Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.1025/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_1025/2012

Urteil 17. Oktober 2012
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Othmar Gabriel,

gegen

Amt für Migration des Kantons Luzern,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Luzern.

Gegenstand
Ausschaffungshaft,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern,
Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 6. September 2012.

Erwägungen:

1.
X.________ (geb. 21. März 1986) stammt aus Sri Lanka. Am 26. Oktober 2000
entsprach das Bundesamt für Flüchtlinge seinem Asylgesuch nicht und wies ihn
weg; es nahm ihn jedoch gleichzeitig im Rahmen der humanitären Aktion 2000 in
der Schweiz vorläufig auf. Am 22. Februar 2002 erhielt X.________ eine
ordentliche Aufenthaltsbewilligung, welche das Migrationsamt des Kantons Luzern
am 15. April 2011 nicht mehr verlängerte (Schuldenwirtschaft und
Straffälligkeit [u.a. Raub]). Da X.________ trotz Rechtskraft dieser Verfügung
innerhalb der ihm angesetzten Frist nicht ausgereist war, nahm ihn das Amt für
Migration ab dem 20. Juli 2012 in Ausschaffungshaft. Das
Zwangsmassnahmengericht und das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
bestätigten diese für drei Monate. Am 27. September 2012 ist X.________ in
seine Heimat verbracht worden. Mit Eingabe vom 12. Oktober 2012 beantragt er
über seinen Anwalt, das Amt für Migration des Kantons Luzern anzuweisen, ihn
vorläufig aufzunehmen.

2.
Die Eingabe ist offensichtlich unzulässig und kann ohne Weiterungen durch den
Präsidenten als Einzelrichter im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG
erledigt werden:

2.1 Nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nur legitimiert, wer u.a. ein schutzwürdiges Interesse an der
Beurteilung seiner Eingabe hat (lit. c). Dieses muss nicht nur bei der
Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung
aktuell und praktisch sein. Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des
Verfahrens dahin, wird die Sache als erledigt erklärt; fehlte es schon bei der
Beschwerdeeinreichung, ist auf die Eingabe nicht einzutreten (BGE 137 I 23 E.
1.3.1). Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des
aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter
gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine
rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die
Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse
liegt (BGE 136 II 101 E. 1.1 S. 103; 135 I 79 E. 1.1 S. 81). Bestehen besondere
Umstände, nimmt das Bundesgericht in Haftfällen zudem ausnahmsweise eine
materielle Prüfung vor, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und
in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK dartut ("grief défendable"; vgl.
Art. 13 i.V.m. Art. 5 Ziff. 4 EMRK; BGE 137 I 296 E. 4 und 5).
2.2
2.2.1 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Der
Beschwerdeführer ist am 27. September 2012 in seine Heimat ausgeschafft worden,
womit die Festhaltung noch vor Einreichen seiner Beschwerde geendet hat. Der
Fall wirft keine Fragen auf, welche von grundsätzlicher Bedeutung wären.
Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens bildet ausschliesslich die
Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Festhaltung, indessen nicht auch die
Asyl-, Aufenthalts- oder die Wegweisungsfrage als solche. Der Beschwerdeführer
stellt vor Bundesgericht lediglich die rechtskräftige Wegweisung bzw. deren
Vollzug infrage. Diesbezügliche Einwände sind jedoch im Asyl-, Bewilligungs-
oder Wegweisungsverfahren durch die jeweils zuständigen Behörden zu prüfen,
nicht (erstinstanzlich) durch den Haftrichter (vgl. die Urteile 2C_304/2012 vom
1. Mai 2012 E. 2.1 und 2C_455/2009 vom 5. August 2009 E. 2.3). Die betroffene
Person muss sich in diesen Punkten nötigenfalls mit einem Wiedererwägungsgesuch
an das Bundesamt oder die zuständige kantonale Ausländerbehörde wenden und
hernach den entsprechenden Rechtsweg beschreiten. Nur wenn der
Wegweisungsentscheid offensichtlich unzulässig, d.h. geradezu willkürlich bzw.
nichtig, erscheint, darf bzw. muss die Haftgenehmigung verweigert werden, da
der Vollzug einer in diesem Sinn rechtswidrigen Anordnung nicht mit einer
ausländerrechtlichen Zwangsmassnahme sichergestellt werden darf (BGE 128 II 193
E. 2.2.2 S. 198 mit Hinweisen; 121 II 59 E. 2c; 130 II 56 E. 2 S. 58).
2.2.2 Die Vorinstanz hat die Wegweisung in diesem Umfang geprüft und
nachvollziehbar begründet, weshalb der Wegweisungsvollzug im Rahmen ihrer
beschränkten Kognition und mit Blick auf die Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichts in BVGE 2011/24 nicht zu beanstanden ist. Soweit der
Beschwerdeführer beantragt, er sei vorläufig aufzunehmen, übersieht er, dass in
diesem Zusammenhang die von ihm erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ebenso unzulässig ist wie gegen den Wegweisungsentscheid selber
(vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 3 und 4 BGG). In diesem Zusammenhang stünde im
Bewilligungsverfahren lediglich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen,
wobei im Einzelnen darzulegen wäre, dass und inwiefern der angefochtene Akt
verfassungsmässige Rechte verletzt (vgl. BGE 137 II 305 E. 1 - 4). Da die Frage
der Wegweisung bzw. des Vorliegens von Vollzugshindernissen nur mittelbar
Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens bildet, kann der entsprechende Aspekt
nicht im Rahmen von Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG dem Bundesgericht ausserhalb des
Wegweisungsverfahrens unterbreitet werden. Der Beschwerdeführer übersieht, dass
seine Wegweisung vom 15. April 2011 rechtskräftig geworden ist; wollte er
Vollzugshindernisse geltend machen, hätte er diesen Entscheid rechtzeitig
anfechten müssen. Der Beschwerdeführer beantragt nicht, eine allfällige
Konventionswidrigkeit seiner Ausschaffungshaft festzustellen; er legt entgegen
seiner Begründungspflicht (vgl. Art. 42 und Art. 106 Abs. 2 BGG) mit keinem
Wort dar, dass und inwiefern diese Art. 5 EMRK verletzt haben könnte. Auf die
Beschwerde ist deshalb auch unter diesem Titel nicht einzutreten.

3.
Da die Eingabe aufgrund der publizierten Rechtsprechung als offensichtlich
unzulässig zu gelten hatte, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
abzuweisen (vgl. Art. 64 BGG). Es rechtfertigt sich, für das vorliegende
Verfahren keine Kosten zu erheben, nachdem sich der Beschwerdeführer inzwischen
nicht mehr in der Schweiz befindet (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Es sind keine
Entschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Oktober 2012

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar