Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.421/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1C_421/2012

Urteil vom 23. Dezember 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Sandor Horvath,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,

Stadtrat Luzern, Stadthaus, Hirschengraben 17, 6002 Luzern.

Gegenstand
Bau- und Planungsrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung (vormals
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung),
vom 4. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.

 Der Stadtrat Luzern erteilte X.________ am 31. August 2011 die Bewilligung zum
Umbau und zur Erweiterung des ihm gehörenden am Rand der Altstadt gelegenen
Trutzhauses. Y.________ focht als Eigentümer einer benachbarten Parzelle diese
Baubewilligung beim Kantonsgericht Luzern an. Dieses hiess seine Beschwerde am
4. Juli 2012 nach Durchführung eines Augenscheins gut und hob die
Baubewilligung vom 31. August 2011 auf.

B.

 X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, den Entscheid des Kantonsgerichts
aufzuheben und die Baubewilligung vom 31. August 2011 zu bestätigen. Eventuell
sei die Beschwerde zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder allenfalls an den
Stadtrat Luzern zurückzuweisen.

 Y.________ und das Kantonsgericht stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner
haben sich in weiteren Eingaben geäussert und dabei an ihren Anträgen
festgehalten.

Erwägungen:

1.

 Streitgegenstand bildet die Bewilligungsfähigkeit des Projekts, mit dem der
Beschwerdeführer das ihm gehörende Trutzhaus in der Luzerner Altstadt umbauen
und erweitern will. An erster Stelle sind der Hintergrund dieses Projekts und
sein Inhalt kurz darzustellen.

 Das Trutzhaus liegt an der Mariahilfgasse im Gebiet der Musegghalde. Diese
befindet sich am Rand der Altstadt zwischen dem früheren inneren und äusseren
Befestigungsring. Die Musegghalde war ursprünglich Gartenland und wurde ab der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessive mit repräsentativen Gebäuden
überbaut. Das Gebiet ist zusammen mit der übrigen Altstadt Luzerns im Inventar
der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verzeichnet. Hingegen
figuriert das Trutzhaus selber nicht als schützenswertes Einzelobjekt im ISOS.
Die Baugeschichte des Trutzhauses umfasst mehrere Phasen. 1764 wurde auf der
Bauparzelle ein zum Cysathaus gehörendes Gärtnerhaus erstellt. An dessen
Ostseite erfolgte 1825/26 der Anbau des heutigen Trutzhauses. 1932 wurde das
ehemalige Gärtnerhaus fast vollständig abgebrochen und durch einen Neubau
ersetzt. Auch der Hauptbau erfuhr 1932 wesentliche Änderungen. Die Rückseite
des Gebäudes bietet seither ein uneinheitliches und unruhiges Bild. Das
städtische Inventar stuft einzig die Ostfassade gegen die Mariahilfgasse, die
Volumetrie und den Keller als schutzwürdig ein. Das Trutzhaus beansprucht nur
den östlichen Teil der Parzelle des Beschwerdeführers, im westlichen Teil
befindet sich ein grosser terrassierter Garten mit alten Bäumen, der zurzeit
allerdings verwildert ist.

 Der Beschwerdeführer hat das Trutzhaus im Jahr 2009 erworben und beabsichtigt
mit dem umstrittenen Bauprojekt, die Liegenschaft zu sanieren, um sie nachher
selber zu bewohnen. Geplant sind ein Abbruch des westlichen Gebäudeteils des
Trutzhauses und dessen Ersatz durch einen Neubau, der weiter nach Westen
reicht. Vorgesehen sind zugleich wesentliche Veränderungen der Dachgestaltung
und der inneren Struktur des Gebäudes. Schliesslich soll der unbebaute
westliche Grundstücksteil zu einem Barockgarten umgestaltet werden.

2.

