Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Revision 1F.27/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1F_27/2012

Urteil vom 8. Januar 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Haag.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Gesuchsteller,

gegen

Y.________,
Gesuchsgegner,
vertreten durch Fürsprecher Martin Lüscher,

Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm,
Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau.

Gegenstand
Strafverfahren; Rechtsverweigerung

Gesuch um Revision des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1B_432/2011
vom 20. September 2012.

Sachverhalt:

A.
Der Präsident II des Bezirksgerichts Zofingen verurteilte X.________ am 15.
Juni 2010 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügende
Aufmerksamkeit zu einer Busse von Fr. 200.-- und zur Bezahlung eines
Schadenersatzbetrags von Fr. 861.75 an den Privatkläger Y.________. Die
Berufung von X.________ gegen dieses Urteil blieb ebenso erfolglos wie die
anschliessend beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Strafsachen. Diese
wurde vom Bundesgericht mit Urteil 6B_256/2011 vom 31. August 2011 abgewiesen,
soweit darauf einzutreten war.
Ein erstes Revisionsgesuch von X.________ gegen dieses Urteil wies das
Bundesgericht mit Urteil 6F_14/2011 vom 24. November 2011 ab. Ein zweites
Revisionsgesuch wurde am 1. März 2012 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war
(Verfahren 6F_20/2011).

B.
Am 12. Juli 2010 hatte X.________ eine Strafanzeige gegen Y.________ wegen
Widerhandlungen gegen das SVG eingereicht und als Privatkläger eine
Schadenersatzforderung von Fr. 3'030.95 erhoben. Mit Verfügung vom 11. Januar
2011 sistierte die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm die Strafuntersuchung gegen
Y.________ bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen X.________.
Am 23. Juli 2011 reichte X.________ gegen die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm
eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ein. Er beantragte, es sei zu prüfen, ob ein
Beleg über einen bei Y.________ vorgenommenen Alkohol-Atemlufttest vorhanden
sei bzw. ob ein solcher Test durchgeführt worden sei, und es sei die
Fahrfähigkeit von Y.________ im Unfallzeitpunkt zu klären, insbesondere unter
Beizug der Unterlagen des Spitals Zofingen. Die Beschwerdekammer in Strafsachen
des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 11.
August 2011 ab, soweit sie darauf eintrat.

C.
Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ am 20. September 2011 mit Beschwerde
in Strafsachen an das Bundesgericht. Dieses trat auf die Beschwerde mit Urteil
1B_432/2011 vom 20. September 2012 nicht ein, weil der Beschwerdeführer nicht
als Privatkläger im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde
berechtigt sei.
Auf ein Erläuterungsgesuch von X.________ zu diesem Entscheid trat das
Bundesgericht mit Urteil 1G_8/2012 vom 16. Oktober 2012 nicht ein.

D.
Mit Eingabe vom 23. Oktober 2012 ersucht X.________ um Revision des Urteils des
Bundesgerichts 1B_432/2011 vom 20. September 2012.
Das Bundesgericht hat gestützt auf Art. 127 BGG auf die Durchführung eines
Schriftenwechsels verzichtet.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 ersucht der Gesuchsteller das Bundesgericht,
im Revisionsverfahren einstweilen nichts vorzukehren.
Am 31. Dezember 2012 hat der Gesuchsteller dem Bundesgericht ein weiteres
Schreiben zugestellt.

Erwägungen:

1.
Der Gesuchsteller stützt sein Revisionsgesuch auf Art. 121 lit. d BGG. Nach
dieser Bestimmung kann die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheids
verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen
aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Der Gesuchsteller macht geltend, im
bundesgerichtlichen Verfahren sei ein wesentliches Schreiben des Staatsanwalts
Erik Imhof vom 30. März 2011 unberücksichtigt geblieben. Der Staatsanwalt habe
darin eingestanden, dass bei Y.________ am Tag des Unfalls wohl kein
Atemlufttest gemacht worden sei, während im Unfallrapport der Polizei ein
Atemlufttest mit 0,0 Promille bescheinigt werde. Darin liege eine behördliche
Unregelmässigkeit, auf die er sich im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren
berufen habe.
Das Bundesgericht hat im Urteil 1B_432/2011 vom 20. September 2012 die
Beschwerdeberechtigung des heutigen Gesuchstellers zur Beschwerde in
Strafsachen geprüft und gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG
verneint. Der Gesuchsteller führt aus, er sei vom Bundesgericht als
Unfallbeteiligter mit blossem Sachschaden behandelt worden, obwohl dieser
Sachschaden bei seiner Beschwerde keine Rolle gespielt habe. Vielmehr sei er
mit hoher Gewissheit Opfer einer behördlichen Unregelmässigkeit, und so sei
seine Beschwerde auch zu verstehen gewesen. Als Opfer einer behördlichen
Unregelmässigkeit könne ihm die Legitimation nicht abgesprochen werden.
Der Beschwerde im Verfahren 1B_432/2011 lag eine Strafanzeige von X.________
gegen den Unfallbeteiligten Y.________ zugrunde, mit welcher X.________ auch
Schadenersatz wegen der erlittenen Sachbeschädigung verlangte. Das
Bundesgericht prüfte im Urteil 1B_432/2011 vom 20. September 2012 als
Voraussetzung für die Beschwerdeberechtigung des Privatklägers die
Geschädigtenstellung des Beschwerdeführers nach Art. 115 Abs. 1 StPO (E. 2.1
des Urteils). Als geschädigte Person gilt, wer Träger des Rechtsguts ist, das
durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung oder Gefährdung unmittelbar
geschützt werden soll (E. 2.2 - 2.4). Unmittelbar geschützt ist bei
Widerhandlungen im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG der reibungslose Ablauf der
Fortbewegung auf öffentlichen Strassen. Individualinteressen wie Leib und Leben
oder das Eigentum bzw. Vermögen werden nur mittelbar geschützt (E. 3.1, 3.2 u.
4.1). Hat eine Person bei einem Verkehrsunfall ausschliesslich einen
materiellen Schaden erlitten, so ist sie im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO
nicht in ihren Rechten unmittelbar verletzt. Sie ist somit gestützt auf Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (E.
4).
Wenn der Gesuchsteller nun ausführt, seine Legitimation sei nicht im Hinblick
auf den erlittenen Sachschaden zu beurteilen gewesen, sondern im Hinblick auf
die kritisierte behördliche Unregelmässigkeit, so kann ihm nicht gefolgt
werden. Das Beschwerdeverfahren betraf offensichtlich die Strafverfolgung des
Unfallbeteiligten wegen der Sachbeschädigung als Folge der
Verkehrsregelverletzung. Kommen in einem solchen strafrechtlichen Verfahren
behördliche Unregelmässigkeiten vor, so kann dies nicht zur Bejahung der
Beschwerdelegitimation nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG führen, wenn dem
Beschwerdeführer in Bezug auf die Verkehrsregelverletzung die
Geschädigtenstellung im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO fehlt. Auf das
Revisionsgesuch kann somit nicht eingetreten werden.

2.
Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuchsgegner ist keine Parteientschädigung zuzusprechen,
da ihm kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Gesuchsteller auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 8. Januar 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Haag