Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1124/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
2C_1124/2012

Urteil vom 27. August 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Kreis,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
St. Leonhard-Strasse 40, 9001 St. Gallen,

Sicherheits- und Justizdepartement
des Kantons St. Gallen,
Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
15. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.

 X.________ (geb. 1964) ist kroatischer Staatsangehöriger. Er reiste 1988 in
die Schweiz ein und heiratete eine in der Schweiz aufenthaltsberechtigte
Serbin, worauf er ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Dem Ehepaar
wurden in den Jahren 1988 und 1990 zwei Töchter geboren, im Dezember 1991 liess
es sich scheiden. Die Ausländerbehörde weigerte sich in der Folge, die
Aufenthaltsbewilligung von X.________ zu verlängern. Sie begründete dies zum
einen mit dem Ende der Ehe, zum andern hielt sie fest, er habe zu verschiedenen
Klagen Anlass gegeben; namentlich bestünden Betreibungen und Verlustscheine in
der Höhe von mehreren zehntausend Franken gegen hin. Angesichts der politischen
Lage im ehemaligen Jugoslawien wurde X.________ die Ausreisefrist indes
mehrfach verlängert und später kam er in den Genuss einer
Kurzaufenthaltsbewilligung.

B.

 Im September 1997 heiratete X.________ in Bosnien und Herzegowina seine
jetzige Ehefrau, die, wie er, aus Kroation stammt und in der Schweiz über eine
Niederlassungsbewilligung verfügt. Ein Gesuch um Familiennachzug verweigerte
die Fremdenpolizei zunächst, dies zum einen wegen zahlreichen Verstössen gegen
die Ausländergesetzgebung, die jeweils mit geringfügigen Bussen geahndet worden
waren, zum andern wegen den Schulden von X.________: Gegen ihn lagen
Verlustscheine in der Höhe von Fr. 85'136.-- vor und es liefen Betreibungen
über rund Fr. 45'000.--. Später zog die Fremdenpolizei ihren Entscheid in
Wiedererwägung, dies unter der Bedingung, dass X.________ eine ihm angebotene
Stelle auch tatsächlich antrete und monatlich Fr. 1'300.-- seiner Schulden
zurückzahle.

C.

 Mit Strafbefehl vom 4. Juli 2008 sprach das Untersuchungsrichteramt St. Gallen
X.________ wegen Verfügung über mit Beschlag belegte Vermögenswerte schuldig
und es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen in der Höhe von
je Fr. 50.-- und zu einer Busse von Fr. 500.--; er hatte ein ihm gehörendes,
aber gepfändetes und mit einem Veräusserungsverbot belegtes Motorfahrzeug
verkauft.

D.

 Am 18. März 2009 verwarnte das Ausländeramt (heute Migrationsamt) des Kantons
St. Gallen X.________ und wies ihn an, "sich künftig in jeder Beziehung klaglos
zu verhalten (keine strafrechtlichen Verurteilungen mehr, keine neuen Schulden
mehr und Tilgung der bestehenden Schulden) ". Zum damaligen Zeitpunkt bestanden
Verlustscheine gegenüber X.________ in der Höhe von insgesamt Fr. 312'170.75.
Mit Verfügung vom 15. Juni 2011 weigerte sich das Migrationsamt des Kantons St.
Gallen, die Aufenthaltsbewilligung von X.________ erneut zu verlängern und wies
ihn aus der Schweiz weg. Es begründete dies mit den strafrechtlichen
Verurteilungen, seinen finanziellen Verhältnissen sowie der mangelnden
Integration in den Arbeitsprozess. Diesen Entscheid bestätigten das
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 4.
Mai 2012 und das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 15.
Oktober 2012.

E.

 Gegen diesen Entscheid erhebt X.________ (Beschwerdeführer) mit Eingabe vom
12. November 2012 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten. Er beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts (Vorinstanz)
sei aufzuheben und von einem Widerruf der Aufenthaltsbewilligung und einer
Wegweisung sei abzusehen; eventuell sei ihm der weitere Aufenthalt in der
Schweiz mit Auflagen und Bedingungen oder unter Annahme eines Härtefalls zu
bewilligen. Sodann beantragt der Beschwerdeführer die unentgeltliche
Rechtspflege.
Die Vorinstanz, das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen
sowie das Bundesamt für Migration beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügungen vom 16. November 2012 hat der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses
verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist unzulässig
gegen Entscheide auf dem Gebiet des Ausländerrechts betreffend Bewilligungen,
auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen
(Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG).
Gemäss Art. 43 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die
Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) haben ausländische Ehegatten und
ledige Kinder unter 18 Jahren von Personen mit Niederlassungsbewilligung
Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen
zusammenwohnen. Ein analoger Anspruch besteht zudem aufgrund des in Art. 8 EMRK
bzw. Art. 13 Abs. 1 BV garantierten Rechts auf Achtung des Familienlebens. Der
Beschwerdeführer ist mit einer in der Schweiz niedergelassenen Ausländerin
verheiratet und wohnt mit ihr zusammen. Er hat damit einen grundsätzlichen
Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung. Ob der Anspruch erloschen
ist, weil - wie die Vorinstanzen angenommen haben - ein Widerrufsgrund nach
Art. 51 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 62 lit. c oder lit. d AuG vorliegt, ist eine
Frage der materiellen Beurteilung und nicht der Zulässigkeit des Rechtsmittels
(BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 149 f.).
Demgegenüber vermitteln die Art. 30 ff. AuG keinen Rechtsanspruch auf eine
Härtefallbewilligung. Soweit der Beschwerdeführer die Erteilung einer solchen
Bewilligung beantragt, ist das Rechtsmittel aufgrund der Ausnahmeklausel von
Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG unzulässig.

1.2. Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100
Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von einer durch die Entscheidung besonders
berührten Partei mit einem schutzwürdigen Interesse an deren Aufhebung oder
Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG) eingereicht. Sie richtet sich gegen einen
letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG und Art.
90 BGG). Auf die Beschwerde kann daher grundsätzlich eingetreten werden.

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und
Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der
Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.

 Der Beschwerdeführer - er hatte in den Jahren 2008 und 2009 je einen
Herzinfarkt erlitten - hatte bei der Vorinstanz die Sistierung des Verfahrens
beantragt, bis über sein hängiges Gesuch um Gewährung einer IV-Rente
entschieden sei. Das Verwaltungsgericht hat dies abgelehnt mit der Begründung,
zwischen dem ausländerrechtlichen und dem sozialversicherungsrechtlichen
Verfahren bestehe kein Zusammenhang und eine Verbesserung der finanziellen
Situation des Beschwerdeführers aufgrund allfälliger Zahlungen aus der
Invalidenversicherung erscheine geradezu unmöglich, da die Leistungen der IV
und die Ergänzungsleistungen bloss den Grundbedarf deckten. Der
Beschwerdeführer erachtet die Verweigerung der Sistierung als Verletzung seines
Anspruchs auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör.
Die vorinstanzliche Begründung, wonach eine Invalidisierung des
Beschwerdeführers dessen finanzielle Lage nicht positiv zu beeinflussen
vermöge, erscheint zwar diskutabel, könnte doch eine IV-Rente zusammen mit
allfälligen Ergänzungsleistungen die Einkommenssituation des Beschwerdeführers
durchaus stabilisieren und dadurch die Gefahr einer weiteren Verschuldung
reduzieren. Allerdings kommt der Behörde beim Entscheid über die Sistierung ein
erhebliches Ermessen zu (Urteil 2C_157/2008 vom 28. April 2008 E. 2.3.2). Daher
verstösst die Verweigerung einer beantragten Sistierung in der Regel nur dann
gegen Bundesrecht, wenn sich die Pflicht zur Sistierung aus einer
bundesrechtlichen Norm ergibt. Trifft dies nicht zu, verletzt die Ablehnung des
Sistierungsbegehrens höchstens dann prozessuale Ansprüche des Antragstellers,
wenn die verfügende Behörde ihr Ermessen überschritten oder missbraucht und
damit das Willkürverbot verletzt hat. Dies ist nicht bereits dann der Fall,
wenn Zweckmässigkeitsgründe für eine Sistierung sprechen könnten, insbesondere
weil das Urteil von der Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit beeinflusst
werden kann (vgl. Art. 6 Abs. 1 BZP). Bei dieser Konstellation liegen zwar
zureichende Gründe für eine Sistierung vor, sodass dieser Schritt unter dem
Gesichtspunkt des Rechtsverzögerungsverbots zulässig wäre; hingegen
verpflichtet das Vorliegen solcher Gründe die Behörde nicht zu einer Sistierung
(Urteil 2A.80/2005 vom 9. März 2005 E. 2.2.2). Dies gilt vorliegend umso mehr,
als ein allfälliger negativer Rentenentscheid vom Beschwerdeführer angefochten
werden und die Rechtshängigkeit des Sozialversicherungsprozesses die
Fortführung des ausländerrechtlichen Verfahrens dergestalt während einer langen
Periode blockieren könnte. Aus diesem Grund hat die Vorinstanz weder gegen das
Fairnessgebot verstossen noch den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers
verletzt, als sie sein Sistierungsgesuch abgewiesen hat.

3.

 Nach Art. 43 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Personen mit
Niederlassungsbewilligung Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Die Rechtsansprüche
gemäss dieser Bestimmung gelten unter Vorbehalt der Erlöschensgründe von Art.
51 Abs. 2 AuG. Nach Art. 51 Abs. 2 lit. b AuG erlöschen die Ansprüche nach Art.
43 AuG, wenn Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG vorliegen (BGE 135 II 377 E. 4.3
mit Hinweisen). Nach letzterer Bestimmung kann die zuständige Behörde
Aufenthaltsbewilligungen widerrufen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer
erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der
Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere
oder die äussere Sicherheit gefährdet (Art. 62 lit. c AuG) oder eine mit der
Verfügung verbundene Bedingung nicht einhält (Art. 62 lit. d AuG). Der Begriff
des Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird in Art. 80 der
Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit
(VZAE; SR 142.201) in einer nicht abschliessenden Aufzählung (Urteil 2C_42/2011
vom 23. August 2012 E. 3) näher umschrieben. Ein solcher Verstoss liegt demnach
insbesondere bei einer Missachtung von gesetzlichen Vorschriften und
behördlichen Verfügungen (Art. 80 lit. a VZAE) oder bei mutwilliger
Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen
Verpflichtungen (Art. 80 lit. b VZAE) vor (vgl. BGE 137 II 297 E. 3.1 - 3.3 S.
302 ff.; Urteil 2C_273/2010 vom 6. Oktober 2010 E. 3.2 und 3.3).

4.

4.1. Die Vorinstanz hält fest, beim Beschwerdeführer sei der Widerrufsgrund von
Art. 62 lit. d AuG erfüllt, denn seine Verschuldung habe nach der
fremdenpolizeilichen Verwarnung im März 2009 bis zum 23. März 2011 um Fr.
28'880.35 zugenommen. Zwar sei richtig, dass in dieser Zeit einige
Verlustscheine aus dem Betreibungsregister gelöscht wurden, doch resultiere
netto noch immer eine Zunahme der Schuldenlast um Fr. 1'116.75. Zudem sei er
seinen Unterhaltspflichten gegenüber seinen Töchtern nicht nachgekommen, was
für sich allein bereits einen Verstoss gegen die ihm auferlegten Bedingungen
darstelle und somit die Nichtverlängerung der Bewilligung rechtfertige. Ob ihn
diesbezüglich ein Verschulden treffe, sei nicht von Belang. Sodann sei auch der
Widerrufsgrund von Art. 62 lit. c AuG erfüllt, da der Beschwerdeführer seinen
finanziellen Verpflichtungen mutwillig nicht nachgekommen sei: Der
Beschwerdeführer habe sich in früheren Jahren unter anderem zur Finanzierung
von Spielschulden und zum Kauf von Autos verschuldet und seine Schulden seien
selbst dann gestiegen, wenn er kurzzeitig erwerbstätig gewesen sei. Auch nach
erfolgter Verwarnung habe er weder Unterhaltszahlungen für seine Töchter noch
Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge geleistet. Er habe sich nicht
ernsthaft um Arbeit bemüht und die in jüngster Zeit aufgetretene Erkrankung
vermöge an dieser Gesamtbeurteilung nichts zu ändern.
Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers ist nach
Auffassung der Vorinstanz auch verhältnismässig. Zwar lebe er schon lange in
der Schweiz, doch habe er sehr hohe Schulden angehäuft und sich beruflich nicht
integrieren können. Er habe bis ins Erwachsenenalter in seinem Heimatland
gelebt und werde sich dort auch wieder zurecht finden. Seine verschiedenen
Krankheiten könnten auch dort behandelt werden, und es sei nicht nachgewiesen,
dass er "ein Pflegefall" sei. Schliesslich seien auch seine verschiedenen
Straftaten und Übertretungen in Betracht zu ziehen. Ein unzulässiger Eingriff
in das Familienleben liege nicht vor, denn der Gattin des Beschwerdeführers
wäre es zuzumuten, ihm in ihr gemeinsames Heimatland zu folgen; falls sie es
vorziehe, in der Schweiz zu verbleiben, könnten die beiden auch mittels
Besuchen, Telefonaten usw. Kontakt zueinander halten.

4.2. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, für einen allfälligen
Widerrufsgrund seiner Aufenthaltsbewilligung könne nur sein Verhalten seit der
Verwarnung im März 2009 massgeblich sein. Es gehe nicht an, ihm im Frühling
2009 die Aufenthaltsbewilligung provisorisch zu verlängern und sich dann für
die Begründung des Widerrufs auf frühere Vorkommnisse abzustützen. Er habe alle
Bedingungen eingehalten, die ihm in der Verwarnung auferlegt worden seien. Zwar
seien seine Schulden um Fr. 1'116.75 gestiegen, doch sei dieser Betrag sehr
gering und es treffe ihn daran kein Verschulden. Entgegen der Auffassung der
Vorinstanz habe er im massgeblichen Zeitpunkt keine Unterhaltsverpflichtungen
gegenüber seinen Töchtern mehr gehabt, denn diese seien damals beide volljährig
gewesen. Er sei seit der Verwarnung auch nicht mehr straffällig geworden. Zudem
seien in den letzten Jahren Schuldscheine gelöscht worden. Er habe seine
Schulden nicht weiter abbauen können, weil er arbeitslos gewesen sei. Dies sei
ihm nicht anzulasten, da er zwei Herzinfarkte erlitten habe; sein
angeschlagener Gesundheitszustand sei durch zahlreiche Arztberichte gut
dokumentiert. Dennoch habe er sich intensiv um eine Arbeitsstelle bemüht. Trotz
Arbeitslosigkeit hätten er und seine Gattin seit der Verwarnung bloss während
zwei Monaten, im Herbst 2009, Sozialhilfe bezogen. Hinsichtlich des
Widerrufstatbestands von Art. 62 lit. c AuG hält der Beschwerdeführer ausserdem
fest, dieser sei auch deshalb nicht erfüllt, weil er nicht mutwillig gegen
finanzielle Verpflichtungen verstossen habe. Die Autos, die er gekauft habe,
habe er jeweils für den Arbeitsweg benötigt.

 Schliesslich erachtet der Beschwerdeführer einen Widerruf seiner
Aufenthaltsbewilligung auch als unverhältnismässig, weil seine strafrechtlichen
Verurteilungen sehr lange zurücklägen und nicht mehr verwertet werden dürften.
Überdies habe er enge familiäre Bindungen zur Schweiz (Ehefrau, Töchter),
wogegen er sich seinem Heimatland entfremdet habe.

5.

 Die gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochene Verwarnung datiert vom 18.
März 2009. Das (damalige) Ausländeramt hat die allgemein gehaltene Forderung,
"sich künftig in jeder Beziehung klaglos zu verhalten" in dreifacher Hinsicht
konkretisiert: Es dürften keine strafrechtlichen Verurteilungen gegen ihn mehr
ergehen, er dürfe sich nicht weiter verschulden und er habe die bestehenden
Schulden zu tilgen, wobei ihm das Amt diesbezüglich aber weder eine Frist
gesetzt noch betragsmässige Vorgaben gemacht hat. Wie auch die Vorinstanz
konzediert, sind gegenüber dem Beschwerdeführer keine strafrechtlichen
Verurteilungen mehr erfolgt. Näher zu prüfen ist dagegen die Frage der
Neuverschuldung bzw. des verlangten Schuldenabbaus.
Vorliegend ist unbestritten, dass zwischen der Verwarnung vom 18. März 2009 und
der verfügten Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung am 15. Juni 2011 im
Betreibungsregister des Beschwerdeführers neue Verlustscheine über rund Fr.
28'000.-- eingetragen wurden. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem
Zusammenhang auf die gleichzeitig erfolgte Löschung von Verlustscheinen über
mehr als Fr. 27'000.--, weshalb sich lediglich ein Neuverschuldungssaldo von
Fr. 1'116.75 ergebe. Indessen erscheint fraglich, ob der Beschwerdeführer aus
dem letztgenannten Umstand etwas für sich herleiten kann, denn es ist
sachverhaltlich nicht erstellt, wie diese Löschungen zustande gekommen sind.
Insbesondere ist unklar, ob es dabei bloss um verjährte Forderungen gegangen
war, denen keine Tilgung zugrunde gelegen hatte (vgl. Art. 149a SchKG), oder ob
die Reduktion der Schuldenlast auf eigene Bemühungen des Beschwerdeführers,
d.h. auf Rückkäufe der Verlustscheine mit eigenen finanziellen Mitteln
zurückzuführen war.
Die Klärung dieses Punktes erweist sich für die Beurteilung der vorliegenden
Angelegenheit als wesentlich: Ist die Reduktion der im Betreibungsregister
aufgeführten Verlustscheine auf eigene Anstrengungen des Beschwerdeführers
zurückzuführen, so wäre die Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung
einzig aufgrund einer Nettoneuverschuldung von Fr. 1'116.75 unverhältnismässig.
Erfolgte der Wegfall der genannten Verlustscheine dagegen ohne Zutun des
Beschwerdeführers (sondern etwa aufgrund der eingetretenen Verjährung) stände
dagegen fest, dass dieser sein Finanzgebaren nicht wie vom Ausländeramt
verlangt signifikant geändert hätte: Bis zur Verwarnung am 18. März 2009 wuchs
der Schuldenberg während gut 20 Jahren auf rund Fr. 300'000.--, was im Schnitt
einer Verschuldung von rund Fr. 15'000.-- pro Jahr entspricht. Wenn nun
zwischen der Verwarnung vom 18. März 2009 und der Nichtverlängerung der
Aufenthaltsbewilligung am 15. Juni 2011 neue Verlustscheine über ca. Fr.
28'000.-- (d.h. rund Fr. 14'000.--/Jahr) ergingen, ohne dass dieser
Neuverschuldung aus eigener Kraft getätigte Rückzahlungen des Beschwerdeführers
gegenüber ständen, so wäre erstellt, dass er trotz fremdenpolizeilicher
Verwarnung in unverändertem Ausmass weiter über seine Verhältnisse und auf
Kosten anderer leben würde, was einen weiteren Verbleib in der Schweiz
ausschlösse.
Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Angelegenheit zur Prüfung dieses
Punktes und zur entsprechenden Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

6.

 Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutzuheissen
und die Sache an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen zurückzuweisen.

 Bei diesem Ergebnis sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine
Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 4 BGG). Der Kanton St.
Gallen hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird beim vorliegenden
Verfahrensausgang gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 15. Oktober 2012 aufgehoben und die Sache zur
ergänzenden Feststellung des Sachverhalts sowie zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2.

 Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

 Der Kanton St. Gallen hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.

 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im
bundesgerichtlichen Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben.

5.

 Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, seinem Rechtsvertreter, dem
Migrationsamt des Kantons St. Gallen, dem Sicherheits- und Justizdepartement
des Kantons St. Gallen, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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