Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1079/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1079/2012

Urteil vom 11. April 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Zähndler.

1. Verfahrensbeteiligte
X.c.________, gesetzlich vertreten durch ihre Eltern, X.a.________ und
X.b.________,
2. X.a.________,
3. X.b.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli,

gegen

Departement Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau, Abteilung
Volksschule, Bachstrasse 15, 5000 Aarau,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Regierungsgebäude, 5000 Aarau.

Gegenstand
Dispensation vom Schwimmunterricht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 4.
Kammer, vom 27. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
Die am 24. Juni 1998 geborene X.c.________ besuchte im Schuljahr 2011/2012 die
zweite Klasse der Bezirksschule in A.________. Am 24. August 2011 stellten ihre
Eltern, X.b.________ und X.a.________, beim Departement Bildung, Kultur und
Sport des Kantons Aargau, Abteilung Volksschule, das Gesuch, ihre Tochter sei
aus religiösen Gründen vom obligatorischen Schwimmunterricht zu befreien. Mit
Verfügung vom 7. September 2011 wies das Departement das Gesuch ab.

B.
Die von X.c.________ und ihren Eltern hiergegen ergriffenen Rechtsmittel wurden
vom Regierungsrat (Entscheid vom 15. Februar 2012) sowie vom Verwaltungsgericht
des Kantons Aargau (Urteil vom 27. Juni 2012) abgewiesen.

C.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 2012 führen X.c.________ und ihre Eltern Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Sie beantragen im
Wesentlichen, es sei X.c.________ während der Dauer der obligatorischen
Schulzeit vom Schwimmunterricht in der Schule zu dispensieren.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau äusserte sich in seiner
Vernehmlassung zur Sache, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Das
Departement Bildung, Kultur und Sport sowie der Regierungsrat des Kantons
Aargau liessen sich nicht vernehmen.
Mit Verfügung vom 6. Dezember 2012 erkannte der Präsident der II.
öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zu.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen
Endentscheid einer oberen kantonalen Gerichtsbehörde in einer Angelegenheit des
öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt
und daher an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art.
86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG). Als Adressaten des
angefochtenen Entscheids sind sämtliche Beschwerdeführer gestützt auf Art. 89
Abs. 1 BGG zur Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert: Die noch nicht 16
Jahre alte Beschwerdeführerin 1 (vgl. Art. 303 ZGB) handelt vorliegend
gemeinsam mit ihren Eltern, weswegen ihre Beschwerde in jedem Fall als zulässig
erscheint, zumal die Eltern die Jugendliche gesetzlich vertreten (Art. 304 Abs.
1 ZGB; vgl. BGE 135 I 79 E. 1.2 S. 81). Es kann offen bleiben, ob die
Beschwerdeführerin 1 infolge ihrer Urteilsfähigkeit auch alleine bzw.
unabhängig von ihren Eltern zur Ergreifung des Rechtsmittels befugt wäre (vgl.
Art. 19c Abs. 1 ZGB). Die Eltern ihrerseits sind gestützt auf Art. 303 Abs. 1
ZGB zur Beschwerdeführung berechtigt.

2.
Gemäss Art. 95 lit. a BGG kann mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten insbesondere geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid
verletze Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrechts. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von diesen tatsächlichen
Feststellungen kann es nur dann abweichen, wenn sie offensichtlich unrichtig
sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105
Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet
dabei willkürlich (BGE 136 II 304 E. 2.4 S. 314; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252).
Die Beschwerdeführer sind zunächst der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe
den Sachverhalt unvollständig und willkürlich festgestellt, indem es sich nicht
zur Häufigkeit des Schwimmunterrichts geäussert habe. Dieser Vorwurf ist
unbegründet: Aus den Erwägungen der Vorinstanz erhellt, dass diese den
gewünschten Dispens aus grundsätzlichen Überlegungen verweigert hat, d.h.
ungeachtet der Anzahl der Kurstage. Darüber hinaus werfen die Beschwerdeführer
der Vorinstanz in verschiedenen Punkten eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung bzw. eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör vor, wo es viel eher um eine unterschiedliche rechtliche Würdigung eines
Lebenssachverhalts geht, namentlich hinsichtlich der integrativen Wirkung des
alternativen Schwimmunterrichts und betreffend die Frage der Zumutbarkeit des
Tragens eines Burkinis. Diese Rügen erweisen sich als unbegründet.

3.
Die Beschwerdeführer, welche sich zum islamischen Glauben bekennen, behaupten
im Wesentlichen, der angefochtene Entscheid verletzte die von Art. 15 BV und
Art. 9 EMRK garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit.

3.1 Art. 15 BV gewährleistet - ebenso wie Art. 9 EMRK - die Glaubens- und
Gewissensfreiheit (Abs. 1) und räumt jeder Person das Recht ein, ihre Religion
und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in
Gemeinschaft mit andern zu bekennen (Abs. 2). Die Religionsfreiheit umfasst
sowohl die innere Freiheit, zu glauben, nicht zu glauben oder seine religiösen
Anschauungen zu ändern, wie auch die äussere Freiheit, entsprechende
Überzeugungen innerhalb gewisser Schranken zu äussern, zu praktizieren und zu
verbreiten oder sie nicht zu teilen (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; 119 Ia 178
E. 4c S. 184). Sie enthält den Anspruch des Einzelnen darauf, sein Verhalten
grundsätzlich nach den Lehren des Glaubens auszurichten und den
Glaubensüberzeugungen gemäss zu handeln. Unter ihrem Schutz stehen alle
Religionen, unabhängig von ihrer quantitativen Verbreitung in der Schweiz (BGE
119 Ia 178 E. 4b S. 184; 123 I 296 E. 2b/aa S. 300 f.). Zur derart
gewährleisteten Religionsausübung zählen über kultische Handlungen hinaus auch
die Beachtung religiöser Gebräuche, Gebote und andere Äusserungen des
religiösen Lebens, soweit solche Verhaltensweisen Ausdruck der religiösen
Überzeugung bilden (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; 119 Ia 178 E. 4c S. 184).
Das gilt auch für Religionsbekenntnisse, welche die auf den Glauben gestützten
Verhaltensweisen sowohl auf das geistig-religiöse Leben wie auch auf weitere
Bereiche des alltäglichen Lebens beziehen (BGE 119 Ia 178 E. 4c S. 185); auch
religiös motivierte Bekleidungsvorschriften sind vom Schutz von Art. 15 BV
erfasst (BGE 123 I 296 E. 2b/aa S. 300; 119 Ia 178 E. 4c S. 184).

3.2 Wie das Bundesgericht in BGE 135 I 79 E. 4.6 und E. 5.1 S. 84 f.
festgehalten hat, stellt die Verpflichtung zur Teilnahme am
gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht einen Eingriff in die
Religionsfreiheit dar. Den nicht antastbaren Kernbereich dieses Grundrechts
betrifft sie allerdings nicht, weshalb es unter den Voraussetzungen von Art. 36
BV eingeschränkt werden kann (vgl. auch BGE 134 I 56 E. 4.3 S. 60 f. mit
Hinweisen). Die Beschwerdeführer behaupten nicht, es fehle eine hinreichende
gesetzliche Grundlage für den fraglichen Grundrechtseingriff, bezweifeln aber
das öffentliche Interesse daran und erachten den Eingriff ausserdem als
unverhältnismässig.

3.3 In BGE 135 I 79 E. 7 S. 86 ff. hielt das Bundesgericht fest, das
Obligatorium des Schulbesuches - einschliesslich der vom kantonalen Recht
statuierten Pflicht zur Teilnahme am Schwimmen im Rahmen des Sportunterrichts -
diene der Wahrung der Chancengleichheit aller Kinder und darüber hinaus auch
derjenigen zwischen den Geschlechtern bzw. der Gleichstellung von Mann und Frau
in der (Aus-)Bildung. Dem gemeinsam geführten Sportunterricht komme im hier
bestehenden gesellschaftlichen Umfeld eine im Interesse des Kindes liegende
wichtige sozialisierende Funktion zu. Insbesondere gelte es zu vermeiden, dass
die Kinder islamischen Glaubens bereits auf der Schulstufe in eine
Aussenseiterrolle gedrängt würden. Von Ausländern dürfe und müsse sodann
erwartet werden, dass sie zum Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung
bereit seien und die schweizerische Rechtsordnung mit ihren demokratischen und
rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie die hiesigen sozialen und
gesellschaftlichen Gegebenheiten akzeptierten: Wer in ein anderes Land
emigriere, müsse regelmässig gewisse Einschränkungen und Änderungen seiner
Lebensgewohnheiten in Kauf nehmen, was jedoch keineswegs eine Preisgabe der
Religionsfreiheit bedeute. Es gehe dabei regelmässig nicht um den Kerngehalt
dieses Grundrechts, sondern lediglich um Konflikte, die daraus entstehen
können, dass gewisse kulturell-religiös verankerte, inhaltlich aber das
Alltagsleben betreffende Verhaltensnormen mit den hier geltenden Regeln
kollidieren. Glaubensansichten entbänden jedoch nicht von der Erfüllung der
bürgerlichen Pflichten. Diese in Art. 49 Abs. 5 der früheren Bundesverfassung
vom 29. Mai 1874 (in Kraft gewesen bis zum 31. Dezember 1999) noch ausdrücklich
verankerte Regel müsse als Grundsatz weiterhin gelten. Aus diesen Gründen
erkannte das Bundesgericht im erwähnten BGE 135 I 79 in der Verpflichtung
zweier Knaben im Primarschulalter zum Besuch des obligatorischen,
gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterrichts keinen unzulässigen Eingriff in die
Religionsfreiheit, zumal die Schule flankierende Massnahmen (Zulassung eigener
körperbedeckender Badebekleidung, getrenntes Umziehen und Duschen) ergriffen
hatte. Das Bundesgericht bestätigte diese Praxis mit Urteil 2C_666/2011 vom 7.
März 2012, welches den gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht von zwei
neun- bzw. siebenjährigen Mädchen zum Gegenstand hatte. Im Urteil 2C_724/2011
vom 11. April 2012 E. 3.4.1 in fine (publ. in: ZBl 2012 S. 675 ff.) bestätigte
das Bundesgericht sodann seine Rechtsprechung, wonach dem obligatorischen
Schulunterricht grundsätzlich der Vorrang vor der Einhaltung religiöser
Vorschriften zukommt und Ausnahmen vom Besuch einzelner Fächer nur mit
Zurückhaltung zu gewähren sind.

3.4 Im vorliegend zu beurteilenden Fall wird seitens der Beschwerdeführer nicht
bestritten, dass der Schwimmunterricht nach Geschlechtern getrennt durchgeführt
wird, das Hallenbad über Einzelkabinen zum Duschen und Umziehen verfügt und die
Schulleitung der Beschwerdeführerin 1 die Verwendung eines sog. Burkini
gestattet, d.h. eines nicht eng am Körper anliegenden Ganzkörperschwimmanzugs
mit integrierter Schwimmkappe. Die Beschwerdeführer wenden jedoch ein, dies
genüge ihren speziellen, besonders strengen religiösen Anforderungen nicht. Zum
einen stören sie sich daran, dass der Unterricht von einem Mann geleitet wird.
Zum andern beanstanden sie die Einsehbarkeit des Schwimmbads von aussen her
durch das Fenster; deshalb könnten auch fremde Männer den Schwimmunterricht
beobachten. Als Angehörige der Glaubensrichtung der Schiiten dürfe die
Beschwerdeführerin 1 aber selbst dann nicht unter männlicher Aufsicht
schwimmen, wenn sie ein Burkini tragen würde. Im Übrigen sei von Bedeutung,
dass die Beschwerdeführerin 1 bereits schwimmen könne und weiterhin einen
privaten Schwimmunterricht für Muslime besuche, weshalb der Besuch des
obligatorischen Schwimmunterrichts zur Unfallprävention nicht erforderlich sei.
Auch ein Besuch zwecks Integration sei nicht nötig, da die Beschwerdeführerin
zum einen in der Klasse gut integriert sei und der obligatorische
Schwimmunterricht zum andern ohnehin nur alle fünf Wochen stattfinde. Im
Übrigen schliesse die Beschwerdeführerin 1 im privaten Schwimmunterricht für
Muslime Kontakte mit weiteren Mädchen und sozialisiere sich somit auch
ausserhalb des Klassenverbandes. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass der
vorliegende Fall auch insofern nicht mit dem Sachverhalt in BGE 135 I 79
verglichen werden könne, da es dort um den Schwimmunterricht von Kindern vor
der Geschlechtsreife gegangen sei, wogegen die Beschwerdeführerin 1 letztere
bereits erreicht habe. Im Zusammenhang mit diesen Rügen behaupten die
Beschwerdeführer nebst einer Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit
auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie eine
offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz.
3.5
3.5.1 Wenn sich die Beschwerdeführer auf ihr besonders strenges Verständnis des
Islams berufen und darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführerin 1 das
Schwimmen unter männlicher Beobachtung selbst mit einem Burkini nicht erlaubt
sei, so betrifft dies die Frage, ob das Obligatorium des staatlichen
Schwimmunterrichts überhaupt den Schutzbereich der Glaubens- und
Gewissensfreiheit tangiert: Wäre nämlich der Beschwerdeführerin 1 das Schwimmen
mit Burkini unter männlicher Aufsicht aus religiöser Sicht gestattet, läge
überhaupt keine Beeinträchtigung eines Grundrechts vor, denn die Schule hat ihr
das Tragen einer solchen Badebekleidung freigestellt. Da aber auch das
Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführer durch den
staatlichen Schwimmunterricht in der Ausübung ihrer religiösen Überzeugung
beschränkt werden, und es deshalb die Voraussetzungen einer
Grundrechtseinschränkung geprüft hat, gehen die diesbezüglichen Ausführungen
der Beschwerdeführer ins Leere.
3.5.2 Es ist richtig, dass sich die hier zu beurteilende Situation von den
Sachverhalten in BGE 135 I 79 sowie im Entscheid 2C_666/2011 vom 7. März 2012
insoweit unterscheidet, als es dort um den Schwimmunterricht von
vergleichsweise jungen Kindern vor der Geschlechtsreife ging, wogegen die
Beschwerdeführerin 1 inzwischen über 14 Jahre alt ist und auch ihre
Klassenkameraden ungefähr gleichaltrig sind. Diesem Umstand hat die Schule aber
Rechnung getragen und den Schwimmunterricht - anders als dies in den genannten
bundesgerichtlichen Urteilen der Fall war - nach Geschlechtern getrennt
ausgestaltet. Dass es ein Mädchen mit dem Erreichen der Geschlechtsreife
allenfalls bevorzugen würde, von einer Frau unterrichtet zu werden, mag
zutreffen, doch erscheint dieser Wunsch nicht ausschliesslich religiös
motiviert, sondern auch als Ausdruck des persönlichen Entwicklungsstandes,
welcher unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Glaubensgemeinschaft besteht. Der zur Diskussion stehende Grundrechtseingriff
erscheint hier im Übrigen als sehr geringfügig und als verhältnismässig: Die
betroffenen Schülerinnen, inklusive der Beschwerdeführerin 1, können bereits
schwimmen, weshalb im Gegensatz zum Unterricht bei Nichtschwimmern kein
körperlicher Kontakt zwischen dem Schwimmlehrer und den Schülerinnen nötig ist.
Zudem wurde der Beschwerdeführerin 1 das Tragen eines Burkinis gestattet. Trägt
sie einen Ganzkörperbadeanzug, ist nicht mehr leicht ersichtlich, inwiefern
noch ein Unterschied zum normalen Schulunterricht im Klassenzimmer bestehen
soll. Dass die Beschwerdeführerin 1 von fremden Männern gesehen wird, lässt
sich andernorts ebenfalls nicht vermeiden, namentlich auf dem Schulweg und wohl
auch in der Turnhalle, wo sie gemeinsam mit ihrer Klasse den Turnunterricht
besucht. Aus dem gleichen Grund erweist sich auch der Einwand der
Beschwerdeführer als unbehelflich, die Schwimmhalle sei von aussen einsehbar,
weshalb das Risiko bestehe, von fremden Männern beobachtet zu werden.
3.5.3 An dieser Einschätzung vermag der Hinweis, die Beschwerdeführerin 1 könne
bereits schwimmen und besuche weiterhin den privaten Schwimmunterricht für
Muslime, nichts zu ändern: Zwar ist es grundsätzlich zu begrüssen, dass die
Beschwerdeführer die Bedeutung des Schwimmens als Lerninhalt offenkundig
erkannt haben und entsprechend darauf Wert legen, dass sich die
Beschwerdeführerin 1 diese Fähigkeit aneignet. Wie jedoch im Urteil 2C_666/2011
vom 7. März 2012 E. 2.6.4 aufgezeigt wurde, kommt dem Umstand, dass die
betroffenen Kinder und Jugendlichen das Schwimmen ausserhalb der Schule
erlernen, kein wesentliches Gewicht zu, weil es nicht nur um den Inhalt des
Lehrstoffs geht, sondern auch um die äusseren Bedingungen des Unterrichts. Die
soziale Einbindungsfunktion der Schule erfordert es, dass sie für alle
obligatorisch ist und Dispensationen nur mit Zurückhaltung erteilt werden (so
bereits in BGE 135 I 79 E. 7.2 S. 89). Mit anderen Worten wird eine integrative
Wirkung am besten erzielt, wenn der Schwimmunterricht im Klassenverband
stattfindet. Indem sie ins Feld führen, die Beschwerdeführerin 1 sozialisiere
sich im privaten Schwimmunterricht für Muslime mit weiteren Mädchen ausserhalb
der Klasse, verkennen die Beschwerdeführer, dass damit eben gerade keine
Integration sondern vielmehr eine unerwünschte Segregation erreicht wird,
welche muslimische Schüler in eine Aussenseiterrolle versetzt und die
Entstehung von parallelen Gesellschaftsstrukturen begünstigt. An diesem Umstand
vermag weder die Häufigkeit des obligatorischen Schwimmunterrichts noch die
Behauptung der Beschwerdeführerin 1, sie sei in ihrer Klasse gut integriert,
etwas Entscheidendes zu ändern.

3.6 Insgesamt ist festzustellen, dass die Schule den religiösen Anliegen der
Beschwerdeführer weit entgegen gekommen ist, indem sie den Schwimmunterricht
nach Geschlechtern getrennt durchführt, Einzelkabinen zum Duschen und Umziehen
anbietet und selbst das Tragen eines Burkinis erlaubt. Bei dieser Sachlage
erscheint der noch verbleibende, von den Beschwerdeführern beanstandete
Eingriff in die Religionsfreiheit als vergleichsweise geringfügig. In
Berücksichtigung der grossen Bedeutung des integrativen Schulunterrichts und
ausgehend vom obenstehend aufgezeigten, grundsätzlichen Vorrang der schulischen
Pflichten vor der Beachtung religiöser Gebote einzelner Bevölkerungsteile (E.
3.3 hiervor) ist es den Beschwerdeführern ohne Weiteres zuzumuten, ihrerseits
von ihren Idealvorstellungen hinsichtlich der Ausgestaltung des
Schwimmunterrichts abzurücken und die hiesigen sozialen und gesellschaftlichen
Gegebenheiten zu akzeptieren.

4.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten unbegründet und somit abzuweisen.
Bei diesem Ausgang tragen die Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens unter solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 1
und Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten sowie dem Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. April 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Zähndler

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