 Die Vorinstanz hat die Bewilligungsfähigkeit des Bauprojekts des
Beschwerdeführers anhand der massgeblichen Vorschriften des kantonalen
Planungs- und Baugesetzes vom 7. März 1989 (PBG; SRL 735) und des kommunalen
Zonenplans sowie des dazugehörigen Bau- und Zonenreglements vom 5. Mai 1994
(BZR) beurteilt. Sie hat bei ihrem Entscheid ausserdem die vom Grossen Stadtrat
Luzern verabschiedeten, aber noch nicht in Kraft getretenen Vorschriften des
neuen Bau- und Zonenreglements (nBZR) sowie den dazugehörigen Zonenplan und den
Teilzonenplan 1 (Altstadt/Bramberg/Wey) berücksichtigt. Aufgrund ihrer Prüfung
gelangt die Vorinstanz zum Schluss, dass das Bauprojekt in zwei Punkten nicht
bewilligungsfähig sei. Einerseits erfülle der vorgesehene neue Dachaufbau auf
der Nordseite die Anforderungen gemäss Art. 21 Abs. 9 BZR bzw. Art. 16 Abs. 7
nBZR und § 140 Abs. 1 PBG nicht. Anderseits sei der projektierte westliche
Anbau mit Art. 21 Abs. 4 BZR bzw. Art. 16 Abs. 3 nBZR nicht vereinbar. Die
Erteilung einer Ausnahmebewilligung komme dafür weder gemäss Art. 20 Abs. 8 BZR
bzw. Art. 15 Abs. 5 nBZR noch nach § 31 Abs. 5 PBG in der Fassung vom 7. März
1989 (aPBG) in Betracht.

 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, bei der Beurteilung des
geplanten neuen Dachaufbaus den Sachverhalt offensichtlich unrichtig
festgestellt zu haben. Die vorinstanzliche Beurteilung des westlichen Anbaus
kritisiert der Beschwerdeführer unter mehreren Gesichtspunkten. So sei die
Auslegung von Art. 21 Abs. 4 sowie von Art. 20 Abs. 8 BZR willkürlich.
Ausserdem liege die Verweigerung des westlichen Anbaus weder im öffentlichen
Interesse noch sei er verhältnismässig, da er auf ein faktisches Bauverbot
hinauslaufe. Der angefochtene Entscheid verletze aus diesem Grund auch die
Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV).

3.

 Neben der erwähnten materiellen Kritik erhebt der Beschwerdeführer auch
mehrere verfahrensrechtliche Rügen, die vorweg zu behandeln sind.
Der Vorwurf, die Vorinstanz habe ihren Entscheid bezüglich des Vorliegens einer
Ausnahmesituation ungenügend begründet und damit seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt, ist nicht berechtigt. Es geht
aus dem angefochtenen Urteil kIar hervor, warum die Vorinstanz in diesem Punkt
der Auffassung des Stadtrats Luzern nicht folgt, und der Beschwerdeführer war
ohne Weiteres in der Lage, den Entscheid in diesem Punkt in sachgerechter Weise
anzufechten.

 Auch der Einwand, die Vorinstanz hätte gemäss der von ihr vertretenen
Auslegung von Art. 21 Abs. 3 BZR eine Stellungnahme der kantonalen
Denkmalpflege einholen müssen, überzeugt nicht. Zunächst widerspricht sich der
Beschwerdeführer selber, da er in erster Linie geltend macht, Art. 21 Abs. 3
BZR schreibe gerade keine solche Stellungnahme vor. Aber auch unabhängig davon
ist eine Verletzung von Verfahrensrechten des Beschwerdeführers nicht zu
erkennen. Die Vorinstanz hat auf die Einholung einer Stellungnahme der
kantonalen Denkmalpflege verzichtet, weil sie davon ausgegangen ist, dass
aufgrund der engen Zusammenarbeit mit den städtischen Behörden deren Auffassung
in den städtischen Bewilligungsentscheid eingeflossen ist, sie dem Bauprojekt
also zugestimmt habe und die nachträgliche Einholung einer Stellungnahme keine
neuen Erkenntnisse erwarten lasse. Die Behauptung des Beschwerdeführers, bei
diesem Vorgehen sei nicht klar, warum die Denkmalpflege das Bauvorhaben
befürworte, trifft nicht zu. Die Vorinstanz durfte angesichts des engen
Zusammenwirkens davon ausgehen, dass diese Gründe in ausreichender Klarheit aus
dem städtischen Baubewilligungsentscheid hervorgehen.

 Schliesslich erscheint die Kritik an der Mitberücksichtigung der - weitgehend
übereinstimmenden - Vorschriften des neuen Bau- und Zonenreglements schwer
verständlich. Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Eingabe vom 31. Januar
2013 selber auf die erwähnten neuen Bestimmungen. Jedenfalls vermag er nicht
aufzuzeigen, inwiefern die Mitberücksichtigung der neuen Vorschriften auf einer
willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts beruhen sollte oder
verfassungsmässige Rechte verletzen könnte.

 Alle erhobenen formellen Rügen erweisen sich demnach als unbegründet.
Nachstehend ist zunächst die Bewilligungsfähigkeit der neuen Dachaufbaute auf
der Nordseite (E. 4 und 5) und anschliessend jene des westlichen
Erweiterungsbaus (E. 6-10) zu prüfen.

4.

 Das Bauprojekt sieht vor, auf der Nordseite des Trutzhauses die bestehenden
Dachgauben abzubrechen und westlich davon eine neue Dachaufbaute zu erstellen.
Die Vorinstanz hat erkannt, dass die bisherigen Dachgauben nicht schutzwürdig
sind und deshalb abgebrochen werden dürfen. Das ist unbestritten. Dagegen ist
streitig, ob sich die vorgesehene neue Dachaufbaute genügend in die bestehende
Dachlandschaft eingliedere.

 Die Zulässigkeit von Dachaufbauten beurteilt sich in der hier massgeblichen
Ortsbildschutzzone A nach Art. 21 Abs. 9 BZR bzw. dem -soweit hier
interessierend - gleichlautenden Art. 16 Abs. 7 nBZR. Danach müssen
Dachaufbauten hinsichtlich Grösse und Gestaltung in einem angemessenen
Verhältnis zum Dachkörper stehen. Massgebend ist zudem § 140 Abs. 1 PBG, wonach
Bauten und Anlagen in die bauliche und landschaftliche Umgebung einzugliedern
und sie zu untersagen sind, wenn sie durch ihre Grösse, Proportion, Gestaltung,
Bauart, Dachform oder Farbe das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen.
Die geplante neue Dachaufbaute ist nach den unbestrittenen FeststeIIungen der
Vorinstanz und den Plänen, auf die sie sich bezieht, mit einem schwach
rückwärts geneigten Flachdach versehen. Sie verfügt als einzige Fensteröffnung
über ein Oberlicht. Sie weist eine Breite von 5,1 Metern auf. Die Höhe beträgt
auf der Westseite 2,6 Meter und sinkt dann auf 2,2 Meter auf der Ostseite. Die
eigentümliche Form der Aufbaute erklärt sich aus ihrer Funktion als Treppenhaus
und Lichtschacht. Form, Volumen und Art des neuen Dachkörpers unterscheiden
sich stark von den bisher bestehenden Dachgauben.

 Die Vorinstanz stellte aufgrund des von ihr durchgeführten Augenscheins fest,
dass die Dachbauten in der Nachbarschaft des Baugrundstücks, die ebenfalls in
der Ortsbildschutzzone A liegen, moderate und den Ausmassen der jeweiligen
Dächer angepasste Volumen aufwiesen. Ausserdem seien sie allesamt in
traditionellen Formen gehalten. Fensterlose - oder wie im Bauprojekt - nur mit
Oberlichtern versehene Gauben kämen nicht vor. Gestützt auf diese
Feststellungen gelangte die Vorinstanz zum Schluss, dass die vom
Beschwerdeführer projektierte Dachaufbaute aufgrund ihrer Form und ihres
Volumens in der umliegenden Dachlandschaft einen Fremdkörper darstelle und
demnach dem Eingliederungsgebot gemäss § 140 Abs. 1 PBG widerspreche. Zudem
stehe ihre Grösse und Form nicht in einem angemessenen Verhältnis zur
Dachfläche, wie dies Art. 21 Abs. 9 BZR verlange.

5.

 Der Beschwerdeführer wendet sich allein gegen die erwähnten tatsächlichen
Feststellungen, welche die Vorinstanz getroffen hat. Er reicht als Beweismittel
neue Fotos ein, welche seine Kritik belegen sollen. Diese Noven sind zulässig,
da erst der angefochtene Entscheid zu ihrer Einreichung Anlass gegeben hat
(Art. 99 Abs. 1 BGG). Abgesehen davon handelt es sich um Aufnahmen, die im
Internet allgemein zugänglich sind.

 Bereits aus den am Augenschein erstellten Fotos geht hervor, dass die
Dachlandschaft in der Umgebung des Bauvorhabens ziemlich uneinheitlich ist und
insbesondere auch grössere Dachgauben und solche mit Flachdächern vorkommen
(vgl. insbes. Foto Nr. 22 der beim Augenschein erstellten Fotodokumentation).
Die vorinstanzliche Feststellung, die Dachaufbauten seien durchwegs moderat und
in traditionellen Formen gehalten, erscheint deshalb nicht haltbar. Der
Beschwerdeführer weist überdies darauf hin, dass das südliche Nachbarhaus an
der Mariahilfgasse 3 und das Hotel Q.________ Dachaufbauten aufwiesen, die im
Verhältnis zur Dachfläche überdimensioniert seien. Die vorinstanzliche
Feststellung, die Aufbauten in der Umgebung wiesen in den Ausmassen den
jeweiligen Dächern angepasste Volumen auf, erscheint deshalb ebenfalls
offensichtlich unzutreffend. Mit Grund streicht der Beschwerdeführer zudem
hervor, dass die geplante Dachgaube sogar weniger hoch ist als die bisher
bestehende. Hingegen bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht, dass die Form
und das Aussehen des vorgesehenen fensterlosen Aufbaus ungewöhnlich sind und
sich in der Nachbarschaft keine vergleichbaren Baukörper finden.

 Selbst wenn lediglich auf den zuletzt genannten Umstand abgestellt wird,
erscheint es vertretbar, nur die geplante Dachaufbaute die von § 140 Abs. 1 PBG
verlangte Eingliederung zu verneinen. Zudem ist zu beachten, dass Art. 21 Abs.
9 BZR für Dachbauten hinsichtlich Grösse und Gestaltung ein angemessenes
Verhältnis zum Dachkörper unabhängig davon verlangt, ob in der Nachbarschaft
Objekte existieren, die dieser Anforderung nicht entsprechen. Die Vorinstanz
konnte deshalb ohne Willkür zum Schluss gelangen, dass der geplante Dachaufbau
diesem Erfordernis nicht entspricht.

 Trotz einzelner offensichtlich unzutreffender Sachverhaltsfeststellungen
beruht der kantonale Entscheid in diesem Punkt somit auf einer vertretbaren
Auslegung und Anwendung der massgebenden kantonalen und kommunalen Normen, die
mit dem verfassungsrechtlichen Willkürverbot (Art. 9 BV) vereinbar sind. Der
Beschwerdeführer macht allerdings zu Recht geltend, dass aus diesem Grund nicht
dem gesamten Bauprojekt die Bewilligungsfähigkeit abgesprochen werden kann, da
sich dieser Mangel beheben lässt. Die Vorinstanz weist im Übrigen zu Recht
darauf hin, dass auch die Farbe und das verwendete Material einen wesentlichen
Einfluss auf das Aussehen der Dachaufbaute und ihre Eingliederung haben, diese
Punkte aber noch zu regeln sind.

6.

 Der zweite umstrittene Teil des Bauprojekts betrifft die Erweiterung des
Anbaus im rückwärtigen westlichen Bereich gegen den Garten hin. Das neue
Gebäude soll auf allen Geschossen um mehrere Meter bis auf die Fassadenflucht
des benachbarten Hauses im Süden bzw. bis an die Grenze der Ortsbildschutzzone
A verlängert werden. Dabei sollen die verschiedenen 1932 erstellten Bauteile
entfernt und insgesamt eine einheitlichere Gestaltung erreicht werden. Zugleich
ist vorgesehen, den in westlicher Richtung anschliessenden - in der
Ortsbildschutzzone C bzw. neu B gelegenen - Garten zu erhalten und neu zu
gestalten.
Der geplante Erweiterungsbau kommt ganz in die Ortsbildschutzzone A zu liegen.
Demnach sind die für diese Zone massgebenden Vorschriften anwendbar. Er
widerspricht nach Auffassung der kantonalen Instanzen Art. 21 Abs. 4 BZR bzw.
Art. 16 Abs. 3 nBZR. Danach dürfen bestehende Fluchten auf der Strassenseite,
aber auch bei rückwärtigen Fassaden und Hofräumen nicht überschritten werden.
Der vorgesehene Anbau hält diese Vorschrift nicht ein, da er nach Westen hin
verlängert wird und damit die bisherige Flucht überschreitet. Der Stadtrat
Luzern erteilte für diese Überschreitung eine Ausnahmebewilligung nach Art. 20
Abs. 8 BZR bzw. Art. 15 Abs. 5 nBZR. Die Vorinstanz hat demgegenüber die
Gewährung einer Ausnahme als unzulässig erklärt.

 Der Beschwerdeführer kritisiert zunächst die Anwendung von Art. 21 Abs. 4 BZR
auf die fragliche, nicht schützenswerte Fassade als willkürlich. Ebenso rügt er
die Verweigerung einer Ausnahmebewilligung durch die Vorinstanz als willkürlich
sowie zudem als unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie und
Wirtschaftsfreiheit.

7.

 In der Ortsbildschutzzone A sind die historische Bausubstanz und ihre
Strukturen grundsätzlich zu erhalten (Art. 21 Abs. 1 BZR bzw. Art. 16 Abs. 1
nBZR). Änderungen an der Bausubstanz dürfen aber vorgenommen werden, soweit sie
für die historische Struktur des Quartiers oder des Gebäudes nicht von
Bedeutung sind (Art. 21 Abs. 6 BZR bzw. Art. 16 Abs. 5 nBZR), und der Stadtrat
kann sogar die Entfernung störender Bauteile verlangen, wenn diese Teile vom
Umbau oder von der Restaurierung betroffen werden (Art. 20 Abs. 3 BZR bzw. Art.
15 Abs. 4 nBZR). Der Beschwerdeführer macht zu Recht geltend, dass Art. 21 Abs.
4 BZR bzw. Art. 16 Abs. 3 nBZR in diesem systematischen Zusammenhang zu
interpretieren ist.
Da die Ortsbildschutzzone A der Erhaltung der Bausubstanz dient, liegt es nahe,
die beiden zuletzt genannten Normen auf sämtliche Fluchten anzuwenden und nicht
nur auf die schützenswerten, wie dies der Beschwerdeführer geltend macht. Auch
nach dem Wortlaut werden alle Fluchten erfasst. Wohl ist das Interesse an der
Bewahrung der bestehenden Fluchten bei schützenswerten Fassaden besonders
gross, wie dies der Beschwerdeführer hervorhebt. Doch bezweckt die
Ortsbildschutzzone zusätzlich auch die Erhaltung der bestehenden baulichen
Strukturen. Ebenso wenig zwingt die Vorschrift, dass der Stadtrat in gewissen
Fällen eine Entfernung störender Bauteile verfügen kann, zu einer anderen
Auslegung. Denn es kann auch in solchen Fällen ein Ersatzbau wieder auf den
bisherigen Fluchten erstellt werden. Die Auslegung von Art. 21 Abs. 4 BZR bzw.
Art. 16 Abs. 3 nBZR schränkt die baulichen Möglichkeiten wohl sehr stark ein.
Doch kann übermassigen Eingriffen durch Gewährung von Ausnahmen Rechnung
getragen werden (vgl. E. 8-10). Unter diesen Umständen erweist sich die
Auslegung der genannten Normen durch die kantonalen Instanzen jedenfalls nicht
als willkürlich.
Der geplante Erweiterungsbau ist demnach nur zulässig, wenn dafür eine
Ausnahmebewilligung erteilt werden kann.

8.

 Als Grundlage für eine Ausnahmebewilligung für den westlichen Erweiterungsbau
kommt einerseits Art. 21 Abs. 4 BZR in Verbindung mit § 31 Abs. 5 aPBG und
anderseits Art. 20 Abs. 8 BZR bzw. Art. 15 Abs. 5 nBZR in Betracht. Die
Vorinstanz erklärt, dass eine Überschreitung der Baubegrenzungslinie gemäss
Art. 21 Abs. 4 BZR um mehrere Meter nicht mehr als geringfügig gelten könne und
daher eine Ausnahmebewilligung gestützt auf § 31 Abs. 5 aPBG nicht möglich sei.
Der Beschwerdeführer stellt diese Beurteilung nicht in Frage, so dass darauf
nicht weiter einzugehen ist. Nach Auffassung der Vorinstanz kann die
nachgesuchte Erweiterung jedoch auch nach der allgemeinen Ausnahmebestimmung
von Art. 20 Abs. 8 BZR bzw. Art. 15 Abs. 5 nBZR nicht bewilligt werden, was der
Beschwerdeführer wie bereits erwähnt als willkürlichen und unverhältnismässigen
Eingriff in die Eigentumsgarantie und Wirtschaftsfreiheit rügt.

 Nach Art. 20 Abs. 8 BZR kann der Stadtrat Ausnahmen von den Schutzvorschriften
gestatten, sofern besondere Verhältnisse dies rechtfertigen und die Ausnahme
dem Sinn und Zweck der Schutzzonen nicht widerspricht. Art. 15 Abs. 5 nBZR
lasst Abweichungen von den Schutzvorschriften zu, sofern ein qualitätsvolles
Bauprojekt vorliegt und die Abweichung dem Sinn und Zweck der Schutzanliegen
nicht widerspricht. Es handelt sich bei diesen Normen um kommunale
Ausnahmeregelungen, die gegenüber der allgemeinen kantonalen Bestimmung über
die Ausnahmen grundsätzlich den Vorrang haben (§ 37 Abs. 3 PBG; MISCHA BERNER,
Luzerner Planungs- und Baurecht, 2012, N. 1158). Da die erwähnten Normen
indessen weitgehend übereinstimmen, zieht die Vorinstanz zur Auslegung auch
ihre eigene Praxis zu § 37 PBG und die in Lehre und Rechtsprechung allgemein
anerkannten Grundsätze heran.

 Die Ausnahmebewilligung dient dazu, im Einzelfall Härten und vom Gesetzgeber
offensichtlich nicht gewollte Wirkungen zu vermeiden. Sie darf jedoch nicht
dazu eingesetzt werden, um generelle Gründe zu berücksichtigen, die sich
praktisch immer anführen lassen und im Ergebnis auf eine Änderung des Gesetzes
hinauslaufen (BGE 117 la 141 E. 4 S. 146; 117 Ib 125 E. 6d S. 134). Die
Ausnahmebewilligung dient somit der Verfeinerung der schematischen Norm im
besonders gelagerten Einzelfall. Sie soll es ermöglichen, jene Regelung zu
treffen, die der Gesetzgeber in Kenntnis der Verhältnisse vernünftigerweise
getroffen hätte ( ALDO ZAUGG/PETER LUDWIG, Baugesetz des Kantons Bern vom 9.
Juni 1985, Kommentar, Band 1, 4. Aufl. 2013, Vorbemerkungen zu den Art. 26-31,
N. 2). Nach feststehender Rechtsprechung erlauben persönliche oder finanzielle
Gründe wie der individuelle Raumbedarf oder der Wunsch nach einer möglichst
gewinnbringenden Nutzung des Grundstücks in der Regel die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung nicht. Eine solche setzt vielmehr objektive Besonderheiten
voraus, wie sie sich etwa aus der Lage und Form der Parzelle, der
Beschaffenheit des Baugrunds, dem Zweck des Bauvorhabens, technischen oder
planerischen Besonderheiten ergeben (BGE 107 la 214 E. 5 S. 216; ZAUGG/LUDWIG,
a.a.O., Art. 26-27, N. 5).

9.

 Nach den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen überschreitet der
geplante Erweiterungsbau die Baubegrenzungslinie gemäss Art. 21 Abs. 4 BZR um
etwas mehr als 5 Meter. Das ist bei einer gesamthaften Gebäudelänge von etwas
mehr als 20 Metern nicht unbeträchtlich. Weiter steht fest, dass das Bauprojekt
zu einer einheitlicheren Erscheinungsweise und städtebaulichen Körnung
beiträgt, da es die bestehenden unruhig wirkenden Anbauten beseitigt und die
neue westliche Fassade auf die gleiche Höhe wie jene des südlichen
Nachbarhauses legt. Die Vorinstanz spricht denn auch gleich wie der Stadtrat
Luzern von einem qualitätsvollen Bauprojekt.
Die kommunale Baubewilligungsbehörde hat weiter berücksichtigt, dass das
Baugrundstück in zwei verschiedenen Ortsbildschutzzonen - A und C nach der
bisherigen BZR bzw. A und B nach der nBZR - liege. Bereits daraus ergebe sich
eine Sondersituation, welche eine Ausnahmebewilligung rechtfertige. Im Bereich
der Ortsbildschutzzone C bzw. B könne der Beschwerdeführer ein frei stehendes
Wohnhaus erstellen und seinen Raumbedarf dort anstatt durch den geplanten
Erweiterungsbau decken. Eine solche Lösung sei jedoch städtebaulich weniger
gut, weil dadurch einerseits eine uneinheitliche städtebauliche Körnung
resuItiere und anderseits der wertvolle Gartenbereich stark beeinträchtigt
würde. Mit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung könne in beiden Punkten eine
bessere Lösung erzielt werden.
Die Vorinstanz verneint demgegenüber einen Ausnahmegrund. Sie erklärt, das
Zusammentreffen von zwei unterschiedlichen Ortsbildschutzzonen begründe keine
besonderen Verhältnisse, die eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen könnten. Es
sei möglich, eine Beruhigung der Westfassade auch ohne Ausnahmebewilligung
unter Beibehaltung der bisherigen Fassadenflucht zu erreichen.

10.

 Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, dass die Zuweisung einer Bauparzelle zu
zwei unterschiedlichen Zonen für sich allein keinen Grund für eine
Ausnahmebewilligung darstellt. Der Stadtrat Luzern hat allerdings - trotz
seiner unzutreffenden Ausdrucksweise - die besonderen Verhältnisse nicht aus
diesem Umstand allein hergeleitet. Wie aus seinen Erwägungen hervorgeht, waren
vielmehr ästhetische und städtebauliche Gründe ausschlaggebend. Solche können
indessen einen Grund für eine Ausnahmebewilligung bilden, wenn ohne sie eine
befriedigende Gestaltung nicht zu erreichen ist ( ZAUGG/LUDWIG, a.a.O., Art.
26-27, N. 5).

 Bei der Beurteilung der städtebaulichen Situation erklärt die Vorinstanz, die
wünschbare Beruhigung der westlichen Fassade lasse sich auch innerhalb der
bisherigen Fassadenfluchten und damit ohne Ausnahmebewilligung realisieren. Das
trifft zwar zu, übergeht indessen, dass damit die Erhaltung des Gartenbereichs
nicht gesichert erschiene, weil der Beschwerdeführer seine räumlichen
Bedürfnisse bei Wegfall des westlichen Anbaus dort befriedigen könnte. Im
Gartenbereich sind Neubauten grundsätzlich zulässig (Art. 23 Abs. 3 BZR bzw.
Art. 17 Abs. 3 nBZR). Der Beschwerdeführer hat eine solche Überbauung in
Erwägung gezogen und dieses Vorhaben den städtischen Behörden unterbreitet.
Letztere gehen davon aus, dass es möglich wäre, im Gartenbereich ein frei
stehendes Wohnhaus zu erstellen. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung dient
somit neben der Beruhigung des westlichen Gebäudeteils vor allem der
Freihaltung des Gartenbereichs. Das bewilligte Bauprojekt sieht dessen
Freihaltung und Umgestaltung vor.

 Unter den gegebenen Umständen ist es sachlich nicht vertretbar und damit
willkürlich, dem Stadtrat vorzuwerfen, er habe eine Ausnahmesituation zu
Unrecht bejaht. Dieser erteilte die Ausnahmebewilligung, um dem Sinn und Zweck
der geltenden Schutzzonenregelung möglichst gut zu entsprechen. So soll damit
gerade eine optimale Eingliederung der zusätzlichen Bausubstanz in die
bestehende städtebauliche Körnung und zugleich die Freihaltung des
Gartenbereichs erreicht werden. Auch in der bisherigen Gerichtspraxis ist
anerkannt worden, dass für eine Mehrlänge einer Baute eine Ausnahmebewilligung
erteilt werden kann, um mit Rücksicht auf umliegende denkmalgeschützte Gebäude
entstehende Mindernutzungen zu kompensieren ( ZAUGG/LUDWIG, a.a.O., Art. 26-27,
N. 5).

 Selbst wenn berücksichtigt wird, dass ein Neubau im bisherigen Gartenbereich
unter Umständen auf erhebliche Schwierigkeiten stossen könnte, lässt sich eine
Ausnahmesituation nicht verneinen. Denn der Beschwerdeführer weist zu Recht
darauf hin, dass sein 912 m2 umfassendes Grundstück auf einer deutlich
kleineren Fläche überbaut ist als die umliegenden Parzellen. Ihm jegliche
zusätzliche bauliche Nutzung seines Grundstücks zu untersagen, liefe auf eine
unverhältnismässige Beschränkung seines Eigentums hinaus. Wie die Vorinstanz
zutreffend ausführt, bezwecken die Ortsbildschutzzonen, schützenswerte
städtische Elemente und Ensembles in ihrem äusseren Erscheinungsbild zu
erhalten. Mit dem Bauprojekt wird dieses Ziel vollumfänglich erreicht.
Jedenfalls ist kein hinreichendes öffentliches Interesse erkennbar, das einen
Verzicht auf den projektierten westlichen Erweiterungsbau rechtfertigen könnte.
Auch sind namhafte Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht ersichtlich und im
bisherigen Verfahren auch nicht behauptet worden.

 Die vorinstanzliche Verweigerung der Ausnahmebewilligung verletzt aus diesen
Gründen die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV).

11.

 Gesamthaft ergibt sich, dass der westliche Erweiterungsbau bewilligungsfähig
ist, hingegen nicht die vorgesehene Dachaufbaute. Überdies sind alle erhobenen
formellen Rügen des Beschwerdeführers unbegründet.

 Die Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen und der angefochtene
Entscheid aufzuheben, soweit er die Bewilligungsfähigkeit des westlichen
Erweiterungsbaus verneint. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen. Da eine
Baubewilligung nur für das ganze Projekt erteilt werden kann, bleibt der
Beschluss der Stadt Luzern vom 31. August 2011 (StB 776) aufgehoben. Die
kantonalen Instanzen sind jedoch bei der Beurteilung eines neuen Projekts an
die bundesgerichtlichen Erwägungen gebunden.

 Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten den Parteien je zur Hälfte
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der nicht anwaltschaftlich vertretene
Beschwerdegegner hat praxisgemäss für das bundesgerichtliche Verfahren keinen
Anspruch auf eine Parteientschädigung. Demgegenüber hat der anwaltschaftlich
vertretene Beschwerdeführer Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung
(Art. 68 Abs. 2 BGG). Zur Neuverlegung der vorinstanzlichen Kosten und
Entschädigungen wird die Sache an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Kantonsgerichts Luzern vom 4. Juli 2012 aufgehoben, soweit er die
Bewilligungsfähigkeit des westlichen Erweiterungsbaus verneint.

 Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Parteien je zur Hälfte
auferlegt.

3. 
Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuregelung der vorinstanzlichen Kosten und Entschädigungen
an das Kantonsgericht Luzern zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Luzern sowie dem Kantonsgericht
Luzern, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Dezember 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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