Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.8/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_8/2012

Urteil vom 21. Mai 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Bezirksrichterin a.D., ehemals, c/o. Bezirksgericht Hinwil,
Gerichtshausstrasse 12, Postfach, 8340 Hinwil, Beschwerdegegnerin,

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster.

Gegenstand
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2011 des Obergerichts des
Kantons Zürich,
III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Am 11. Juni 2011 erstattete X.________ bei der Staatsanwaltschaft See/Oberland
Strafanzeige gegen die frühere Richterin am Bezirksgericht Hinwil Y.________
bzw. gegen unbekannte Personen. Am 20. Juni 2011 überwies die
Staatsanwaltschaft die Strafanzeige an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Zürich mit dem Antrag, es sei über die Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen
die Beanzeigte bzw. das Nichteintreten auf die Strafanzeige zu entscheiden. Am
9. August 2011 überwies die Oberstaatsanwaltschaft die Akten
zuständigkeitshalber an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschluss vom
6. Dezember 2011 verweigerte das Obergericht, III. Strafkammer, die
Ermächtigung zur Strafverfolgung der Beanzeigten. Mit Nichtanhandnahmeverfügung
vom 16. Dezember 2011 gab die Staatsanwaltschaft der Strafanzeige keine Folge,
da es (gestützt auf den Entscheid des Obergerichtes vom 6. Dezember 2011) an
einer Prozessvoraussetzung klarerweise fehle (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO).

B.
Gegen den Entscheid des Obergerichtes vom 6. Dezember 2011 (Verweigerung der
Ermächtigung) gelangte X.________ mit Beschwerde vom 4. Januar 2012 an das
Bundesgericht. Er beantragt, die Staatsanwaltschaft sei zu ermächtigen, gegen
die Beanzeigte eine Strafuntersuchung zu eröffnen.
Am 16. Januar 2012 lud das Bundesgericht das Obergericht zur Einreichung der
Akten ohne Vernehmlassung ein. Die angeforderten Akten gingen am 23. Januar
2012 (ohne Vernehmlassung) beim Bundesgericht ein. Am 30. Januar 2012 stellte
der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.

Erwägungen:

1.
Zu prüfen ist zunächst, ob gegen den angefochtenen Entscheid ein Rechtsmittel
ans Bundesgericht zulässig ist und ob die fraglichen Sachurteilsvoraussetzungen
erfüllt sind.

1.1 Die Kantone können vorsehen, dass die Strafverfolgung von Mitgliedern ihrer
Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen im Amt begangener Verbrechen oder
Vergehen von der Ermächtigung einer nicht richterlichen Behörde abhängt (Art. 7
Abs. 2 lit. b StPO). Vor Inkrafttreten der StPO am 1. Januar 2011 war diese
Möglichkeit noch auf die Mitglieder der obersten Vollziehungs- und
Gerichtsbehörden beschränkt (aArt. 347 Abs. 2 lit. b StGB, aufgehoben durch
Anhang 1 zur StPO, Ziff. II/8). Die StPO-Beschwerde gegen erstinstanzliche
Entscheide betreffend die Erteilung oder Verweigerung einer Ermächtigung ist
nicht vorgesehen (vgl. Art. 393 Abs. 1 StPO).

1.2 Im Kanton Zürich ist der Kantonsrat zuständig für die Ermächtigung zur
Strafverfolgung der Mitglieder des Regierungsrats, des Obergerichts, des
Verwaltungsgerichts und des Sozialversicherungsgerichts (§ 38 Abs. 1 des
Zürcher Kantonsratsgesetzes vom 5. April 1981 [KRG/ZH; LS 171.1]; vgl. BGE 137
IV 269 E. 2.2 S. 275 f.; 135 I 113 E. 1 S. 115). Ermächtigungen betreffend
unterinstanzliche Richterinnen und Richter bzw. kantonale Beamte (gemäss Art.
110 Abs. 3 StGB) wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen erteilt oder
verweigert demgegenüber das Obergericht als richterliche Behörde (§ 148 des
Gesetzes vom 10. Mai 2010 des Kantons Zürich über die Gerichts- und
Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG/ZH; LS 211.1]). § 148 GOG/
ZH wurde auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der StPO am 1. Januar 2011
erlassen (vgl. BGE 137 IV 269 E. 2.2 S. 275 f.).

1.3 Ermächtigungsentscheide von nicht richterlichen Behörden (gestützt auf
politisch-juristische Erwägungen) stellen nach der Praxis des Bundesgerichtes
grundsätzlich keine strafprozessualen Zwischenentscheide (im Sinne von Art. 93
BGG) dar, sondern selbständige öffentlich-rechtliche Endentscheidungen gestützt
auf Gerichtsverfassungsrecht des Bundes bzw. der Kantone (vgl. BGE 135 I 113 E.
1 S. 115 f.). Gegen entsprechende kantonale Entscheide über die Verweigerung
der Ermächtigung zur Strafverfolgung von obersten Behördenmitgliedern ist die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht von
Gesetzes wegen ausgeschlossen (Art. 83 lit. e BGG; BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S.
272 f.; 135 I 113 E. 1 S. 115; vgl. Thomas Häberli, Basler Kommentar BGG, 2.
Aufl. 2011, Art. 83 N. 146 f.).

1.4 Im vorliegenden Fall hat die III. Strafkammer des Obergerichtes die
Ermächtigung zur Strafverfolgung einer ehemaligen Bezirksrichterin verweigert.

1.5 In BGE 137 IV 269 hatte das Bundesgericht eine Ermächtigung zur
Strafverfolgung von Zürcher Polizeibeamten zu beurteilen. Es entschied, dass
nach kantonalem Recht (§ 148 GOG/ZH) das Obergericht (und nicht die
Oberstaatsanwaltschaft) für den Ermächtigungsentscheid zuständig sei. Diese
Regelung halte auch vor Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO stand, der
Ermächtigungsentscheide durch richterliche Instanzen keineswegs ausschliesse
(BGE 137 IV 269 E. 2.2-2.3 S. 275-277). Was die Frage des zulässigen
Rechtsmittels betrifft, erwog das Bundesgericht, die Ermächtigung stelle zwar
eine Prozessvoraussetzung für das Strafverfahren dar. Das
Ermächtigungsverfahren sei von diesem jedoch "notwendig getrennt" (BGE 137 IV
269 E. 1.3.1 S. 272).
Die Ermächtigung bzw. ihre Verweigerung sei indessen als selbständiger
Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (i.S.v. Art. 82 lit. a BGG)
grundsätzlich anfechtbar. Zwar sehe Art. 83 lit. e BGG für die Verweigerung von
Ermächtigungen einen Ausschlussgrund vor. Dieser knüpfe jedoch an aArt. 347
Abs. 2 lit. b StGB an (in der Fassung von 2002, aufgehoben mit Inkrafttreten
der StPO). Danach konnten die Kantone die Strafverfolgung der Mitglieder
lediglich ihrer obersten Vollziehungs- und Gerichtsbehörden wegen Verbrechen
oder Vergehen im Amt vom Vorentscheid einer nicht richterlichen Behörde
abhängig machen. Der Grund für den Ausschluss der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bestehe darin, dass bei solchen
Entscheiden politische Gesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen. Die
Entscheide eigneten sich damit nur beschränkt für die gerichtliche Überprüfung.
Mit dem Erlass von Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO sei die Zulässigkeit eines
Strafverfolgungsprivilegs auf alle Mitglieder kantonaler Vollziehungs- und
Gerichtsbehörden ausgedehnt worden. Es bestünden keine Hinweise, dass damit
eine Erweiterung des Ausschlusses der Beschwerde gemäss Art. 83 lit. e BGG auch
auf kantonale Staatsbedienstete, welche nicht Mitglieder der obersten
Vollziehungs- und Gerichtsbehörden sind, vorgenommen werden sollte. Dafür
bestehe auch kein sachlicher Grund. Bei diesen Staatsbediensteten dürften
politische Gesichtspunkte für den Ermächtigungsentscheid keine Rolle spielen.
Dieser sei daher der gerichtlichen Überprüfung in jeder Hinsicht zugänglich,
womit kein Grund bestehe, die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten auszuschliessen (BGE 137 IV 269 E. 1.3.2 S. 272 f.).

1.6 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen weiteren
Vorbemerkungen Anlass. Die Beschwerde ist als solche in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten entgegenzunehmen. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde scheidet
aus.

2.
Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen: Die vom Beschwerdeführer
gegen die beanzeigte private Beschwerdegegnerin erhobenen Vorwürfe bezögen sich
auf deren damalige richterliche Tätigkeit. Die Ermächtigung stelle daher eine
Prozessvoraussetzung für die Strafverfolgung dar. Er lege der Beanzeigten zur
Last, dass sie als Bezirksrichterin im Rahmen eines Eheschutzverfahrens (an dem
er als Partei beteiligt war) nach Einreichung seines Ablehnungsbegehrens
wahrheitswidrig die "gewissenhafte Erklärung" abgegeben habe, nicht befangen zu
sein. Da der Beanzeigten im weiteren Verlauf des Eheschutzverfahrens seiner
Ansicht nach Fehler unterlaufen seien, stelle sich der Beschwerdeführer auf den
Standpunkt, die Beanzeigte habe sich bei ihrer Erklärung der falschen
Zeugenaussage (Art. 307 StGB) schuldig gemacht. Bei der "gewissenhaften
Erklärung" (gemäss § 100 Abs. 1 GVG/ZH) handle es sich um die Stellungnahme
einer Person über ihre innere Einstellung zu einer Partei oder zu anderen
Verfahrensaspekten. Ob eine entsprechende Erklärung überhaupt jemals den
Tatbestand der falschen Zeugenaussage erfüllen könnte, sei fraglich, könne aber
offen bleiben. Der objektive Tatbestand beschränke sich jedenfalls auf Zeugen,
Sachverständige, Übersetzer und Dolmetscher, nicht aber auf Erklärungen und
Äusserungen eines Richters oder einer Richterin. Ebenso wenig habe eine
Gerichtsperson, welche eine "gewissenhafte Erklärung" abgebe, im
Ablehnungsverfahren eine Zeugenfunktion. Angebliche richterliche Fehler bei der
Rechtsanwendung erfüllten für sich allein noch keinen Straftatbestand. Der
Beschwerdeführer habe solche (weiteren) Straftatbestände auch nicht
konkretisiert. Mangels Anfangsverdachtes einer strafbaren Handlung sei die
Ermächtigung nicht zu erteilen.

3.
Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, lässt den angefochtenen Entscheid
nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Dies gilt namentlich für die
Vorbringen, er habe im damaligen Zeitpunkt als Richter für das Bezirksgericht
Hinwil kandidiert, die Beanzeigte sei im Wahlkampf gegen ihn aufgetreten, er
sei im Eheschutzverfahren enteignet worden, die Polizei habe ihm die
Erschiessung angedroht, er sei zu Unrecht wegen Hausfriedensbruchs verurteilt
worden, und seine persönliche Effekten und Medikamente seien ihm als Folge des
Eheschutzverfahrens vorenthalten worden. Es kann offen bleiben, ob die
Beschwerdeschrift diesbezüglich die gesetzlichen Substanzierungs- und
Zulässigkeitsanforderungen (von Art. 42 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6-7 i.V.m. Art.
95 BGG) erfüllt. Was die strafrechtlichen Einwände betrifft, kann auf die
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. Art. 109 Abs. 3
Satz 2 BGG).

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt erscheinen (und insbesondere die
finanzielle Bedürftigkeit des Gesuchstellers ausreichend dargetan wird), ist
das Begehren zu bewilligen und sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 64
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Prozessführung gewährt, und es
werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Mai 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster