Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.441/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_441/2012

Urteil vom 4. März 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Uebersax.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Willi Egloff,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern.

Gegenstand
Verweigerung der Erteilung eines schweizerischen Führerausweises ohne Prüfung,

Beschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des Kantons Bern für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 20. Juni 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Am 3. August 2011 stellte der nigerianische Staatsangehörige X.________
beim Strassen- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern ein Gesuch um prüfungsfreie
Erteilung eines schweizerischen Führerausweises der Kategorie B. Bei der im
Verlauf des Gesuchsverfahrens erfolgten Prüfung des von ihm zum Umtausch
vorgelegten nigerianischen Führerausweises gelangte der Kriminal-Technische
Dienst der Kantonspolizei Bern zum Schluss, dass es sich um eine Totalfälschung
handle. Mit Verfügung vom 30. August 2011 verweigerte das Strassen- und
Schifffahrtsamt unter Abweisung des Gesuchs die prüfungsfreie Erteilung eines
schweizerischen Führerausweises. Am 24. November 2011 wies es eine dagegen
gerichtete Einsprache ab, wobei es unter anderem festhielt, ein allfälliges
Gesuch um Herausgabe des eingereichten nigerianischen Führerausweises wäre an
die Kantonspolizei Bern bzw. an die zuständige Staatsanwaltschaft zu richten.
A.b In der Folge reichte X.________ den Behörden eine Bestätigung der Federal
Road Safety Commission des nigerianischen Teilstaates Lagos vom 13. Oktober
2013 ein, wonach es sich beim fraglichen Führerausweis um den von der
zuständigen Behörde des Ogun-Staates am 4. Oktober 2010 ausgestellten
Führerschein handle, der "genuine and authentic" sei.
A.c Mit Verfügung vom 16. Januar 2012 stellte die Staatsanwaltschaft des
Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, ein Verfahren wegen Fälschung von
Ausweisen nach Art. 252 StGB gegen X.________ ein, hob die Beschlagnahme des
auf diesen lautenden nigerianischen Führerausweises auf und forderte den
Kriminal-Technischen Dienst auf, X.________ den Führerausweis wieder
auszuhändigen.

B.
X.________ erhob gegen den Entscheid des Strassen- und Schifffahrtsamts vom 24.
November 2011, ihm die Erteilung eines schweizerischen Führerausweis ohne
vorgängige vollständige Prüfung zu verweigern, Beschwerde bei der
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern. Er
stellte insbesondere den Beweisantrag, den nigerianischen Führerausweis der
nigerianischen Botschaft zur Echtheitsprüfung vorzulegen. An der öffentlichen
Verhandlung hörte die Rekurskommission einen Sachbearbeiter des
Kriminal-Technischen Dienstes an, der näher darlegte, weshalb der Dienst von
einer Totalfälschung ausgeht. Am 20. Juni 2012 fällte die Rekurskommission das
folgende Urteil:
"a) Die Beweisanträge werden abgewiesen.
b) Die Beschwerde wird abgewiesen.
c) Der gefälschte nigerianische Führerausweis wird nach Inkrafttreten dieses
Urteils eingezogen und dem Kriminaltechnischen Dienst der Kantonspolizei Bern
zur Verfügung gestellt.
d) Die Kosten des Verfahrens, festgesetzt auf Fr. 2000.--, werden dem
Beschwerdeführer auferlegt. ..."

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
beantragt X.________, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben, das
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt anzuweisen, das Verfahren zur Umwandlung
des nigerianischen in einen schweizerischen Führerausweis einzuleiten, und ihm
den nigerianischen Führerausweis unverzüglich wieder auszuhändigen. Überdies
wird um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht.
Zur Begründung wird im Wesentlichen die unrichtige Feststellung des
Sachverhaltes als Folge der Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht.
Zudem verstosse die verfügte Einziehung des nigerianischen Führerausweises
gegen das prozessuale Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) sowie in
der Sache gegen das Strafgesetzbuch (StGB) und das Strassenverkehrsgesetz
(SVG).

D.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt hat auf eine Stellungnahme
verzichtet. Die Rekurskommission und das Bundesamt für Strassen ASTRA
schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

E.
X.________ hat sich am 23. Januar 2013 nochmals zur Sache geäussert.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden in
Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses Rechtsmittel steht auch gegen
Entscheide über administrative Massnahmen im Strassenverkehrsrecht offen. Beim
angefochtenen Urteil handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen
Endentscheid der zuständigen Rekurskommission, die von der Verwaltung
unabhängig ist und damit gerichtliche Funktionen erfüllt (vgl. Art. 86 Abs. 1
lit. d und Abs. 2 und Art. 90 BGG; Art. 74 des bernischen Gesetzes vom 11. Juni
2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft,
GOG; Urteil des Bundesgerichts 1C_221/2008 vom 8. Dezember 2008 E. 1). Der
Beschwerdeführer ist als ursprünglicher Gesuchsteller und direkter Adressat des
angefochtenen Entscheids gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert.

1.2 Mit der Beschwerde an das Bundesgericht kann, von hier nicht
interessierenden Ausnahmen abgesehen, nur die Verletzung von Bundesrecht,
Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 lit. a-c
BGG) sowie die offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes (vgl.
Art. 97 Abs. 1 BGG) gerügt werden.

2.
Wer ein Motorfahrzeug führt, bedarf des Führerausweises (Art. 10 Abs. 2 SVG).
Dieser wird von den kantonalen Verwaltungsbehörden am Wohnsitz des
Fahrzeugführers erteilt und entzogen (Art. 22 Abs. 1 SVG). Zwar dürfen Personen
aus dem Ausland in der Schweiz Motorfahrzeuge führen, falls sie einen gültigen
nationalen Führerausweis besitzen (Art. 42 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 27.
Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr
[Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51]). Ausländische Fahrzeugführer,
die seit zwölf Monaten in der Schweiz wohnen und sich in dieser Zeit nicht
länger als drei Monate ununterbrochen im Ausland aufgehalten haben, benötigen
jedoch einen schweizerischen Führerausweis (Art. 42 Abs. 3bis lit. a VZV). Dem
Inhaber eines gültigen nationalen ausländischen Ausweises wird der
schweizerische Führerausweis der entsprechenden Kategorie erteilt, wenn er auf
einer Kontrollfahrt nachweist, dass er die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge
der Kategorien, für die der Ausweis gelten soll, sicher zu führen versteht
(Art. 44 Abs. 1 VZV). Mangels eines gültigen ausländischen Ausweises hat der
Bewerber eine Führerprüfung abzulegen (Art. 44 Abs. 2 VZV).

3.
3.1 Was die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz betrifft, so rügt der
Beschwerdeführer, die Rekurskommission habe sich in Widerspruch zu denjenigen
im strafrechtlichen Einstellungsentscheid gesetzt, mit dem die zuständige
Staatsanwaltschaft verneint habe, dass es sich um einen gefälschten Ausweis
handle.

3.2 Von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil darf die
Verwaltungsbehörde nur dann abweichen,
- wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem
Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat;
- wenn sie zusätzliche Beweise erhebt, deren Würdigung zu einem anderen
Entscheid führt, oder wenn die Beweiswürdigung durch den Strafrichter den
feststehenden Tatsachen klar widerspricht; hat sie hingegen keine zusätzlichen
Beweise erhoben, hat sie sich grundsätzlich an die Würdigung des Strafrichters
zu halten;
- wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht
sämtliche Rechtsfragen abgeklärt, insbesondere die Verletzung bestimmter
Verkehrsregeln übersehen hat.
Die Verwaltungsbehörde hat insbesondere dann auf die Tatsachen im Strafurteil
abzustellen, wenn dieses im ordentlichen Verfahren mit öffentlicher Verhandlung
unter Anhörung der Parteien und Einvernahme von Zeugen ergangen ist, es sei
denn, es bestünden klare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser
Tatsachenfeststellung; in diesem Fall hat die Verwaltungsbehörde nötigenfalls
selbständige Beweiserhebungen durchzuführen (BGE 136 II 447 E. 3.1 S. 451; 124
II 103 E. 1c/aa S. 106 mit Hinweisen).

3.3 Im vorliegenden Zusammenhang erging der strafrechtliche
Einstellungsentscheid im Strafbefehlsverfahren ohne öffentliche Verhandlung und
ohne Einvernahme von Zeugen einzig gestützt auf die Akten und auf die
schriftliche Bestätigung der nigerianischen Behörden vom 13. Oktober 2011,
wonach der vom Beschwerdeführer eingereichte Ausweis "genuine and authentic"
sei. Aufgrund der Einschätzung des Kriminal-Technischen Dienstes hegte die
Vorinstanz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Bestätigung und ordnete
durch die Einvernahme eines Mitarbeiters des Kriminal-Technischen Dienstes eine
eigene Beweiserhebung an. Dieses Vorgehen ist aufgrund der Ausgangslage nicht
zu beanstanden, und die Rekurskommission war insbesondere nicht an die
Tatsachenfeststellungen der Staatsanwaltschaft gebunden.

4.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Rekurskommission bezeichne den
einvernommenen Mitarbeiter des Kriminal-Technischen Dienstes als Zeugen und
Sachverständigen, was nicht angehe, da dieser nicht auf seine Verpflichtungen
als Experte hingewiesen worden sei. Aus dem in den Akten liegenden
Sitzungsprotokoll geht hervor, dass eine Rechtsbelehrung erfolgt ist, wobei
unklar bleibt, ob sich diese auf die Funktion als Zeuge beschränkte oder auch
diejenige als Sachverständiger umfasste. Wie es sich damit verhält, kann aber
offen bleiben, denn jedenfalls durfte die Vorinstanz die vom Einvernommenen
gemachten Ausführungen uneingeschränkt als Zeugenaussagen berücksichtigen. Dass
dem Zeugen dabei aufgrund seiner langjährigen Mitarbeit im Kriminal-Technischen
Dienst Fachkenntnisse zugeschrieben wurden, ohne dass er bereits als
eigentlicher unabhängiger Experte gilt, ist nicht zu beanstanden.

5.
5.1 Der Beschwerdeführer rügt sodann, die Vorinstanz habe den Sachverhalt
offensichtlich unrichtig festgestellt und durch die Ablehnung der von ihm
angebotenen Beweismittel, insbesondere der Einholung einer Auskunft bei der
nigerianischen Botschaft über die Echtheit des von ihm vorgelegten
nigerianischen Führerausweises, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

5.2 Die Parteien haben im verwaltungs- sowie im verwaltungsgerichtlichen
Verfahren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Dazu gehört, dass
die Behörde alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt
und die ihr angebotenen Beweise abnimmt, wenn diese zur Abklärung des
Sachverhalts tauglich erscheinen. Umgekehrt folgt daraus, dass keine Verletzung
des rechtlichen Gehörs vorliegt, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter
Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise
seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener
(antizipierter) Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.
mit Hinweisen).

5.3 Zwar mögen die Erwägungen der Vorinstanz zur vermutungsweise mangelnden
Neutralität und Eignung der nigerianischen Botschaft für die Beurteilung der
Echtheit des vom Beschwerdeführer eingereichten Führerausweises etwas pauschal
erscheinen; allein deswegen erweist es sich aber nicht als verfassungswidrig,
dass die Vorinstanzen den Führerausweis des Beschwerdeführers der Botschaft
nicht zur Prüfung unterbreitet haben. Die Rekurskommission stellte ihre
Beurteilung nämlich nicht nur auf den Untersuchungsbericht des
Kriminal-Technischen Dienstes ab, sondern vernahm dazu einen Mitarbeiter des
Dienstes als Zeugen. Dieser legte detailliert dar, worin aus Sicht des Dienstes
die Fälschungsmerkmale liegen, was von der Vorinstanz im angefochtenen
Entscheid auch nachgezeichnet wird. Er erläuterte überdies, welches
Vergleichsmaterial vom Kriminal-Technischen Dienst benützt wurde. Es erscheint
nicht ausgeschlossen, dass aufgrund dieser Abklärungen grundsätzlich eine
genügende Grundlage für die Beurteilung der Echtheit des Führerausweises des
Beschwerdeführers bestand, ohne dass zusätzlich die Meinung der nigerianischen
Botschaft eingeholt werden musste. Allerdings lässt sich dies auf der
vorliegenden Grundlage nicht abschliessend beurteilen.

5.4 Sodann erscheint es ebenfalls nicht von vornherein unhaltbar, wenn die
Rekurskommission zu einer von der Bestätigung der nigerianischen Federal Safety
Commission und von der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern abweichenden
Beurteilung der Echtheit des Führerausweises gelangte. Solche unterschiedlichen
Einschätzungen hat das Bundesgericht auch schon in anderen Fällen geschützt. Im
Urteil 1C_221/2008 erachtete es die Annahme einer Fälschung trotz anderweitiger
Einschätzung durch die nigerianische Federal Safety Commission ebenfalls als
nicht willkürlich. Im gleichen Urteil sowie im Entscheid 1C_85/2012 vom 22.
November 2012 legte es überdies dar, dass das Administrativverfahren andere
Ziele verfolge als das Strafverfahren, weshalb abweichende Beurteilungen nicht
zwingend Willkür bedeuteten. Auch darüber kann vorliegend aber nicht endgültig
befunden werden.

5.5 Entscheidend ist hier ein anderer Gesichtspunkt: Die vom
Kriminal-Technischen Dienst verwendeten Referenzunterlagen, auf die sich auch
der Zeuge stützte, wurden nicht nur gegenüber dem Beschwerdeführer nicht
offengelegt, sondern offenbar auch von der Vorinstanz selbst gar nicht
eingesehen. Im angefochtenen Entscheid steht dazu in E. 3.1 ausdrücklich, dass
die erstverfügende Behörde die als vertraulich bezeichneten Nachschlagewerke
der Europäischen Union (iFado/EU = Intranet False and Authentic Documents
Online) und des Grenzwachtkorps inzwischen, also bevor die Akten bei der
Rekurskommission eintrafen, wieder dem Kriminal-Technischen Dienst zugestellt
habe. Dabei handle es sich um absolut vertrauliche Referenzdatenbanken, die
ausschliesslich Kontrollbehörden und auch bei diesen nur ausgewiesenen
Spezialisten zugänglich seien. Die Bundesbehörden bestimmten über die
Zugriffsberechtigung der Fachleute. Die Dokumentationen enthielten
erkennungsdienstliches Referenzmaterial unter anderem für Führerausweise
(Echtheitsmerkmale, Merkmale von Fälschungen usw.) und seien für den
innerpolizeilichen Gebrauch bestimmt.

5.6 Obwohl der Vorinstanz selbst die Referenzunterlagen offenbar nicht zur
Verfügung standen, stellte sie für ihre Beurteilung, der Führerausweis des
Beschwerdeführers sei gefälscht, darauf ab. Der Zeuge legte zwar im Einzelnen
dar, weshalb bzw. gestützt auf welche Punkte er den fraglichen Führerausweis
als gefälscht erachtete, und dabei kann es sich durchaus um geeignete
Fälschungsmerkmale handeln. Weder konnte die Rekurskommission dies aber anhand
des Vergleichsmaterials überprüfen, noch vermochte der Beschwerdeführer sich
dazu spezifisch zu äussern. Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Vorgehen
mit Art. 29 Abs. 2 BV vereinbar ist.

5.7 Der Einsicht in Verfahrensakten können - nebst privaten - auch öffentliche,
insbesondere polizeiliche, Interessen entgegenstehen. Wieweit den
Verfahrensbeteiligten Einsicht zu gewähren ist, hängt von der Interessenlage im
Einzelfall ab. Allenfalls ist die Einsichtnahme nur beschränkt bzw. in
geeigneter Weise zu ermöglichen (dazu etwa MICHELE ALBERTINI, Der
verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des
modernen Staates, 2000, S. 232 ff. und 299 ff.). In diesem Sinne ist es etwa
gängige Praxis, die anderen Verfahrensbeteiligten, namentlich durch Erstellung
entsprechender Zusammenfassungen, über den wesentlichen Inhalt von Geheimakten
zu informieren (vgl. beispielsweise - zum Bundesverwaltungsrecht - die Urteile
des Bundesgerichts 2A.651/2005 vom 21. November 2006 E. 2 und 2A.586/2003 vom
1. Oktober 2004 E. 5-7 in: sic! 2/2005 S. 111). Demgegenüber müssen die
entscheidenden Rechtsmittelbehörden, namentlich die der Unabhängigkeit im
Verfahren verpflichteten und mit unbeschränkter Kognition versehenen
Gerichtsinstanzen nach Art. 29a BV, jedenfalls in dem Umfang Einblick in
diejenigen Unterlagen nehmen können, auf die sich ein zu überprüfender
Entscheid stützt bzw. die als Beweismittel beigezogen werden und dienen.

5.8 Im vorliegenden Fall besteht zweifellos ein polizeiliches Interesse an der
Geheimhaltung des verwendeten Referenzmaterials. Dieses erweist sich aber nicht
als dergestalt, dass es ausgeschlossen erscheint, dem Beschwerdeführer und erst
recht der Rekurskommission die wesentlichen Fälschungsmerkmale nicht nur
theoretisch, sondern anhand der verwendeten Kriterien durch einen
nachvollziehbaren und überprüfbaren Vergleich seines Führerausweises mit den
Referenzunterlagen auch praktisch aufzuzeigen. Zwar leuchtet es ein, dass die
Herausgabe des Referenzmaterials an Private verweigert werden darf. Die
Vornahme eines Vergleichs einzelner einschlägiger Referenzunterlagen mit dem
fraglichen Führerausweis bei Beisein des Beschwerdeführers unter Aufsicht der
Rekurskommission erscheint aber keineswegs ausgeschlossen. Denkbar wären
allenfalls auch - schriftliche oder mündliche - Erläuterungen, in denen die
Unterschiede mit Auszügen aus dem Referenzmaterial konkret belegt und nicht nur
die als gefälscht eingeschätzten Eigenschaften aufgeführt werden. Solchermassen
könnte sich der Beschwerdeführer konkret zu den als wesentlich erachteten
Fälschungsmerkmalen und dem gezogenen Vergleich mit dem Referenzmaterial
äussern, was bei der heutigen Ausgangslage nicht oder nur eingeschränkt möglich
ist. Überdies muss jedenfalls die Rekurskommission in die Lage versetzt werden,
den erforderlichen Vergleich vornehmen zu können. Ohne die dafür nötige
minimale Einsicht in das Referenzmaterial ist es ihr jedoch nicht möglich, die
Richtigkeit der Beurteilung durch den Kriminal-Technischen Dienst bzw. durch
den einvernommenen Zeugen einzuschätzen und damit die ihr beschwerdeweise
unterbreitete Verfügung in der Sache wirksam zu überprüfen. Dies hat hier umso
mehr zu gelten, als die Rekurskommission ja nur unter der Voraussetzung, selbst
zusätzliche Abklärungen zu treffen, von der Beurteilung der tatsächlichen
Umstände im Strafverfahren abweichen durfte (vgl. E. 3). Diese zusätzlichen
Abklärungen müssten aber logischerweise in rechtmässiger Weise erfolgen. Die
Vorinstanz durfte mithin die tatsächliche Einschätzung des Kriminal-Technischen
Dienstes bzw. seines als Zeugen einvernommenen Mitarbeiters nicht einfach
ungeprüft übernehmen, ohne überhaupt die Möglichkeit gehabt zu haben, im
erforderlichen Umfang das vergleichsweise beigezogene Referenzmaterial selbst
einzusehen.

5.9 Der angefochtene Entscheid verletzt mithin insoweit den Anspruch des
Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, als ihm verweigert wurde, in
geeigneter Weise Kenntnis vom zur Überprüfung der Echtheit seines
Führerausweises verwendeten Referenzmaterial zu erhalten, und als die
Vorinstanz die tatsächlichen Feststellungen der erstverfügenden Behörde
bestätigte, ohne über die von dieser als Beweismittel verwendeten
Referenzunterlagen zu verfügen. Die Rekurskommission wird demnach die nötigen
Abklärungen in diesem Sinne nachzuholen und dabei dem Beschwerdeführer das
rechtliche Gehör angemessen zu gewähren haben.

6.
6.1 Obwohl die Streitsache damit schon aus formellen Gründen an die Vorinstanz
zurückzuweisen ist, rechtfertigen sich aus prozessökonomischen Gründen
ausnahmsweise bereits im vorliegenden Verfahren Erwägungen zur materiellen
Rechtslage; insoweit ist nämlich damit zu rechnen, dass die Rekurskommission,
sollte sie erneut zur Einschätzung gelangen, der Führerausweis sei gefälscht,
dieselben Rechtsfolgen in Betracht zieht wie im angefochtenen Entscheid.

6.2 Was die Zulässigkeit der Verweigerung des Umtausches des nigerianischen in
einen schweizerischen Führerausweis betrifft, so hängt dies vom Ergebnis des
ergänzenden Beweisverfahrens ab. Erweist sich der Ausweis als gefälscht, fällt
ein Umtausch ohne weiteres ausser Betracht, wozu sich weitere Erwägungen
erübrigen. Abgesehen davon macht der Beschwerdeführer geltend, die Einziehung
seines nigerianischen Führerausweises durch die Vorinstanz sei
bundesrechtswidrig und stelle einen Verstoss gegen das Verbot der reformatio in
peius dar.

6.3 Die Vorinstanzen gingen davon aus, das Strassenverkehrsrecht erlaube ihnen
die Einziehung eines gefälschten Ausweises nicht. Während das Strassenverkehrs-
und Schifffahrtsamt deswegen auf eine Einziehung verzichtete, ordnete die
Rekurskommission dennoch eine solche an und stützte sich dafür auf eine analoge
Anwendung von Art. 69 StGB.
6.3.1 Die direkte Anwendung von Art. 69 StGB fällt nur schon deshalb ausser
Betracht, weil es sich um eine im Strafverfahren vom Strafrichter anzuordnende
strafrechtliche Massnahme handelt. Im vorliegenden Fall hat die
Staatsanwaltschaft im Strafverfahren aber gerade ausdrücklich von einer
Einziehung abgesehen. Aber auch die analoge Anwendung von Art. 69 StGB im
strassenverkehrsrechtlichen Administrativverfahren erscheint ausgeschlossen.
Dafür bräuchte es im Strassenverkehrsgesetz einen entsprechenden Verweis, der
jedoch fehlt.
6.3.2 Ebensowenig ist im vorliegenden Zusammenhang das Verwaltungsstrafrecht
anwendbar. Zwar sieht Art. 66 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das
Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) die selbständige Einziehung von
Gegenständen vor, doch bedarf dies einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage
und ist der Geltungsbereich des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht
beschränkt auf Fälle, in denen die Verfolgung und Beurteilung von
Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen ist. Zumindest
diese zweite Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
6.3.3 Das Strassenverkehrsrecht, insbesondere die Entzugstatbestände von Art.
16 ff. SVG, sehen keine ausdrückliche Einziehungsmöglichkeit gefälschter
Ausweise vor. Allerdings erscheint nicht ausgeschlossen, die Generalklausel von
Art. 16 Abs. 1 SVG, wonach Ausweise und Bewilligungen zu entziehen sind, wenn
festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu deren Erteilung
nicht oder nicht mehr bestehen, als gesetzliche Grundlage für die Einziehung
gefälschter Ausweise beizuziehen, selbst wenn damit kein Fälschungsvorwurf an
den Inhaber verbunden ist. In diesem Sinne fiele der fragliche Tatbestand, der
in keinem der gesetzlichen Sondertatbestände miterfasst wird und bei dem es
sich insbesondere nicht um einen Unterfall des Entzugs wegen (nachträglich
eingetretener bzw. festgestellter) fehlender Fahreignung nach Art. 16d SVG
handelt, unter die Generalklausel von Art. 16 Abs. 1 SVG. Allerdings fiele eine
solche Auslegung und unmittelbare Anwendung von Art. 16 Abs. 1 SVG mit Blick
auf das Territorialitätsprinzip lediglich bei schweizerischen, nicht aber bei
ausländischen Führerausweisen in Betracht (dazu BGE 121 II 447; vgl. auch BGE
133 II 331). Diese Frage muss jedoch im vorliegenden Fall nicht abschliessend
geklärt werden.
6.3.4 Da es hier um einen ausländischen Führerausweis geht, kommt einzig in
Frage, die Regelung von Art. 45 VZV analog anzuwenden, wonach ausländische
Führerausweise nicht zu entziehen, sondern abzuerkennen sind. Namentlich sind
sie nach Art. 45 Abs. 1 VZV auf unbestimmte Zeit abzuerkennen, wenn sie in
Umgehung der schweizerischen oder ausländischen Zuständigkeitsbestimmungen im
Ausland erworben worden sind. Das trifft auf einen gefälschten Ausweis zu,
obwohl der Tatbestand an sich nicht darauf zugeschnitten ist. Gemäss Art. 45
Abs. 4 VZV sind aberkannte ausländische Führerausweise bei der zuständigen
Strassenverkehrsbehörde zu hinterlegen. Sie sind dem Berechtigten auf Verlangen
beim Verlassen der Schweiz, wenn er hier keinen Wohnsitz hat, auszuhändigen,
wobei bei unbefristeter Aberkennung die Ungültigkeit in der Schweiz vermerkt
werden kann, wenn die Gefahr von Missbräuchen besteht (Art. 45 Abs. 4 lit. b
VZV). In maiore minus scheint es auch nicht ausgeschlossen, auf die
Hinterlegung eines gefälschten Ausweises zu verzichten, aber von der
Möglichkeit des Vermerks der Ungültigkeit in der Schweiz Gebrauch zu machen.
Nicht zu prüfen ist hier, wieweit die Aberkennung eines gefälschten Ausweises
unter den Voraussetzungen von Art. 45 Abs. 6 VZV auch wieder erlöschen könnte.

6.4 Damit bleibt noch die Frage der reformatio in peius. Nach Art. 86 des
bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG)
richtet sich das Verfahren vor den anderen verwaltungsunabhängigen
Justizbehörden (als dem Verwaltungsgericht), zu denen auch die Vorinstanz
zählt, nach dem Verwaltungsrechtspflegegesetz, wobei die Art. 65-73 sinngemäss
Anwendung finden. Dabei gilt für Rekurskommissionen, dass sie - anders als im
Regelfall das Verwaltungsgericht (vgl. Art. 84 Abs. 2 und 3 VRPG) - aufgrund
ihrer umfassenden Überprüfungsbefugnis (gemäss Art. 66 VRPG) befugt sind, den
angefochtenen Verwaltungsakt im Falle von Rechtsverletzungen auch zuungunsten
der beschwerdeführenden Partei abzuändern (MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar
zum Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern,
1997, Rz. 2 zu Art. 86 VRPG). Allerdings muss dieser vorweg das rechtliche
Gehör dazu gewährt werden (vgl. Art. 73 Abs. 2 VRPG). Da die Sache sowieso an
die Vorinstanz zurückzuweisen ist und diese dem Beschwerdeführer im Rahmen der
ergänzenden Beweisabnahme ohnehin nochmals das rechtliche Gehör zu gewähren
hat, wird sie ihm im Bedarfsfall auch die Gelegenheit geben können, sich zur
Frage einer eventuellen reformatio in peius zu äussern.

7.
Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid
aufzuheben. Die Sache geht zurück an die Vorinstanz zu neuem Entscheid im Sinne
der Erwägungen.

Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Der Kanton Bern hat dem obsiegenden Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid der Rekurskommission des
Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom 20. Juni 2012 wird
aufgehoben. Die Sache wird an die Rekurskommission zurückgewiesen zu neuem
Entscheid im Sinne der Erwägungen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons Bern, der Rekurskommission des Kantons Bern für
Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern und dem Bundesamt für Strassen,
Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. März 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Uebersax