Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.514/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_514/2012

Urteil vom 7. Juni 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
IG X.________, Beschwerdeführerin,
handelnd durch Y.________,

gegen

Klinik S.________ AG, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Raphael Kühne,

Politische Gemeinde Aadorf, handelnd durch den Gemeinderat,

Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 29. August 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Die Klinik S.________ AG betreibt eine Fachklinik für klinische Psychotherapie
und Psychiatrie. Sie stellte am 23. September 2010 ein Baugesuch für den Neubau
eines Klinikgebäudes mit Schwimmbadanlage sowie den Umbau eines bestehenden
Klinikgebäudes auf der in einer Wohnzone gelegenen Parzelle Nr. 768 in Aadorf.
Am 24. Juni 2011 bewilligte die Politische Gemeinde Aadorf das Bauvorhaben mit
diversen Auflagen. Gleichzeitig wies sie eine Einsprache ab, welche von der als
Verein organisierten IG X.________ erhoben worden war. Einen von der IG
X.________ gegen die Baubewilligung erhobenen Rekurs wies das Departement für
Bau und Umwelt des Kantons Thurgau am 20. Dezember 2011 ab.

B.
Gegen den Entscheid des Departements für Bau und Umwelt erhob die IG X.________
Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Das Verwaltungsgericht
hiess die Beschwerde am 29. August 2012 im Sinne der Erwägungen teilweise gut
und hob die Entscheide der Politischen Gemeinde Aadorf vom 24. Juni 2011 sowie
des Departements für Bau und Umwelt vom 20. Dezember 2011 teilweise auf. Es
wies die Sache an die Politische Gemeinde Aadorf zurück, damit diese über eine
von der Klinik S.________ AG noch einzureichende Projektänderung befinde. Das
Verwaltungsgericht entschied, das geplante Schwimmbecken habe einen grösseren
Grenzabstand einzuhalten, entlang der westlichen Grenze des Baugrundstücks sei
zumindest im Bereich des Schwimmbeckens ein geeigneter Lärm- sowie Sichtschutz
vorzusehen und es sei ein weiterer Parkplatz auf dem Baugrundstück selbst
einzuplanen. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der IG
X.________ ab.

C.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts hat die IG X.________ am 11.
Oktober 2012 Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit ihre Beschwerde nicht
gutgeheissen worden sei. Die Entscheide der Politischen Gemeinde Aadorf vom 24.
Juni 2011 sowie des Departements für Bau und Umwelt vom 20. Dezember 2011 seien
vollumfänglich aufzuheben und die Baubewilligung für den Neu- und Umbau des
Klinikgebäudes sowie der Schwimmbadanlage sei zu verweigern. Eventualiter sei
der angefochtene Entscheid aufzuheben, soweit ihr für die Verfahren vor dem
Departement für Bau und Umwelt sowie der Vorinstanz Kosten und
Parteientschädigungen auferlegt worden seien. Die Vorinstanz beantragt unter
Verweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Das
Departement für Bau und Umwelt hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die
Beschwerdegegnerin und die Politische Gemeinde Aadorf beantragen die Abweisung
der Beschwerde. Im weiteren Schriftenwechsel halten die Beschwerdeführerin
sowie die Beschwerdegegnerin an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist der Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer
öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. Art. 82 lit. a sowie Art. 86 Abs. 1
lit. d und Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Verein konstituiert.
Mitglieder des Vereins können gemäss den Statuten volljährige natürliche sowie
juristische Personen werden, die in Aadorf im Gebiet U.________ (begrenzt durch
...strasse, ...strasse, ...strasse und ...strasse) wohnen oder dort
Grundeigentum besitzen. Die Statuten sehen die Wahrung der mit der Beschwerde
verfolgten Interessen der Vereinsmitglieder vor. Es ist davon auszugehen, dass
aufgrund der räumlichen Nähe ihrer Liegenschaften zur Klinik oder des mit dem
Umbau sowie dem Betrieb der Klinik verbundenen Verkehrs im Quartier die
Mehrheit oder zumindest eine grosse Anzahl der Mitglieder der
Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und
ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Damit ist
die Beschwerdeführerin, die am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat,
nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt.

2.

2.1. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz die Angelegenheit nicht
abschliessend beurteilt, sondern die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der
Erwägungen an die Politische Gemeinde Aadorf zurückgewiesen. Bevor ein im Sinne
des vorinstanzlichen Entscheids überarbeitetes Bauprojekt ausgeführt werden
darf, wird es von der Politische Gemeinde Aadorf noch einmal zu genehmigen
sein, wobei ihr ein gewisser Entscheidungsspielraum belassen wird. Ein
derartiger Rückweisungsentscheid stellt keinen Endentscheid im Sinne von Art.
90 BGG dar, sondern einen Zwischenentscheid (vgl. BGE 134 II 124 E. 1.3 S.
127).

2.2. Zwischenentscheide sind - von den hier nicht gegebenen Ausnahmen gemäss
Art. 92 BGG abgesehen - beim Bundesgericht nur unter den Voraussetzungen von
Art. 93 Abs. 1 BGG anfechtbar, d.h. wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde
sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an
Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
Der Beschwerdeführer muss - sofern das nicht offensichtlich ist - darlegen,
weshalb ein Zwischenentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG anfechtbar sein soll (
BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47 mit Hinweisen). Die Eintretensvoraussetzungen von
Art. 93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten. Dieses soll sich
möglichst nur einmal mit einer Sache befassen. Können allfällige Nachteile in
verhältnismässiger Weise auch noch mit einer bundesgerichtlichen Beurteilung
nach Ausfällung des Endentscheids behoben werden, so tritt das Bundesgericht
auf gegen Vor- und Zwischenentscheide gerichtete Beschwerden nicht ein (BGE 135
II 30 E. 1.3.2 S. 34 f.).

2.3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Beschwerde gegen einen
Zwischenentscheid in Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zulässig, wenn er
einen Nachteil bewirken könnte, der auch durch einen für den Beschwerdeführer
günstigen Endentscheid (sei es im kantonalen Verfahren, sei es in einem
anschliessenden Verfahren vor Bundesgericht) nicht mehr behoben werden könnte.
Die blosse Verzögerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt generell nicht,
um einen sofortigen Entscheid des Bundesgerichts zu erwirken (BGE 135 II 30 E.
1.3.4). Insbesondere bewirkt die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu
neuer Entscheidung in der Regel keinen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
nicht wieder gutzumachenden Nachteil (BGE 133 V 477 E. 5.2.1 f., 645 E. 2.1).
Sofern die Politische Gemeinde Aadorf das gemäss den vorinstanzlichen Vorgaben
angepasste Bauvorhaben bewilligt, steht der Beschwerdeführerin die Möglichkeit
offen, die Baubewilligung erneut anzufechten. Daran ändert auch der Umstand
nichts, dass die Vorinstanz im angefochtenen Zwischenentscheid gewisse Einwände
der Beschwerdeführerin als unbegründet bezeichnet hat. Gegen einen kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid steht der Beschwerdeführerin die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen. Soweit der vorliegend
angefochtene Zwischenentscheid vom 29. August 2012 dannzumal noch aktuell sein
wird und sich auf den Endentscheid auswirkt, kann er zusammen mit dem
Endentscheid beim Bundesgericht angefochten werden (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG).
Dies gilt auch für die Kosten und Entschädigungen, welche der
Beschwerdeführerin von der Vorinstanz für das Rekursverfahren vor dem
Departement sowie das Beschwerdeverfahren vor der Vorinstanz auferlegt worden
sind. Inwiefern unter diesen Umständen der vorliegend angefochtene
Zwischenentscheid einen Nachteil für die Beschwerdeführerin bewirken sollte,
der durch einen für sie günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden
könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Dies zumal mit dem Bauvorhaben
nicht begonnen werden kann, bevor die Projektänderung bewilligt worden ist
(vgl. E. 6 des angefochtenen Entscheids), und die blosse Verzögerung oder
Verteuerung des Verfahrens keinen solchen Nachteil bewirkt.

2.4. Zu prüfen bleibt, ob auf die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
eingetreten werden kann. Die Gutheissung der Beschwerde könnte zum Bauabschlag
und damit zu einem sofortigen Endentscheid führen. Kumulativ erforderlich ist
jedoch, dass damit ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren erspart würde. Dass dies vorliegend der Fall wäre,
ist nicht offensichtlich und die Beschwerdeführerin äussert sich dazu nicht.
Nicht ersichtlich ist insbesondere, inwiefern die von der Vorinstanz verlangten
Projektänderungen ein weitläufiges Beweisverfahren nach sich ziehen sollten.

3.
Nach dem Ausgeführten kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (vgl.
Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen
(vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

4.
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge, das umstrittene Bauvorhaben
verursache übermässige Lärmimmissionen und widerspreche den umweltrechtlichen
Immissionsvorschriften, namentlich der Lärmschutzverordnung, ist bei diesem
Verfahrensausgang nicht zu beurteilen. Dennoch rechtfertigen sich im Hinblick
auf die weitere Behandlung der Angelegenheit und eine eventuelle spätere
Beurteilung dieses Einwands die folgenden Bemerkungen.
Es ist anzunehmen, dass mit dem Betrieb der Klinik nach der Realisierung des
umstrittenen Bauvorhabens Sekundärlärm verbunden ist, der von den Patienten,
Besuchern, Mitarbeitern und Zulieferern der Klinik ausgeht und der Klinik als
ortsfeste Anlage zuzurechnen ist. Dazu gehört nicht nur der Lärm, der im
Zusammenhang mit der Benutzung der Schwimmbadanlage entsteht, sondern
namentlich auch zusätzlicher Verkehrslärm im Quartier. Die Politische Gemeinde
Aadorf, das Departement für Bau und Umwelt sowie die Vorinstanz haben sich in
der Baubewilligung bzw. in den Rechtsmittelentscheiden nicht dazu geäussert, ob
sie die Klinik in lärmschutzrechtlicher Hinsicht als alt- oder neurechtliche
Anlage beurteilen. Die einschlägigen Erwägungen scheinen darauf zu basieren,
dass der Klinikbetrieb als altrechtliche, vor dem Inkrafttreten des USG (SR
814.01) am 1. Januar 1985 bewilligte Anlage betrachtet wurde. Aufgrund der
Akten kann indessen nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine
neurechtliche Anlage im Sinne von Art. 25 USG sowie Art. 7 Abs. 1 der
Lärmschutz-Verordnung (LSV; SR 814.41) handelt (vgl. Vernehmlassung des
Bundesamts für Umwelt vom 22. März 2013), da vor dem Stichtag (1. Januar 1985)
offenbar nur ein Ärztehaus mit Praxis bestand. Diesfalls müssten die der Klinik
nach dem Neu- und Umbau zuzurechnenden Lärmimmissionen nicht nur der Vorsorge
genügen, sondern grundsätzlich auch die Planungswerte einhalten (vgl. Art. 8
Abs. 4 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 LSV). Soweit es um Lärm geht, für den in der LSV
keine Belastungsgrenzwerte verankert sind, müsste eine Einzelfallbeurteilung
aufzeigen, dass ein Immissionsniveau nicht erreicht wird, bei welchem mehr als
nur geringfügige Störungen auftreten (vgl. Art. 40 Abs. 3 LSV i.V.m. Art. 15
sowie Art. 23 USG; BGE 123 II 325 E. 4d/bb S. 334 f.).
Wie es sich damit verhält, braucht wie ausgeführt hier nicht weiter abgeklärt
zu werden. Es könnte einer beförderlichen und rationellen Behandlung der
Angelegenheit jedoch dienen, die Rückweisung an die Gemeinde zum Anlass zu
nehmen, um zugleich die lärmschutzrechtliche Beurteilung zu überprüfen und
gegebenenfalls zu ergänzen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Aadorf, dem
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau, dem Bundesamt für Raumentwicklung und dem Bundesamt für Umwelt
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juni 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Mattle

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