Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.542/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_542/2012

Urteil vom 14. Mai 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
Sunrise Communications AG, Binzmühlestrasse 130, 8050 Zürich,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Lorenzo Marazzotta,

gegen

Einwohnergemeinde Biel, Baubewilligungsbehörde, Zentralstrasse 49, Postfach,
2501 Biel/Bienne,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse
11, 3011 Bern.

Gegenstand
Errichtung einer Mobilfunkanlage; Ortsbild- und Denkmalschutz,

Beschwerde gegen das Urteil vom 19. September 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern.

Sachverhalt:

A.
Die Sunrise Communications AG (im Folgenden: Sunrise) reichte am 12. Januar
2010 bei der Einwohnergemeinde Biel (im Folgenden: die Gemeinde) ein Baugesuch
ein für die Installation einer UMTS-Mobilfunkanlage mit entsprechender
technischer Einrichtung auf dem Treppenhausturm des unter Denkmalschutz
stehenden Gebäudes an der Neuengasse 5 (Nordseite) auf der Parzelle Nr. 3134 in
Biel. Gegen das Bauvorhaben erhob X.________ Einsprache. Mit Gesamtentscheid
vom 27. Mai 2010 erteilte die Gemeinde die Baubewilligung und wies die
Einsprache ab.

B.
Dagegen erhob X.________ Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion des Kantons Bern (BVE). Diese führte einen Augenschein durch
und holte ein Gutachten bei der Eidgenössischen Natur- und
Heimatschutzkommission (ENHK) ein, die ihrerseits die Eidgenössische Kommission
für Denkmalpflege (EKD) beizog. Mit Entscheid vom 22. August 2011 hiess die BVE
die Beschwerde gut, hob die Baubewilligung auf und erteilte den Bauabschlag.

C.
Am 16. September 2011 gelangte die Sunrise mit Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern. X.________ verzichtete auf die weitere
Teilnahme am Verfahren und wurde vom Abteilungspräsident aus dem Verfahren
entlassen. Am 19. September 2012 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die Sunrise am 23. Oktober
2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht
erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der
Bauentscheid der Gemeinde zu bestätigen.

E.
Die Gemeinde schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht
beantragt deren Abweisung. Das Bundesamt für Kultur (BAK) teilt und unterstützt
die Schlussfolgerungen des Gutachtens der ENHK und der EKD und ist deshalb der
Auffassung, das Mobilfunkantennen-Projekt sei nicht bewilligungsfähig. Die BVE,
das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)
haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

F.
In ihrer Replik hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts
steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ans Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, 86 Abs. 1 lit. d und 90 BGG). Die
Beschwerdeführerin ist als Baugesuchstellerin zur Beschwerde legitimiert (Art.
89 Abs. 1 BGG). Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 BGG)
ist daher einzutreten.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere
die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens - gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet
das Bundesrecht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die Verletzung der
Gemeindeautonomie und die willkürliche Anwendung von kantonalem Recht) prüft es
dagegen nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
genügend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S.
254 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht ist an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
gebunden, soweit dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden,
als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Das Bauprojekt sieht vor, auf dem Dach des Treppenhausturms der Baute
Neuengasse 5/Nord in Biel eine sog. Rohr- oder "Pipe"-Antenne anzubringen.
Diese besteht aus einem ca. 4 m hohen Mast mit drei Antennen. Diese sind nicht
extern am Mast befestigt, sondern sind in eine zylinderförmige,
glasfaserverstärkte Kunststoffummantelung gehüllt, die einen Durchmesser von
bis zu 25 cm aufweist.

2.1 Die Stadt Biel ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der
Schweiz (ISOS) als Objekt von nationaler Bedeutung verzeichnet (Anh. zur
gleichnamigen Verordnung vom 9. September 1981 [VISOS; SR 451.12]).
Das Standortgebäude liegt im Plänkequartier, das im ISOS als Gebiet G6
bezeichnet und wie folgt umschrieben wird (ISOS; Kanton Bern, Bd. 2: Seeland,
1998, S. 77 f.):
"Aus der Epoche zwischen 1850 und 1914 stammen vier zentral gelegene Quartiere,
deren Ausdehnung, orthogonales Strassensystem und dichte Bebauung das Bild des
heutigen Biel stark mitprägen: das Plänkequartier, das alte Bahnhofquartier,
das Ostquartier und das Pasquartquartier. Diese geplanten Stadtteile befolgen
die Bau- und Alignementspläne von 1952/53 bzw. 1866/68 und besetzen mit dem
Quai entlang des Schüsskanals und der Zentralstrasse die entscheidenden Achsen
des städtischen Koordinatensystems. (...)
Ausgangspunkt für das durch die südliche Altstadt, den Schüsskanal und die
Schüsspromenade begrenzte Plänkequartier (G 6) war das 1958 begonnene
Neuquartier mit seinen eindrücklichen Mietshausblöcken und dem reizenden
spätklassizistischen Brunnenplatz. Die geschlossene Randbebauung mit drei- bis
viergeschossigen Wohnhäusern und darin eingebundenen öffentlichen Bauten (z.B.
Schulhäuser E 6.0.1, Kapelle E. 6.0.6) wurde im Plänkequartier nicht
vollständig durchgeführt; da und dort finden sich Baulücken oder eingeschossige
Gewerbebauten. Zudem stören seit einiger Zeit mehrere klotzige Neubauten die
durch zart dekorierte Fassadenfronten und charakteristische Vorgärten geprägten
Strassenräume. Sie spiegeln die Tendenz zur Umfunktionierung des ehemaligen
Wohnquartiers mit Kleingewerbe in ein Büroviertel wider. (...)
Das Ortsbild im Plänkequartier ist in die Aufnahmekategorie AB (A:
ursprüngliche Substanz; B: ursprüngliche Struktur) mit dem Erhaltungsziel B
aufgenommen. Danach sind die Anordnung und Gestalt der Bauten und Freiräume zu
bewahren und die für die Struktur wesentlichen Elemente und Merkmale integral
zu erhalten.
Die Schüsspromenade (zwischen Plänke- und Pasquartquartier) ist der
Umgebungszone I (U-Zo I) mit der Aufnahmekategorie a (unerlässlicher Teil des
Ortsbildes) und dem Erhaltungsziel a (Erhalten der Beschaffenheit) zugeteilt.
Sie wird (zusammen mit der Seevorstadtpromenade) im ISOS (S. 77) als einzige
bedeutendere, noch bestehende Barockanlage Biels beschrieben. Mit ihrem alten
Baumbestand, ihrer reizvollen Beziehung zur Bielschüss, ihren Eisengittern und
Brücken sowie ein paar qualitätvollen Einzelbauten aus der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts sei sie überraschend gut erhalten. In den Empfehlungen (S. 83)
heisst es, der Lauf der Schüss sei möglichst in allen Teilen als
Naherholungsgebiet zu gestalten; dabei seien auch die kleinen Details wie
Eisengeländer, Stege usw. zu bewahren.

2.2 Die Baute Neuengasse 5/Nord ist im Bauinventar der Stadt Biel als
schützenswertes Baudenkmal (sog. "K-Objekt") eingetragen, während der ältere
südliche Gebäudeteil (Neuengasse 5/Süd) als erhaltenswert qualifiziert ist.
Die Baute Neuengasse 5/Nord wurde 1935 vom Architekten Karl Frey als Garage und
Vorführsaal erstellt. Der Kurzbeschrieb im Bauinventar lautet:
Hochinteressante u. konsequent durchgestaltete N-seitige Erweiterung des
Gewerbebaus Neuengasse 5/Süd (siehe dort) im Sinne des Neuen Bauens. Der klare
Baukörper unter Flachdach ist durch ein turmartiges Treppenhaus akzentuiert.
Charakteristische Schmuckelemente der sachlich kühlen Fassade sind die
Kunststein-"Sprossen" des grossen Fensters u. die Dekorstandarte. Leich
wirkendes Vordach über der Verladerampe der Hauptfront.
Zugang/Rampe u. Treppenhaus (Inneres) neu.
Der etwas versteckt hinter dem Altbau gelegene Trakt gehört zu den
überzeugendsten Gewerbebauten der Moderne in Biel.
Gemäss Art. 13 der Berner Bauverordnung vom 6. März 1985 (BauV) werden die
Inventare über die Baudenkmäler (Bauinventare) durch die kantonalen Fachstellen
in Zusammenarbeit mit den Gemeinden erstellt; mit Zustimmung der Fachämter
können die Inventare durch die Gemeinden erstellt werde (Abs. 1). Darin sind
die Objekte zu bezeichnen, für die das Inventar als Inventar des Kantons gilt
("K-Objekte"). Dazu gehören insbesondere die im Bauinventar als schützenswert
bezeichneten Baudenkmäler (lit. a).

3.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, stellt die Bewilligung
einer Mobilfunkanlage (auch innerhalb der Bauzone) eine Bundesaufgabe i.S.v.
Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den
Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) dar, weshalb das NHG und seine
Ausführungserlasse direkt anwendbar sind (vgl. BGE 131 II 545 E. 2.2 S. 547 f.
mit Hinweis).
Gemäss Art. 3 NHG sorgen der Bund und die Kantone bei der Erfüllung der
Bundesaufgaben dafür, dass das heimatliche Landschafts- und Ortsbild,
geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo
das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben.
(Abs. 1). Sie erfüllen diese Pflicht u.a., indem sie eigene Bauten und Anlagen
entsprechend gestalten und unterhalten oder gänzlich auf ihre Errichtung
verzichten (Art. 2 Bst. a) oder Konzessionen und Bewilligungen nur unter
Bedingungen oder Auflagen erteilen oder aber verweigern (Art. 2 Bst. b). Diese
Pflicht gilt unabhängig von der Bedeutung des Objektes im Sinne von Art. 4 NHG;
eine Massnahme darf jedoch nicht weitergehen, als es der Schutz des Objektes
und seiner Umgebung erfordert (Abs. 3).

4.
4.1 Die Gemeinde kam im Baubewilligungsverfahren zum Ergebnis, dass die
Antennenanlage schonend und sorgfältig in das Gebäude und in die Umgebung
integriert worden seien. Die von der Gemeinde beigezogene Denkmalpflege des
Kantons Bern (KDP) stimmte dem Projekt mit Schreiben vom 5. März 2010 zu.

4.2 Gestützt auf das gemeinsame Gutachten der ENHK und der EDK vom 27. Juni
2011 ging die BVE davon aus, dass die geplante Mobilfunkanlage angesichts der
Heterogenität des Quartiers und insbesondere der Dachlandschaft nur zu einer
leichten Beeinträchtigung des Ortsbilds führen würde. Dagegen würde sie eine
schwere Beeinträchtigung der für das Standortgebäude formulierten Schutzziele
bedeuten, weshalb das Bauvorhaben abgelehnt werden müsse.
Diese wurde im Gutachten ENHK/EDK wie folgt begründet:
L'édifice de la Rue Neuve 5 offre aujourd'hui un caractère patrimonial de haute
qualité; ses proportions élégantes, ses lignes architecturales particulièrement
sobres et claires et le soin apporté aux moindres détails sont renforcés par
l'absence de toute installation technique sur ses toits plats. La préservation
de ces caractréristiques est le principal objectif de protection à respecter.
Les édifices de la Rue Neuve Sud et de la Rue Neuve Nord ont été restaurés de
façon exhaustive et exemplaire en 2006 en collaboration avec le Service des
monuments historiques.
(...)
(...) les Commissions définissent les objectifs de protection en lien avec le
bâtiment comme suit:
- conservation intégrale de la substance du bâtiment et de son intégrité
matérielle
- conservation intégrale de l'aspect et de l'effet du monument et de ses
alentours
- conservation des perspectives significatives à partir du monument et depuis
les espaces publics.
(....)
Toutes les parties constitutives de l'édifice, récemment restauré avec soin,
montrent la grande attention apportée lors de la construction au dessin et à
l'exécution des détails architecturaux: finesse des éléments de béton aussi
bien que des éléments métalliques et netteté des parties hautes, sans
superstructure saillante des toitures plates, à l'exception d'un mât de drapeau
élégamment accroché selon les règles de l'architecture moderne à la façade
arrondie de la tour d'escalier vitrée qui fait office de césure par rapport à
l'ancien bâtiment. Tout intervention en toiture est donc susceptible de
perturber cette perception architecturale. Une antenne sur le toit de la tour
d'escalier serait à l'évidence dommageable pour la silhouette particulièrement
dépouillée de l'édifice.
Le caractère architectural industriel de l'immeuble a été relevé par la Ville
en considérant que de ce fait l'antenne s'intégrerait relativement
naturellement. A cela, on peut objecter que les ouvrages de quailité de
l'architecture moderne se caractérisent précisément par une mise en oeuvre
systématique et rigoureuse de principes de composition incluant des détails
apparamment secondaires. La conception de la toiture plate, un aspect essentiel
du Neues Bauen, faisait chaque fois l'objet d'une attention particulière, de
manière à ce que son contour dessine un ensemble parfaitement équilibré avec
les éléments verticaux soigneusement mis en valeur. Dans le cas présent, les
éléments horizontaux comme le toit plat délimitant la silhouette, les
alignements de fenêtres et l'avant-toit léger forment un ensemble harmonieux
avec la tour d'escalier représentative qui, avec ses hautes fenêtres finement
structurées et le mât élancé fixé à la façade, constitue le principal élément
vertical de l'édifice. Pensés et composés jusque dans ces détails, les ouvrages
de l'architecture moderne classique ne supportent par conséquent ni plus ni
moins, ni ajout ni suppression d'éléments. L'antenne et ses installations
l'accompagnant occuperaient une place trop importante sur le toit et n'auraient
aucun lien direct ave la fonction du bâtiment. Par conséquent le projet
signifie une atteinte grave aux buts de protection définies (....).

