Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.440/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_440/2012

Urteil vom 27. August 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
1.  Erbengemeinschaft X.________, bestehend aus:

1.1.  X.a.________,
1.2.  X.b.________,
2. Y.________,
3. Z.________,
4.  Erbengemeinschaft W.________, bestehend aus:

4.1.  W.a.________,
4.2.  W.b.________,
4.3.  W.c.________,
4.4.  W.d.________,
4.5.  W.e.________,
4.6.  W.f.________,
5.  Erbengemeinschaft V.________, bestehend aus:

5.1.  V.a.________,
5.2.  V.b.________,
6.  U. und T.________,
7.  Erbengemeinschaft S.________, bestehend aus:

7.1.  S.a.________,
7.2.  S.b.________,
7.3.  S.c.________,
8.  Politische Gemeinde Oberglatt,
Beschwerdeführer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Ettler und Rechtsanwalt Martin
Looser,

gegen

1.  Flughafen Zürich AG,
2.  Kanton Zürich,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Gfeller,

Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 10.

Gegenstand
Parteientschädigung im Enteignungsverfahren,

Beschwerde gegen das Urteil vom 19. Juli 2012
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I.

Sachverhalt:

A.

 Wegen übermässiger Fluglärmimmissionen und direkter Überflüge wurden im Jahr
2000 beim Kanton Zürich als damaligem Flughafenhalter zahlreiche
Entschädigungsforderungen aus den Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Höri
angemeldet. Der Kanton leitete die Gesuche an die Eidgenössische
Schätzungskommission Kreis 10 (ESchK) weiter mit dem Antrag um Eröffnung
entsprechender Enteignungsverfahren.

 Im Jahr 2001 wurde die Flughafen Zürich AG als neue Flughafenhalterin unter
Zuerkennung der Parteistellung zu den Enteignungsverfahren beigeladen.

 Die Enteignungsverfahren wurden teils formell, teils informell sistiert, bis
zum rechtskräftigen Entscheid der Pilotfälle betreffend Opfikon-Glattbrugg. Im
Jahr 2004 fällte das Bundesgericht ein Grundsatzurteil zur Verjährung (BGE 130
II 394) und 2008 weitere Entscheide betreffend Opfikon-Glattbrugg. Mit Eingabe
vom 28. Oktober 2009 erhoben die Enteigner die Einrede der Verjährung für alle
Entschädigungsforderungen im Westen und Norden des Flughafens, einschliesslich
der Gemeinden Oberglatt, Höri und Rümlang. Die Enteigneten gingen dagegen davon
aus, dass ihre Forderungen nicht verjährt seien.

B.

 Am 15. November 2010 erklärten verschiedene Enteignete den Rückzug ihrer
Entschädigungsbegehren und ersuchten die ESchK, die Verfahren abzuschreiben
sowie die ihnen für das enteignungsrechtliche Verfahren zustehende
Parteientschädigung festzusetzen. Im Einzelnen forderten sie eine
Parteientschädigung von je Fr. 4'000.-- pro Liegenschaft zulasten der
Enteigner.

 Die EschK schrieb die Enteignungsverfahren mit mehreren Verfügungen vom 4.
April 2011 als durch Rückzug erledigt ab und legte die Verfahrenskosten der
Flughafen Zürich AG als hauptsächlich verfahrensführender Enteignerin auf.
Parteientschädigungen wurden keine zugesprochen.

 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene gemeinsame Beschwerde
der Enteigneten am 19. Juli 2012 ab.

C.

 Dagegen haben die im Rubrum genannten Personen am 13. September 2012
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben.
Sie beantragen, Ziff. 1 des angefochtenen Entscheides sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass ihnen eine Parteientschädigung für das Verfahren vor ESchK
im Grundsatz zustehe. Diese sei pro Liegenschaft auf Fr. 4'000.-- festzusetzen.
Eventualiter sei das Verfahren an die Vorinstanz zur Bemessung der
Parteientschädigung zurückzuweisen.

D.

 Das Bundesverwaltungsgericht und die ESchK haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Die Flughafen Zürich AG und der Kanton Zürich (im Folgenden: die
Enteigner bzw. die Beschwerdegegner) beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.

 Im weiteren Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.

 Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde
einzutreten.

2.

 Streitig ist, ob die ESchK den Beschwerdeführern, die ihr Entschädigungsgesuch
zurückgezogen haben, eine Parteientschädigung für das Enteignungsverfahren
hätte zusprechen müssen.

2.1. Art. 115 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (EntG;
SR 711) bestimmt, dass der Enteigner für die notwendigen aussergerichtlichen
Kosten des Enteigneten im Einsprache-, im Einigungs- und im Schätzungsverfahren
eine angemessene Entschädigung zu bezahlen hat (Abs. 1). Werden die Begehren
des Enteigneten ganz oder zum grösseren Teil abgewiesen, so kann von der
Zusprechung einer Parteientschädigung ganz oder teilweise abgesehen werden
(Abs. 2). Bei offensichtlich missbräuchlichen Begehren oder bei offensichtlich
übersetzten Forderungen kann der Enteignete zur Bezahlung einer
Parteientschädigung an den Enteigner verhalten werden (Abs. 3).

2.2. Die ESchK erwog in ihren Abschreibungsbeschlüssen, dass der Enteignete für
die prozessuale Wahrung der Verjährungsfrist verantwortlich sei; es handle sich
um eine grundlegende Anspruchsvoraussetzung. In Fällen, in denen die Verjährung
streitig sei und der Enteignete das Entschädigungsgesuch zurückziehe, bevor
diese Frage beurteilt werden konnte, wäre es im Allgemeinen unbillig, den
Enteigner mit mehr als den Verfahrenskosten und den eigenen Parteikosten zu
belasten. Der Enteignete habe zuvor massgeblich selbst bestimmt, welchen
Prozessaufwand er betreiben wolle und wann er die rechtliche Verfolgung seines
Anspruchs aufgeben wolle. Somit sei es ihm im Regelfall zumutbar, die bis dahin
entstandenen Parteikosten selbst zu tragen.

 Soweit die Beschwerdeführer behaupteten, die Rückzugserklärungen seien wegen
des zwischenzeitlich ergangenen Urteils BGE 136 II 263 erfolgt, sei zu
berücksichtigen, dass dieser Entscheid den massgeblichen Stichtag für die
Auswirkungen der Ostanflüge beurteilt habe, die aufgrund der Beschränkungen der
An- und Abflüge über deutsches Hoheitsgebiet eingeführt wurden. Diese
Beschränkungen seien aber deutlich nach Einreichung der hier betroffenen
Entschädigungsbegehren im Jahr 2000 erfolgt, weshalb sie nicht als
Rechtfertigung für die Einleitung der nun abgeschriebenen Verfahren
herangezogen werden könnten.

 Soweit der Rückzug mit persönlichen Umständen oder Motiven begründet werde,
wie die Veräusserung der betroffenen Liegenschaft oder eine gewisse
Prozessmüdigkeit, vermöge dies die Zusprechung einer Parteientschädigung von
vornherein nicht zu begründen.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Kostenentscheide der ESchK zwar
nicht für zwingend, wohl aber - unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums
der ESchK bei der Anwendung von Art. 115 EntG - für sachlich vertretbar.

 Wenn es aufgrund von Art. 115 Abs. 2 EntG möglich sei, im Fall des
vollständigen Unterliegens von einer Parteientschädigung abzusehen, so müsse
dies auch zulässig sein, wenn sich der Betroffene einem Sachentscheid durch
vorbehaltlosen Rückzug des Entschädigungsbegehrens entziehe. Daran vermöge auch
der Umstand nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführer mit ihren
Rückzugserklärungen weitere unnötige Aufwendungen für alle
Verfahrensbeteiligten abgewendet hätten. Eine generelle Bevorteilung derjenigen
Partei, die mit ihrem Verhalten eine vorzeitige Erledigung des Verfahrens
herbeiführe, sehe Art. 115 EntG nicht vor.

 Da die Regelung von Art. 115 EntG vornehmlich auf das Vorliegen eines
Sachentscheids ausgerichtet sei, zog das Bundesverwaltungsgericht ergänzend
Art. 4b der Verordnung vom 10. September 1969 über Kosten und Entschädigungen
im Verwaltungsverfahren (VKEV, SR 172.041.0) heran. Danach werden die
Verfahrenskosten jener Partei auferlegt, deren Verhalten die
Gegenstandslosigkeit bewirkt hat. Die Beschwerdeführer hätten sich zwar aus
verständlichen Gründen, aber gleichwohl aus freien Stücken, für den Rückzug
entschieden und hätten damit den unmittelbaren Anlass für die
Gegenstandslosigkeit der Verfahren gesetzt.

 Im Rahmen eines Abschreibungsbeschlusses könne es nicht darum gehen, die
Prozessaussichten im Einzelnen zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu
verursachen. Dies gelte umso mehr, wenn es sich - wie vorliegend - um komplexe
Verfahren handle, die in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht
umfangreiche Abklärungen bedingten und deren Prozesschancen kaum zuverlässig
bestimmt werden könnten. Die Rechtsprechung zur Parteientschädigung nach
materieller Abweisung einer Forderung bei in guten Treuen vertretbarer
Prozessführung (Urteil des Bundesgerichts 1E.10/2007 vom 22. April 2008 E. 6)
sei daher für Abschreibungsbeschlüsse nicht einschlägig. Entscheidrelevant sei
vielmehr einzig, wer die Gegenstandslosigkeit der Verfahren bewirkt habe.

 Das Bundesverwaltungsgericht verneinte auch das Vorliegen einer unzulässigen
Ungleichbehandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) gegenüber den Rückzugsfällen aus der
Gemeinde Opfikon, in denen eine pauschale Parteientschädigung zulasten der
Enteigneten zugesprochen worden sei. Vorliegend seien die Rückzüge erfolgt,
bevor über die massgebende Frage der Verjährung in Bezug auf die Gemeinden
Rümlang, Oberglatt und Höri rechtskräftig entschieden worden sei. Der
Verfahrensstand zum Zeitpunkt des Rückzugs unterscheide sich daher wesentlich
von den angeführten Opfikoner Fällen.

3.

 Die Beschwerdeführer machen geltend, Art. 115 Abs. 2 EntG enthalte eine
Kann-Bestimmung, die der Schätzungskommission ein Ermessen hinsichtlich der
Zusprechung einer Parteientschädigung bei Unterliegen des Enteigneten
zuspreche. Dieses müsse sich gemäss konstanter Praxis danach orientieren, ob
die Anträge des Enteigneten in guten Treuen vertretbar gewesen seien, d.h. ob
sie für eine sorgfältige Interessenwahrung als geboten erscheinen oder sich
zumindest verantworten lassen (BGE 111 Ib 97 E. 3 S. 101). Dies müsse auch
gelten, wenn der Betroffene ein Entschädigungsbegehren zurückziehe: Auch in
diesem Fällen sei eine Ermessensbetätigung und -begründung erforderlich. Im
Fall des Rückzugs müsse somit ebenfalls geprüft werden, ob das Rechtsbegehren
der Partei vertretbar gewesen sei. Dies gelte insbesondere, wenn der Rückzug
nach überlanger Prozessdauer erfolge.

 Art. 4b VKEV sei auf das Beschwerdeverfahren nach VwVG zugeschnitten und regle
im Übrigen nur die Tragung der Verfahrenskosten und nicht die
Parteientschädigung; diese Regelung dürfe daher nicht zur Auslegung von Art.
115 EntG herangezogen werden.

 Die Beschwerdeführer hätten nie eine materielle Beurteilung ihrer
Entschädigungsbegehren verlangt, sondern lediglich geltend gemacht, ihr
Rechtsbegehren sei in guten Treuen vertretbar bzw. für eine sorgfältige
Interessenwahrung geboten gewesen. Ihre Entschädigungsbegehren seien im Jahr
2000 eingereicht worden, zu einem Zeitpunkt, als zu den
Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auch zur Verjährungsfrage, erhebliche
Rechtsunsicherheit geherrscht habe. Die Forderungsstellung sei nötig gewesen,
um die laufenden Verjährungsfristen zu unterbrechen. Die Verjährung sei in
allen neun Fällen streitig und sei auch nach BGE 130 II 394 (zur Verjährung in
Opfikon) für die Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Höri noch nicht verbindlich
geklärt gewesen. In zwei Fällen habe sich sodann die Frage der Vorhersehbarkeit
gestellt (Grundstückserwerb nach dem 1. Januar 1961); diesbezüglich sei der
Rückzug erst nach dem Urteil BGE 136 II 263 erfolgt, in dem das Bundesgericht
den Stichtag der Voraussehbarkeit vom 1. Januar 1961 auch betreffend Ostanflüge
bestätigt habe.

 Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass es im Interesse aller Beteiligten
liege, die grosse Fallzahl durch die Führung von Pilotprozessen zu bewältigen.
Praxisgemäss würden Enteignete, die ihr Entschädigungsbegehren im Anschluss an
einen Pilotentscheid des Bundesgerichts zurückziehen, für ihren prozessualen
Aufwand schadlos gehalten. Der Umstand, dass die Entschädigungsbegehren im
vorliegenden Fall zurückgezogen wurden, bevor die Verjährungsfrage für die
Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Höri höchstrichterlich entschieden wurde,
dürfe keine Rolle spielen: Massgebend müsse - gerade bei überlangen Prozessen -
der Stand der Rechtsprechung bei Vornahme der prozessualen Handlungen sein,
deren Aufwand geltend gemacht werde.

 Mit den Rückzugserklärungen seien allen Prozessbeteiligten weitere unnötige
Schritte erspart worden. Dies dürfe den Enteigneten nun nicht zum Nachteil
gereichen. Ansonsten müssten sie in derartigen Fällen auf einem Sachentscheid
beharren, um in den Genuss einer Parteientschädigung zu kommen; damit wäre
niemandem gedient.

4.

 Die Beschwerdegegner verweisen auf das grosse Ermessen der ESchK bei der
Kostenverlegung. Es gebe keine feste Regel, wie diese Kann-Vorschrift
anzuwenden sei, insbesondere müsse in Fällen, in denen wegen Rückzugs kein
Sachentscheid gefällt werde, nicht festgestellt werden, ob die Begehren in
guten Treuen vertretbar gewesen seien. Die Ermessensausübung der ESchK,
aufgrund des vorbehaltlosen Rückzugs der Begehren keine Parteientschädigung
zuzusprechen, sei nicht rechtsfehlerhaft und sei daher von der Vorinstanz zu
Recht geschützt worden. Die VKEK sei nicht direkt angewendet worden, sondern
sei lediglich hilfsweise herangezogen worden.

 Im Übrigen seien die Beschwerdeführer nicht wider ihren Willen in ein
Enteignungsverfahren einbezogen worden, sondern hätten aus eigener Initiative
ein Gesuch um Einleitung eines Enteignungsverfahrens eingereicht. Auch dies sei
ein Grund, das in Art. 115 Abs. 2 EntG eingeräumte Ermessen weit auszulegen.

5.

 Der Rückzug des Gesuchs ist in Art. 115 EntG nicht ausdrücklich geregelt.
Auszugehen ist vom Grundgedanken der Bestimmung, wonach im Enteignungsrecht
nicht das Unterliegerprinzip gilt und der Enteigner grundsätzlich auch im
Obsiegensfall die entstandenen Kosten trägt (Abs. 1). Dieser Regelung liegt die
Überlegung zugrunde, dass ein Enteigneter wider seinen Willen in ein
Enteignungsverfahren einbezogen wird und es sich aus diesem Grund in der Regel
rechtfertigt, ihn nicht mit den daraus folgenden Kosten zu belasten (vgl. BGE
124 II 219 E. 10b S. 239 mit Hinweis). Dies gilt auch, wenn eine Entschädigung
für die Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte wegen übermässigen Fluglärms
verlangt wird: Zwar wird das Enteignungsverfahren formell durch das
Entschädigungsgesuch des Enteigneten eingeleitet, materiell wird es jedoch
durch die übermässigen Fluglärmimmissionen ausgelöst, die vom Flughafen Zürich
und dem ihm zuzurechnenden An- und Abflugverkehr ausgehen.

 Immerhin kann nach Abs. 2 von diesem Grundsatz abgewichen werden, wenn die
Begehren ganz oder zum grössten Teil abgewiesen werden. Bei der Kostenfolge von
Sachentscheiden wird i.d.R. darauf abgestellt, ob die Anträge der Enteigneten
in guten Treuen vertretbar waren (Urteile 1C_284/2009 vom 8. Juni 2010 E.13.1,
nicht publ. in: BGE 136 II 263; 1E.10/2007 vom 22. April 2008 E. 6). Fraglich
ist, wie es sich verhält, wenn das Verfahren infolge Rückzugs als
gegenstandslos abgeschrieben wird.

5.1. Die Annahme der Vorinstanzen, dem vollständigen Unterliegen sei der
freiwillige Rückzug des Entschädigungsgesuchs gleichzustellen, ist nicht zu
beanstanden. Dies bedeutet jedoch nur, dass auch in diesen Fällen auf die
Zusprechung einer Parteientschädigung verzichtet werden kann; dies ist kein
Automatismus, sondern setzt - wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen
- eine Ermessensbetätigung voraus.

 Allerdings ist es nachvollziehbar, in "gewöhnlichen" Verfahren davon
auszugehen, dass der Enteignete, der sein Gesuch freiwillig zurückzieht, mit
seinem Verhalten zum Ausdruck bringt, dass sein Gesuch von vornherein
aussichtslos bzw. für eine sorgfältige Interessenwahrung nicht geboten war. In
solchen Fällen ist es nicht ermessensmissbräuchlich, ihn seinen prozessualen
Aufwand selbst tragen zu lassen. Ob dies mit einer analogen Anwendung von Art.
4b VKEV begründet wird oder mit allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts,
spielt keine Rolle.

5.2. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Rückzug erfolgt, nachdem das
Enteignungsverfahren jahrelang, bis zur rechtskräftigen Erledigung von
Pilotfällen, sistiert war.

 Ziel solcher Pilotverfahren ist es, im Anschluss an den höchstrichterlichen
Entscheid im Leitverfahren alle übrigen Verfahren möglichst rasch und wenn
möglich ohne Sachentscheid erledigen zu können, sei es durch Vergleich oder
durch Rückzug des Gesuchs. Den Enteigneten, die sich mit diesem Vorgehen und
der damit verbundenen Verzögerung ihres Verfahrens einverstanden erklären, soll
daraus kein Nachteil erwachsen. Erfolgt der Rückzug des Gesuchs deshalb nach
einem für die Enteigneten negativen Leitentscheid, haben diese grundsätzlich
Anspruch auf eine Parteientschädigung.

 Aber auch, wenn der Rückzug vor dem rechtskräftigen Entscheid über die
Pilotfälle erfolgt, kann es unbillig sein, den Rückziehenden systematisch eine
Parteientschädigung zu verwehren: Diese durften aufgrund der Sistierung ihrer
Verfahren grundsätzlich davon ausgehen, dass ihre Forderungen nicht von
vornherein aussichtslos waren, sondern grundlegende Rechtsfragen aufwerfen, die
höchstrichterlich beurteilt werden müssen. Dauert das Verfahren zu lange,
können die Enteigneten das Interesse an der Prozessführung verlieren; u.U. sind
die ursprünglichen Gesuchsteller bereits verstorben oder haben ihre Grundstücke
zwischenzeitlich veräussert. In solchen Fällen entspricht es dem Interesse
aller Beteiligten, wenn die Enteigneten bzw. ihre Rechtsnachfolger ihre
Entschädigungsforderung zurückziehen, anstatt auf einem Sachentscheid zu
beharren, nur um in den Genuss einer Parteientschädigung zu gelangen.

6.

 Im vorliegenden Fall zogen die Beschwerdeführer ihre Gesuche Ende 2010 zurück,
d.h. zehn Jahre nach Gesuchseinreichung. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar die
Pilotfälle aus der Gemeinde Opfikon-Glattbrugg vom Bundesgericht beurteilt
worden; dagegen standen die Pilotentscheide für die Gemeinden Rümlang, Höri und
Oberglatt noch aus. Die Vorinstanz hat selbst ausgeführt, dass es sich um
rechtlich und tatsächlich komplexe Verfahren handelte, deren Erfolgsaussichten
schwer abzuschätzen waren. Unter diesem Umständen ist davon auszugehen, dass
sich die Führung des Verfahrens bis zum Rückzugszeitpunkt in guten Treuen
verantworten liess, weshalb den Beschwerdeführern grundsätzlich eine
Parteientschädigung zuzusprechen ist, sofern keine besonderen Umstände eine
abweichende Beurteilung rechtfertigen.

6.1. Die Begründung der ESchK, die danach differenziert, ob die Verjährung oder
aber eine andere Anspruchsvoraussetzung streitig war, überzeugt jedenfalls in
Enteignungsfällen wegen übermässigem Fluglärm und direktem Überflug nicht: In
diesen Fällen ist die Frage des Beginns der Verjährungsfrist häufig mit
komplexen rechtlichen und tatsächlichen Fragen verbunden, die sich nicht
wesentlich von anderen Anspruchsvoraussetzungen (z.B. der Vorhersehbarkeit)
unterscheiden. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb es unbillig wäre, den
Enteignern die Prozesskosten der Gesuchsteller aufzuerlegen, die nach
10-jähriger Verfahrensdauer auf eine Fortführung des Enteignungsverfahrens
verzichten, nur weil die Verjährung streitig war.

6.2. Anders ist die Situation dagegen zu beurteilen, soweit
Entschädigungsforderungen für Grundstücke gestellt wurden, die nach dem 1.
Januar 1961 erworben wurden. Gemäss Beschwerdeschrift handelt es sich um eine
von neun Liegenschaften der Beschwerdeführerinnen 5 und sieben von zehn
Liegenschaften der Beschwerdeführerin 8. In BGE 123 II 481 E. 7b S. 491 wurde
bestätigt, dass das Stichdatum des 1. Januars 1961 auch für den Flughafen
Zürich gilt; dies wurde vom Bundesgericht in den Fällen betreffend
Opfikon-Glattbrugg bestätigt (vgl. BGE 130 II 394 E. 12.1 S. 415), trotz der im
Herbst 1996, infolge der vierten Welle der Swissair, erfolgten Veränderungen
des Flugbetriebs. Insofern musste den Beschwerdeführern schon bei
Forderungserhebung, spätestens aber nach BGE 130 II 394 (im Jahr 2004), klar
sein, dass ihnen für diese Grundstücke kein Entschädigungsanspruch zustand. Es
ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern auch nicht dargelegt,
weshalb sie hierfür das Urteil BGE 136 II 263 (zu den ab 2001/2002 eingeführten
Flugbeschränkungen über deutsches Hoheitsgebiet) abwarten mussten.

6.3. Letztlich wird es Aufgabe der ESchK sein, diese Fälle neu zu beurteilen,
und darüber zu befinden, ob und in welcher Höhe den Beschwerdeführern eine
Parteientschädigung zuzusprechen ist.

7.

 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde teilweise (im Eventualantrag)
gutzuheissen, Disp.-Ziff. 1 des angefochtenen Entscheids ist aufzuheben und die
Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die ESchK zurückzuweisen.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdegegner (Enteigner)
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG i.V.m. Art. 116 Abs. 3
BGG). Sie haben den Beschwerdeführern eine (leicht gekürzte)
Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu entrichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Disp.-Ziff. 1 des Entscheids
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 19. Juli 2012, aufgehoben. Die
Sache wird zu neuem Entscheid über die Parteientschädigung im Sinne der
Erwägungen an die Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 10 zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.

 Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 3'000.-- werden der Flughafen Zürich AG
und dem Kanton Zürich je zur Hälfte (Fr. 1'500.--) auferlegt.

3.

 Die Flughafen Zürich AG und der Kanton Zürich haben die Beschwerdeführer für
das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4.

 Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Schätzungskommission
Kreis 10 und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber

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