Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.69/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_69/2012

Urteil vom 3. August 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026
Zürich,
2. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8090
Zürich.

Gegenstand
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Januar 2012 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, vom 10. Januar 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ erstattete am 15. September 2011 eine Strafanzeige wegen
verschiedener Vorfälle, die bis ins Jahr 2004 zurückreichen. Sie richtete sich
gegen "sämtliche involvierten Beamten, auch diejenigen, welche mir eine
unabhängige Untersuchung gem. Art. 13 & 16 FoK verweigern, gem. Art. 115 StGB
... wegen Nötigung zu Suizid, aus selbstsüchtigen, niederen Motiven, sowie
wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Folter gem. Art. 122 StGB, dazu wegen
Amtsmissbrauch, Begünstigung ...". Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl überwies
die Sache der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Diese überwies die
Sache wiederum dem Obergericht des Kantons Zürich zum Entscheid über die
Erteilung oder Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer
Untersuchung.
Mit Beschluss des Obergerichts, III. Strafkammer, vom 10. Januar 2012 wird der
Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zum Entscheid über die
Untersuchungseröffnung bzw. die Nichtanhandnahme des Verfahrens gegen Unbekannt
nicht erteilt. Das Obergericht weist auf eine seit Jahren andauernde
Auseinandersetzung des Anzeigeerstatters mit Y.________ und auf zwei
Strafverfahren hin, in denen dieser jeweilen freigesprochen worden war. Es
führt ferner aus, dass aus der Anzeige nicht hervorgehe, wer konkret durch
welche Handlung welchen Straftatbestand erfüllt haben soll. Entsprechendes sei
auch den beigezogenen Akten nicht zu entnehmen. Somit liege kein
Anfangsverdacht vor, weshalb die Ermächtigung zu verweigern sei.

B.
X.________ hat am 26. Januar 2012 beim Bundesgerichtspräsidenten Beschwerde
erhoben, mit dem Betreff "X.________ c. Zürich; Moldovan-Beschluss vom OG am
10.01.12" und unter dem Titel "Verstoss gegen Art. 13 ff. FoK (SR 0.105) und
wirksame Beschwerde". Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen das Folgende
aus:
Seit dem 9. August 2004 befänden sich die Zürcher Beamten in einer Tretmühle
von Amtsmissbräuchen und entsprechenden Vertuschungen. Er selber sei seither
surrealem Staatsterror ausgesetzt. Er habe dadurch posttraumatische
Belastungsstörungen erlitten, welche mittlerweile zu einer andauernden
Persönlichkeitsveränderung geführt hätten. In rechtlicher Hinsicht weist der
Beschwerdeführer auf die absolute Natur von Art. 3 EMRK hin. Dieselbe Natur
wiesen Art. 13 und 16 der UN-Folterkonvention auf. Danach habe er Anspruch auf
eine unabhängige Untersuchung. Er habe seit dem 26. Juni 2010 unzählige
entsprechende Anträge gestellt. Wegen seiner Zivilforderungen sei der
konspirative Ermächtigungsbeschluss des Obergerichts widerrechtlich. Er hält
Verstösse gegen das Beschleunigungsverbot und das Recht auf eine wirksame
Beschwerde fest und beklagt sich über unmenschliche Behandlung. Ebenso soll er
keine einsprachefähige Verfügung erhalten haben. Es sei tatsachenwidrig, wenn
ihm ein Antrag auf Nichterteilung der Ermächtigung unterstellt werde. Er
verlangt erneut und mit Nachdruck eine unabhängige Untersuchung gemäss Art. 13
und 16 Folterkonvention. Ferner bezieht sich der Beschwerdeführer auf einen
fürsorgerischen Freiheitsentzug. Eine Einweisungsverfügung habe er erst am
dritten Tag erhalten. Diese habe übelste Verleumdungen enthalten. Als Folge
einer von ihm erhobenen Beschwerde habe ihn die Klinik Burghölzli entlassen
müssen. Das Ermächtigungsverfahren sei mit Art. 3 EMRK und Art. 13 und 16
UN-Folterkonvention nicht vereinbar. Er habe bereits am 30. April 2011
sämtliche Zürcher Beamten wegen Befangenheit abgelehnt, sodass zuerst über
dieses Ausstandsbegehren hätte befunden werden müssen.
Zusammenfassend stellt der Beschwerdeführer sinngemäss die folgenden Anträge:
Durchführung einer unabhängigen Untersuchung gemäss Folterkonvention,
vollumfängliche Behebung des verursachten Schadens inkl. Lohnausfall seit dem
1. Juni 2009, Überweisung der Strafsache an das Bundesstrafgericht, Herausgabe
der geheimen Akten bei der Oberstaatsanwaltschaft, aufschiebende Wirkung.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, die Oberstaatsanwaltschaft und das
Obergericht haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Der Beschwerdeführer liess dem Bundesgericht weitere Eingaben zukommen: vom 9.
Februar 2012, vom 29. Februar 2012, vom 12. März 2012 (zwei Schreiben), vom 3.
April 2012, vom 2. Mai 2012 und vom 3. Mai 2012 (zwei Eingaben). Er ersucht um
einen zweiten Schriftenwechsel, aufschiebende Wirkung und Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Gegen den Entscheid des Obergerichts steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 BGG offen. Der
Beschwerdeführer legt nicht in einer den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG
genügenden Weise dar, weshalb und inwiefern der angefochtene Beschluss gegen
Bundesrecht verstossen sollte. Insoweit kann auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden.
Im Wesentlichen macht der Beschwerdeführer einzig geltend, aufgrund von Art. 12
f. und Art. 14 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984
(Folterkonvention, FoK; SR 0.105) habe er Anspruch auf eine unparteiische
Untersuchung, ohne darlegen zu müssen, dass er gefoltert oder anderswie
grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt worden zu sein. Das
Ermächtigungsverfahren sei mit der Folterkonvention nicht vereinbar. Darauf ist
nachfolgend einzugehen.

