Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.600/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_600/2012

Urteil vom 16. April 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau,
Postfach, 5001 Aarau,
Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse
12, 5001 Aarau.

Gegenstand
Zulassung zu einer weiteren praktischen Führerprüfung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 26. September 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau (StVA) erteilte X.________ am 29.
März 2010 einen Lernfahrausweis der Kategorie B (Personenwagen). X.________
absolvierte die Theorieprüfung mit Erfolg, scheiterte aber an der praktischen
Prüfung dreimal, zuletzt am 4. Juli 2011.
Am 22. Juli 2011 verfügte das StVA gestützt auf Art. 23 Abs. 2 VZV, X.________
könne nur nach einem positiven Fahreignungstest zu einer weiteren praktischen
Führerprüfung zugelassen werden. Ausserdem hielt es fest, sein Lernfahrausweis
sei abgelaufen.
Am 9. Dezember 2011 wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) die
Beschwerde von X.________ gegen diese Verfügung des StVA ab.
Am 26. September 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau die
Beschwerde von X.________ gegen diese Departementalverfügung ab, soweit es
darauf eintrat.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________,
dieses Urteil des Verwaltungsgerichts sowie das Resultat der dritten
Führerprüfung von 4. Juli 2011 aufzuheben. Er sei ohne weitere Auflagen und
Bedingungen zur dritten praktischen Führerprüfung zuzulassen, d.h. ohne einen
Fahreignungstest zu absolvieren und einen neuen Lernfahrausweis zu lösen.

C.
Das StVA, das DVI und das Verwaltungsgericht verzichten auf Vernehmlassung. Das
Bundesamt für Strassen beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid das negative Ergebnis der
dritten vom Beschwerdeführer absolvierten Führerprüfung im Ergebnis kantonal
letztinstanzlich bestätigt. Die praktische Führerprüfung ist eine
Fähigkeitsprüfung, gegen deren Ergebnis die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 83 lit. t BGG nicht zur
Verfügung steht (BGE 138 II 501 E. 1.1; 136 II 61 bezüglich Kontrollfahrten).
Da die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels nicht schadet, ist zu prüfen, ob
die Beschwerde als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden
kann (vgl. BGE 131 I 291 E. 1.3 S. 296). Diese ist nach Art. 113 BGG zulässig,
da vorliegend keine Beschwerde nach den Art. 72-89 BGG erhoben werden kann. Mit
Verfassungsbeschwerde kann indessen einzig die Verletzung von
verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 112 ff. BGG) sind erfüllt. Auf die Eingabe des
Beschwerdeführers ist somit insoweit als Verfassungsbeschwerde einzutreten, als
er substanziierte Verfassungsrügen erhebt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244
E. 2.2).

2.
Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht, die Begründung des negativen
Prüfungsergebnisses durch den Prüfungsexperten entspreche den
verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV nicht.
Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen hätten dies verkannt und dadurch
ihrerseits seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

2.1 Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör
ergibt sich für den Prüfungsexperten die Pflicht, das Ergebnis der
Führerprüfung in einer Weise zu begründen, die dem Betroffenen die sachgerechte
Anfechtung ermöglicht (BGE 124 II 146 E. 2a, 122 IV 8 E. 2c, 112 Ia 107 E. 2b).
Während der Prüfungsfahrt hat der Experte naturgemäss keine Zeit für eine
eingehende Protokollierung des Verlaufs der Fahrt, muss er doch die Leistungen
des Prüflings fortlaufend beurteilen und zudem stets bereit sein, bei
sicherheitsrelevantem Fehlverhalten sofort einzugreifen (Urteil 6A.121/2001 vom
14. März 2001 E. 2a). Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass der Experte die Fahrfehler des Prüflings zunächst bloss durch Ankreuzen
auf dem vorgedruckten Formular "Prüfungsbericht Führerprüfung" (rudimentär)
festhält und dieses Protokoll anschliessend - wegen der mit dem Zeitablauf
verbundenen Abnahme des Erinnerungsvermögens zeitnah, d.h. jedenfalls innert
weniger Tage - durch einen schriftlichen "Bericht über die nicht bestandene
praktische Führerprüfung" ergänzt.

2.2 Vorliegend hat der Prüfungsexperte auf dem vorgedruckten Formular zehn
Beanstandungen angekreuzt, schwergewichtig unter der Rubrik "Verkehrstaktik,
Verkehrsvorgänge". In seinem drei Tage später verfassten "Bericht über die
nicht bestandene praktische Führerprüfung" hält er zunächst seine
Beanstandungen fest und illustriert diese anhand von Beispielen. Daraus geht
hervor, dass der Beschwerdeführer vor allem deshalb durchfiel, weil er zu wenig
voraus schaute und das Verkehrsgeschehen nicht rechtzeitig wahrnehmen konnte,
was zu Überforderung und wiederholt fehlerhaftem Verhalten geführt habe. So sei
er in eine Strasse mit Fahrverbot eingefahren, weil er die Signalisation nicht
erkannt habe; beim Zurücksetzen habe er dann den Verkehr erheblich behindert.
Er habe wiederholt die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und
unübersichtliche Kreuzungen zu schnell und ohne korrektes Beobachten
angefahren. Bei einem Fahrstreifenwechsel und beim Einspuren in die Autobahn
habe er den nachfolgenden Verkehr erheblich behindert. Er sei über einen
Radstreifen abgebogen, ohne kontrolliert zu haben, ob er frei sei. Er sei trotz
übersichtlicher Situation und breiter Strasse nicht in der Lage gewesen, einen
am Strassenrand korrekt mit eingeschalteter Warnblinkanlage abgestellten
Lastwagen zu überholen.
Dieser Bericht erschöpft sich entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers
keineswegs in "Expertenfloskeln". Vielmehr werden verschiedene, teilweise
gravierende Fehlleistungen des Beschwerdeführers während der Prüfungsfahrt
anschaulich aufgezählt. Daraus ergibt sich ohne weiteres, auf Grund welcher
fahrerischer Defizite der Beschwerdeführer gescheitert ist. Der Bericht genügt
damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung einer
Führerprüfung vollauf. Dass weder die gefahrene Strecke noch die Örtlichkeiten,
wo die einzelnen Fahrfehler stattgefunden haben, aufgeführt werden, ändert
daran nichts, zumal der Beschwerdeführer zumindest die gefahrene Strecke selber
kennt. Die Gehörsverweigerungsrüge ist unbegründet.

3.
In der Sache überzieht der Beschwerdeführer das Prüfungsergebnis und das dieses
schützende Urteil des Verwaltungsgerichts in rein appellatorischer Weise mit
weitschweifiger und meist wenig plausibler Kritik. Darauf ist nicht
einzutreten. Darüber hinaus macht er geltend, zwischen dem vom Experten am 4.
Juli 2011 durch Ankreuzen ausgefüllten Formular "Prüfungsbericht Führerprüfung"
und seinem schriftlichen Bericht vom 7. Juli 2011 bestünden unüberbrückbare
Widersprüche, weshalb es willkürlich sei, auf die Beurteilung des Experten
abzustellen.

3.1 Wie bereits das Verwaltungsgericht dargetan hat, lassen sich einzelne
Fahrfehler unter verschiedenen der im Formular aufgeführten Bewertungskriterien
beanstanden. Es stellt daher keineswegs einen "unüberbrückbaren Widerspruch"
zwischen dem Formular vom 4. Juli 2011 und dem Bericht vom 7. Juli 2011 dar,
wenn für einzelne der in letzterem angeführten Fahrfehler nicht alle möglichen
Kriterien als beanstandet angekreuzt sind. So ist etwa der Umstand, dass der
Experte auf dem Formular das Kriterium Nr. 51 "Fahrstreifenwechsel" ankreuzte,
das Kriterium Nr. 73 "Behinderung" aber nicht, keineswegs ein Hinweis darauf
bzw. gar ein Beweis dafür, dass der schriftliche Bericht, in welchem angeführt
wurde, dass der Beschwerdeführer bei einem Fahrstreifenwechsel den Verkehr
erheblich behinderte, falsch sei. Die Willkürrüge ist unbegründet, es kann auf
die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (E. 7 S. 10 ff.) verwiesen werden.

3.2 Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe den Prüfungsbericht
vom 4. Juli 2011 in bundesrechtswidriger Weise gewürdigt. Er habe das
Verwaltungsgericht in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass sich das Feld
"Beanstandungen/Bemerkungen" des Formulars vom 4. Juli 2011 auf die andere
Prüfung vom 18. Mai 2011 beziehe. Es habe dazu nicht Stellung genommen und
dadurch den Anschein erweckt, diese Beanstandungen fälschlicherweise der
Prüfung vom 4. Juli 2011 zugeordnet und damit das Dokument willkürlich
gewürdigt zu haben.
Es trifft zu, dass auf dem Formular des Prüfungsberichts vom 4. Juli 2011 das
Ergebnis der vom Beschwerdeführer am 18. Mai 2011 (erfolglos) absolvierten
Führerprüfung - beanstandet wurden dabei die Kriterien Nrn. 40, 41, 44, 47, 51,
73 und 75 - aufgeführt ist. Dass es sich dabei um die Beanstandungen aus der
früheren Prüfung handelt, ist auf dem Formular klar und unverwechselbar
ausgewiesen, weshalb das Verwaltungsgericht keinen Anlass hatte, sich dazu zu
äussern. Es gibt denn auch nicht den geringsten Hinweis, dass ihm in dieser
Beziehung eine Verwechslung unterlaufen sein könnte. Der Beschwerdeführer
behauptet zwar, er sei an der Prüfung vom 18. Mai 2011 in verbotener
Fahrrichtung in eine Strasse eingebogen, am 4. Juli 2011 hätte es keinen
solchen Vorfall gegeben. Damit unterstellt er sinngemäss dem Prüfungsexperten
eine Verwechslung, was schon deshalb haltlos ist, weil dieser nur die Prüfung
vom 4. Juli 2011, nicht aber diejenige vom 18. Mai 2011 abgenommen hat. Die
Willkürrüge ist offensichtlich unbegründet.

4.
Damit ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht weder Art. 9 noch Art. 29 Abs. 2
BV verletzt hat. Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons
Aargau, dem Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für
Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. April 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi