Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.649/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
1C_649/2012, 1C_650/2012

Urteil vom 22. Mai 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
Helvetia Nostra, Beschwerdeführerin, vertreten durch Maître Pierre Chiffelle,

gegen

1C_649/2012
X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Gian Reto Zinsli,

Gemeinde Savognin, 7460 Savognin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gieri
Caviezel,

1C_650/2012
Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Dr. Rudolf Kunz und Dr. Claudio
Weingart, Rechtsanwälte,

Gemeinde Disentis/Mustér, 7180 Disentis/Mustér, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Otmar Bänziger.

Gegenstand
Baueinsprache,

1C_649/2012
Beschwerde gegen das Urteil vom 7. November 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer,

1C_650/2012
Beschwerde gegen das Urteil vom 5. November 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Am 11. Mai 2012 reichte X.________ (im Folgenden: Beschwerdegegner 1) bei der
Gemeinde Savognin ein Gesuch um Erstellung eines Mehrfamilienhaus-Neubaus auf
Parzelle Nr. 981 ein.

 Gegen das Bauvorhaben erhob die als Verein konstituierte Helvetia Nostra
Einsprache und beantragte sinngemäss die Verweigerung der Baubewilligung,
gestützt auf den am 11. März 2012 in Kraft getretenen Art. 75b BV
(Zweitwohnungen).

 Die Gemeinde Savognin wies die Einsprache am 20. August 2012 ab und erteilte
am 21. August 2012 die Baubewilligung unter Bedingungen und Auflagen.

B.
Am 25. Juni 2012 reichte die Y.________ (im Folgenden: Beschwerdegegnerin 2)
bei der Gemeinde Disentis/Mustér ein Baugesuch für die Erstellung eines
Mehrfamilienhaus-Neubaus auf Parzelle Nr. 2325 in Buretsch/Segnas ein. Das
Baugesuch wurde vom 29. Juni bis 19. Juli 2012 erstmals öffentlich aufgelegt.
Infolge Projektänderungen erfolgte eine erneute Publikation und öffentliche
Auflage vom 20. Juli bis 9. August 2012.

 Am 8. August 2012 erhob die Helvetia Nostra Einsprache gegen das Bauvorhaben
wegen Verletzung von Art. 75b BV.

 Der Gemeindevorstand Disentis/Mustér wies die Einsprache am 20. August 2012 ab
und erteilte gleichzeitig die Baubewilligung.

C.
Gegen die Entscheide der Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér erhob die
Helvetia Nostra am 19. September 2012 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden. Sie beantragte, die angefochtenen Entscheide seien
aufzuheben und die Baubewilligungen seien nicht zu erteilen.

 Das Verwaltungsgericht verneinte die Beschwerdelegitimation der Helvetia
Nostra und trat deshalb in zwei Urteilen vom 5. und 7. November 2012 auf die
Beschwerden nicht ein. Im Übrigen ging es davon aus, dass Art. 75b BV gemäss
seiner Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) erst auf
Baubewilligungen anwendbar sei, die nach dem 1. Januar 2013 erteilt würden.
Daraus ergebe sich, dass auch in Gemeinden wie Savognin und Disentis/Mustér, in
denen die kritische Grenze von 20 % Zweitwohnungen überschritten sei, im Jahr
2012 noch Baubewilligungen für Zweitwohnungen nach bisherigem Recht erteilt
werden durften.

D.
Gegen beide Urteile erhob die Helvetia Nostra am 14. Dezember 2012 Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt,
die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und die Sachen zu neuem Entscheid
an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Eventualiter seien die den
Beschwerdegegnern erteilten Baubewilligungen aufzuheben.

E.
Die Beschwerdegegner beantragen, auf die Beschwerden sei nicht einzutreten;
eventualiter seien sie abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin 2 ist der Auffassung,
der Beschwerdeführerin fehle es schon an der formellen Beschwer, weil sie
lediglich gegen die Projektänderung, nicht aber gegen das ursprüngliche
Baugesuch Einsprache erhoben habe.

 Die Gemeinde Disentis/Mustér und das Verwaltungsgericht beantragen, die
Beschwerden seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Gemeinde
Savognin schliesst auf Abweisung der Beschwerden.

F.
Das Bundesamt für Raumplanung (ARE) äussert sich in seiner Vernehmlassung nicht
zur Legitimation der Beschwerdeführerin. Es geht davon aus, dass Art. 75b BV
auf Baugesuche anwendbar ist, die nach Annahme der Verfassungsbestimmung am 11.
März 2012 eingereicht worden sind und ein Bauvorhaben in einer Gemeinde zum
Gegenstand haben, die bereits mehr als 20 % Zweitwohnungen im Sinne der
Verordnung vom 22. August 2012 über Zweitwohnungen (SR 702) aufweist. Solche
Baugesuche könnten nur bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 4
lit. b der Verordnung erfüllt seien. Dies werde in den vorliegenden Fällen
weder von der Bauherrschaft noch von der Vorinstanz behauptet.

G.
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

H.
Mit Verfügungen vom 24. Januar und vom 5. Februar 2013 wurde den Beschwerden
die aufschiebende Wirkung erteilt.

I.
Am 22. Mai 2013 hat das Bundesgericht in öffentlicher Sitzung über die
Beschwerden beraten.

Erwägungen:

1.
Beide Beschwerden betreffen die Einsprache- und Beschwerdebefugnis der Helvetia
Nostra gegen Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die nach Annahme der
Zweitwohnungsinitiative am 11. März 2012, aber vor dem 1. Januar 2013, erteilt
worden sind. Da sowohl die angefochtenen Entscheide des Verwaltungsgerichts als
auch die Beschwerdeschriften weitgehend identisch sind, rechtfertigt es sich,
die Verfahren zu vereinigen.

2.
Gegen die kantonal letztinstanzlichen Endentscheide steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen (Art. 82 lit. a, 86
Abs. 1 lit. d und 90 BGG); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht
vor.
Die Beschwerdeführerin ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert,
soweit sie geltend macht, ihr sei im kantonalen Verfahren die
Beschwerdelegitimation zu Unrecht abgesprochen worden. Ob dies zutrifft, ist
eine Frage der Begründetheit der Beschwerde.

 Die Beschwerden wurden rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 BGG); dies gilt
auch für die Beschwerde 1C_649/2012, da der angefochtene Entscheid der
Beschwerdeführerin erst am 19. November 2012 zugestellt worden ist. Da die
übrigen Sachurteilsvoraussetzungen ebenfalls vorliegen, ist auf die Beschwerden
einzutreten.

3.
Streitig ist in erster Linie, ob die Beschwerdeführerin gemäss Art. 12 des
Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451)
zur Beschwerde befugt ist.

 Es ist unstreitig, dass sie zu den nach Art. 12 Abs. 1 lit. b NHG
beschwerdebefugten Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes
gehört (vgl. Anhang der Verordnung vom 27. Juni 1990 über die Bezeichnung der
im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes
beschwerdeberechtigten Organisationen; VBO; SR 814.076). Wie sich bereits aus
dem Titel des 1. Abschnitts des NHG ergibt ("Naturschutz, Heimatschutz und
Denkmalpflege bei Erfüllung von Bundesaufgaben"), steht die Verbandsbeschwerde
jedoch nur offen, soweit der angefochtene Entscheid die Erfüllung einer
Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG betrifft (ständige
Rechtsprechung; vgl. z.B. BGE 123 II 5 E. 2c S. 7 f.).

4.
Das Verwaltungsgericht verneinte das Vorliegen einer Bundesaufgabe.

 Anders als Ausnahmebewilligungen für Bauten ausserhalb der Bauzone gemäss Art.
24 des Raumplanungsgesetzes (RPG; SR 700) stützten sich Baubewilligungen
innerhalb der Bauzone auf kantonales und kommunales Recht; ihre Erteilung sei
daher - gleich wie die Raumplanung als solche - keine Bundesaufgabe. Dies gelte
auch dann, wenn die Baute als Zweitwohnung genutzt werden solle.

 Zwar sei die ideelle Verbandsbeschwerde ausnahmsweise gegen eine ordentliche
Baubewilligung zulässig, wenn mit ihr zumindest teilweise konkrete
bundesrechtliche Gesichtspunkte geregelt würden. Indessen stelle nicht jede
Anwendung von Bundesrecht zulasten des Natur- und Heimatschutzes eine
Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG dar; vielmehr müsse
eine konkrete Bundesaufgabe in Frage stehen, bei deren Erfüllung das
heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und
Kulturdenkmäler zu schonen oder, wo das allgemeine Interesse überwiegt,
ungeschmälert zu erhalten seien. Hierfür verwies die Vorinstanz auf die
bundesgerichtlichen Urteile 1C_196/2010 vom 16. Februar 2011 E. 1.2; 1A.185/
2006 vom 5. März 2007 E. 5.1 (in: URP 2007 S. 461; RDAF 2009 I S. 496; ZBl 109/
2008 S. 327) und 1A.71/1993 vom 12. April 1994 E. 2a (in: ZBl 96/1995 S. 144).

 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wurde mit der am 11. März 2012 von
Volk und Ständen angenommenen Verfassungsbestimmung betreffend Zweitwohnungen
keine neue, von den Gemeinden zu erfüllende Bundesaufgabe im Bereich des Natur-
und Heimatschutzes im Sinne von Art. 2 NHG geschaffen. Bei einem
Baubewilligungsverfahren innerhalb der Bauzone gehe es nicht um die Freihaltung
des Bodens zu Gunsten des Natur- und Heimatschutzes. So oder anders sei das
betreffende Land nämlich für die bauliche Nutzung bestimmt, egal was darauf zu
stehen komme. Aus der Sicht des Natur- und Heimatschutzes mache es letztlich
keinen Unterschied, ob in einer Bauzone Erstwohnungen, Zweitwohnungen, Hotels,
Jugendherbergen, Gewerberäume oder Sonstiges errichtet würden. Art. 75b BV
verbiete lediglich die Zweitwohnungsnutzung in Gemeinden, in denen der
Zweitwohnungsanteil von 20 % überschritten sei. Die Vorschrift entfalte damit
nicht direkt natur- oder heimatschützerische, sondern in erster Linie
raumplanerische Wirkung, weshalb sie zu Recht dem Raumplanungsartikel der
Bundesverfassung (Art. 75 BV) und nicht dem Natur- und Heimatschutzartikel
(Art. 78 BV) angehängt worden sei.

 Auch im konkreten Fall sei weder dargetan noch ersichtlich, dass es sich bei
den in der Bauzone liegenden Grundstücken bzw. bei den zum Abbruch bestimmten
Bauten um schützenswerte Objekte im Sinne des Natur- und Heimatschutzgesetzes
handle.

5.
Im gleichen Sinne hat auch die Öffentlichrechtliche Abteilung des
Kantonsgerichts Wallis entschieden (vgl. Urteil A1 12 176 vom 23. Oktober
2012). Die neuen Verfassungsbestimmungen beschränkten den Bau von
Zweitwohnungen, unabhängig davon, ob ein Objekt des Natur- oder Heimatschutzes
bedroht sei, und bezweckten deshalb nicht den Schutz von Natur und Heimat. Dies
gelte insbesondere bei der Bewilligung von Zweitwohnungsbauten inmitten eines
weitgehend überbauten Gebiets innerhalb der Bauzone.

 Die Verwaltungsrechtliche Abteilung des Kantonsgerichts Waadt liess die
Beschwerdelegitimation der Helvetia Nostra offen, weil sie davon ausging, dass
Art. 75b BV intertemporalrechtlich erst auf Baubewilligungen anwendbar sei, die
ab dem 1. Januar 2013 erteilt werden (Urteil AC.2012.0127 vom 22. November
2012).

6.
In der Literatur sind die Auffassungen geteilt:

6.1. Yves Jeanrenaud/Timo Sulc ( Lex Weber: premiers commentaires de
l'ordonnance dans l'attente de la législation d'exécution, in: Not@lex, Revue
de droit privé et fiscal du patrimoine 4/2012, S. 165 ff., insbes. S. 181)
sprechen sich gegen eine Bundesaufgabe aus: Art. 75b BV beziehe sich auf die
Raumplanung und betreffe eine Aufgabe, die in Art. 8 Abs. 2 RPG ausdrücklich
den Kantonen übertragen sei.

 ERIC BRANDT (Résidences secondaires: premières jurisprudences cantonales, in:
Plaidoyer 6/2012 S. 38 ff., insbes. S. 43) verneint eine Bundesaufgabe, weil
Art. 75b BV keine unmittelbar anwendbare Norm des Bundesrechts darstelle und
auf Baubewilligungen, die vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden, ohnehin nicht
anwendbar sei.

6.2. Dagegen geht Bernhard Waldmann davon aus, dass die Sicherstellung der
Plafonierung des Zweitwohnungsbaus fortan eine Bundesaufgabe bildet
(Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in:
Schweizerische Baurechtstagung Freiburg 2013, S. 123 ff., insbes. S. 136 oben).
Allerdings äussert er sich nicht ausdrücklich zu den Konsequenzen für das
Verbandsbeschwerderecht.

 Bernhard Rütsche ( Vollzug des Zweitwohnungsverbots, in: Roland Norer/Bernhard
Rütsche, Rechtliche Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, Bern 2013, S. 82 f.)
ist der Auffassung, der Bundesgesetzgeber habe die Kompetenz und die Pflicht,
die in Art. 75b Abs. 1 BV vorgegebene Plafonierung des Zweitwohnungsbaus
umzusetzen; im Sinne einer vorläufigen Regelung habe bereits der
Verfassungsgeber in Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV einen Baubewilligungsstopp
festgelegt. Dieser stehe insbesondere im Dienst der haushälterischen
Bodennutzung und des Landschaftsschutzes, d.h. von Zielen, die dem Natur- und
Heimatschutz zuzuordnen seien. Der Vollzug dieses Baubewilligungsverbots stelle
damit eine Bundesaufgabe dar. Den Natur- und Heimatschutzorganisationen stehe
das Recht zu, gegen kantonale Baubewilligungsentscheide, die in Anwendung (oder
fälschlicher Nichtanwendung) bundesrechtlicher Zweitwohnungsvorschriften
ergehen, Beschwerde zu ergreifen.

7.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 75b Abs. 1 BV verbiete den Bau neuer
Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen ein Zweitwohnungsanteil von 20 %
überschritten sei. Diese Bestimmung sei unmittelbar anwendbar und diene
insbesondere dem Schutz von Natur und Landschaft in den betroffenen Gebieten.
Bereits der Titel der Initiative und das Abstimmungsplakat hätten klar
aufgezeigt, dass es darum gehe, die Verunstaltung wertvoller Landschaften durch
den uferlosem Bau von Zweitwohnungen zu beenden.

 Gemäss Art. 43a Abs. 1 BV übernehme der Bund nur die Aufgaben, welche die
Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund
bedürfen. Bei der Beschränkung des Zweitwohnungsbaus bestehe ein Bedürfnis für
eine bundesweit einheitliche Regelung. Dementsprechend sei der Bund beauftragt,
die nötige Ausführungsgesetzgebung zu Art. 75b BV zu erlassen und dafür zu
sorgen, dass der in Art. 75b Abs. 1 BV festgesetzte maximale Anteil an
Zweitwohnungen eingehalten werde. Aus diesen Gründen habe auch der Bundesrat in
Art. 6 Abs. 3 Zweitwohnungsverordnung vorgesehen, dass Bewilligungen, die
gestützt auf Art. 4 lit. b und Art. 8 Absatz 1 der Verordnung erteilt werden,
dem ARE eröffnet werden müssen, damit dieses seiner Aufsichtspflicht nachkommen
und gegebenenfalls Beschwerde erheben könne.

 Liege somit eine Bundesaufgabe vor, sei die Beschwerdeführerin als
gesamtschweizerische Natur- und Heimatschutzorganisation zur Beschwerde gemäss
Art. 12 NHG legitimiert.

 Eventualiter könne sie ihre Beschwerdebefugnis auch auf Art. 89 Abs. 1 BGG
stützen, da sie vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen habe, durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt sei und ein schutzwürdiges Interesse
an dessen Aufhebung oder Änderung habe. Die Beschwerdeführerin sei eng mit dem
Initiativkomitee verbunden; insbesondere sei ihr Präsident Franz Weber auch
Präsident des Initiativkomitees gewesen. Werde ihr die Beschwerdebefugnis
abgesprochen, würde dies Tür und Tor für eine Flut von
Zweitwohnungsbewilligungen öffnen, die nach dem 11. März 2012 erteilt worden
seien, mit dem Ziel, den Vollzug des Volkswillens zu vereiteln oder so lange
wie möglich zu verzögern. Die Glaubwürdigkeit und die Handlungsfähigkeit der
Beschwerdeführerin und ihres Präsidenten bei der Verfolgung ihrer ideellen
Ziele wären somit gefährdet.

8.
Die privaten Beschwerdegegner und die Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér
teilen die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Die Legitimation der Helvetia
Nostra könne auch nicht aus der Tatsache abgeleitet werden, dass ihr Präsident
als Mitinitiant der Initiative aufgetreten sei: Die Beschwerdeführerin sei
durch das Bauvorhaben nicht mehr berührt als die Allgemeinheit.

 Die Beschwerdegegner sind mit dem Verwaltungsgericht der Ansicht, dass die
Erteilung einer ordentlichen Baubewilligung für zonenkonforme Bauten keine
Bundesaufgabe darstellt. Die Stossrichtung der Zweitwohnungsinitiative bzw. von
Art. 75b BV sei klar raumplanerischer Natur. Der Natur- und Landschaftsschutz
könne schon deshalb nicht im Vordergrund stehen, weil es ja um eine
Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten innerhalb der Bauzonen gehe, also in
jenen Gebieten, die bereits weitgehend überbaut seien und in einem bestehenden
Siedlungsgebiet liegen. Die Initiative führe denn auch nicht dazu, dass diese
Bauzonen gar nicht mehr überbaut werden könnten, sondern verunmögliche nur die
Zweitwohnungsnutzung.

 Der Beschwerdegegner 1 weist darauf hin, dass die Beschwerdeführerin
anlässlich der Anhörung vom 18. Juni 2012 zur Zweitwohnungsverordnung beantragt
habe, den Verbänden ein Beschwerderecht einzuräumen. Sie sei somit selbst davon
ausgegangen, dass ihr nach geltendem Recht kein Beschwerderecht zustehe.

 Die Beschwerdegegnerin 2 macht geltend, die Beschwerdeführerin habe es
versäumt, gegen das Bauprojekt fristgerecht Einsprache zu erheben; ihre
Einsprache habe sich lediglich gegen die Projektänderung gerichtet. Im Übrigen
sei Art. 75b BV auch deshalb nicht anwendbar, weil der Verwendungszweck des zu
erstellenden Mehrfamilienhauses (Vermietung oder Verkauf als Erst- oder
Zweitwohnungen) noch völlig offen sei.

9.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BV sind für den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich die
Kantone zuständig; Bundeskompetenzen bestehen lediglich im Bereich des Biotop-
und Artenschutzes (Abs. 4) und zum Schutz von Mooren und Moorlandschaften von
nationaler Bedeutung (Abs. 5). Gemäss Art. 78 Abs. 2 BV nimmt jedoch der Bund
bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und
Heimatschutzes und schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten
sowie Natur- und Kunstdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das
öffentliche Interesse es gebietet.

9.1. Was unter der Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV
zu verstehen ist, führt Art. 2 Abs. 1 NHG in nicht abschliessender Weise aus:
Dazu gehören insbesondere die Planung, Errichtung und Veränderung von Werken
und Anlagen durch den Bund, wie z.B. Bauten und Anlagen der Bundesverwaltung,
Nationalstrassen oder Bauten und Anlagen der Schweizerischen Bundesbahnen (lit.
a), die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, wie zum Bau und Betrieb
von Verkehrsanlagen, Transportanstalten, Werken und Anlagen zur Beförderung von
Energie, Flüssigkeiten oder Gasen oder zur Übermittlung von Nachrichten sowie
Bewilligungen zur Vornahme von Rodungen (lit. b) sowie die Gewährung von
Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen, wie Meliorationen, Sanierungen
landwirtschaftlicher Bauten, Gewässerkorrektionen, Anlagen des Gewässerschutzes
und Verkehrsanlagen (lit. c). Entscheide kantonaler Behörden über Vorhaben, die
voraussichtlich nur mit Beiträgen nach Absatz 1 Buchstabe c verwirklicht
werden, sind der Erfüllung von Bundesaufgaben gleichgestellt (Art. 2 Abs. 2
NHG).

9.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Bundesaufgabe auch dann vorliegen,
wenn eine kantonale Behörde verfügt hat, beispielsweise bei der Erteilung einer
raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (grundlegend BGE
112 Ib 70 E. 4b S. 74 ff.). Ausdrücklich in Art. 2 Abs. 1 lit. b NHG erwähnt
ist die Rodungsbewilligung: Erteilt eine kantonale Forstbehörde eine
Rodungsbewilligung oder stellt sie diese verbindlich in Aussicht, so erfüllt
sie eine Bundesaufgabe (BGE 121 II 190 E. 3c/cc S. 197). Auch der Biotopschutz
gemäss Art. 18 ff. NHG ist eine den Kantonen übertragene Bundesaufgabe (BGE 133
II 220 E. 2.2 S. 223). Gleiches gilt für die Bewilligung von technischen
Eingriffen in ein Gewässer nach Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991
über die Fischerei (BGF; SR 923.0) bzw. die Erteilung von fischereirechtlichen
Bewilligungen (BGE 110 lb 160 E. 2 S. 161). Zu den Bundesaufgaben gehören auch
der Gewässerschutz und die Sicherung angemessener Restwassermengen (in BGE 139
II 28 nicht publ. E. 1.1), der Schutz von Mooren und Moorlandschaften von
besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung (BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15 f.)
sowie von wildlebenden Säugetieren und Vögeln (BGE 136 II 101 E. 1.1 S. 103),
auch wenn kantonale oder kommunale Behörden entscheiden.

9.3. Voraussetzung für das Vorliegen einer "Bundesaufgabe" ist danach in erster
Linie, dass die angefochtene Verfügung eine Rechtsmaterie betrifft, die in die
Zuständigkeit des Bundes fällt und bundesrechtlich regelt ist.

 In seinem Zuständigkeitsbereich ist der Bund gemäss Art. 78 Abs. 2 BV
verpflichtet, auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes Rücksicht zu
nehmen. In diesem Zusammenhang räumt Art. 12 NHG den gesamtschweizerischen
Natur- und Heimatschutzverbänden ein Beschwerderecht ein, damit sie den
Anliegen des Natur- und Heimatschutzes bei der Erfüllung von Bundesaufgaben
notfalls gerichtlich Geltung verschaffen können ( Josef Rohrer, in: Keller/
Zufferey/Fahrländer, Kommentar NHG, Allg. Teil, 3. Kap., Rz. 4). Das Recht zur
Beschwerdeführung setzt nicht voraus, dass ein vom Bund nach Art. 5 NHG
inventarisiertes Schutzobjekt betroffen wird; es genügt vielmehr, dass die
Verletzung von Bestimmungen gerügt wird, die der Erfüllung der Bundesaufgaben
im Bereich des Natur- und Heimatschutzes dienen (so schon BGE 118 Ib 11 E. 2e
S. 16; 117 Ib 92 E. 3a S. 100 mit Hinweisen).

 Solche Bestimmungen sind insbesondere im NHG enthalten; sie können sich aber
auch aus der jeweiligen Spezialgesetzgebung ergeben (z.B. Erfordernis der
Standortgebundenheit und der Interessenabwägung gemäss Art. 24 RPG;
Rodungsvoraussetzungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über
den Wald [WaG; SR 921.0]; Voraussetzungen für technische Eingriffe in Gewässer
gemäss Art. 8-10 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei [BGF;
SR 923.0]).

 Die Anforderungen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes können sich auch
aus einer Verfassungsbestimmung ergeben, soweit diese unmittelbar anwendbar ist
( JEAN-BAPTISTEZUFFEREY, Kommentar NHG, Art. 2 Rz. 12 S. 151), wie
beispielsweise der mit der Rothenthurm-Initiative eingeführte Art.
24sexies Abs. 5 aBV (heute: Art. 78 Abs. 5 BV). Das darin enthaltene absolute
Veränderungsverbot für Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und
nationaler Bedeutung konnte deshalb, schon vor seiner Umsetzung im NHG, mit
Verbandsbeschwerde nach Art. 12 NHG geltend gemacht werden (BGE118 Ib 11 E. 2e
S. 15 f.).

9.4. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt und mit Zitaten belegt
hat, genügt nicht jegliche Anwendung von Bundesrecht, um die Beschwerdebefugnis
nach Art. 12 NHG auszulösen, sondern es muss eine konkrete Bundesaufgabe
vorliegen, die einen Bezug zum Natur-, Landschafts- und Heimatschutz aufweist.
Dies ist einerseits der Fall, wenn die bundesrechtliche Regelung (zumindest
auch) den Schutz von Natur, Landschaft oder Heimat bezweckt ( ZUFFEREY,
Kommentar NHG, Art. 2 Rz. 12 S. 150 f.); andererseits ist eine Bundesaufgabe
i.S.v. Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG zu bejahen, wenn der bundesrechtliche
Auftrag die Gefahr der Beeinträchtigung schützenswerter Natur, Orts- oder
Landschaftsbilder in sich birgt und deshalb die Rücksichtnahme auf die Anliegen
des Natur- und Heimatschutzes sichergestellt werden muss (BGE 131 II 545 E. 2.2
S. 547 f. mit Hinweisen; ZUFFEREY, a.a.O., Art. 2 Rz. 13 S. 151 f.).

10.
Im Bereich der Raumplanung sind grundsätzlich die Kantone zuständig; dem Bund
steht nur (aber immerhin) eine Grundsatz-Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 75
Abs. 1 BV).

10.1. Wo sich das RPG auf Rahmenbestimmungen beschränkt (Nutzungsplanung;
Bewilligung von Bauten innerhalb der Bauzone), liegt grundsätzlich keine
Bundesaufgabe i.S.v. Art. 2 NHG vor. Dagegen wird eine Bundesaufgabe bejaht,
soweit es um die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone
geht, die vom Bund detailliert und i.d.R. abschliessend geregelt worden sind
(Art. 24 ff. RPG).

10.2. Regeln jedoch Nutzungspläne oder ordentliche Baubewilligungen
ausnahmsweise (ganz oder teilweise) konkrete bundesrechtliche Gesichtspunkte,
so gelten sie insoweit als Verfügung i.S.v. Art. 5 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG; SR 172.021) und können dem Beschwerderecht
nach Art. 12 NHG unterliegen (vgl. Art 12c Abs. 3 und 4 NHG; BGE 135 II 328 E.
2.1 S. 332 mit Hinweisen; PETER M. KELLER, Kommentar NHG, Art. 12 Rz. 3 S.
256). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Natur- und
Heimatschutzverbände daher zur Beschwerde gegen ordentliche Baubewilligungen
und Nutzungspläne befugt, die schutzwürdige Biotope berühren (in BGE 118 Ib 485
nicht veröffentlichte E. 1; BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15/16 zu Mooren und
Moorlandschaften von nationaler Bedeutung). Gleiches gilt, wenn die Umgehung
von Art. 24 RPG durch die Schaffung unzulässiger Kleinbauzonen gerügt wird
(Urteil 1C_164/2007 vom 6. Dezember 2007 E. 1.3 und 3.1 mit Hinweisen).

10.3. Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Erstellung von
Zivilschutzbauten (Urteil 1A.231/1998 vom 12. Juli 1999 E. 1b/bb, publ. in RDAF
2000 I S. 141 und URP 2000 S. 659) und von Mobilfunkanlagen (BGE 131 II 545 E.
2.2 S. 547 f. mit Hinweis) eine Bundesaufgabe, und zwar auch dann, wenn dies im
ordentlichen Baubewilligungsverfahren innerhalb der Bauzone geschieht. Der Bund
verpflichtet die Kantone zur Gewährleistung eines ausgewogenen
Schutzplatzangebots bzw. die Mobilfunkkonzessionärinnen zum Aufbau eines je
eigenen, landesweiten Mobilfunknetzes, was sich negativ auf schützenswerte
Landschaften und Ortsbilder auswirken kann. Die Anwendbarkeit von Art. 3 und 6
NHG ist das notwendige Korrelat, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtung
nicht auf Kosten von Natur- und Heimat erfüllt wird. Dies hat zur Folge, dass
solche Baubewilligungen der Verbandsbeschwerde gemäss Art. 12 NHG unterliegen.

11.
Art. 75b Abs. 1 BV setzt einen Höchstanteil für Zweitwohnungen von 20 % pro
Gemeinde fest, gemessen einerseits am Gesamtbestand der Wohneinheiten und
andererseits an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche. Art. 75b
Abs. 2 und Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV beauftragen den "Gesetzgeber", die
hierfür nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen.

11.1. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass damit der Bund und nicht die
Kantone zur Ausführungsgesetzgebung verpflichtet wird. Dies lässt sich aus Art.
197 Ziff. 9 Abs. 1 BV ableiten, der den Bundesrat (und nicht die
Kantonsregierungen) ermächtigt, nötigenfalls die Ausführungsbestimmungen durch
Verordnung zu erlassen ( Rütsche, a.a.O., S. 82). Insoweit ist der Bund nicht
mehr auf eine Grundsatzgesetzgebung (nach Art. 75 BV) beschränkt; die
Sicherstellung der Plafonierung des Zweitwohnungsbaus stellt vielmehr fortan
eine Bundesaufgabe dar (so auch Waldmann, a.a.O., S. 136 oben).

 Davon ging auch der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. Oktober 2008 zur
eidgenössischen Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!"
aus (BBl 2009 8757 ff.) :
"Da es sich um eine bundesrechtliche Regelung handelt, wäre im Prinzip
letztlich der Bund für die Sicherstellung ihrer Anwendung zuständig." (a.a.O.,
Ziff. 3.3 S. 8764).

 "Die Initiative will auch dem Bund Kompetenz für die Regelung des
Zweitwohnungsbaus übertragen. Der Bund wäre wohl gehalten, die Einhaltung der
Kontingente zu kontrollieren und müsste Aufgaben übernehmen, die der Sache nach
auf einer anderen bundesstaatlichen Ebene erfüllt werden sollten. Die Kontrolle
der Kontingente wäre mit erheblichem personellem und organisatorischem Aufwand
verbunden, der in diesem Umfang vom Bund allein nicht geleistet werden könnte.
Ebenso verhält es sich mit der Aufarbeitung und Aktualisierung von Angaben zur
Nutzung der Wohnungen im GWR." (a.a.O., Ziff. 4.3 S. 8768).

11.2. Art. 75b BV ist eine raumplanerische Bestimmung, die eine bestimmte
Nutzung (Zweitwohnungen) beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch nicht
Selbstzweck: Ziel der Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen"
war in erster Linie der Schutz von Natur und Landschaft. So argumentierte das
Initiativkomitee in den Erläuterungen zur Abstimmung vom 11. März 2012 (S. 11),
dass durch den ausufernden Zweitwohnungsbau immer grössere Teile der Schweizer
Berge verstädtert, unersetzliche Landschaften verschandelt und die Natur für
immer zerstört werde; die schönsten und kostbarsten Landschaften würden durch
immer neue Einzonungen, Umzonungen und Sonderbewilligungen bedroht und würden
auf diese Weise Stück für Stück vernichtet.

 Zweitwohnungsprojekte, die innerhalb von RPG-konformen Bauzonen, insbesondere
im bereits überbauten Gebiet, erstellt werden, zerstören in der Regel für sich
allein keine Natur- und Landschaftsobjekte. Sie verbrauchen jedoch
Baulandreserven, mit der Folge, dass für andere Bauvorhaben (insbesondere
Erstwohnungen, Hotel- und Gewerbebetriebe) auf Kosten von Natur- und Landschaft
Neueinzonungen vorgenommen werden müssen. Insofern dient das
Baubewilligungsverbot für neue Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen der
Zweitwohnungsanteil schon 20 % oder mehr beträgt, in erheblichem Mass der
Schonung der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes. Dies genügt für die
Bejahung der Beschwerdelegitimation i.S.v. Art. 12 NHG. Diese Bestimmung
verlangt nicht, dass sich die konkrete Baubewilligung auf ein geschütztes oder
schutzwürdiges Gebiet bezieht (in BGE 137 II 338 nicht publ. E. 1.2; in BGE 136
II 214 nicht publ. E. 1.2; BGE 123 II 289 E. 1c S. 291; Urteil 1A.301/2000 vom
28. Mai 2011 E. 2b, in ZBl 103/2002 S. 354; RDAF 2003 I S. 503).

11.3. Die Prüfung, ob eine Baubewilligung für eine Zweitwohnung nach Art. 75b
Abs. 1 BV i.V.m. Art 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV und seiner Ausführungsbestimmungen
erteilt werden darf, erfolgt nach geltendem Recht entweder im ordentlichen
Baubewilligungsverfahren (innerhalb der Bauzone) oder im
Ausnahmebewilligungsverfahren nach Art. 24 ff. RPG (ausserhalb der Bauzone). Im
zuletzt genannten Fall handelt es sich um eine bundesrechtliche Bewilligung,
die klarerweise in Erfüllung einer Bundesaufgabe ergeht. Gleiches muss aber
auch gelten, soweit die Konformität eines Bauvorhabens mit Art. 75b BV und
seinen Ausführungsbestimmungen im ordentlichen Baubewilligungsverfahren geprüft
wird: Insoweit stützt sich die Baubewilligung auf spezielle, bundesrechtlich
geregelte Tatbestände und ergeht in Erfüllung einer Bundesaufgabe (so
auch RÜTSCHE, a.a.O., S. 81 f.).

11.4. Im Ergebnis ist daher eine Bundesaufgabe i.S.v. Art. 78 Abs. 2 BV und
Art. 2 NHG zu bejahen. Dies hat zur Folge, dass die streitigen Baubewilligungen
von der Helvetia Nostra nach Art. 12 NHG angefochten werden können. Das
Verwaltungsgericht Graubünden hat daher die Einsprache- und Beschwerdebefugnis
der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint.

12.
Das Verwaltungsgericht hat zusätzlich ausgeführt, dass die neuen
Verfassungsbestimmungen nicht anwendbar seien auf Baubewilligungen, die
zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 erstinstanzlich erteilt
wurden (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV e contrario).

 Das Bundesgericht hat im zur Veröffentlichung bestimmten Urteil 1C_646/2012
vom 22. Mai 2012 (E. 9-11) entschieden, dass Art. 75b Abs. 1 BV seit seinem
Inkrafttreten am 11. März 2012 anwendbar ist. Zwar bedarf diese Bestimmung in
weiten Teilen der Ausführung durch ein Bundesgesetz. Unmittelbar anwendbar ist
sie jedoch insoweit, als sie (in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) ein
Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen in allen Gemeinden anordnet, in denen
der 20 %-Zweitwohnungsanteil bereits erreicht oder überschritten ist. Damit
soll bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung verhindert werden, dass
die angestrebte Plafonierung von Zweitwohnungen auf 20 % negativ präjudiziert
wird. Im Ergebnis kommt dies sinngemäss einer Planungszone für Zweitwohnungen
gleich. Sie hat zur Folge, dass Baubewilligungen für Zweitwohnungen, die
zwischen dem 11. März 2012 und dem 31. Dezember 2012 in den betroffenen
Gemeinden erteilt wurden, anfechtbar sind; ab dem 1. Januar 2013
erstinstanzlich erteilte Baubewilligungen sind sogar nichtig (Art. 197 Ziff. 9
Abs. 2 BV). Baubewilligungen, die vor dem 11. März 2012 erstinstanzlich erteilt
wurden, fallen nicht unter die neuen Verfassungsbestimmungen und bleiben
gültig, unabhängig vom Zeitpunkt, in dem sie rechtskräftig werden.

13.
Dies führt zur Gutheissung der Beschwerden und zur Rückweisung an das
Verwaltungsgericht. Dieses wird prüfen müssen, ob die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (namentlich die von der Beschwerdegegnerin
2 bestrittene Einhaltung der Einsprachefrist). Ist dies zu bejahen, wird es die
Beschwerden materiell beurteilen müssen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdegegner kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 1C_649/2012 und 650/2012 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden gutgeheissen und die Entscheide des Verwaltungsgerichts
des Kantons Graubünden vom 5. und 7. November 2012 aufgehoben. Die Sachen
werden zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht
zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdegegnern der Verfahren
1C_649/2012 und 1C_650/2012 je zur Hälfte (ausmachend Fr. 2'000.--) auferlegt.

4.
Die Beschwerdegegner haben die Beschwerdeführerin für die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens mit je Fr. 2'000.-- (insgesamt: Fr. 4'000.--) zu
entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, den Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér,
dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 5. Kammer, und dem Bundesamt für
Raumentwicklung (ARE) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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