Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1045/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1045/2012

Urteil vom 7. Januar 2013
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber,

gegen

Migrationsamt des Kantons St. Gallen,
St. Leonhard-Strasse 40, 9001 St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement
des Kantons St. Gallen,
Moosbruggstrasse 11, 9001 St. Gallen.

Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
18. September 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ (geb. 1970), algerischer Staatsangehöriger, reiste am 22. Februar
2010 in die Schweiz ein und schloss hier am 9. April 2010 die Ehe mit der
ursprünglich marokkanischen Staatsangehörigen Y.________ (geb. 1974), welche
das Schweizer Bürgerrecht besitzt und die am 9. September 2009 geschieden
worden war. In der Folge wurde ihm eine bis zum 8. April 2011 gültige
Aufenthaltsbewilligung erteilt.
Am 15. Oktober 2010 sprach Y.________ beim Ausländeramt des Kantons St. Gallen
vor und gab bekannt, dass sie sich scheiden lassen wolle; sie beantragte, ihr
Ehemann sei aus der Schweiz zu weisen. Zudem hatte sie gegen ihn Strafanzeige
wegen Drohung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt erstattet; am 27. Oktober
2010 erging gegen X.________ eine polizeiliche Wegweisung mit Rückkehrverbot.
In der Folge wurden durch das zuständige Familiengericht wiederholt
Eheschutzmassnahmen, namentlich das Getrenntleben der Ehegatten, angeordnet. Am
18. November 2010 ersuchte Y.________ das Migrationsamt erneut darum,
X.________ die Aufenthaltsbewilligung zu entziehen, und erklärte, ihr Ehemann
habe sie nur geheiratet, um in der Schweiz leben zu können. Im Jahre 2010 gebar
Y.________ den Sohn Z.________, der wie seine Mutter das Schweizer Bürgerrecht
besitzt. Ein familienrichterlich angeordnetes DNA-Gutachten ergab, dass
X.________ der Vater des Kindes ist.

B.
Mit Verfügung vom 21. Juni 2011 lehnte das Migrationsamt eine Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung von X.________ ab und ordnete an, dieser habe die
Schweiz bis spätestens 31. August 2011 zu verlassen. Die dagegen erhobenen
kantonalen Rechtsmittel wurden abgewiesen, zuletzt mit Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. September 2012.

C.
Mit Eingabe vom 22. Oktober 2012 führt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Zudem beantragt
er die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Auf einen
Schriftenwechsel wurde verzichtet (Art. 102 Abs. 1 BGG).

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art.
90 BGG) auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist nur zulässig, wenn ein bundes-
oder völkerrechtlicher Anspruch auf die anbegehrte Bewilligung besteht (Art. 83
lit. c Ziff. 2 BGG). Der Beschwerdeführer beruft sich in vertretbarer Weise auf
einen Anspruch gemäss Art. 50 AuG und Art. 8 EMRK, so dass auf die Beschwerde
einzutreten ist. Ob der Anspruch tatsächlich besteht, ist Sache der materiellen
Beurteilung (BGE 136 II 113 nicht publ. E. 1.1).

2.
2.1 Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf
Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen
zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 AuG). Gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der
Anspruch nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft weiter, wenn die
Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche
Integration besteht (lit. a) oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren
Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (lit. b). Solche Gründe können
namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin das Opfer ehelicher Gewalt wurde und
die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint
(Abs. 2). Diese Gründe sind nicht abschliessend; im Rahmen von Art. 50 Abs. 1
lit. b AuG ist auch den Interessen allfälliger Kinder Rechnung zu tragen, falls
eine enge Beziehung zu ihnen besteht und sie in der Schweiz ihrerseits gut
integriert erscheinen (Botschaft AuG, BBl 2002 3709 Ziff. 1.3.7.6 S. 3754; BGE
138 II 229 E. 3.1; 137 II 345 E. 3.2.2). Dabei sind auch die Anforderungen zu
berücksichtigen, die sich aus Art. 8 EMRK ergeben, denn die wichtigen
persönlichen Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG können nicht
einschränkender verstanden werden als allfällige sich aus Art. 8 EMRK ergebende
Ansprüche auf Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (BGE 137 I
247 E. 2.2).

2.2 Unbestritten lebt der Beschwerdeführer nicht mehr mit seiner Ehefrau
zusammen, so dass ein Anspruch auf Bewilligung nach Art. 42 AuG nicht besteht.
Ebenso wenig ist ein Anspruch nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG gegeben, da das
Zusammenleben weniger als drei Jahre gedauert hat. Wichtige Gründe im Sinne von
Art. 50 Abs. 2 AuG werden nicht geltend gemacht. Der Beschwerdeführer macht
zwar geltend, eine Rückkehr nach Algerien wäre für ihn schwierig, da sich dort
die wirtschaftliche Situation schwer gestalte und er als Christ grundsätzlich
mit erschwerten Verhältnissen zu rechnen habe; damit ist aber eine starke
Gefährdung der Wiedereingliederung nicht dargetan, zumal der Beschwerdeführer
rund vierzig Jahre lang in Algerien gelebt hat und erst seit kurzer Zeit in der
Schweiz weilt.

2.3 Der Beschwerdeführer beruft sich in erster Linie auf die Beziehung zu
seinem Sohn.
2.3.1 Nach der Rechtsprechung kann sich der sorge- und obhutsberechtigte
Elternteil eines Kindes mit Schweizer Bürgerrecht auf ein grundsätzliches
Aufenthaltsrecht in der Schweiz berufen, wenn keine dagegen sprechenden
ordnungs- und sicherheitspolizeilichen Gründe vorliegen, weil sonst das
Schweizer Kind faktisch gezwungen wäre, mit dem Elternteil die Schweiz zu
verlassen (BGE 137 I 247 E. 4.2.2; 135 I 153 E. 2.2.4). Der nicht sorge- oder
obhutsberechtigte Elternteil hingegen kann schon aus familienrechtlichen
Gründen seine Beziehung zum Kind nur in beschränktem Rahmen pflegen, nämlich
durch Ausübung des ihm eingeräumten Besuchsrechts. Um dieses wahrnehmen zu
können, ist auch im Lichte von Art. 8 EMRK nicht von vornherein erforderlich,
dass der ausländische Elternteil dauerhaft im selben Land wie das Kind lebt und
dort über ein Anwesenheitsrecht verfügt. Ein Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn zwischen dem
ausländischen Elternteil und seinem im Inland lebenden Kind in wirtschaftlicher
und affektiver Hinsicht besonders enge Beziehungen bestehen, die - würde eine
Bewilligung verweigert - wegen der Entfernung zum Land, in welches der
ausländische Elternteil vermutlich auszureisen hätte, praktisch nicht
aufrechterhalten werden könnten. Zudem muss sich der ausländische Elternteil in
der Schweiz tadellos verhalten haben. Nur unter diesen kumulativen
Voraussetzungen kann das private Interesse am Verbleib im Land gestützt auf ein
Besuchsrecht ausnahmsweise das öffentliche Interesse an einer einschränkenden
nationalen Einwanderungspolitik im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK überwiegen (
BGE 120 Ib 1 E. 3c S. 5; Urteile 2C_858/2012 vom 8. November 2012 E. 2.2;
2C_1031/2011 vom 22. März 2012 E. 4.1.4). Das Erfordernis der besonderen
Intensität der affektiven Beziehung ist regelmässig bloss dann als erfüllt zu
erachten, wenn ein grosszügig ausgestaltetes Besuchsrecht eingeräumt ist und
dieses kontinuierlich, spontan und reibungslos ausgeübt wird; ein im üblichen
Rahmen bestehendes und ausgeübtes Besuchsrecht genügt in der Regel nicht
(Urteile 2C_858/2012 vom 8. November 2012 E. 2.3; 2C_138/2012 vom 21. September
2012 E. 2.2; 2C_718/2010 vom 2. März 2011 E. 3.2.1).
2.3.2 Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, der Beschwerdeführer habe nie
mit seinem Sohn zusammengelebt, da sich die Ehegatten bereits vor dessen Geburt
getrennt hätten. Der Sohn stehe unter der Obhut der Mutter. Der Vater habe noch
im Februar 2011 seine Vaterschaft in Zweifel gezogen; er habe ein begleitetes
Besuchsrecht von drei Stunden jedes zweite Wochenende, das seit 9. Juli 2011
wahrgenommen werde. Zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kind habe sich daher
keine besonders enge affektive Beziehung entwickelt. Hinzu komme, dass der
Beschwerdeführer jeweils seinen Pass abzugeben habe, was darauf schliessen
lasse, dass die Behörden die Möglichkeit einer Kindsentführung nicht
ausschliessen würden. Soweit es sich bei diesen Erwägungen um
Sachverhaltsfeststellungen handelt, werden sie vom Beschwerdeführer nicht
bestritten und sind nicht offensichtlich unrichtig, so dass sie für das
Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG).
2.3.3 Bei dieser Sachlage fehlt es an einer besonders engen affektiven
Beziehung im Sinne der dargelegten Rechtsprechung. Das eingeräumte Besuchsrecht
ist deutlich unterdurchschnittlich ausgestaltet. Dass sich der Beschwerdeführer
nach seinen Angaben dem Sohn tief verbunden fühlt, genügt nicht zur Annahme
einer besonders engen affektiven Beziehung. Nicht ausschlaggebend ist, dass der
Beschwerdeführer sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen liess und seinen
Unterhaltspflichten nachkommt, da die genannten Voraussetzungen kumulativ
erfüllt sein müssen (vorne E. 2.3.1).

3.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Der Beschwerdeführer trägt
die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Entscheid
entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, so dass die
Beschwerde aussichtslos war. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ist daher abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, dem Sicherheits-
und Justizdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie
dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Januar 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Klopfenstein