Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.584/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_584/2012

Urteil vom 4. Juli 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
1.  A.________ AG,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Ilario Bondolfi und Claudio Allenspach,
Rechtsanwälte,

gegen

Gemeinde Silvaplana, 7513 Silvaplana, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger,

Johann Martin Schmid, a.Verwaltungsgerichtspräsident.

Gegenstand
Gesamtüberbauung Prasüras / Ausnahmebewilligung für definitive
Kontingentszuweisung bzw. Baufreigabe,

Beschwerde gegen das Urteil vom 16. Oktober 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 5. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Am 27. Dezember 2010 erteilte der Gemeindevorstand Silvaplana der A.________ AG
sowie B.________, C.________, D.________ und E.________ die Baubewilligung für
die Gesamtüberbauung Prasüras mit Abbruch von Chesa Retel und Chesa Casanova
sowie dem Neubau der Häuser 1 und 2 auf Parzelle 1934, Haus 3 auf Parzelle 2033
(vorgesehene neue Nr. 2141), Haus 4 auf Parzelle 2033 und Haus 5 auf Parzelle
61.

 Die Baufreigabe per 2013 wurde nur für die Häuser 3 und 4 (mit
Erstwohnungspflicht) und die unterirdische Einstellhalle (erste Etappe)
erteilt. Für die Häuser 1, 2 und 5 (zweite Etappe) wurde unter "besondere
Auflagen und Bedingungen" (Ziff. 2d) festgehalten, dass über die definitiven
Kontingentszuweisungen und die Baufreigaben der zweiten Etappe entschieden
werde, sobald die Kontingente für die folgenden Perioden gemäss Regionalem
Richtplan Zweitwohnungsbau bestimmt seien.

 Diese Bewilligung erwuchs in Rechtskraft. Die Baufreigabe für die erste Etappe
(Häuser 3 und 4 sowie Autoeinstellhalle) wurde auf 2011 vorgezogen, weil
zwischenzeitlich Kontingente frei geworden waren. Mit der Realisierung dieser
Etappe wurde bereits begonnen.

B.
Am 11. März 2012 nahm das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative "Schluss mit
uferlosem Bau von Zweitwohnungen" an.

 Die Bauherrschaft trat am 22. Mai 2012 an die Baubehörde mit den Begehren
heran, die Zweitwohnungen des Bauprojekts zweite Etappe von der
Kontingentierungspflicht zu dispensieren und die sofortige Baufreigabe im
Rahmen einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 82 des kantonalen
Raumplanungsgesetzes vom 6. Dezember 2004 (KRG) zu erteilen. Eventuell sei die
Baufreigabe ausgehend von einer neuen Kontingentszuweisung nach Art. 6 des
Regionalen Richtplans Zweitwohnungsbau vom 26. Juni 2008 zu verfügen.
Mit Entscheid vom 18. Juni 2012 wies der Gemeindevorstand Silvaplana das Gesuch
ab, weil keine ausserordentlichen Verhältnisse nach Art. 82 KRG vorlägen.

C.
Dagegen erhoben die A.________ AG und Mitbeteiligte am 13. Juli 2012 Beschwerde
beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Das Verwaltungsgericht wies die
Beschwerde am 16. Oktober 2012 ab.

D.
Gegen diesen Entscheid gelangten die A.________ AG und Mitbeteiligte am 15.
November 2012 mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans
Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es
sei die Gemeinde Silvaplana anzuweisen, die Baufreigabe für das Grossbauprojekt
Häuser 1, 2 und 5 (Parzellen Nrn. 1934 und 61) mit sofortiger Wirkung zu
erteilen. Eventualiter sei die Baufreigabe auf den Zeitpunkt zu erteilen, in
welchem nach bisherigem Recht mit derselben gerechnet werden durfte.
Subeventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die
Gemeinde Silvaplana zurückzuweisen.

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werde. Die Gemeinde Silvaplana schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. In ihrer Replik halten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest.

F.
Mit Schreiben vom 29. April 2013 teilten die Beschwerdeführer mit, der frühere
Präsident des Verwaltungsgerichts, Johann Martin Schmid, sei Ende 2012 aus
seinem Amt ausgeschieden und sei zwischenzeitlich der Praxisgemeinschaft
Bänziger, Toller und Partner, Rechtsanwälte beigetreten. Er habe im Verfahren R
12 69 als vorsitzender Richter geamtet und habe auch die Referentenaudienz von
26. Juli 2012 durchgeführt. Da die Gemeinde Silvaplana durch Otmar Bänziger
vertreten sei, stelle sich die Frage nach der richterlichen Unabhängigkeit von
Johann Martin Schmid, zumal dieser offensichtlich schon vor seiner Tätigkeit am
Verwaltungsgericht mit Rechtsanwalt Bänziger in einer Bürogemeinschaft
zusammengearbeitet habe. Hinzu komme, dass im Rahmen der Referentenaudienz vom
Vorsitzenden deutliche Signale ausgesendet worden seien, dass der Entscheid des
Verwaltungsgerichts zugunsten der Beschwerdeführer ausfallen werde; vor dem
Hintergrund der jetzigen Zusammenarbeit des früheren Präsidenten des
Verwaltungsgerichts und des Rechtsvertreters der Beschwerdegegnerin komme dem
Umstand, dass der Entscheid konträr ausgefallen sei, nun eine gewichtigere
Bedeutung zu. Es bestünden somit berechtigte Zweifel an der richterlichen
Unabhängigkeit des vorsitzenden Richters; auch aus diesem Grund sei der
angefochtene Entscheid aufzuheben.

 Mit Stellungnahme vom 6. Mai 2013 teilte Otmar Bänziger mit, dass Johann
Martin Schmid erst per 1. März 2013 seiner Praxis beigetreten sei; die ersten
Kontakte hätten im Dezember 2012 stattgefunden und die Beitrittsgepräche am 22.
Januar 2013, mithin Monate nach dem angefochtenen Urteil vom 16. Oktober 2012.
Aus dieser Sicht erscheine eine Befangenheit als völlig ausgeschlossen. Daran
ändere auch die Tatsache nichts, dass bis zum Jahr 1991 eine Praxisgemeinschaft
mit Johann Martin Schmid bestanden habe. Diese sei mit der Übernahme des Amts
als Verwaltungsgerichtspräsident aufgelöst worden. In den letzten Jahren habe
auch keine eigentliche freundschaftliche oder andere enge Beziehung bestanden.
Es sei zudem immer wieder vorgekommen, dass das Verwaltungsgericht unter dem
Präsidium von Johann Martin Schmid gegen die vom Büro Bänziger betreuten
Gemeinden entschieden habe.

 Johann Martin Schmid macht geltend, er habe im Zeitpunkt des angefochtenen
Entscheids vom 16. Oktober 2012 noch keinerlei berufliche Vorkehren getroffen,
da er das 64. Lebensjahr erst Ende 2012 vollendet habe und sich für die Zeit
nach dem Rücktritt alle Optionen offen halten wollte. Er bestätigt, dass erste
Gespräche über den Eintritt in die Kanzleigemeinschaft Bänziger, Toller und
Partner Mitte Dezember 2012 stattgefunden hätten. Die Behauptung, er habe bei
der Referentenaudienz vom 27. Juli 2012 Signale in Richtung Gutheissung der
Beschwerde gegeben, entbehre jeglicher Grundlage. Richtig sei nur, dass er die
Parteien ermuntert habe, auf Gemeindeebene eine Lösung zu suchen.

 Das Verwaltungsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme.

 Die Beschwerdeführer halten mit Eingabe vom 10. Juni 2013 an ihrem Standpunkt
fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des
Verwaltungsgerichts, der die Abweisung eines Gesuchs um Baufreigabe bestätigt.
Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten offen (Art. 82 ff. BGG). Die Beschwerdeführer sind als
Gesuchsteller zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die
rechtzeitig erhobene Beschwerde ist daher einzutreten.

2.
Die Verfahrensgarantie gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK wird
verletzt, soweit bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den
Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit eines
Gerichtsmitglieds begründen. Solche Umstände können in einem bestimmten
Verhalten des betreffenden Gerichtsmitglieds oder gewissen äusseren
Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Nicht
entscheidend ist das subjektive Empfinden einer Partei; ihr Misstrauen in die
Unvoreingenommenheit muss in objektiver Weise begründet sein. Dabei reicht es
praxisgemäss aus, dass Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den
blossen Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Nicht
verlangt wird, dass das Gerichtsmitglied tatsächlich befangen ist (BGE 138 I 1
E. 2.2 S. 3 f., 137 I 227 E. 2.1 S. 229, je mit Hinweisen). Mit andern Worten
muss gewährleistet sein, dass der Prozess aus Sicht aller Betroffenen als offen
erscheint.

2.1. Der objektive Anschein der Befangenheit eines Richters kann sich auf ein
besonders freundschaftliches oder ein besonders feindschaftliches Verhältnis
zwischen ihm und einem Parteivertreter beziehen. In solchen Situationen kann
die Voreingenommenheit des Richters indessen nur bei Vorliegen spezieller
Umstände und mit Zurückhaltung angenommen werden. Intensität und Qualität der
beanstandeten Beziehung müssen vom Mass des sozial Üblichen abweichen und bei
objektiver Betrachtung geeignet sein, sich auf die Partei selbst und deren
Prozess auszuwirken, und derart den Anschein der Befangenheit hervorzurufen
(vgl. zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 8C_602/2012 vom 12. April 2013 E.
5.1 mit Hinweisen).

2.2. Zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids, am 16. Oktober 2012, war der
vorsitzende Richter noch im Amt und nicht Mitglied der Anwaltskanzlei Bänziger.
Seine frühere Kanzleigemeinschaft mit diesem lag viele Jahre zurück und war
daher für sich allein nicht geeignet, den Anschein der Befangenheit zu wecken.
Anders könnte zu entscheiden sein, wenn Johann Martin Schmid während des
hängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Sondierungsgespräche oder
Beitrittsverhandlungen mit der Kanzlei Bänziger geführt hätte. Dies wird jedoch
von den Beteiligten übereinstimmend und glaubhaft verneint. Unter diesen
Umständen ist die Befangenheit zu verneinen.

2.3. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der angeblich positiven Signale, die
vom vorsitzenden Richter an der Referentenaudienz ausgesendet worden sein
sollen. Es ist nachvollziehbar, dass der Richter die heiklen Fragen, die sich
im Zusammenhang mit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative und ihren
Konsequenzen für die Erteilung von Kontingenten für bereits bewilligte
Bauvorhaben stellten, im damaligen Zeitpunkt noch nicht überblickte und es
vorgezogen hätte, wenn eine einverständliche Lösung auf kommunaler Ebene
gefunden worden wäre. Daraus kann nichts zugunsten des Rechtsstandpunkts der
Beschwerdeführer abgeleitet werden. Im Übrigen entschied Johann Martin Schmid
nicht allein, sondern zusammen mit zwei weiteren Richtern des
Verwaltungsgerichts.

 Nach dem Gesagten erweist sich die Rüge der Befangenheit als unbegründet.

3.
Bevor die weiteren Rügen der Beschwerdeführer geprüft werden, rechtfertigt es
sich, kurz die Rechtslage auf kommunaler und regionaler Ebene (E. 3.1) sowie
die Rechtsauffassungen der Vorinstanzen (E. 3.2 und 3.3) darzustellen.

3.1. Gestützt auf den Regionalen Richtplan des Kreises Oberengadin zur
Beschränkung des Zweitwohnungsbaus vom 26. Juni 2008/ 24. Februar 2009 (im
Folgenden: Regionaler Richtplan) hat die Gemeinde Silvaplana den
Zweitwohnungsbau kontingentiert. Gemäss Art. 61a Abs. 1 des Baugesetzes der
Gemeinde Silvaplana (BauG) beträgt das Jahreskontingent 800 m²
Bruttogeschossfläche (BGF). Das Kontingent ist jährlich nach den Vorgaben des
Regionalen Richtplans anzupassen, ebenso wie die Aufteilung auf die
verschiedenen Projektarten und die Bauherrschaften (Art. 61a Abs. 2 BauG).

 Die Kontingentszuweisung und Baufreigaben der beanspruchten Kontingente
erfolgt grundsätzlich im Rahmen der Baubewilligung (Art. 63a Abs. 6 BauG). Die
Baufreigabe wird zurückgestellt, wenn das Jahreskontingent für die Überbauung
nicht ausreicht oder eine Bauherrschaft mehr als die ihr zustehende Quote
benötigt (Art. 63c Abs. 1 Satz 1 und 2 BauG). Über die Baufreigabe von
Projekten, welche Kontingente über die im Regionalen Richtplan festgelegten
Zeitspannen hinaus beanspruchen, darf erst entschieden werden, wenn die
Kontingente für folgende Perioden bestimmt sind (Art. 63c Abs. 1 Satz 3 BauG).

 Für die Periode beginnend ab 24. Februar 2014 ist bislang kein Kontingent
festgelegt worden, und zwar weder im Kreis noch in den Kreisgemeinden.
Nach Art. 82 KRG kann die kommunale Baubehörde Ausnahmen von einzelnen Bau- und
Zonenvorschriften erteilen, wenn ausserordentliche Verhältnisse vorliegen, die
Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen eine unverhältnismässige Härte
bedeutet und dadurch keine überwiegenden öffentlichen und privaten Interessen
verletzt werden.

3.2. Der Gemeinderat Silvaplana entschied, dass weder ausserordentliche
Verhältnisse noch eine unzumutbare Härte vorlägen. Ausserordentlich sei nur die
Annahme der Volksinitiative, die den Bau von Zweitwohnungen inskünftig
verbiete. Mit der Bewilligungsauflage vom 27. Dezember 2010 sei statuiert
worden, dass die geplanten Zweitwohnungen nur realisiert werden könnten, wenn
der Kreis Oberengadin für die nächste Periode (2014 bis 2017)
Zweitwohnungskontingente festlege; dies sei nun nicht mehr möglich. Damit liege
lediglich einer der Fälle vor, in denen eine Resolutivbedingung infolge einer
Gesetzesänderung nicht eintrete. Dies sei nicht ungewöhnlich. Zudem zielten die
Auswirkungen der Volksinitiative in die gleiche Richtung wie die
Erstwohnungsanteils- und Kontingentierungsregelungen der Gemeinde:
Unbewirtschaftete Zweitwohnungen seien schon nach der bestehenden kommunalen
Regelung nicht erwünscht. Der neuen Verfassungsbestimmung würde sehr viel
Gewalt angetan, wenn im letzten Moment noch Zweitwohnungen freigegeben würden,
die schon nach bisherigem Recht erst verzögert hätten realisiert werden dürfen.
Im Übrigen sei die bauliche Nutzung der Grundstücke (Erstellung von
Erstwohnungen) weiterhin möglich, weshalb auch keine unverhältnismässige Härte
vorliege.

3.3. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass Baufreigaben nur im Rahmen des
auf fünf Jahre festgelegten und aufgeteilten Gesamtkontingents des Regionalen
Richtplans Zweitwohnungsbau des Kreises Oberengadin erteilt werden dürften.
Bislang sei die Aufteilung nur für die Zeitperiode 2009 bis 2013 erfolgt. Für
diese Zeitspanne stünden unstreitig keine Kontingente mehr zur Verfügung. Für
die nächste Periode (ab Februar 2014) seien noch keine Kontingente bestimmt
worden, weshalb auch keine Baufreigaben und Kontingentsvorbezüge für diesen
Zeitraum bewilligt werden könnten, und zwar auch nicht im Wege einer
Ausnahmebewilligung.

 Der Vollständigkeit halber hielt das Verwaltungsgericht fest, dass auch die
Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 82 KRG nicht
gegeben seien.

 Unbehelflich sei auch die Berufung auf Vertrauensschutz. Gestützt auf die
Baubewilligung vom 27. Dezember 2010 hätten die Beschwerdeführer nicht mit
Sicherheit damit rechnen können, dass die Baufreigabe zu einem bestimmten
Zeitpunkt auch tatsächlich erfolge. Dem Kreisrat habe es schon vor Annahme der
Initiative freigestanden, das Gesamtkontingent für die Oberengadiner Gemeinden
wesentlich unter dem jetzigen Wert festzulegen oder auf eine Zuweisung gänzlich
zu verzichten. Entsprechend sei in der Bewilligung unter der Rubrik
"Baufreigabe" für die Häuser 1, 2 und 5 der Vermerk "unbestimmt" angebracht
worden.

4.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, das Verwaltungsgericht habe das Gesuch der
Beschwerdeführer mit einer anderen Begründung als die Gemeinde abgewiesen, ohne
den Beschwerdeführern dazu das rechtliche Gehör gewährt zu haben. Dies wäre
jedoch notwendig gewesen und sei umso erstaunlicher, als am 26. Juli 2012 eine
Referentenaudienz stattgefunden habe. Im Übrigen sei die
Begründungssubstitution auch materiell-rechtlich unzulässig, wenn die Gemeinde
(wie hier) die neue Begründung offenkundig ablehne.

4.1. Nach der Praxis des Bundesgerichts haben die Parteien grundsätzlich keinen
Anspruch darauf, zur rechtlichen Würdigung der durch sie in den Prozess
eingeführten Tatsachen besonders angehört zu werden. Den Parteien ist jedoch
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn beabsichtigt ist, den Entscheid
mit einer Rechtsnorm oder einem Rechtsgrund zu begründen, die im bisherigen
Verfahren nicht herangezogen wurde und mit deren Erheblichkeit im konkreten
Fall auch nicht gerechnet werden konnte (BGE 121 II 29 E. 2b/aa; 116 V 182 E.
1a S. 185, 115 Ia 94 E. 1b S. 96 f. mit Hinweisen). Eine strengere Praxis gilt
im Sozialversicherungsrecht, insbesondere bei der Aufrechterhaltung von
revisionsweise verfügten Rentenaufhebungen mit substituierter Begründung, zu
der den Versicherten generell vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme
eingeräumt werden muss (BGE 125 V 368 E. 2 S. 369 E. 4 S. 370; 116 V 185 E. 1a,
115 Ia 96 E. 1b mit Hinweisen; Urteil 9C_562/2008 vom 3. November 2008 E. 2.2;
8C_1027/2009 vom 17. August 2010 E. 2.2, in: SZS 2010 S. 514).

4.2. Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht denselben Sachverhalt
unter Anwendung derselben rechtlichen Grundlagen (BauG; regionaler Richtplan,
KRG) beurteilt wie die Gemeinde. Es gelangte dabei zum gleichen Ergebnis (kein
Anspruch auf Baufreigabe), ging jedoch - im Gegensatz zur Gemeinde - davon aus,
dass eine Dispensierung von der Kontingentierung richtplanwidrig und damit
unzulässig sei. In dieser Situation kannten die (anwaltlich vertretenen)
Beschwerdeführer alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen und konnten sich
dazu vor Verwaltungsgericht äussern. Es liegt deshalb keine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vor.

4.3. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die substituierte Begründung die
Gemeindeautonomie verletzt, führt sie doch im Ergebnis zur Bestätigung der
gemeindlichen Verfügung. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht (subsidiär) auch
die Begründung der Gemeinde geschützt.

5.
Die Beschwerdeführer rügen eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil
die Vorinstanzen sich nicht zu ihrem Eventualantrag geäussert hätten, die
Baufreigabe ausgehend von einer neuen Kontingentszuweisung nach Art. 6 des
Regionalen Richtplans Zweitwohnungsbau vom 26. Juni 2008 zu verfügen.

 Dieser Vorwurf ist unbegründet: Sowohl die Gemeinde als auch das
Verwaltungsgericht haben dargelegt, dass weder im Regionalen Richtplan noch im
kommunalen Baugesetz Kontingente für den Zeitraum 2014-2017 festgelegt worden
seien und deshalb keine neuen Kontingente für diese Periode vergeben werden
könnten. Insofern haben beide Vorinstanzen begründet, weshalb (zumindest zum
jetzigen Zeitpunkt) keine Baufreigabe gestützt auf eine neue
Kontingentszuweisung erfolgen könne. Ob diese Begründung zutrifft, ist eine
Frage des materiellen Rechts und nicht des rechtlichen Gehörs.

6.
Materiell-rechtlich machen die Beschwerdeführer geltend, die Kontingentierung
stelle keine Resolutivbedingung, sondern eine negative Befristung dar: Bei
Erteilung der Baubewilligung seien alle Beteiligten davon ausgegangen, dass für
die Periode 2014-2019 weitere Kontingente festgelegt würden; ungewiss sei daher
nicht das "ob", sondern nur das "wann" der Baufreigabe gewesen.

 Die Beschwerdeführer hätten daher auf die Realisierung der zweiten Bauetappe
vertrauen dürfen. Sie verweisen u.a. auf die Auflagen in der Baubewilligung,
wonach in der ersten Bauetappe bereits sämtliche Erstwohnungen (Häuser 3 und 4)
sowie die unterirdische Einstellhalle für alle fünf Häuser zu realisieren
gewesen seien. Sie hätten Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Franken
getätigt, die sich nicht mehr rückgängig machen liessen. Die Projektierung und
die Begründung von Stockwerkeigentum für die zweite Etappe seien bereits
abgeschlossen und es liefen Verhandlungen mit Kaufinteressenten. Entgegen der
Auffassung der Vorinstanzen könnten nicht Erstwohnungen anstelle von
Zweitwohnungen realisiert werden, da hierfür in Silvaplana kein Markt bestehe.
Das Bauprojekt müsste somit abgeschrieben werden, mit der Folge, dass es mitten
im Dorfkern eine überdimensionierte Autoeinstellhalle und brachliegendes
Bauland gäbe. Dies liege nicht im öffentlichen Interesse.

 Es sei willkürlich davon auszugehen, dass der Regionale Richtplan der
Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 82 KRG zwingend entgegenstehe.
Nach dieser Bestimmung dürfe selbst von den Regelungen des KRG abgewichen
werden; dies müsse daher erst recht für Richtplanbestimmungen gelten.

 Unhaltbar seien schliesslich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den
Konsequenzen der Annahme der Volksinitiative "Schluss mit uferlosem
Zweiwohnungsbau": Art. 75 BV und seine Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 9
BV) seien auf die vorliegende Baubewilligung, die schon im Jahr 2010 erteilt
und rechtskräftig geworden sei, gar nicht anwendbar. Insofern stehe es den
Gemeinden frei, bereits bewilligte Zweitwohnungsbauvorhaben von der
Kontingentierung entweder vollständig zu befreien oder sie - wie bisher - über
mehrere Jahre gestaffelt zu realisieren.

 Für die erste Variante (sofortige Baufreigabe) spreche die Überlegung, dass
die Beschränkung des Zweitwohnungsbaus sich künftig nach Bundesrecht richten
werde, die Bestimmungen zur Kontingentierung von Zweitwohnungen im Kreis
Oberengadin damit obsolet geworden seien.

 Denkbar sei aber auch die Variante, wonach die kommunalen Vorschriften
übergangsrechtlich weitergelten. Danach wären alle nach Bundesrecht noch
zulässigen Zweitwohnungsbauvorhaben im Rahmen und nach Massgabe der jährlichen
Kontingentierungen, d.h. zeitlich gestaffelt, zu realisieren. Diese Variante
setze voraus, dass der Kreis Oberengadin seiner Pflicht zur Aufteilung des
Gesamtkontingents weiterhin nachkomme. Es sei jedoch ein "offenes Geheimnis",
dass er dazu nicht gewillt sei. Einem Privaten sei es auch nicht möglich, dies
gerichtlich durchzusetzen. Unter diesen Umständen seien zwei Lösungen denkbar:
Entweder man gehe weiterhin von der Aufteilung gemäss Art. 6 Abs. 1 des
Regionalen Richtplans aus, solange diese Bestimmung nicht abgeändert worden
sei, oder aber die Gemeinden seien nicht mehr an den Regionalen Richtplan
gebunden, weil der Kreis sich selbst nicht rechtskonform verhalte respektive
seine zugewiesenen Aufgaben nicht wahrnehme.

 Alle Varianten führten zum Ergebnis, dass den Beschwerdeführern die beantragte
Baufreigabe erteilt werden müsse und die Verweigerung des Gesuchs daher
willkürlich sei.

7.
In ihrer Vernehmlassung legt die Gemeinde dar, dass Art. 6 des Regionalen
Richtplans nur behörden- und nicht eigentümerverbindlich sei. Für die
Grundeigentümer werde die Aufteilung des Kontingents erst mit der Überführung
der Beschlüsse des Kreisrats in kommunales Recht verbindlich, d.h. wenn die
Gemeindeversammlung das Kontingent für die folgende Periode bestimmt habe. Eine
solche Festlegung sei jedoch für die Periode ab 2014 nie erfolgt, so dass
weitere Freigaben vorläufig ausgeschlossen seien. Da die Gemeinde jedenfalls ab
dem 1. Januar 2013 keine Baubewilligungen für unbewirtschaftete Zweitwohnungen
mehr erteilen dürfe (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV), sei es dem Kreis und den
Gemeinden auch verwehrt, weitere Kontingente festzulegen und zuzuweisen.

 Die Gemeinde weist den Vorwurf der Verletzung von Treu und Glauben zurück.
Grundsätzlich hätte mit der Überbauung Präsuras als Grossprojekt erst nach
Vorliegen der gesamthaft benötigten Zweitwohnungskontingente begonnen werden
dürfen. Die Bauherrschaft habe aber nicht solange zuwarten wollen und habe
deshalb vorgeschlagen, das Projekt zu etappieren und mit den Häusern 3 und 4
sowie den Parkierungsanlagen sofort zu beginnen. Die Bauherrschaft habe sich
somit die jetzt auftretenden Probleme selbst zuzuschreiben.

8.
Wie oben (E. 3.3) aufgezeigt wurde, wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf
Baufreigabe vom Verwaltungsgericht mit zwei alternativen Begründungen
abgewiesen. Eine Gutheissung der Beschwerde setzt voraus, dass beide
Begründungen verfassungsrechtlich nicht haltbar sind. Dies muss von den
Beschwerdeführern substantiiert dargelegt werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE
133 IV 119 E. 6.3 S. 120/121).

8.1. Art. 82 KRG verlangt für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung das
Vorliegen "ausserordentlicher Verhältnisse". Diese müssen nach ständiger Praxis
des Verwaltungsgerichts i.d.R. in der besonderen Form, Lage oder Beschaffenheit
eines Grundstücks begründet sein.

 Die Beschwerdeführer machen selbst nicht geltend, dass derartige
ausserordentliche Verhältnisse bei ihren Grundstücken vorliegen, die eine
Ausnahmebewilligung i.S.v. Art. 82 KRG rechtfertigen würden. Schon aus diesem
Grund ist es nicht willkürlich, wenn die Vorinstanzen die Voraussetzungen für
die Erteilung einer Ausnahmebewilligung verneint haben.

8.2. Soweit sich die Beschwerdeführer auf die Annahme der
Zweitwohnungsinitiative am 11. März 2012 berufen, handelt es sich um eine
Rechtsänderung, die (in ihrem sachlichen, örtlichen und zeitlichen
Anwendungsbereich) alle Parzellen gleichermassen betrifft. Die neuen
Verfassungsbestimmungen zum Zweitwohnungsbau (Art. 75b und Art. 197 Ziff. 9 BV)
können u.U. eine Änderung des kommunalen Rechts bedingen. Dagegen rechtfertigen
sie es nicht, einzelne Bauvorhaben durch Erteilung einer Ausnahmebewilligung
von den (noch) geltenden Bestimmungen des kommunalen Rechts zu befreien.

8.3. Erweist sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet, erübrigt es
sich zu prüfen, ob auch der am 11. März 2012 in Kraft getretene Art. 75b Abs. 1
BV der Baufreigabe entgegensteht.

9.
Ist die Beschwerde somit abzuweisen, tragen die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 BGG). Die Gemeinde Silvaplana obsiegt in ihrem
amtlichen Wirkungskreis und hat daher keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie Johann Martin Schmid,
aVerwaltungsgerichtspräsident, und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Juli 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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