4.3 Das Verwaltungsgericht führte aus, dass nur das Plänkequartier als Ganzes
und einige andere Elemente des Quartiers (E 6.0.1 - E 6.0.9) im ISOS
verzeichnet seien, nicht aber das Standortgebäude. Insofern kämen die
Bestimmungen über inventarisierte Objekte von nationaler Bedeutung nicht zur
Anwendung. Dies habe zur Folge, dass das Gutachten der ENHK/EDK nicht
obligatorisch (i.S.v. Art. 7 NHG), sondern fakultativ (i.S.v. Art. 8 NHG)
gewesen sei. Es sei zwar für die entscheidenden Behörden nicht verbindlich,
stelle jedoch eine bundesrechtlich vorgesehene amtliche Expertise dar, der
grosses Gewicht zukomme und von deren Ergebnis nur aus triftigen Gründen bzw.
bei begründeten Zweifeln abgewichen werden dürfe (LEIMBACHER, a.a.O., N. 9 zu
Art. 8 NHG). Daran ändere auch die abweichende Beurteilung der KDP nichts,
zumal sich ihre Würdigung im Wesentlichen auf die Feststellung beschränkt habe,
dass aus Sicht der Denkmalpflege und des Ortsbildes der richtige Standort für
die Antennenanlage ausgewählt worden sei.
Die Auffassungen der eidgenössischen Kommissionen und der BVE seien in
rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Mobilfunkantenne würde einen
überaus wichtigen Ort auf dem Flachdach des Treppenhausturms besetzen, ohne
jeglichen Bezug zum Standortgebäude. Zudem sei sie optisch deutlich stärker
wahrnehmbar als der Fahnenmast.
Zwar komme der verstärkte Schutz von Art. 6 NHG mangels Eintrags des
Standortgebäudes als Einzelobjekt im ISOS nicht zu Tragen. Indes gebiete auch
Art. 3 NHG eine umfassende Interessenabwägung. Es bestehe ein erhebliches
denkmalpflegerisches Interesse, das Standortgebäude vor der drohenden
Beeinträchtigung zu bewahren. Dieses überwiege die entgegenstehenden Interessen
der Beschwerdeführerin bzw. das Interesse an einer optimalen UMTS-Erschliessung
des Gebiets (vgl. dazu näher unten, E. 7).

5.
Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie die Verletzung der
Gemeindeautonomie.

5.1 Sie macht geltend, die Stadt Biel habe den rechtserheblichen Sachverhalt
sorgfältig und umfassend, unter Beizug der KDP, ermittelt, d.h. einer
Fachstelle mit vergleichbaren Kompetenzen wie die EKD. Der Beizug der EKD/ENHK
sei nicht notwendig gewesen, zumal das Standortgebäude nicht im ISOS
inventarisiert gewesen sei. Das Gutachten der EKD/ENHK sei einseitig, gewichte
die Schutzwürdigkeit des Standortgebäudes viel zu hoch und lasse die
Bedürfnisse des Mobilfunks völlig ausser Acht.
Die Gemeinde sei als Baubewilligungsbehörde nach Art. 33 Abs. 1 des Berner
Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG) entscheidbefugt gewesen. Ihr stehe bei der
Anwendung der Einordnungsvorschriften ein erheblicher Ermessensspielraum zu.
Diesen Spielraum müsse die BVE - trotz ihrer umfassenden Kognition nach § 66
des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 23. Mai 1989 (VRPG) -
respektieren und sich Zurückhaltung auferlegen. Sie dürfe daher erst
eingreifen, wenn sich der kommunale Einordnungsentscheid als offensichtlich
unvertretbar erweise. Dies sei vorliegend nicht der Fall, zumal der Entscheid
unter Beizug der KDP erfolgt sei. Damit handle es sich beim Fachbericht der EKD
/ENHK lediglich um eine weitere - möglicherweise ebenfalls vertretbare -
Auffassung, die jedoch am rechtmässigen Entscheid der Baubehörde nichts zu
ändern vermöge. Der Entscheid der BVE wie auch der ihn bestätigende Entscheid
des Verwaltungsgerichts verletzten deshalb die Autonomie der Gemeinde.

5.2 Kann bei der Erfüllung der Bundesaufgabe ein Objekt, das in einem Inventar
des Bundes nach Art. 5 NHG aufgeführt ist, erheblich beeinträchtigt werden oder
stellen sich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen, so verfasst die
zuständige eidgenössische Kommission (ENHK oder EKD) zuhanden der
Entscheidbehörde ein Gutachten. Die Kommission gibt darin an, ob das Objekt
ungeschmälert zu erhalten oder wie es zu schonen ist (Art. 7 Abs. 2 NHG). In
wichtigen Fällen kann eine Kommission von sich aus in jedem Stadium des
Verfahrens ihr Gutachten über die Schonung oder ungeschmälerte Erhaltung von
Objekten abgeben (Art. 8 NHG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 lit. d der Verordnung über
den Natur- und Heimatschutz vom 16. Januar 1991 [NHV; SR 451.1]). Diese
fakultative Begutachtung bezieht sich insbesondere auf Objekte, die nicht in
einem Bundesinventar nach Art. 5 NHG aufgeführt sind (BGE 136 II 214 E. 4.1 S.
222; JÖRG LEIMBACHER, NHG-Kommentar, Zürich 1997, N. 5 zu Art. 8 NHG),
beispielsweise, wenn sich grundsätzliche Fragen der Natur- und
Heimatschutzgesetzgebung stellen, die einer vertieften, fachkundigen
Beurteilung bedürfen (BGE 136 II 214 E. 4.3 S. 222 f.).

5.3 Bereits das Verwaltungsgericht hat festgehalten, dass es sich (im Hinblick
auf das Standortgebäude) nicht um einen Fall der notwendigen, sondern der
fakultativen Begutachtung i.S.v. Art. 8 NHG handle (vgl. oben, E. 4.3). Seine
dahingehenden Erwägungen sind nicht zu beanstanden: Angesichts der kantonalen
Inventarisierung des Standortgebäudes (K-Objekt), seiner Lage im Plänkequartier
(ISOS-Gebiet) und seinem visuellen Bezug zur Schüsspromenade (U-Zo I) durfte
die BVE vom Vorliegen eines wichtigen Falles ausgehen und ein Gutachten der EKD
/ENHK einholen. Dies wurde auch von der KDP als kantonaler Fachbehörde für
Denkmalschutz befürwortet, die ein Gutachten der eidgenössischen Kommissionen
in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2010 als hilfreich erachtete.

5.4 Liegt somit zulässigerweise ein Gutachten der ENHK und der EKD als
eidgenössische Fachkommissionen für den Natur- und Heimat- bzw. den
Denkmalschutz vor, so kommt diesem grosses Gewicht zu, und zwar auch dann, wenn
es sich um eine fakultative Begutachtung handelt (BGE 136 II 214 E. 5 S. 223
mit Hinweisen): Vom Ergebnis der Beurteilung darf nur aus triftigen Gründen
abgewichen werden, auch wenn der entscheidenden Behörde eine freie
Beweiswürdigung zusteht.
Dies gilt grundsätzlich auch für die Gemeinde als Baubewilligungsbehörde bzw.
bei der Überprüfung eines gemeindlichen Baubewilligungsentscheids im
Rechtsmittelverfahren. Wird ein Gutachten der ENHK oder der EKD eingeholt,
belegt dies, dass Natur- und Heimatschutzobjekte von besonderer, überkommunaler
Bedeutung betroffen sind; zudem geht es um Vorhaben, die eine Bundesaufgabe
darstellen. Die Gemeinde bzw. private Beschwerdeführer können sich daher nicht
mit Erfolg auf die Verletzung der Gemeindeautonomie berufen, wenn die
Rechtsmittelbehörde eine Baubewilligung gestützt auf ein Gutachten der ENHK
oder der EKD aufhebt, sofern keine triftigen Gründe vorliegen, um davon
abzuweichen.
Insofern kann offen bleiben, ob den Berner Gemeinden im Bereich des Natur-,
Heimat- und Denkmalschutzes und namentlich bei sogenannten "K-Objekten"
überhaupt Autonomie zusteht.

6.
Im vorliegenden Fall sind keine wichtigen Gründe ersichtlich, um von der
ausführlich begründeten und überzeugenden gemeinsamen Stellungnahme der EDK und
der ENHK abzuweichen.

6.1 Zwar ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass die geplante Rohrantenne
sehr viel weniger auffällig ist als herkömmliche Mobilfunkantennen; dennoch
würde sie auf dem von Technikaufbauten völlig freien Flachdach des Treppenturms
als Fremdkörper wirken und die strengen und klaren Linien der geschützten Baute
empfindlich stören. Daran ändert auch der bestehende Fahnenmast nichts: Bei
diesem handelt es sich um ein historisches, im Inventar als "charakteristisches
Schmuckelement" besonders erwähntes Detail ("Dekorstandarte"), das durch die in
unmittelbare Nähe platzierte moderne Kunststoffantenne entwertet würde. Der
Fahnenmast ist an der Fassade angebracht und setzt die vertikale Linie des
Turmfensters fort; gleichzeitig grenzt er den modernen Anbau gegenüber dem
Altbau (Neuengasse 5/Süd) ab. Die Antenne wäre dagegen auf dem Flachdach
positioniert und fiele aufgrund ihres Durchmessers optisch stärker ins Gewicht
als der filigrane Fahnenmast. Insofern ist mit der EKD/ENHK davon auszugehen,
dass sie das Gleichgewicht von horizontalen und vertikalen Stilelementen
empfindlich stören würde.

6.2 Daran ändert auch die positive Stellungnahme der KDP zum Bauvorhaben
nichts. Zwar können sich aus einer fundierten Stellungnahme der kantonalen
Denkmalschutzfachstelle triftige Gründe ergeben, die ein Abweichen vom
Gutachten der eidgenössischen Kommissionen gestatten. Im vorliegenden Fall hat
sich die KDP jedoch damit begnügt, dem Bauvorhaben aus Sicht des
Denkmalschutzes zuzustimmen, ohne diese Auffassung zu begründen.

6.3 Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das Gebiet auf der Nordseite
(Seite Fabrikgässli) des Standortgebäudes mache einen äusserst heterogenen,
verwilderten Eindruck, weshalb die Antenne von dieser Seite aus kaum ins
Gewicht falle und jedenfalls nicht als störend empfunden werde. An der
Neuengasse wirke das Gebäude zwar deutlich gepflegter; aufgrund der örtlichen
Gegebenheiten und der Platzierung der Antenne sei diese jedoch nicht einsehbar,
weshalb eine Beeinträchtigung des Gebäudes ausgeschlossen sei. Auch an der
Kreuzung Neuengasse/Spitalstrasse gebe es nur einen kleinen Spalt zwischen
Standortgebäude und Musikschule mit Sicht auf die Antenne. Von der
Schüsspromenade aus sei die Mobilfunkantenne nur beschränkt einsehbar, da die
Sicht grösstenteils von Bäumen und Sträuchern verdeckt werde. Im Übrigen biete
sich von hier aus ein insgesamt heterogenes Bild, was sich auch auf die
Wahrnehmung des Standortgebäudes auswirke, das Teil dieser Vielfalt werde und
damit zwangsläufig einen Teil seiner architektonischen Qualität einbüsse. Das
Gebäude werde vom durchschnittlichen Betrachter nie in dieser Reinheit, wie sie
architektonisch geplant gewesen sein möge, wahrgenommen.
Zunächst ist zu betonen, dass es nicht um die mangelnde Einordnung der
geplanten Antenne in das Ortsbild geht, sondern der Bauabschlag einzig aus
Gründen des Denkmalsschutzes erteilt wurde. Zu prüfen ist daher, ob die
Mobilfunkantenne den Zielen widerspricht, Gestalt und Wirkung des Denkmals und
seiner Umgebung integral zu erhalten und die bedeutsamen Ansichten - vom
Baudenkmal und von öffentlichen Räumen aus - zu erhalten.
Die BVE hat am Augenschein festgestellt, dass die geplante Mobilfunkanlage von
einem rund 100 m langen Abschnitt der Schüsspromenade aus prominent einsehbar
ist; dies wird auch durch das Foto (Nr. 6 des Augenscheinprotokolls) belegt.
Von diesem, für das Stadtbild von Biel wichtigen und vielfrequentierten
Standort aus sind die architektonischen Qualitäten der geschützten Baute
besonders gut sichtbar; diese präsentiert sich nach ihrer vorbildlichen
Renovation im Jahre 2006 wieder in ihrer ursprünglichen, 1935 geplanten
Gestalt. Von diesem Standort aus wäre auch die Mobilfunkantenne einsehbar. Sie
würde daher die Gestalt und die Wirkung des Denkmals von diesem öffentlichen
Raum aus empfindlich beeinträchtigen.

7.
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, das Gutachten der EKD/ ENHK sei
völlig einseitig, weil es die Bedürfnisse des Mobilfunks völlig ausser acht
gelassen habe. Auch die Vorinstanzen hätten das überwiegende Interesse der
Beschwerdeführerin an der Errichtung der Antenne am vorgesehenen Standort
verkannt.

7.1 Das Verwaltungsgericht erwog, dass die Mobilfunkversorgung nach wie vor nur
ausnahmsweise zur Grundversorgung mit Fernmeldediensten gehöre, nämlich dann,
wenn ein Anschluss an das Festnetz nicht oder nur mit grossem Aufwand möglich
wäre, was in Biel nicht der Fall sei (Urteil 1A.124/2003 vom 23. September
2003, in: URP 2003 S. 731; ZBl 106/2005 S. 167; RDAF 2004 I S. 749, E. 3).
Überdies solle die Mobilfunkanlage lediglich ein Teilgebiet der Gemeinde Biel
mit UMTS-Diensten erschliessen und sei damit nur von lokaler Bedeutung. Zudem
bestehe gemäss Abdeckungskarte der Beschwerdeführerin für das fragliche
Quartier bereits eine UMTS-Netzabdeckung. Schliesslich habe die
Beschwerdeführerin auch nicht konkret dargelegt, weshalb sie ausgerechnet auf
den Standort auf dem schützenswerten Baudenkmal an der Neuengasse 5/Nord
angewiesen sei.

7.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und macht geltend, sie habe schon
vor der Vorinstanz ausführlich dargelegt, dass keine Alternativstandorte
bestünden. Andere Gebäude in der näheren Umgebung kämen insbesondere deshalb
nicht in Frage, weil sie entweder Dachgärten aufwiesen, ebenfalls
denkmalgeschützt seien oder bis unter das Dach ausgebaut seien. Da sich an der
Spitalstrasse bereits eine Mobilfunkantenne befinde, müsse auch auf einen
gewissen Mindestabstand zu dieser geachtet werden, damit die Grenzwerte nicht
überschritten werden. Zudem verkenne die Vorinstanz, dass speziell
UMTS-Antennen lediglich kleine Gebiete versorgten. Aus der zu allgemeinen
Informationszwecken auf Internet aufgeschalteten Karte lasse sich daher nichts
ableiten.

7.3 Damit wiederholt die Beschwerdeführerin lediglich ihre Ausführungen
allgemeiner Natur, ohne substantiiert darzulegen und mit Plänen,
Abdeckungskarten usw. zu belegen, dass sie unbedingt auf den Standort an der
Neuengasse 5 angewiesen sei. Unter diesen Umständen kann der Vorinstanz weder
eine offensichtlich falsche bzw. unvollständige Sachverhaltsfeststellung noch
eine bundesrechtswidrige Interessenabwägung vorgeworfen werden.

8.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten und hat keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 66 und 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Biel, der
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, sowie den Bundesämtern für Kultur, Raumentwicklung und Umwelt schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 14. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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