Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.521/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_521/2012

Urteil vom 29. Oktober 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Geisser.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Koller,

gegen

Gemeinde Ballwil, Ambar 2, 6275 Ballwil, vertreten durch Rechtsanwalt Franz
Hess,
Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle
Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation (rawi),
Murbacherstrasse 21, Postfach, 6002 Luzern,
Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle
Umwelt und Energie (uwe), Libellenrain 15, Postfach 3439, 6002 Luzern.

Gegenstand
Umweltverträglichkeitsprüfung für eine Biogasanlage (Art. 24 UVPV; Ziff. 21.2a
des Anhangs der UVPV),

Beschwerde gegen das Urteil vom 6. September 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.

Sachverhalt:

A. 
X.________ beabsichtigt, auf seinem ausserhalb des Siedlungsgebiets gelegenen
Landwirtschaftsbetrieb in der Gemeinde Ballwil eine Biogasanlage zu erstellen.
Nach einem längeren Verfahren erteilte der Gemeinderat Ballwil am 15. Dezember
2011 die Baubewilligung für einen Fermenter, einen Anbau der Schweinescheune
für eine Verrottungskammer und einen Mistplatz, eine Überdeckung des
bestehenden Güllebehälters sowie ein Retentionsbecken. Die Dienststelle
Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation (rawi) des Bau-,
Umwelt- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern hatte das Projekt
bereits am 23. November 2011 unter verschiedenen Auflagen und Bedingungen als
zonenkonform nach Art. 16a Abs. 1bis RPG in Verbindung mit Art. 34a der
Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV; SR 700.1) bewilligt.
Die in den genannten Bewilligungen enthaltenen Auflagen und Bedingungen focht
X.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern an. Dieses wies seine
Beschwerde am 6. September 2012 ab, soweit es darauf eintrat. Zugleich hob es
die kantonale und kommunale Bewilligung vom 23. November 2011 bzw. 15. Dezember
2011 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Gemeinderat Ballwil
zurück. Es gelangte zum Schluss, dass für die Biogasanlage eine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

B. 
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. September 2012
aufzuheben und über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ohne Durchführung
einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu entscheiden. Eventuell sei die Sache mit
verbindlichen Weisungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen bzw. es sei
die Kostenauflage im angefochtenen Entscheid aufzuheben, auf eine solche zu
verzichten und dem Beschwerdeführer für das vorinstanzliche Verfahren eine
reduzierte Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- zuzusprechen.
Die Gemeinde Ballwil stellt den Antrag, es sei auf die Beschwerde nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen und das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 6. September 2012 zu bestätigen. Das Verwaltungsgericht
ersucht um Abweisung des Rechtsmittels. Die Dienststelle rawi hat auf eine
Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Umwelt erklärt in seiner
Stellungnahme, es erachte den angefochtenen Entscheid als bundesrechtswidrig.
Der Beschwerdeführer hält in seiner Replik an seinen Anträgen fest. Die
Gemeinde Ballwil ersucht in einer weiteren Stellungnahme um Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1. 
Streitgegenstand bildet die Baubewilligung für eine Biogasanlage. Der
Beschwerdeführer focht die Auflagen und Bedingungen an, welche die zuständigen
Instanzen mit der Bewilligungserteilung festgesetzt hatten. Die Vorinstanz
prüfte die umstrittenen Nebenbestimmungen allerdings nicht, sondern wies die
Sache zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und zu neuem
Entscheid an den Gemeinderat Ballwil zurück.
Das angefochtene Urteil schliesst das kantonale Verfahren nicht ab. Es handelt
sich deshalb um einen Zwischenentscheid. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers trifft es nicht zu, dass dem Gemeinderat Ballwil beim neuen
Entscheid kein Spielraum mehr zustände. Dieser hätte vielmehr - sollte der
angefochtene Entscheid bestätigt werden - das Baugesuch unter Würdigung der
Umweltverträglichkeitsprüfung neu zu beurteilen.
Zwischenentscheide können nach Art. 93 Abs. 1 BGG beim Bundesgericht nur
angefochten werden, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen
Endentscheid herbeiführt und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart (lit. b). Die
Voraussetzungen gemäss lit. b sind nicht erfüllt, denn eine Gutheissung würde
nicht zu einem Endentscheid, sondern zur Rückweisung an die Vorinstanz führen,
die dann die in der Baubewilligung enthaltenen Auflagen und Bedingungen prüfen
müsste.
Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist
nach der Rechtsprechung zu bejahen, wenn auch ein für den Beschwerdeführer
günstiger Endentscheid die nachteiligen Wirkungen des Zwischenentscheids nicht
zu beheben vermag. Die blosse Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens
bewirkt grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Allerdings
kann es aus Gründen des verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebots (Art. 29
Abs. 1 BV) erforderlich sein, dass das Bundesgericht a uf eine Beschwerde gegen
einen Zwischenentscheid eintritt, wenn für die Parteien ein Zuwarten bis nach
Ergehen des Endentscheids unzumutbar erschiene (BGE 136 II 165 E. 1.2.1 S. 170
f.).
Wenn die von der Vorinstanz angeordnete Umweltverträglichkeitsprüfung für den
Beschwerdeführer hohe Kosten und eine erhebliche Verfahrensverlängerung zur
Folge hätte, genügt das zwar nach der Rechtsprechung an sich nicht für die
Bejahung eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils. Es ist jedoch dem
Beschwerdeführer nicht zumutbar, sich gegen die angeordnete
Umweltverträglichkeitsprüfung erst im Anschluss an den Endentscheid zu wehren,
wenn diese Prüfung bereits durchgeführt ist und er folglich mit einem
Rechtsmittel nur noch die Rückerstattung der Kosten verlangen könnte. Das
Bundesgericht hat denn auch in einer vergleichbaren Situation einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bejaht und die Anfechtbarkeit eines
Zwischenentscheids, der eine altlastenrechtliche Detailuntersuchung anordnete,
zugelassen (BGE 136 II 370 E. 1.4 und 1.5 S. 373 f.).
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt. Auf die
Beschwerde ist daher einzutreten.

2. 
Der Beschwerdeführer beabsichtigt, mit der geplanten Anlage durch die Vergärung
von Biomasse Energie zu erzeugen. Es ist unbestritten, dass es sich um eine
Vergärungsanlage gemäss Ziff. 21.2a des Anhangs der Verordnung vom 19. Oktober
1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.11) handelt. Da die
vorgesehene Kapazität 5'000 t Substrat pro Jahr übersteigt, ist nach der
erwähnten Norm für die Anlage eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.
Umstritten ist, ob die genannte Bestimmung, die am 1. Dezember 2008 in Kraft
trat, auf das Vorhaben des Beschwerdeführers bereits Anwendung findet.
Nach Art. 24 UVPV werden Baugesuche, die bei Inkrafttreten der fraglichen
Rechtsänderung hängig waren, nach dem alten Recht beurteilt. Nach Letzterem
musste für das Vorhaben des Beschwerdeführers keine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beschwerdeführer das Baugesuch zwar am 19.
Juni 2008, also vor dem Inkrafttreten von Ziff. 21.2a des Anhangs der UVPV
eingereicht habe. E r habe jedoch das Gesuch später in einem wesentlichen Punkt
abgeändert, da er nun eine andere Zusammensetzung der Biomasse vorsehe als nach
dem Gesuch vom 19. Juni 2008. Nach Auffassung des Beschwerdeführers beruht
diese Beurteilung auf einer offensichtlich unzutreffenden
Sachverhaltsfeststellung und zudem auf einer unzutreffenden Anwendung von
Bundesrecht.

3. 
Baugesuche müssen alle Angaben enthalten, die notwendig sind für die
Beurteilung, ob die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind (vgl. Christian
Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, 1991, N. 244). Bei einem Projekt einer
Biogasanlage ist unter anderem näherer Aufschluss über die Art und Menge des zu
verarbeitenden Substrats sowie über dessen Herkunft erforderlich (vgl. Art. 16a
Abs. 1bis RPG, Art. 34a RPV und Ziff. 21.2a des Anhangs der UVPV).
Dem Bauherrn steht es frei, im Verlauf des Bewilligungsverfahrens oder nach
erteilter Baubewilligung sein ursprüngliches Projekt abzuändern. Betrifft diese
Änderung einen rechtserheblichen Punkt, muss er dafür allerdings ein neues
Baugesuch einreichen (vgl. Mäder, a.a.O., N. 589). Ein solches ist hingegen
nicht nötig, wenn die Änderung ohne rechtliche Bedeutung ist.

4. 
Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe sein
ursprüngliches Gesuch vom 19. Juni 2008 nachträglich bezüglich der Art der zu
verarbeitenden Biomasse abgeändert. So habe er zunächst auf Nachfragen der
Behörden angegeben, in der geplanten Anlage fast ausschliesslich Hofdünger und
nur in einem vernachlässigbaren Umfang von 2,2% Grüngut zu verarbeiten. Nach
der ersten Rückweisung der Sache durch die Vorinstanz habe er demgegenüber
erklärt, die Biomasse bestehe nur zu 80% aus Hofdünger und zu 20% aus flüssigen
Co-Substraten. Die vorgesehene Menge der Letzteren habe sich dadurch von 200
auf 3'000 t pro Jahr erhöht.
Der Beschwerdeführer kritisiert diese Sachverhaltsfeststellung als
offensichtlich unrichtig. Es sei von Anfang an vorgesehen gewesen, dem
Hofdünger bis maximal 20% Co-Substrate beizufügen, wie dies die gesetzlichen
Vorschriften zuliessen. Ob dieser Einwand berechtigt ist, kann offen bleiben.
Denn selbst wenn die von der Vorinstanz angenommene Gesuchsänderung erfolgt
sein sollte, wäre diese, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt,
nicht rechtserheblich.

5. 
Die Vorinstanz misst der Art und Menge des dem Hofdünger beigefügten
Co-Substrats zu Recht eine massgebliche Bedeutung bei. Sie übersieht indessen,
dass Art. 5 Abs. 2 lit. a der Dünger-Verordnung vom 10. Januar 2001 (DüV; SR
916.171) den Hofdünger definiert und dabei zulässt, dass dieser neben Gülle,
Mist, Mistwässern, Gülleseparierungsprodukten, Silosäften und vergleichbaren
Abgängen aus der Tierhaltung oder dem Pflanzenbau auch maximal 20% Material
nicht landwirtschaftlicher Herkunft (sog. Co-Substrat) enthalten darf. Bis zu
einem Anteil von 20% bleibt die genaue Menge von Co-Substrat demnach ohne
rechtliche Bedeutung. Die Biomasse gilt in jedem Fall als Hofdünger gemäss Art.
5 Abs. 2 lit. a DüV. Wie das Bundesamt für Umwelt in seiner Vernehmlassung
ausführt, bezweckt diese Regelung, die Zugabe von Co-Substrat zu erleichtern,
da dieses die Vergärung verbessert und die Umwelt nicht mehr belastet, wenn
dessen Menge höchstens 20% beträgt.
Der von der Vorinstanz angenommenen Änderung des Anteils von Co-Substrat kommt
demnach keine rechtliche Bedeutung zu. Für eine solche nachträgliche Änderung
bedarf es aus diesem Grund keines neuen Baugesuchs. Dementsprechend kann die
Erhöhung des Anteils von Co-Substrat auf 20% im Lichte von Art. 24 UVPV auch
nicht als neues Baugesuch angesehen werden. Nicht ausschlaggebend ist, dass das
Baugesuch nach dem Inkrafttreten von Ziff. 21.2a des Anhangs der UVPV noch im
Kantonsblatt publiziert wurde. Wie dem Schreiben der Gemeinde Ballwil vom 22.
April 2011 zu entnehmen ist, sollte damit eine Unterlassung bei der Bekanntgabe
des ursprünglichen Gesuchs nachträglich behoben werden. Die Veröffentlichung
erfolgte also nicht, weil die Behörden von einer Projektänderung ausgingen.
Die Vorinstanz ist demnach zu Unrecht von einer rechtserheblichen Änderung des
Baugesuchs vom 19. Juni 2008 ausgegangen. Der angefochtene Entscheid verletzt
daher Bundesrecht.

6. 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen gutzuheissen, der angefochtene Entscheid
aufzuheben und die Sache zur weiteren Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
und 4 BGG). Die Gemeinde Ballwil hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 und 5
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 6. September 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren
Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Die Gemeinde Ballwil hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Ballwil, dem Bau-,
Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle
Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation (rawi), dem Bau-,
Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle Umwelt und
Energie (uwe), dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche
Abteilung, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Oktober 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Geisser

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