Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1070/2012
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1070/2012

Urteil vom 5. November 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Migrationsamt des Kantons Zürich,
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung, Wegweisung; Rechtsverweigerung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4.
Kammer, vom 19. September 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 X.________ (geb. 1981) stammt aus Nigeria und durchlief in der Schweiz
erfolglos zwei Asylverfahren. Gestützt auf die Ehe mit einer Schweizer Bürgerin
wurden ihm am 27. Januar 2001 eine Aufenthalts- und am 3. März 2006 eine
Niederlassungsbewilligung erteilt. Am 12. September 2008 verurteilte das
Obergericht des Kantons Zürich X.________ wegen Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz (Transport von 11 Kilo Kokain) zu einer Freiheitsstrafe
von drei Jahren, wobei es den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 20
Monaten aufschob. Am 20. Februar 2009 wurde die Ehe von X.________ geschieden.
Am 28. September 2009 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich dessen
Niederlassungsbewilligung. Der entsprechende Entscheid wurde rechtskräftig und
X.________ in seine Heimat ausgeschafft.

1.2 Am 29. Oktober 2011 ging aus der Beziehung von X.________ mit einer anderen
Schweizer Bürgerin ein gemeinsamer Sohn hervor. Mit Verfügung vom 20. April
2012 suspendierte das Bundesamt für Migration das gegen X.________ bestehende
Einreiseverbot für die Dauer vom 19. Mai bis 18. Juni 2012 und bewilligte ihm
für diesen Zeitraum einen Aufenthalt in der Schweiz von höchstens 14 Tagen für
den Vaterschaftsprozess und zwecks Familienbesuchs. Am 1. Juni 2012 ersuchte
X.________ das Migrationsamt des Kantons Zürich, ihm eine
Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Dieses erklärte, dass er das Land bis zum
15. Juli 2012 zu verlassen habe; das Gesuch werde nach seiner Ausreise
behandelt.

1.3 X.________ beschritt hiergegen den kantonalen Rechtsmittelweg, wobei ihm
jeweils die Anwesenheit während des Verfahrens gestattet wurde. Mit Urteil vom
19. September 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich seine
Beschwerde kantonal letztinstanzlich ab und hielt ihn an, das Land zu
verlassen. X.________ beantragt vor Bundesgericht, den entsprechenden Entscheid
aufzuheben und ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.

2.
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die
Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann diesen bloss
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in Verletzung
wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die
betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der
Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft
erscheint (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E.
1.4.3; 133 III 350 E. 1.3). Der Betroffene muss - in sachbezogener
Auseinandersetzung mit der Begründung im angefochtenen Entscheid - zudem
darlegen, inwiefern dieser Recht verletzt (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3).
Eine qualifizierte Begründungspflicht gilt, wenn - wie hier - ein
Zwischenentscheid über den Verbleib während der Dauer des
Bewilligungsverfahrens angefochten wird; es kann nur vorgebracht werden, dieser
verletze verfassungsmässige Rechte (Art. 98 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Die
bundesgerichtliche Praxis zur Begründungspflicht verlangt, dass die
entsprechende Rüge dabei klar und detailliert erhoben wird (BGE 133 III 393 E.
6 S. 397 mit Hinweisen).

2.2 Die vorliegende Eingabe genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen
weitgehend nicht: Der Beschwerdeführer beschränkt sich im Wesentlichen darauf,
die bereits vor der Vorinstanz erhobenen Einwände zu wiederholen. Mit den
Ausführungen im angefochtenen Entscheid hierzu setzt er sich nicht weiter
auseinander; auch legt er nicht dar, dass und inwiefern die Vorinstanz den
Sachverhalt offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich festgestellt bzw. falsch
subsumiert hätte. Soweit er beantragt, ihm direkt eine Aufenthaltsbewilligung
zu erteilen, übersieht er, dass der entsprechende Sachentscheid nicht
Verfahrensgegenstand bildet, da das Migrationsamt mit seiner Verfügung erst die
Frage des Aufenthalts während seines Verfahrens geregelt hat. Nur diese
Problematik ist vom Verwaltungsgericht beurteilt worden. Hinsichtlich der
Sistierung des Bewilligungsverfahrens zeigt er schliesslich nicht auf,
inwiefern diese seine verfassungsmässigen Rechte verletzen würde, weshalb auf
die entsprechende Kritik nicht weiter einzugehen ist.

3.
3.1 Materiell ist der angefochtene Entscheid im Resultat nicht zu beanstanden:
Nach Art. 17 Abs. 1 AuG haben Ausländerinnen und Ausländer, die für einen
vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind und die nachträglich
eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen, den
entsprechenden Entscheid im Ausland abzuwarten. Werden die
Zulassungsvoraussetzungen jedoch offensichtlich erfüllt, so kann die zuständige
kantonale Behörde den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten (Art. 17 Abs.
2 AuG; sogenannter "prozeduraler Aufenthalt"). Die entsprechenden
Voraussetzungen können insbesondere dann als "offensichtlich" erfüllt gelten,
wenn die eingereichten Unterlagen einen gesetzlichen oder völkerrechtlichen
Anspruch auf die Erteilung einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung
belegen, keine Widerrufsgründe vorliegen (Art. 62 AuG) und die betroffene
Person ihren Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 6 Abs. 1 VZAE [SR 142.201]).
Allein aus Vorkehren wie der Einleitung ehe- und familienrechtlicher Verfahren,
der Einschulung von Kindern, dem Liegenschaftserwerb, der Wohnungsmiete, dem
Abschluss eines Arbeitsvertrags oder der Geschäftsgründung oder -beteiligung
können hingegen keine Ansprüche im Bewilligungsverfahren abgeleitet werden
(Art. 6 Abs. 2 VZAE).

3.2 Losgelöst von der Frage, ob Art. 17 Abs. 2 AuG nur in Fällen einer
rechtmässigen Einreise gilt, verletzt die Auffassung des Verwaltungsgerichts,
dass die Bewilligungsvoraussetzungen im vorliegenden Fall nicht offensichtlich
erfüllt seien, keine verfassungsmässigen Rechte: Der Beschwerdeführer ist in
der Schweiz im Drogenhandel straffällig geworden; das Obergericht des Kantons
Zürich hat ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei es
den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 20 Monaten aufschob. Der
Beschwerdeführer erfüllt damit den Widerrufsgrund von Art. 62 lit. b AuG (BGE
137 II 297 E. 2; 135 II 377 E. 4.2). Zudem ist er im Mai 2011 illegal in die
Schweiz eingereist und musste er hernach nach Nigeria ausgeschafft werden.
Schliesslich besteht gegen ihn ein bis zum 24. März 2020 gültiges
Einreiseverbot, welches nur vorübergehend aufgehoben wurde, um ihm einen
Familienbesuch zu ermöglichen. Unter diesen Umständen ist es nicht unhaltbar,
von ihm zu verlangen, den Ausgang des Bewilligungsverfahrens in seiner Heimat
abzuwarten.

3.3 Mit der Mutter seines Kindes ist er nicht verheiratet; dass er plant, diese
zu ehelichen, ändert im Rahmen der Anwendung von Art. 17 Abs. 2 AuG nichts
(vgl. Art. 6 Abs. 2 VZAE). Seine Partnerin musste bei Aufnahme der Beziehung
damit rechnen, dass er - zumindest für die Dauer des Verfahrens - wieder
ausreisen und den Bewilligungsentscheid in seiner Heimat würde abwarten müssen,
nachdem ihm wegen seiner schweren Straffälligkeit bereits zuvor die
Niederlassungsbewilligung entzogen worden war. Soweit sich der Beschwerdeführer
auf die Beziehung zu seinem Sohn beruft, verkennt er, dass er mit diesem und
dessen Mutter erst seit dem 25. Mai 2012 zusammenlebt und sein Aufenthalt
entgegen dem Einreiseverbot und dessen beschränkten Aufhebung vom 19. Mai bis
18. Juni 2012 lediglich auf vorsorglichen Massnahmen beruht hat, welche mit dem
vorliegenden Urteil dahinfallen.

3.4 Aus Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV ergibt sich weder ein Recht auf Einreise
oder Aufenthalt in einem bestimmten Staat noch auf Wahl des für das
Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts (BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285
mit Hinweisen; bezüglich der Rechtsprechung des EGMR: Nichtzulassungsentscheid
i.S. Biraga gegen Schweden vom 3. April 2012 [Nr. 1722/10] § 49 ff.; Urteile
Antwi gegen Norwegen vom 14. Februar 2012 [Nr. 26940/10] § 89 ff.; Arvelo Ponte
gegen Niederlande vom 3. November 2011 [Nr. 28770/05] § 54 f.; Geleri gegen
Rumänien vom 15. Februar 2011 [Nr. 33118/05] § 25 ff.; Gezginci gegen Schweiz
vom 9. Dezember 2010 [Nr. 16327/05] § 54 ff.). Auch kann daraus regelmässig
kein Anspruch abgleitet werden, bereits während der Hängigkeit des
ausländerrechtlichen (Rechtsmittel-)Verfahrens nach Ablauf des visumsmässig
zulässigen Aufenthalts bis zum Bewilligungsentscheid selber im Land verbleiben
zu können, wenn nur ein potenzieller Bewilligungsanspruch nach Art. 8 EMRK
angerufen wird, eine erste Prüfung jedoch - wie hier - ergibt, dass die
Bewilligungsvoraussetzungen im Rahmen der nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK
erforderlichen Interessenabwägung nicht offensichtlich gegeben sind (Art. 17
Abs. 2 AuG; Urteil 2D_58/2011 vom 9. Januar 2012 E. 2.1 mit Hinweisen; vgl. zur
Praxis des EGMR das Urteil Antwi gegen Norwegen, a.a.O., N. 98 f.). Vorliegend
überwiegt das öffentliche Interesse an der Regulierung und Kontrolle der
legalen Zuwanderung und - wegen der Straffälligkeit des Beschwerdeführers im
Drogenmilieu - an der Gewährung der öffentlichen Sicherheit das private, bis
zum rechtskräftigen Bewilligungsentscheid im Land verbleiben zu können. Es wird
nach der Ausreise des Beschwerdeführers im Bewilligungsverfahren vertieft zu
prüfen sein, ob sich die im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 AuG erfolgte Beurteilung
erhärtet oder nicht.

4.
4.1 Soweit der Beschwerdeführer überhaupt hinreichend begründete Konventions-
oder Verfassungsrügen erhebt, verletzt der angefochtene Entscheid somit weder
nationales noch internationales Recht. Die Beschwerde kann ohne Weiterungen im
Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt werden. Mit dem vorliegenden Urteil in der
Sache selber wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

4.2 Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen
Aussichtslosigkeit der Eingabe abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der
unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten für das bundesgerichtliche
Verfahren zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
geschuldet (vgl. Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich, 4. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 5. November 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar