Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.543/2012
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_543/2012

Urteil vom 5. April 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan
Glättli,

gegen

Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Abteilung Technik und
Schifffahrt, Gurzelenstrasse 3, 4512 Bellach,
Departement des Innern des Kantons Solothurn, vertreten durch das Amt für
öffentliche, Sicherheit, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn.

Gegenstand
Fahrzeugzulassung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 18. September 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn.

Sachverhalt:

A.
Am 14. Oktober 2011 liess die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn das
Fahrzeug Volvo FL-240 4x2 Fahrgestell-Nummer YV2TN12AOBB578915, Stammnummer
313.098.904 (im Folgenden: Kanalsanierungsfahrzeug Volvo) der X.________ AG (im
Folgenden: X.) als Lastwagen (Transportmotorwagen) mit weissen
Kontrollschildern zu, nicht als Arbeitsmotorwagen mit blauen Verkehrsschildern,
wie die X. beantragt hatte.
Am 4. April 2012 wies das Departement des Innern des Kantons Solothurn die
Beschwerde der X. gegen diese Verfügung ab.
Am 18. September 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die
Beschwerde der X. gegen diese Departementalverfügung ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die X.,
dieses Urteil aufzuheben und das Kanalsanierungsfahrzeug Volvo als
Arbeitsmotorwagen im Sinn von Art. 13 der Verordnung vom 19. Juni 1995 über die
technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (SR 741.41; VTS) mit blauen
Kontrollschildern zuzulassen.

C.
Das Verwaltungsgericht und das Departement des Innern beantragen in ihren
Vernehmlassungen, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts betrifft die Zulassung eines
Motorfahrzeugs zum Strassenverkehr als Transportmotorwagen mit weissen
Kontrollschildern im Sinn von Art. 11 VTS bzw. als Transportmotorwagen im Sinn
von Art. 13 VTS. Die Beschwerde richtet sich mithin gegen den Entscheid einer
letzten kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art.
82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Entscheide über die Einreihung in eine
bestimmte Fahrzeugkategorie nach Art. 82 der Verkehrszulassungsverordnung vom
27. Oktober 1986 (VZV; SR 741.51) fallen nicht unter die Ausnahmebestimmung von
Art. 83 lit. o BGG oder eine andere Ziffer des Ausnahmenkatalogs von Art. 83
BGG (Thomas Häberli in: Bundesgerichtsgesetz, Basler Kommentar, 2. A. 2011, N.
239 ff. zu Art. 83). Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ist somit zulässig, und die Beschwerdeführerin ist als Adressatin des für sie
ungünstigen Immatrikulationsentscheids befugt, sie zu erheben (Art. 89 Abs. 1
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.
2.1 "Transportmotorwagen" nach Art. 11 Abs. 1 VTS sind Motorwagen zum Personen-
oder Sachentransport sowie Motorwagen zum Ziehen von Anhängern. Motorwagen,
deren Aufbau als Nutzraum (Werkstatt, Verkaufsladen, Ausstellungslokal, Büro,
Laboratorium usw.) dient, sind den Sachentransportmotorwagen gleichgestellt.
Motorwagen, bei denen mindestens drei Viertel des zur Verfügung stehenden
Volumens (inkl. Führer- und Gepäckraum) als Wohnraum und zum Personentransport
eingerichtet ist, sind den Personentransportmotorwagen gleichgestellt und
gelten mit bis zu neun Sitzplätzen (einschliesslich Führer und Führerin) als
Wohnmotorwagen.
"Arbeitsmotorwagen" nach Art. 13 Abs. 1 VTS sind Motorwagen, mit denen keine
Sachentransporte ausgeführt werden, sondern die zur Verrichtung von Arbeiten
(wie Sägen, Fräsen, Spalten, Dreschen, Heben und Verschieben von Lasten,
Erdbewegungen, Schneeräumung usw.) gebaut sind und höchstens einen geringen
Tragraum für Werkzeuge und Betriebsstoffe aufweisen. Ihr Motor kann neben dem
Antrieb der Arbeitsgeräte auch für die Fortbewegung des Fahrzeugs dienen. Nach
Abs. 2 dieser Bestimmung sind den Arbeitsmotorwagen gleichgestellt:
a. Motorwagen nach Absatz 1, die eine Möglichkeit zur vorübergehenden Aufnahme
von zu bearbeitendem Gut während des Arbeitsprozesses aufweisen;
b. Motorwagen mit Lademulden, die zur Erdbewegung auf Bau- und Arbeitsplätzen
dienen und auf öffentlichen Strassen nur leer überführt werden;
c. Motorwagen mit Arbeitsgeräten, die über kurze Distanzen ein Ladegut
befördern, das sie beim Unterhalt der Strasse auf der Fahrt aufnehmen oder
abgeben;
d. Feuerwehrmotorwagen, die so eingerichtet sind, dass mindestens ein Drittel
der Nutzlast oder des Laderaumvolumens von stets mitgeführten Feuerwehrgeräten
beansprucht wird. Daneben können Einrichtungen zum Transport von
Mannschaftsangehörigen oder Brandbekämpfungsmitteln vorhanden sein.

2.2 Die Beschwerdeführerin führt Kanalsanierungen mittels UV-Technologie durch.
Dabei werden schadhafte Leitungsbereiche mit einem folienbeschichteten
Glasgewebe (sogenannten UV-Inlinern) ausgekleidet, welches anschliessend mit
UV-Licht gehärtet werden muss. Das Kanalsanierungsfahrzeug Volvo dient der
Aushärtung dieser UV-Inliner. Es handelt es sich um einen Lastwagen mit einem
Fahrgestell 10-18 Tonnen, auf welchem ein 6,5 m langer, 2,4 m breiter und 2,1 m
hoher, in einen Maschinen- und einen Bedienerraum unterteilter kastenförmiger
Aufbau fest montiert ist. Darin befinden sich im Wesentlichen ein Verdichter,
eine UV-Aushärtetrommel mit 200 m Kabel und den entsprechenden Steuerungs- und
Überwachungsstationen, ein Stromaggregat, eine Werkbank, Behälter mit
Werkzeugen und Stoffen für den Betrieb und den Unterhalt der UV-Anlage sowie
Einrichtungen für den Aufenthalt des Personals wie Küche mit Einbauschränken,
Mikrowelle, Kühlschrank, Sitzbank mit Tisch, Klimaanlage und Standheizung.

2.3 Kanalsanierungsfahrzeuge sind zurzeit teils mit blauen, teils mit weissen
Nummernschildern immatrikuliert, wobei es sich der Kenntnis des Bundesgerichts
entzieht, inwieweit sie alle unter dem Gesichtspunkt ihrer Einstufung als
Transportmotorwagen bzw. Arbeitsmotorwagen mit dem hier zu beurteilenden
Fahrzeug der Beschwerdeführerin effektiv vergleichbar sind. Die
Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn liess verlauten, sie habe
Kanalsanierungsfahrzeuge "früher" mit blauen Schildern immatrikuliert. Das
Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(UVEK) habe die Rechtslage nunmehr in einem den Kanton Basel-Landschaft
betreffenden Entscheid vom 7. Juli 2006, auf den sich auch das ASTRA beruft,
dahin gehend geklärt, dass Kanalsanierungsfahrzeuge als Transportmotorwagen
zugelassen werden müssten. Es gelte nunmehr, die Praxis in diesem Sinn zu
vereinheitlichen, und es plane, nach der letztinstanzlichen Klärung der Frage
durch das Bundesgericht, auch die bereits mit blauen Schildern zum Verkehr
zugelassenen Kanalsanierungsfahrzeuge für die Zukunft als Transportmotorwagen
zu immatrikulieren. Das Verwaltungsgericht hat die Einstufung des
Kanalisierungsfahrzeugs der Beschwerdeführerin als Transportmotorwagen auch
unter dem Gesichtspunkt der Praxisänderung geprüft und für rechtens befunden.

2.4 In seinem Entscheid vom 7. Juli 2006, auf den sich die kantonalen Behörden
ebenso wie das ASTRA berufen, hatte das UVEK (nach damals geltendem Recht
letztinstanzlich) über die Immatrikulation eines Kanalsanierungsfahrzeugs zu
befinden, von welchem aus ein Kanalroboter in den Kanal eingeführt und
gesteuert werden konnte, der in der Lage war, schadhafte Stellen zu reparieren,
etwa Wurzeleinwachsungen wegzufräsen und Löcher mit Epoxydharzkleber zu
schliessen.
2.4.1 Das UVEK (E. 10 f.) hat zunächst die allgemeine Rechtslage für die
Abgrenzung von Transport- und Arbeitsmotorwagen nach den Art. 11 und 13 VTS
dargestellt und anschliessend letztere wie folgt analysiert:
"Aufgrund näherer Analyse lassen sich die Arbeitsmotorwagen in zwei Gruppen
einteilen.
Arbeitsmaschinen werden konstruktiv für die Verrichtung einer spezifischen
Arbeit gebaut. Fahrzeugchassis mit Motor und Arbeitsmaschine bilden eine
Einheit, wie dies bei den Dreschmaschinen (sog. Mähdreschern),
Frontgabelhubstaplern, selbstfahrenden SVG-zugelassenen Baggern, Ladern,
Schneeschleudern usw. der Fall ist. Sie werden in der Regel durch einen
einzigen Motor angetrieben.
Bei den Arbeitsgeräteträgern hat das Fahrzeugchassis nur die Funktion eines
Trägers für ein Arbeitsgerät. Der Motor kann sowohl der Fortbewegung des
Fahrzeugs als auch dem Antrieb des Arbeitsgeräts dienen. Beispiele dafür sind
die auf einem Fahrzeug fest aufgebau ten Holzsäge- oder Spaltmaschinen, mobile
Holzschnitzelmaschinen u.a.m. Die beiden Funktionen
Arbeitsgerätetransportmittel und Arbeitsgerät bilden wie bei den
Arbeitsmaschinen eine Einheit.
Charakteristisch für die Arbeitsmotorwagen ist ihre auf eine spezialisierte
Arbeitsverrichtung ausgerichtete Einsatzmöglichkeit, wobei aus den vorstehenden
Erörterungen hervorgeht, dass es sich dabei zum einen um Arbeiten mit dem
Fahrzeug als Arbeitsgerät (Arbeitsmaschine) und zum andern vom Typus der Arbeit
her um eine mit Hilfe des Fahrzeugs mobile arbeitsgerätespezifische,
spezialisierte Tätigkeit handelt. Eine andere als dem Arbeitsgerät
entsprechende spezifische Nutzung des Fahrzeugs ist aufgrund seiner Bauart oder
Ausrüstung nicht möglich."
Weiter führt das UVRK aus, dass Art. 13 Abs. 2 VTS für die Beurteilung von
Kanalsanierungsfahrzeugen nicht einschlägig ist.
Diese Darstellung der Rechtslage durch das UVEK ist zutreffend und kann auch
für die Beurteilung des vorliegenden Falls Geltung beanspruchen.
2.4.2 Bei der Anwendung dieser Regelung auf den von ihm zu beurteilenden
Einzelfall ist das UVEK zum Schluss gekommen, das Fahrzeug sei ein Transport-,
kein Arbeitsmotorwagen (E. 12). Zur Begründung führte es an, es transportiere
Arbeitsgeräte von einem Einsatzort zum anderen, führe aber selber keine
mechanischen Arbeiten wie Sägen, Fräsen, Spalten, Dreschen etc. oder diesen
vergleichbare Arbeiten aus, wie es bei den in Art. 13 Abs. 1 VTS aufgeführten
Arbeitsfahrzeugen der Fall sei. Das Fahrzeug selber habe nur die Funktion, die
für die Kanalsanierung benötigten Ausrüstungen und Gerätschaften zu
transportieren und dem Operator den für die Steuerung des Roboters
erforderlichen Arbeitsplatz bereit zu stellen. Die Qualifizierung als
Arbeitsmotorwagen setze voraus, dass die Arbeitsmaschine oder der
Arbeitsgeräteträger ausschliesslich für eigentliche Arbeitsverrichtungen
eingesetzt werden könne, dies sei beim zu beurteilenden Kanalsanierungsfahrzeug
nicht der Fall, weshalb es nicht als Arbeitsmotorwagen qualifiziert werden
könne.

2.5 Das vorliegend zu beurteilende Fahrzeug der Beschwerdeführerin ist unter
dem Gesichtspunkt der Immatrikulierung als Transport- bzw. Arbeitsmotorwagen
mit dem vom UVEK beurteilten weitgehend identisch. Das Fahrzeugchassis hat nur
die Funktion eines Trägers für das Arbeitsgerät. Im mit dem Chassis fest
verbundenen Aufbau sind die für die Aushärtung der UV-Inliner erforderlichen
Apparaturen mitsamt den Steuerungs- und Überwachungsgeräten fest installiert.
Aufgrund seiner Ausstattung ist das Kanalsanierungsfahrzeug Volvo zwar einzig
für die vorgesehene arbeitsgerätespezifische, spezialisierte Arbeitsverrichtung
einsetzbar. Entscheidend aber ist, dass es selber keine mechanischen Arbeiten
wie Sägen, Fräsen, Spalten, Dreschen etc. oder diesen vergleichbare Arbeiten
ausführt, sondern nur die Funktion hat, die für die Kanalsanierung benötigten
Ausrüstungen und Gerätschaften sowie den Arbeitsplatz des Operators und den
Aufenthaltsraum für die Mannschaft zu transportieren. Es ist daher nicht
bundesrechtswidrig, das Kanalsanierungsfahrzeug der Beschwerdeführerin als
Transportmotorwagen einzustufen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der
Rechtsgleichheit ist es zudem wichtig, die Betreiber von
Kanalsanierungsfahrzeugen als Konkurrenten gleich zu behandeln und nicht die
einen durch die Immatrikulation ihrer Fahrzeuge mit weissen Schildern mit der
Schwerverkehrsabgabe zu belasten und die anderen durch die Abgabe von blauen
Schildern davon zu befreien. Es drängt sich daher auf, die Beurteilung des UVEK
zu übernehmen und alle vergleichbaren Kanalsanierungsfahrzeuge als
Transportmotorwagen zu immatrikulieren.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt
die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Motorfahrzeugkontrolle des
Kantons Solothurn, dem Departement des Innern des Kantons Solothurn und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi