Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.48/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_48/2012

Urteil vom 28. Januar 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Haag.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Roland Blaser,

gegen

1. Y.________ AG,
2. Z.________ AG,
Beschwerdegegnerinnen,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hebeisen,

Politische Gemeinde Münsterlingen, 8596 Münsterlingen, handelnd durch den
Gemeinderat Münsterlingen, Klosterstrasse 4, Postfach 116, 8596 Münsterlingen,
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Vetterli,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Postfach, 8510 Frauenfeld,
Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau, Schlossmühlestrasse
9, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Teilrevision der kommunalen Nutzungsplanung (Zonenplan, Baureglement),

Beschwerde gegen den Entscheid vom 30. November 2011 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Die Spital Thurgau AG betreibt auf dem Grundstück Nr. 1005 in Landschlacht, das
im Eigentum der Politischen Gemeinde Münsterlingen steht, das Kantonsspital
Thurgau. Östlich der Parzelle Nr. 1005 liegt in der Landwirtschaftszone die
Parzelle Nr. 1489, ebenfalls im Eigentum der Politischen Gemeinde
Münsterlingen. Am 6. Oktober 2010 beschloss der Gemeinderat Münsterlingen, die
südliche Hälfte der Parzelle Nr. 1489 von der Landwirtschaftszone in eine
Klinikzone (K) einzuzonen. Zudem sollte die Südostecke der Parzelle Nr. 1005
ebenfalls der Klinikzone zugewiesen werden (bisher Zone für öffentliche Bauten
und Anlagen). Mit der Einführung der Klinikzone sollten Art. 8 des kommunalen
Baureglements vom 29. Mai 2002 mit einer neuen lit. h und Art. 16 des
Baureglements mit neuen Bestimmungen zu den Höchst- und Mindestmassen der
Regelbauweise ergänzt werden.
Die Änderungen wurden vom 15. Oktober bis 3. November 2010 öffentlich
aufgelegt. Am 3. November 2010 erhob X.________ Einsprache gegen die geplante
Neuzonierung und beantragte, auf die Änderungen des kommunalen Baureglements
betreffend die Klinikzone K samt Einzonung der Parzelle Nr. 1489 sei zu
verzichten. Die Politische Gemeinde Münsterlingen wies die Einsprache am 14.
Januar 2011 ab. Dagegen wurde kein Rechtsmittel ergriffen.
Am 18. Januar 2011 erhob X.________ gegen die Vorbereitung und Durchführung der
Gemeindeversammlung der Politischen Gemeinde Münsterlingen, an der über die
geplanten Änderungen der kommunalen Bauordnung abgestimmt werden sollte,
Stimmrechtsrekurs beim Departement für Inneres und Volkswirtschaft des Kantons
Thurgau (DIV). An der Gemeindeversammlung vom 25. Januar 2011 wurden die
geplanten Änderungen angenommen. Am 28. Januar 2011 zog X.________ seinen
Stimmrechtsrekurs wieder zurück. Dafür gelangte er am 14. Februar 2011 an das
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau (DBU), wobei er wiederum
gegen die beschlossene Revision der Bau- und Zonenordnung betreffend "Spital
Ost" rekurrierte. Mit Rekursentscheid vom 13. Mai 2011 trat das Departement auf
den Rekurs nicht ein. Gleichzeitig genehmigte es die Revision der Bau- und
Zonenordnung. Gegen diese beiden Entscheide gelangte X.________ mit Beschwerde
an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Das Verwaltungsgericht wies die
Beschwerde mit Urteil vom 30. November 2011 ab, soweit es darauf eintreten
konnte.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
vom 24. Januar 2012 beantragt X.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts
sei aufzuheben und das Verwaltungsgericht sei einzuladen, die Streitsache in
Anerkennung der Rechtsmittellegitimation des Beschwerdeführers materiell zu
beurteilen. Eventuell sei die Angelegenheit an das Departement für Bau und
Umwelt zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Weiter stellt er den Antrag,
der Genehmigungsentscheid des Departements für Bau und Umwelt vom 13. Mai 2011
über die Zonenplanänderung sei aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht und das Departement für Bau und Umwelt beantragen die
Abweisung der Beschwerde. Die Politische Gemeinde Münsterlingen schliesst auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Y.________ AG und
die Z.________ AG stellen den Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
eventuell sei sie abzuweisen. Die Bundesämter für Raumentwicklung (ARE), Umwelt
(BAFU) und Kultur (BAK) verzichten auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. In
einer weiteren Eingabe hält der Beschwerdeführer an den Anträgen und an der
Begründung seiner Beschwerde fest.

C.
Mit Präsidialverfügung vom 20. März 2012 hat das Bundesgericht der Beschwerde
aufschiebende Wirkung beigelegt.

Erwägungen:

1.
1.1 Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Entscheid (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), der eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG betrifft (
BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251, 409 E. 1.1 S. 411). Ein Ausschlussgrund nach Art.
83 BGG liegt nicht vor.
1.2
1.2.1 Zur Beschwerde ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der
Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme
erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders
berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder
Änderung hat (lit. c). Der Beschwerdeführer wies bereits im vorinstanzlichen
Verfahren darauf hin, dass er nicht in seiner Eigenschaft als Grundeigentümer
oder Mieter Rekurs erhebe, sondern als Stimmberechtigter. Es ist somit nicht
umstritten, dass der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG als
Nachbar des Kantonsspitals nicht zur Beschwerde legitimiert ist, weil ihm die
erforderliche Beziehungsnähe zum Planungsgebiet fehlt (vgl. BGE 136 II 281 E.
2.2 S. 284 mit Hinweisen).
1.2.2 Im kantonalen Verfahren berief sich der Beschwerdeführer auf die
Rekursberechtigung gemäss § 53 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die
Gemeinden vom 5. Mai 1999 (GemG/TG; RB 131.1). Danach können die
Stimmberechtigten oder Betroffene unter anderem wegen Verletzung übergeordneten
Rechts Rekurs erheben gegen allgemein verbindliche Erlasse aller Gemeindeorgane
(§ 53 Abs. 1 Ziff. 1 GemG/TG). Die Vorinstanzen verneinten die
Rekursberechtigung des Beschwerdeführers in Anwendung der genannten Bestimmung.
Nachdem ihm im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, kann er vor
Bundesgericht Verfahrensverletzungen geltend machen, die einer formellen
Rechtsverweigerung gleichkommen. Einzutreten ist somit auf die Rüge, die
Vorinstanz habe den Nichteintretensentscheid der unteren Instanz zu Unrecht
bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 1C_236/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 1.3,
mit Hinweisen).

1.3 Die Anwendung von kantonalem Recht prüft das Bundesgericht nicht frei,
sondern lediglich unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts und namentlich
des Willkürverbots. Willkür liegt nach der Rechtsprechung nicht schon dann vor,
wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen
wäre. Das Bundesgericht weicht vom Entscheid der kantonalen Instanz nur ab,
wenn dieser offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 136 I 316 E. 2.2.2 S. 318 f. mit Hinweisen).
Die Verletzung von Grundrechten - einschliesslich die willkürliche Anwendung
von kommunalem Recht - wird vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen geprüft,
sondern nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Hierfür gelten qualifizierte
Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Das
Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt
es nicht ein.

2.
2.1 Das Verwaltungsgericht kommt im angefochtenen Entscheid zum Schluss, dass
der Beschwerdeführer nicht legitimiert sei, gegen den Beschluss der
Gemeindeversammlung vom 25. Januar 2011 Rekurs im Sinne von § 53 GemG/TG zu
erheben. Er hätte nach Ansicht der Vorinstanz gegen den Gemeindebeschluss bzw.
die Umzonung das ordentliche Planeinspracheverfahren bestreiten müssen, was er
jedoch nicht getan habe bzw. er habe jene Einsprache damals wieder
zurückgezogen. Das Departement für Bau und Umwelt habe daher zu Recht
entschieden, dass der Beschwerdeführer nicht zur Rekurserhebung berechtigt sei.

2.2 Der Beschwerdeführer hält der Argumentation des Verwaltungsgerichts
entgegen, mit dem Rechtsmittel gemäss § 53 GemG/TG könnten auch Legislativakte
nutzungsplanerischen Inhalts angefochten werden. Der Stimmbürgerrekurs stehe
einem grösseren Personenkreis offen, weil die Anfechtungsbefugnis nicht an die
Voraussetzung eines besonderen Berührtseins im Sinne von § 31 des kantonalen
Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG/TG; RB 700) geknüpft sei.
Vielmehr genüge hier die Stimmbürgereigenschaft des Anfechtenden. Zudem macht
der Beschwerdeführer geltend, das Verwaltungsgericht gehe von falschen
Sachverhaltsannahmen aus, indem es darlege, er habe seine Einsprache am 28.
Januar 2011 wieder zurückgezogen.

2.3 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann.
Aus den Akten ergibt sich, dass X.________ während der Auflagefrist am 3.
November 2010 Einsprache gegen die Änderung des Nutzungsplans erhob. Die
Politische Gemeinde Münsterlingen wies die Einsprache mit Entscheid vom 14.
Januar 2011 ab. In den Erwägungen des Einspracheentscheids wies sie darauf hin,
dass die Einspracheberechtigung des Beschwerdeführers fraglich sei. In der
Rechtsmittelbelehrung führte sie aus, dass gegen den Einspracheentscheid innert
20 Tagen nach der auf den 25. Januar 2011 angesetzten Gemeindeversammlung bzw.
gegen deren Beschluss beim Departement für Bau und Umwelt Rekurs erhoben werden
könne. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass er diese Frist mit
Rekurseingabe vom 14. Februar 2011 gewahrt und den nachfolgenden
Rechtsmittelweg lückenlos durchlaufen habe.
Zusätzlich habe er am 18. Januar 2011 einen Stimmrechtsrekurs erhoben (§ 81 ff.
des kantonalen Gesetzes vom 15. März 1995 über das Stimm- und Wahlrecht; RB
161.1). Diesen habe er wegen der Untätigkeit des zuständigen Departements für
Inneres und für Volkswirtschaft nach der Gemeindeversammlung vom 25. Januar
2011 zurückgezogen. Das Rechtsmittelverfahren über den Inhalt des geänderten
Nutzungsplans sei davon nicht betroffen gewesen. Hingegen sei er nach § 53 GemG
/TG als Stimmberechtigter befugt, gegen den Beschluss der kommunalen
Legislative mit nutzungsplanerischem Inhalt Rekurs zu erheben.

2.4 Das Nutzungsplanungsverfahren ist im Kanton Thurgau in § 29 ff. des
kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG/TG; RB 700)
geregelt. Nach § 31 Abs. 1 PBG/TG kann Einsprache bei der Gemeindebehörde
erheben, wer durch Pläne und die zugehörigen Vorschriften berührt ist. Zum
Rekurs gegen den Entscheid der Gemeindebehörde ist nach § 44 Ziff. 1 des
kantonalen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VRG/TG; RB 170.1) berechtigt, wer
durch den Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen
Aufhebung oder Änderung hat. Nach Auffassung der Vorinstanzen handelt es sich
bei dieser Rechtsmittelordnung um eine spezielle Regelung für das
Nutzungsplanungsverfahren, welche der allgemeinen Ordnung des Gemeindegesetzes
vorgeht. Aus den Darlegungen des Beschwerdeführers kann nicht abgeleitet
werden, dass die Auffassung der Vorinstanzen bundesrechtswidrig wäre.
Jedenfalls hält die Gesetzesauslegung des Verwaltungsgerichts vor dem
Willkürverbot stand und erscheint auch mit den Vorgaben von Art. 33 RPG (SR
700) vereinbar. Daran ändert nichts, dass nach den Angaben des
Beschwerdeführers im Kanton Zürich der Rekurs nach dem Gemeindegesetz gegen
Vorlagen über Nutzungsplanänderungen ohne weiteres zulässig sein soll. Zu
beurteilen ist hier die Anwendung des Thurgauer Rechts durch die Thurgauer
Instanzen. Inwiefern dabei die Rechtslage im Kanton Zürich massgebend sein
soll, ist nicht ersichtlich. Die Kritik des Beschwerdeführers an den
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ist nicht entscheidend für den
Ausgang des Verfahrens (Art. 97 Abs 1 BGG).

3.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die
Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Dieser hat den anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerinnen eine
angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Den
kantonalen und kommunalen Behörden, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegen, steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat der Y.________ AG und der Z.________ AG eine
Parteientschädigung von insgesamt Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Münsterlingen, dem
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, dem Departement für
Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau, dem Bundesamt für Raumentwicklung, dem Bundesamt für Umwelt und dem
Bundesamt für Kultur schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Haag