2.
2.1 Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO können die Kantone vorsehen, dass die
Strafverfolgung von Beamten von einer Ermächtigung abhängig gemacht wird. Das
Zürcher Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und
Strafprozess (Gerichtsorganisationsgesetz, GOG; Gesetzessammlung 211.1) sieht
in § 148 einen entsprechenden Ermächtigungsentscheid durch das Obergericht,
somit durch eine unabhängige gerichtliche Instanz vor. Es sollen
Staatsbedienstete vor mutwilliger Strafverfolgung geschützt werden. Im
Ermächtigungsverfahren dürfen grundsätzlich nur strafrechtliche Gesichtspunkte
berücksichtigt werden (zum Ganzen BGE 137 IV 269 E. 2 S. 275 mit Hinweisen).
Dabei hat der Betroffene die angebliche Straftat glaubhaft zu machen, damit der
Ermächtigungsentscheid getroffen werden kann. Das gilt auch hinsichtlich von
Straftaten im Sinne der Folterkonvention. Das ergibt sich aus Art. 12 und 13
FoK, wonach eine Untersuchung vorzunehmen ist, wenn ein hinreichender Grund für
die Annahme einer Folterhandlung besteht bzw. wenn jemand behauptet, gefoltert
worden zu sein. Es genügt nicht, mit blossem Verweis auf die Konvention eine
Untersuchung zu verlangen.
Der Beschwerdeführer hat weder vor Obergericht noch im bundesgerichtlichen
Verfahren konkret behauptet oder glaubhaft gemacht, inwiefern, bei welcher
Gelegenheit und allenfalls durch welche Polizeibeamten er misshandelt worden
sei und welche Straftatbestände dabei möglicherweise erfüllt seien. Daran
ändert auch ein neu nachgereichtes und nach Art. 99 Abs. 1 BGG unzulässiges
Bild mit "ausgerissenen Haaren" und einem "ausgeschlagenen Zahn" nichts. Bei
dieser Sachlage durfte das Obergericht ohne Rechtsverletzung annehmen, es fehle
an einem hinreichenden Anfangsverdacht, und die Ermächtigung verweigern.

2.2 Daran vermag auch die Berufung auf Art. 3 EMRK nichts zu ändern. Nach Art.
10 Abs. 3 BV ist Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung verboten. Dieselbe Grundrechtsgarantie ist in Art. 3
EMRK enthalten. Die Rechtsprechung anerkennt gestützt auf Art. 10 Abs. 3 BV,
Art. 7 UNO-Pakt II, Art. 3 und 13 EMRK sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens
gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (SR 0.105) einen Anspruch des von solcher
Behandlung Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz (vgl. BGE 131 I 455 E. 1.2.5
S. 462 f.; Urteile des Bundesgerichts 1B_70/ 2011 vom 11. Mai 2011 E. 2.2.5,
in: EuGRZ 2011 619; 1B_10/2012 vom 29. März 2012 E. 1.2.3). In diesem Sinne hat
Anspruch auf eine wirksame und vertiefte amtliche Untersuchung, wer in
vertretbarer Weise behauptet, von einem Polizeibeamten erniedrigend behandelt
worden zu sein. Kann sich der Betroffene auf Art. 3 EMRK berufen, verschafft
ihm der prozessuale Teilgehalt dieser Bestimmung ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung eines Entscheids, mit dem die Eröffnung einer
Strafuntersuchung gegen einen Polizeibeamten abgelehnt wird, die Untersuchung
eingestellt wird oder ein Freispruch ergeht (Urteile 6B_364/2011 vom 24.
Oktober 2011; 6B_274/2009 vom 16. Februar 2010). Dem Betroffenen steht somit
ein umfassender Rechtsschutz zur Verfügung.
Die Berufung auf den prozessualen Teilgehalt von Art. 3 EMRK entbindet nicht
davon, eine entsprechende Misshandlung in vertretbarer Weise zu behaupten und
konkret darzutun. Dem ist der Beschwerdeführer, wie das Obergericht
festgehalten hat, nicht nachgekommen.

3.
Der Beschwerdeführer weist auf weitere Ereignisse und Bemühungen hin. Ein
fürsorgerischer Freiheitsentzug und damit verbundene Verfahrensverletzungen
sind im sachbezogenen Verfahren zu rügen. Ein angeblich gegen sämtliche
Staatsbedienstete gerichtetes Ausstandsgesuch wird nicht substantiiert. Darauf
ist nicht einzugehen.

4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung gegenstandslos. Nachdem sich der Beschwerdeführer mit mehreren Eingaben
unaufgefordert geäussert hat, erübrigt sich ein weiterer Schriftenwechsel. Es
rechtfertigt sich, auf Kosten zu verzichten, sodass das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
sowie der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. August 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Steinmann