Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1066/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1066/2012

Urteil vom 22. Februar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Stadelmann,
Gerichtsschreiber Feller.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Astrid David Müller,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern, Fruttstrasse 15, 6005 Luzern,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern, Villastrasse 1, 6010 Kriens.

Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege (Ausschaffungshaft),

Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 26. September 2012.

Erwägungen:

1.
1.1 Der 1977 geborene kenianische Staatsangehörige X.________ erhielt nach
seiner 2001 erfolgten Einreise eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Verbleibs bei
seiner Ehefrau, einer Landsfrau, die gleich wie die gemeinsamen Kinder über
eine Niederlassungsbewilligung verfügt. Am 14. Juli 2009 wurde ihm der
Kantonswechsel bewilligt und die Aufenthaltsbewilligung im Kanton Luzern
erteilt. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2011 trat das Amt für Migration des
Kantons Luzern auf sein Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht
ein, verbunden mit der Wegweisung. In der Meinung, dass keine bekannte
Zustelladresse vorliege, wurde von dieser Verfügung mittels öffentlicher
Publikation im Kantonsblatt des Kantons Luzern vom 17. Dezember 2011 Kenntnis
gegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass sie während 30 Tagen beim Amt für
Migration eingesehen werden könne und am letzten Tag dieser Frist als
zugestellt gelte.

Am 4. September 2012 wurde gegen X.________ Ausschaffungshaft für drei Monate
ab 8. September 2012 angeordnet zwecks Sicherstellung des Vollzugs der
Wegweisungsverfügung vom 9. Dezember 2011, die ihm dannzumal ausgehändigt
wurde. Auf eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde trat das Justiz- und
Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern mit Entscheid vom 21. September 2012
wegen Verspätung nicht ein; eine Wiederherstellung der verpassten
Rechtsmittelfrist wies es ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 27. November 2012 ab; auf
die dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil 2C_46/2013
vom 18. Januar 2013 mangels hinreichender Beschwerdebegründung nicht ein.

1.2 Mit Entscheid vom 7. September 2012 genehmigte das Zwangsmassnahmengericht
des Kantons Luzern die gegen X.________ angeordnete Ausschaffungshaft in
reduziertem Umfang bis zum 21. September 2012; für den Zeitpunkt ab der
Haftentlassung auferlegte es dem Betroffenen eine wöchentliche Meldepflicht
beim Amt für Migration. Gegen den Haftgenehmigungsentscheid gelangte dieser am
14. September 2012 an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern; er ersuchte um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beigabe der unterzeichnenden
Rechtsanwältin. Während der Hängigkeit des Beschwerdeverfahrens vor dem
Verwaltungsgericht verfügte das Amt für Migration am 18. September 2012 die
Haftentlassung. Mit Verfügung vom 26. September 2012 erklärte das
Verwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren als erledigt (Ziff. 1 des
Dispositivs); auf die Erhebung amtlicher Kosten verzichtete es ausnahmsweise
(Ziff. 2 des Dispositivs), das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wies es ab (Ziff. 3 des Dispositivs).

1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 24. Oktober
(Postaufgabe 26. Oktober) 2012 beantragt X.________ dem Bundesgericht, die
Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 26. September 2012 sei in Bezug auf Ziff.
3 des Dispositivs aufzuheben und es sei ihm für das Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.

Das Zwangsmassnahmengericht verzichtet auf Vernehmlassung, ebenso "aufgrund des
klaren Sachverhalts" das Amt für Migration. Das Verwaltungsgericht beantragt
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Migration seinerseits verzichtet
auf Stellungnahme.

2.
2.1 Das Verwaltungsgericht hat das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen. Der
Beschwerdeführer rügt, damit habe es Art. 29 Abs. 3 BV verletzt.

Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen
Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr
Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte
notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Als
aussichtslos im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV (wie auch Art. 64 Abs. 1 BGG) sind
Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer
sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet
werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich
Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur
wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die
nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem
Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene
Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil
er sie nichts kostet (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S.
235 f.; 125 II 265 E. 4b S. 275; 124 I 304 E. 2c S. 306).

2.2 Das Verwaltungsgericht begründet die Aussichtslosigkeit der Beschwerde
gegen den Haftgenehmigungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts wie folgt: Der
Haft liege ein Wegweisungsentscheid zugrunde, der dem Beschwerdeführer korrekt
eröffnet worden sei, unter den gegebenen Umständen zulässigerweise durch
Publikation im Kantonsblatt, wobei sie aber ohnehin am 4. September 2012
persönlich ausgehändigt worden sei (E. 5c/aa); nicht zu hören sei der
Beschwerdeführer im Haftprüfungsverfahren mit inhaltlicher Kritik am
Wegweisungsentscheid bzw. negativen Bewilligungsentscheid (E. 5c/bb); weiter
liege ein Haftgrund vor, namentlich der Haftgrund der Untertauchensgefahr (E.
5c/cc und 5c/dd, unter Hinweis auf E. 4.2 des beim Verwaltungsgericht
angefochtenen Entscheids des Zwangsmassnahmengerichts); schliesslich sei dem
Gebot der Verhältnismässigkeit mit der bloss für knapp zwei Wochen bewilligten
Ausschaffungshaft im Lichte der gesamten Umstände (Sicherstellung der
kurzfristigen Erreichbarkeit für zeitlich konkret bevorstehende Abklärungen)
Genüge getan (E. 5c/dd unter Hinweis auf E. 6 des Entscheids des
Zwangsmassnahmengerichts).

Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag die Beurteilung der
Erfolgsaussichten der dortigen Beschwerde durch das Verwaltungsgericht nicht zu
erschüttern. Zunächst bestehen angesichts des (erfolglos angefochtenen, vgl.
Urteil 2C_46/2013 vom 18. Januar 2013) Nichteintretensentscheids des Justiz-
und Sicherheitsdepartements vom 21. September 2012 keine für das vorliegende
Haftprüfungsverfahren bedeutsamen Zweifel hinsichtlich der Rechtmässigkeit der
Eröffnung der Wegweisungsverfügung vom 9. Dezember 2011. Dass sodann das
Verwaltungsgericht inhaltliche Kritik am negativen Bewilligungs- bzw.
Wegweisungsentscheid zu Recht als unzulässig wertete, bedarf etwa angesichts
von BGE 130 II 56 E. 2 S. 58 und BGE 128 II 193 E. 2.2.2 S. 197 f. (je mit
Hinweisen) keiner weiteren Erläuterung. Ohnehin ist dieser Entscheid
mittlerweile rechtskräftig; nicht nachvollziehbar sind die Darlegungen in der
Beschwerdeschrift zu dessen angeblicher Nichtigkeit (Rz 19 der
Beschwerdeschrift). Dem Beschwerdeführer gelingt es schliesslich nicht, die
einleuchtenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen eines
Haftgrundes, der die Ausschaffungshaft zumindest für einen kurzen, den
konkreten Verhältnissen angepassten Zeitraum rechtfertigte, zu widerlegen.
Soweit er aus der Tatsache, dass er bereits drei Tage vor Ablauf der
bewilligten Haftdauer aus der Haft entlassen wurde, auf die Erfolgsaussichten
seiner Beschwerde schliessen will, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den
vom Verwaltungsgericht hierzu in E. 5c/dd seiner Verfügung angestellten
Überlegungen.

2.3 Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet. Sie ist im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen.

2.4 Da die vorliegende Beschwerde von vornherein aussichtslos erschien, ist das
auch für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (Art. 64 BGG). Entsprechend sind die
Gerichtskosten (Art. 65 BGG) dem Beschwerdeführer als unterliegende Partei
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Februar 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Feller