Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.524/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_524/2012

Urteil vom 22. April 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Luzern, Regierungsgebäude, Bahnhofstrasse 15, 6002
Luzern.

Gegenstand
Bericht des Regierungsrates an die Stimmberechtigten vom 3. Juli 2012 zur
kantonalen Volksabstimmung vom 23. September 2012 über die Volksinitiative "Für
tiefere Strompreise und sichere Arbeitsplätze",

Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. September 2012 des Regierungsrats des
Kantons Luzern.

Sachverhalt:

A.
Am 18. November 2009 reichte das Initiativkomitee "Interessengemeinschaft
Glasfaser und Energie Luzern (IGEL)" ein kantonales Volksbegehren ein mit dem
Titel "Für tiefere Strompreise und sichere Arbeitsplätze". Die Initiative
verlangt in der Form der allgemeinen Anregung die Änderung der Verfassung mit
dem Ziel, die Strompreise im Kanton Luzern seien zu senken. Der Kantonsrat
lehnte die Initiative am 12. Dezember 2011 ab.

B.
B.a Mit Mail vom 4. Juli 2012 versandte die Staatskanzlei des Kantons Luzern
den Bericht des Regierungsrates an die Stimmberechtigten an die im Kantonsrat
vertretenen Parteien, an den Präsidenten des Initiativkomitees sowie auf
ausdrücklichen Wunsch auch an X.________. Dieser gehörte zwar nicht dem
Initiativkomitee an, trat aber wiederholt für das Komitee gegenüber den
Behörden auf. Am 29. August 2012 erhielt X.________ die Abstimmungsunterlagen
mit den regierungsrätlichen Erläuterungen.
B.b Mit Einsprache vom 30. August 2012 an den Regierungsrat des Kantons Luzern
beantragte X.________, die Abstimmung sei zu verschieben. Zur Begründung machte
er im Wesentlichen geltend, der Regierungsrat informiere in den
Abstimmungserläuterungen nicht ausgewogen, neutral und sachgerecht über die
Vorlage.
B.c Mit Entscheid vom 11. September 2012 trat der Regierungsrat des Kantons
Luzern auf die Einsprache nicht ein. Im Wesentlichen begründete er dies damit,
die Einsprache sei verspätet. Eine solche sei innert drei Tagen einzureichen,
wobei diese Frist bei X.________ bereits am 4. Juli und nicht erst am 29.
August 2012 zu laufen begonnen habe. Damals habe er durch Zustellung der
Vorabversion nämlich vom Inhalt der Abstimmungserläuterungen Kenntnis erhalten,
und nach Praxis und Rechtsprechung sei ein Rechtsmittel gegen
Vorbereitungshandlungen zu Volksabstimmungen sofort zu ergreifen, damit sich
ein allfälliger Mangel noch vor der Abstimmung beheben lasse. Subsidiär führte
der Regierungsrat aus, die Einsprache hätte, selbst wenn darauf einzutreten
wäre, inhaltlich abgewiesen werden müssen, da die Abstimmungserläuterungen den
freien Willen der Stimmberechtigten nicht beeinträchtigt hätten.

C.
In der Abstimmung vom 23. September 2012 lehnte das Stimmvolk des Kantons
Luzern die Initiative "Für tiefere Strompreise und sichere Arbeitsplätze" ab.

D.
Mit als Beschwerde bezeichneter Eingabe vom 15. Oktober 2012 gegen den
regierungsrätlichen Einspracheentscheid an das Bundesgericht beantragt
X.________, die Abstimmung über die Initiative sei zu wiederholen und in der
entsprechenden Botschaft des Regierungsrates "seien die Vor- und Nachteile
dieser Vorlage in neutraler und sachrichtiger Weise darzulegen, wie in der
Beschwerdeschrift an den Regierungsrat dargelegt". Zur Begründung wird
ausgeführt, die Vorabversion der Staatskanzlei habe die Einsprachefrist nicht
auslösen können und sei auch nicht mit den an die Stimmberechtigten versandten
Unterlagen identisch gewesen. Der Regierungsrat hätte daher auf die Einsprache
eintreten müssen. Zur materiellen Begründung wird auf die Vorakten verwiesen.

E.
Mit Stellungnahme vom 19. November 2012 schliesst das Justiz- und
Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern für den Regierungsrat, auf die
Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden könne.

F.
Mit Eingabe vom 19. Januar 2013 äusserte sich X.________ nochmals zur Sache.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde nach Art. 82 lit. c BGG kann die Verletzung von
politischen Rechten beim Bundesgericht geltend gemacht werden. Von der
Beschwerde werden sowohl eidgenössische als auch kantonale (unter Einschluss
von kommunalen) Stimmrechtssachen erfasst (Art. 88 Abs. 1 BGG). Bei den
letzteren ist die Stimmrechtsbeschwerde gegen Akte letzter kantonaler Instanzen
zulässig (Art. 88 Abs. 1 lit. a BGG). Beim angefochtenen Entscheid handelt es
sich um einen solchen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer kantonalen
Stimmrechtssache.

1.2 Das Beschwerderecht steht gemäss Art. 89 Abs. 3 BGG jeder Person zu, die in
der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist. Ein besonderes
(rechtliches) Interesse in der Sache selbst ist nicht erforderlich (vgl. BGE
134 I 172 E. 1.3.3 S. 176). Der Beschwerdeführer ist als Stimmberechtigter in
kantonalen Angelegenheiten zur Beschwerde legitimiert.

1.3 Gemäss Art. 95 lit. a, c und d BGG kann in Stimmrechtssachen in rechtlicher
Hinsicht die Verletzung von Bundesrecht, der kantonalen verfassungsmässigen
Rechte sowie der kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung
der Bürger und Bürgerinnen und derjenigen über Volkswahlen und -abstimmungen
gerügt werden. Diese Rügen prüft das Bundesgericht frei (vgl. BGE 129 I 185 E.
2 S. 190; 123 I 175 E. 2d/aa S. 178; je mit Hinweisen).

1.4 Gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Deren
Sachverhaltsfeststellung kann nur auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigt
oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
gravierenden Rechtsverletzung (im Sinne von Art. 95 BGG) beruht (Art. 97 Abs. 1
und Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.
2.1 Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Der Beschwerdeführer
muss sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids
auseinandersetzen. Rein appellatorische Kritik ohne Bezug zum angefochtenen
Entscheid genügt nicht. Zwar wendet das Bundesgericht das Recht grundsätzlich
von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Das setzt aber voraus, dass auf die
Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann, diese also wenigstens die
Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt. Strengere
Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten (einschliesslich
Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung) geltend gemacht wird. Dies prüft das
Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche Rüge
in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245
f.; je mit Hinweisen).

2.2 Stützt sich der angefochtene Entscheid auf mehrere selbständige
Begründungen bzw. eine Haupt- und eine Eventualbegründung, muss sich der
Beschwerdeführer mit sämtlichen Begründungen auseinandersetzen; das gilt auch
für eine Eventualbegründung in der Sache, wenn auf ein Rechtsmittel nicht
eingetreten wurde (LAURENT MERZ, in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [Hrsg.],
Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., 2011, N. 73 zu Art. 42
BGG). Auf vorinstanzliche Rechtsschriften darf zwar Bezug genommen werden; die
Parteien dürfen sich aber nicht einfach mit einer pauschalen Verweisung
begnügen, da sich die an das Bundesgericht gerichtete Beschwerdebegründung mit
dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzen muss (MERZ, a.a.O., N. 56 zu Art.
42 BGG). Die Begründung muss sodann innert der Beschwerdefrist eingereicht und
darf nicht mit der Replik nachgeschoben werden, ausser erst die Vernehmlassung
gebe Anlass für neue Erläuterungen.

2.3 Der angefochtene Entscheid beruht auf einer Hauptbegründung, die zum
Nichteintreten führte, und einer Eventualbegründung zur materiellen Rechtslage.
Die Beschwerdebegründung äussert sich nur knapp zur Hauptbegründung, verweist
zur Eventualbegründung aber integral auf die vorinstanzlichen Unterlagen,
insbesondere die im damaligen Verfahren eingereichte Einspracheschrift. Das ist
unzulässig, denn die Beschwerdebegründung an das Bundesgericht setzt sich mit
dem angefochtenen Entscheid im Eventualpunkt gar nicht und im Hauptpunkt nur
rudimentär auseinander. Die in der Replik nachgereichten ausführlicheren
Erläuterungen sind verspätet, gab doch nicht erst die Vernehmlassung des
Justiz- und Sicherheitsdepartements dazu Anlass. Nur schon wegen der fehlenden
Begründung zu dem von der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vertretenen
Eventualpunkt ist demnach auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.
Was die vom Beschwerdeführer im Hauptpunkt vorgebrachten Argumente betrifft,
rechtfertigt sich der ergänzende Hinweis, dass es nicht darauf ankommen kann,
ob er bei der ihm per Mail zugesandten Vorabversion über deren Inhalt hätte
mitbestimmen können oder nicht. Auch bei den eigentlichen
Abstimmungserläuterungen ist dies nicht der Fall, und trotzdem sind sie
grundsätzlich anfechtbar. Überdies vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun,
dass die vorinstanzliche Feststellung, die Vorabversion sei mit den später den
Stimmberechtigten zugesandten Unterlagen nicht identisch, angesichts des
gleichen Inhalts und höchstens leicht unterschiedlichen Formats offensichtlich
unrichtig wäre.

4.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Ausnahmsweise rechtfertigt es sich, aufgrund der besonderen Umstände des
vorliegenden Falles auf die Erhebung von Kosten für das bundesgerichtliche
Verfahren zu verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons
Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. April 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Uebersax

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