalpräventiven
Gründen verfügt werden. Dabei kommt es wesentlich auf das Rückfallrisiko an.
Verlangt wird eine nach Art und Ausmass der möglichen Rechtsgüterverletzung zu
differenzierende, hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer auch
künftig die öffentliche Sicherheit und Ordnung stören wird. Je schwerer die
möglichen Rechtsgüterverletzungen wiegen, desto niedriger sind die
Anforderungen, welche an die hinzunehmende Rückfallgefahr zu stellen sind (BGE
136 II 5 E. 4.2 S. 20; Urteile 2C_401/2012 vom 18. September 2012 E. 3.3;
2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 137 II 233; je mit
Hinweisen).

2.2 Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss verhältnismässig sein (Art.
96 AuG; Art. 8 Abs. 2 EMRK; BGE 135 II 377 E. 4.3 und 4.5 S. 381 ff.). Dabei
sind praxisgemäss namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des
Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten des Ausländers
während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen
Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu
berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381; Urteil des EGMR Trabelsi gegen
Deutschland vom 13. Oktober 2011 [41548/06], §§ 53 ff.). Die
Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit
hier aufhält, soll nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Bei wiederholter
bzw. schwerer Straffälligkeit ist dies jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen,
wenn der Ausländer hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land
verbracht hat (BGE 135 II 110 E. 2.1 S. 112; Urteile 2C_888/2012 vom 14. März
2013 E. 2.2; 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3; Urteil Trabelsi, § 54),
und zwar auch bei Ausländern, die dem FZA unterstehen (BGE 130 II 176 E. 4.4 S.
190). Bei schweren Straftaten und bei Rückfall bzw. wiederholter Delinquenz
besteht regelmässig ein wesentliches öffentliches Interesse, die Anwesenheit
eines Ausländers zu beenden, der dermassen die öffentliche Sicherheit und
Ordnung beeinträchtigt (Urteil 2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.1, nicht publ.
in: BGE 137 II 233; BGE 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190). Eine strenge Praxis gilt
insbesondere bei Delikten gegen die körperliche Integrität; selbst ein relativ
geringes Rückfallrisiko muss in diesen Fällen nicht hingenommen werden (Urteil
2C_926/2011 E. 2.3.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 130 II 176 E. 4.2-4.4 S.
185 ff.; 125 II 521 E. 4a S. 527).

2.3 Strafrecht und Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele und sind
unabhängig voneinander anzuwenden. Der Straf- und Massnahmenvollzug hat nebst
der Sicherheitsfunktion eine resozialisierende bzw. therapeutische Zielsetzung;
für die Fremdenpolizeibehörden steht demgegenüber das Interesse der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Vordergrund, woraus sich für die
Legalprognose ein im Vergleich mit den Straf- und Strafvollzugsbehörden
strengerer Beurteilungsmassstab ergibt; auch eine aus der Sicht des
Massnahmenvollzugs positive Entwicklung oder ein klagloses Verhalten im
Strafvollzug schliessen eine Rückfallgefahr und eine fremdenpolizeiliche
Ausweisung nicht aus (BGE 137 II 233 E. 5.2.2 S. 237 mit Hinweisen).

3.
Vorliegend ist der Widerrufsgrund von Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62 lit.
b AuG unbestritten und klarerweise erfüllt. In Bezug auf die
Verhältnismässigkeit hat die Vorinstanz erwogen, die lange Deliktsserie
innerhalb von zehn Jahren, insbesondere die äusserst schweren Delikte gegen
Leib und Leben, die körperliche Integrität und das Vermögen, zeugten von einer
hochgradigen kriminellen Energie und deuteten auf eine grosse Unbelehrbarkeit
und eine nicht hinnehmbare Gleichgültigkeit gegenüber der schweizerischen
Rechtsordnung hin. Obwohl das letzte Delikt Jahre zurück liege, sei das
öffentliche Interesse an einer Wegweisung aus der Schweiz nach wie vor sehr
gross. Der Beschwerdeführer habe äusserst verwerflich gehandelt, indem er
selbst nach der versuchten Tötung und der anschliessenden mehrmonatigen
Untersuchungshaft erneut ein massives Gewaltdelikt begangen habe. Das gesamte
Vorgehen zeuge von einem nicht hinnehmbaren kriminellen Potenzial und könne
nicht mehr als Sozialisationsschwierigkeit während der Adoleszenz betrachtet
werden. Der Beschwerdeführer befinde sich nach dem Strafvollzug seit rund 1 2/3
Jahren in Freiheit, wobei er sich wohl verhalten habe; angesichts der langen
Deliktskarriere könne aber noch nicht von einer nachhaltigen Bewährung die Rede
sein. Die Therapeutin Dr. Q.________ und die Vollzugs- und Bewährungsdienste
seien hinsichtlich der Legalprognose positiv eingestellt. Es gebe aber nach wie
vor ein gewisses Risiko zu beachten. Zwar habe sich die Situation des
Beschwerdeführers stabilisiert, aber eine Veränderung der Umweltfaktoren könnte
wieder Einfluss auf das Verhalten des Beschwerdeführers haben. Auch die Familie
sei nicht zwingend ein stabilisierender Faktor, habe sie ihn doch nicht von
seiner aussergewöhnlich schweren Delinquenz abhalten können. Sodann zeige der
Beschwerdeführer keine echte Einsicht und Reue für seine Taten. Er habe diese
im Strafverfahren durchwegs bestritten oder verharmlost. Noch im Jahre 2010
habe er seine Taten bagatellisiert, was auf eine nicht unerhebliche Verdrängung
hinweise. In der Psychopathy Checklist Revised (PCL-R) habe er immerhin 13
Punkte erzielt.
Von der Einholung eines weiteren Berichts von Dr. Q.________ sah das
Verwaltungsgericht in antizipierter Beweiswürdigung ab. In Bezug auf die
persönlichen und familiären Verhältnisse erwog es, der Beschwerdeführer sei im
Alter von sieben Jahren in die Schweiz gekommen; er könne somit nicht als
Ausländer der zweiten Generation gelten. Er sei zwar seit langer Zeit in der
Schweiz, wo er einen Grossteil seiner Kindheit und seine Jugend verbracht habe,
habe sich aber nie richtig in ein Gefüge einzuordnen vermocht und auch in der
Arbeitswelt nie richtig Fuss fassen können. Die sprachliche und
gesellschaftliche Integration sei nicht aussergewöhnlich. Er habe seine
Straftaten vorwiegend zusammen mit Personen aus seinem Kulturkreis begangen.
Positiv zu würdigen seien seine familiären Verhältnisse und die seit elf Jahren
bestehende Ehe. Indessen habe die Ehefrau ihn geheiratet, als er bereits
fremdenpolizeilich verwarnt und schon wieder straffällig geworden war. Sie habe
somit Kenntnis haben müssen, dass sie die Beziehung allenfalls nicht in der
Schweiz werde leben können. Auch sei das Verhältnis zu den Kindern intakt und
lebten seine Eltern und sein jüngerer Bruder im gleichen Haus. Er habe wohl
nach wie vor eine gewisse Beziehung zu seiner Heimat; die albanische Kultur
scheine ihm vertraut zu sein und er spreche gut albanisch. Es möge zwar
zutreffen, dass er keine nahen Verwandten mehr im Kosovo habe, aber er bringe
nicht vor, überhaupt keine Verwandten mehr dort zu haben; angesichts der
notorischen engen verwandtschaftlichen Bande albanischer Grossfamilien dürfte
es ihm möglich sein, die erforderliche Unterstützung bei der Reintegration in
der Heimat zu finden. Zudem habe er zahlreiche Beziehungen zu Landsleuten in
der Schweiz, woraus sich ein Bezug zum Kosovo ergebe. Die Ehefrau und die
Kinder träfe ein Umzug in den Kosovo sicher hart, doch könne die Frage der
Zumutbarkeit offen bleiben, da die Ehefrau den Beschwerdeführer im Wissen
geheiratet habe, die Ehe allenfalls nicht in der Schweiz führen zu können und
die Familie bereits durch die langjährige Haft des Vaters an dessen Abwesenheit
gewohnt sei. Insgesamt sei die Wegweisung aus der Schweiz verhältnismässig im
Sinne des AuG und der EMRK und verletze auch das FZA nicht, da nach wie vor von
einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit
auszugehen sei.

4.
Der Beschwerdeführer erhebt verschiedene Sachverhaltsrügen.

4.1 Er macht zunächst - wie schon vor der Vorinstanz - geltend, er sei zwar
erst im Alter von sieben Jahren in der Schweiz registriert worden, aber
effektiv bereits im Alter von drei Monaten eingereist und habe somit fast sein
ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht. Die Vorinstanz hat sich damit
auseinandergesetzt und erwogen, diese Angabe lasse sich nicht verifizieren und
decke sich auch nicht mit den früher vom Beschwerdeführer selber gemachten
Angaben. Die Vorbringen des Beschwerdeführers lassen diese Feststellungen nicht
als offensichtlich unrichtig erscheinen.

4.2 Weiter kritisiert der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Aussage, er
bringe nicht vor, überhaupt keine Verwandten in der Heimat zu haben; er habe im
Gegenteil in der Beschwerde ausgeführt, er habe keinerlei Beziehungen zu Kosovo
und dort keine näheren Angehörigen mehr; die letzte nächste Verwandte sei
gestorben. Diese Aussage kann aber willkürfrei so verstanden werden, wie sie
die Vorinstanz verstanden hat, nämlich dass der Beschwerdeführer zwar keine
nahen Verwandten mehr habe, aber nicht vorbringe, er habe "überhaupt keine
Verwandten mehr" in der Heimat.

4.3 In erster Linie rügt der Beschwerdeführer in sachverhaltlicher Hinsicht die
von der Vorinstanz vorgenommene Rückfallprognose.
4.3.1 In diesem Zusammenhang beanstandet er als Gehörsverletzung, dass die
Vorinstanz keinen aktuellen Bericht von Dr. Q.________ eingeholt habe, hätte
doch ein solcher Bericht durchaus sachdienliche Auskünfte über die aktuelle
Legalprognose geben können. Der Vorinstanz lag der Schlussbericht von Dr.
Q.________ vom 18. November 2010 vor, den sie gleich wie das Departement
würdigte. Sie begründete den Verzicht auf die Einholung eines erneuten Berichts
damit, dass Dr. Q.________ in diesem Schlussbericht die Therapie als beendet
erklärt habe; selbst wenn ein freiwilliger therapeutischer Kontakt weiterhin
statt gefunden haben sollte, könne Dr. Q.________ über die seitherige
Entwicklung kaum verlässliche Aussagen machen. Diese Überlegung ist - im
Hinblick auf das rechtserhebliche Thema der Rückfallprognose - nicht
willkürlich, zumal Dr. Q.________ in ihrem Bericht selber ausführt, eine exakte
forensische Legalprognose gehöre nicht zu einem Therapiebericht. Im übrigen
führt Dr. Q.________ auch in ihrem als Novum eingereichten Bericht vom 15.
November 2012 aus, Aspekte, die zu Gunsten einer günstigen Legalprognose
sprächen, ergäben sich am ehesten aus der Realität bzw. dem delinquenzfreien
Verhalten. Damit wird auch im nachhinein bestätigt, dass der Verzicht auf die
Einholung eines neuen Berichts vertretbar war, zumal das delinquenzfreie
Verhalten als solches der Vorinstanz bekannt war und von ihr berücksichtigt
worden ist.
4.3.2 Die Vorinstanz hat in ausführlicher Würdigung der ihr vorliegenden
Tatsachen zwar verschiedene positive Faktoren erwähnt, ist aber zur Folgerung
gekommen, dass trotzdem nach wie vor ein gewisses Risiko zu beachten sei. Die
Vorbringen des Beschwerdeführers lassen diese Sachverhaltsfeststellung nicht
als offensichtlich unrichtig erscheinen. Insbesondere ist es entgegen der
Darstellung des Beschwerdeführers nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz
ausgeführt hat, das Wohlverhalten in Freiheit habe erst rund 1 2/3 Jahre
gedauert, ohne dass Auflagen bestünden; in der Zeit des offenen
Arbeitsexternats und der bedingten Entlassung bestanden solche Auflagen
zumindest in der Form der angeordneten Therapie bei Dr. Q.________.

4.4 Weiter rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe die enge affektive
Bindung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern nicht anerkannt und die
Anhörung der Kinder verweigert, was eine Gehörsverletzung darstelle. Soweit
darin eine Sachverhaltsrüge zu erblicken ist, läuft sie ins Leere: Die
Vorinstanz hat nämlich anerkannt, dass die Bindung des Beschwerdeführers zu
seinen Kindern intakt ist und gelebt wird. Sie hat offen gelassen, ob sie in
affektiver Hinsicht besonders eng sei, weil sie dies als rechtlich nicht
ausschlaggebend erachtete. Ob das zutrifft, ist nicht eine Sachverhalts-,
sondern eine Rechtsfrage (vgl. E. 5.4 hiernach).

5.
5.1 In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz die massgebende Rechtslage (vgl.
E. 2 hiervor) korrekt wiedergegeben und angewendet. Sie hat mit Recht die
langjährige und gewalttätige Deliktsserie und das im strafrechtlichen Urteil
ausgedrückte sehr grosse Verschulden des Beschwerdeführers stark gewichtet. Die
Praxis sowohl des Bundesgerichts als auch des EGMR misst der Rückfallgefahr
hohe Bedeutung zu (Urteil 2C_998/2012 vom 19. Februar 2013 E. 3; Urteil
Trabelsi, § 57). Angesichts der Schwere der vom Beschwerdeführer wiederholt
begangenen Delikte besteht ein sehr hohes öffentliches Sicherheitsinteresse an
einer Fernhaltemassnahme und muss das erwähnte Rückfallrisiko nicht hingenommen
werden, zumal sich der Beschwerdeführer auch durch die fremdenpolizeiliche
Verwarnung nicht von weiterer Delinquenz abhalten liess (Urteil Trabelsi, §
58). Die erst kurze Zeit der Bewährung in Freiheit vermag die wiederholte und
äusserst schwere Deliktstätigkeit nicht aufzuwiegen und stellt insbesondere
keinen Beweis für ein nachhaltiges Wohlverhalten dar. Die vorinstanzliche
Beurteilung ist auch mit dem FZA vereinbar, hat sie doch keineswegs auf
generalpräventive Aspekte abgestellt, sondern auf die konkrete vom
Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Dabei darf
zwar die strafrechtliche Verurteilung nicht allein eine Entfernungsmassnahme
begründen, doch kann sie insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zugrunde
liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine
gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (BGE 130 II 176 E.
3.4.1 S. 183 ff.; Urteile 2C_487/2012 vom 2. April 2013 E. 4.4.1; 2C_839/2011
vom 28. Februar 2012 E. 2.3; 2A.247/2006 vom 3. August 2006 E. 2.4.3; 2A.30/
2005 vom 21. Juni 2005 E. 5).

5.2 Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf einige Literaturzitate
geltend, der ausländerrechtliche Massstab für eine günstige Legalprognose dürfe
nicht wesentlich strenger sein als der strafrechtliche; andernfalls würden die
betroffenen Personen für ausländerrechtliche Zwecke oder das Ausländerrecht für
Strafzwecke instrumentalisiert und es finde eine unzulässige Doppelbestrafung
statt. Diese Auffassung widerspricht jedoch der dargelegten Rechtsprechung
(vgl. E. 2.3 hiervor), von welcher abzuweichen kein Anlass besteht. Auch der
EGMR anerkennt in ständiger Praxis, dass ausländerrechtliche
Entfernungsmassnahmen zusätzlich zur strafrechtlichen Sanktion zulässig sind
(statt vieler: Urteil des EGMR Shala gegen Schweiz vom 15. November 2012 §§ 38
ff.; Urteil Trabelsi, §§ 51 ff.; je mit Hinweisen).

5.3 Was die Beziehung zum Heimatland betrifft, hat die Vorinstanz gewürdigt,
dass der Beschwerdeführer dort keine direkten Kontakte hat, dass er aber
albanisch spricht und mit der albanischen Kultur verbunden ist. Der
Beschwerdeführer bringt keine konkreten Umstände vor, weshalb ihm eine Rückkehr
nicht zumutbar sein soll.

5.4 Die Vorinstanz hat auch die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner
Familie ausführlich gewürdigt. Sie hat nicht verkannt, dass der Widerruf der
Bewilligung für Frau und Kinder hart ist, aber mit Recht berücksichtigt, dass
sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit durch Ehe und Vaterschaft nicht
vom deliktischen Verhalten abhalten liess. Sodann hat die Vorinstanz mit Recht
gewürdigt, dass die Ehefrau den Beschwerdeführer in einem Zeitpunkt geheiratet
hatte, als dieser bereits erheblich delinquiert hatte und fremdenpolizeilich
verwarnt worden war. Sie musste sich deshalb bewusst sein, dass der weitere
Aufenthalt ihres Mannes in der Schweiz nicht gesichert war (vgl. dazu Urteile
2C_833/2011 vom 6. Juni 2012 E. 3.3.3; 2C_679/2011 vom 21. Februar 2012 E.
3.4.3 sowie die Urteile des EGMR Darren Omoregie gegen Norwegen vom 31. Juli
2008 § 57 und Rodrigues da Silva gegen Niederlande vom 31. Januar 2006 § 39).
Unter diesen Umständen und angesichts des grossen öffentlichen
Fernhalteinteresses ist der Bewilligungswiderruf auch dann zulässig, wenn
dadurch gelebte Familienverhältnisse getrennt werden. Den Ehegatten steht es im
Übrigen frei, ob sich die Familie trennen soll oder ob die Ehefrau und die
Kinder zusammen mit dem Mann in dessen Heimat ziehen wollen.

6.
Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich damit als rechtmässig.
Insbesondere ist die damit verbundene Fernhaltung aus der Schweiz auch mit dem
FZA vereinbar. Unter diesen Umständen ist auch der Eventualantrag unbegründet,
es sei dem Beschwerdeführer eine EU/EFTA-Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib
bei seiner portugiesischen Ehefrau zu erteilen, da auch dieser
Bewilligungsanspruch zu verneinen ist (Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA).

7.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration, dem Justiz- und
Sicherheitsdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 1. Mai 2013
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Winiger

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