Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.403/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1C_403/2012

Urteil vom 23. Mai 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Mattle.

1. Verfahrensbeteiligte
ARA Neugut, Otto-Jaag-Strasse 15, 8600 Dübendorf,
2. Politische Gemeinde Dübendorf, Usterstrasse 2, 8600 Dübendorf,
3. Politische Gemeinde Dietlikon, Bahnhofstrasse 60, 8305 Dietlikon,
4. Politische Gemeinde Wangen-Brüttisellen, 8306 Brüttisellen,
Beschwerdeführerinnen, alle vier vertreten durch Rechtsanwälte Lorenzo
Marazzotta und Dr. Mischa Morgenbesser,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich, Staatskanzlei, Neumühlequai 10, Postfach,
8090 Zürich,
handelnd durch die Baudirektion des Kantons Zürich, Generalsekretariat,
Abteilung Stab / Sektion Recht, Walcheplatz 2, 8090 Zürich.

Gegenstand
Klärschlamm-Entsorgungsplan 2015,

Beschwerde gegen das Urteil vom 13. Juni 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 31. August 2011 setzte der Regierungsrat des Kantons Zürich
den kantonalen Klärschlamm-Entsorgungsplan 2015 fest. Gemäss diesem Plan wird
ab dem 1. Juli 2015 der gesamte kommunale Klärschlamm, der in den
Abwasserreinigungsanlagen des Kantons Zürich anfällt, einer einzigen, zentralen
Klärschlammverwerungsanlage am Standort des Klärwerks Werdhölzli in Zürich
zugewiesen und dort verwertet (Dispositiv-Ziffer I.1). Die Inhaber der
kommunalen Abwasserreinigungsanlagen werden verpflichtet, ab diesem Zeitpunkt
ihren stabilisierten und entwässerten Klärschlamm in der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage anzuliefern (Dispositiv-Ziffer II). Eine von der
als interkommunale Anstalt organisierten Abwasserreinigungsanlage Neugut in
Dübendorf sowie den an ihr beteiligten politischen Gemeinden Dübendorf,
Dietlikon und Wangen-Brüttisellen gegen den Beschluss des Regierungsrats
gemeinsam erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am
13. Juni 2012 ab.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts haben die Abwasserreinigungsanlage
Neugut in Dübendorf sowie die an ihr beteiligten politischen Gemeinden
Dübendorf, Dietlikon und Wangen-Brüttisellen am 24. August 2012 gemeinsam
Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, das angefochtene Urteil
sei aufzuheben und die Inhaber der Abwasserreinigungsanlage Neugut in Dübendorf
seien zu verpflichten, ihren stabilisierten und entwässerten Klärschlamm erst
ab dem 1. Juli 2026, eventualiter ab dem 1. Juli 2021 in der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage am Standort des Klärwerks Werdhölzli in Zürich
abzuliefern.
Die Vorinstanz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die Baudirektion des Kantons Zürich beantragt handelnd für den
Regierungsrat ebenfalls, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Das vom Bundesgericht zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt
für Umwelt kommt zum Schluss, der Beschluss des Regierungsrats vom 31. August
2011 sei aus Sicht des Bundesrechts nicht zu beanstanden. Im weiteren
Schriftenwechsel halten die Beschwerdeführerinnen sowie die Baudirektion an
ihren Anträgen fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist der Entscheid vom 13. Juni 2012, mit welchem das
Verwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Klärschlamm-Entsorgungsplan 2015
abwies. Die Beschwerde richtet sich somit gegen einen Entscheid in
Angelegenheiten des öffentlichen Rechts, gegen den unter den Voraussetzungen
von Art. 82 ff. BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
offen steht.

2.
Wie schon vor der Vorinstanz stellen die Beschwerdeführerinnen den
Klärschlamm-Entsorgungsplan 2015 nicht als Ganzes in Frage. Wie aus den
Beschwerdebegehren und der Beschwerdebegründung hervorgeht, machen sie
insbesondere nicht geltend, die Anordnung, den bei ihrer
Abwasserreinigungsanlage anfallenden Klärschlamm der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage zuzuführen, sei grundsätzlich rechtswidrig.
Umstritten und möglicher Streitgegenstand vor Bundesgericht ist einzig die
Frage, ob die Beschwerdeführerinnen verpflichtet werden können, den bei der
Beschwerdeführerin 1 anfallenden Klärschlamm der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage bereits ab dem 1. Juli 2015 anzuliefern.

3.
Zur Beschwerde ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz
am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat
(lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist
(lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat
(lit. c). Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften sind zur
Beschwerde berechtigt, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen
die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt (Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG). Im
Hinblick auf Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass
die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind, soweit diese nicht
ohne Weiteres ersichtlich sind (BGE 133 II 400 E. 2 S. 403 f. mit Hinweis).

3.1 Die Beschwerdeführerinnen berufen sich nicht auf Art. 89 Abs. 2 BGG.
Hingegen soll sich ihre Legitimation aus Art. 89 Abs. 1 BGG ergeben. Diese
Regelung ist zwar in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann
sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen
Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer Weise
in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird und nicht bloss
das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung geltend macht (BGE
138 II 506 E. 2.1.1 S. 508 mit Hinweisen). Allerdings dürfen öffentliche
Gemeinwesen gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel nur restriktiv zur
Beschwerdeführung zugelassen werden (BGE 138 II 506 E. 2.2.1 S. 509 mit
Hinweisen). Die Beschwerdeführerinnen haben am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen. Sie machen geltend, mit der Anordnung, den bei ihrer
Abwasserreinigungsanlage anfallenden Klärschlamm ab dem 1. Juli 2015 der
zentralen Klärschlammverwertungsanlage zuzuführen, gehe die Pflicht einher, die
bisher von der Beschwerdeführerin 1 betriebene Klärschlammverwertungsanlage
ausser Betrieb zu nehmen. Dies begründe eine besondere Betroffenheit. Werde der
angefochtene Entscheid aufgehoben, könne die von der Beschwerdeführerin 1
betriebene Klärschlammverwertungsanlage bis zum 30. Juni 2026 weiter betrieben
werden, womit sie ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des
angefochtenen Entscheids hätten.

3.2 Die Frage, ob den Beschwerdeführerinnen die Pflicht auferlegt werden darf,
den bei ihrer Abwasserreinigungsanlage anfallenden Klärschlamm der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage bereits ab dem 1. Juli 2015 anzuliefern oder ob
sie dazu erst ab einem späteren Zeitpunkt verpflichtet werden dürfen, betrifft
nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen ihre wirtschaftlichen Interessen. Sie
machen geltend, durch die vorzeitige Ausserbetriebnahme der von der
Beschwerdeführerin 1 betriebenen Klärschlammverwertungsanlage entstehe ein
finanzieller Schaden in der Höhe von insgesamt Fr. 2'224'167.80, welcher sich
aus den Amortisationskosten der sanierten Anlage bis ins Jahr 2021 sowie
höheren jährlichen Transportkosten zusammensetze. Die Vorinstanz hingegen
stellt in Frage, ob mit der Verpflichtung, den bei der Beschwerdeführerin 1
anfallenden Klärschlamm der zentralen Klärschlammverwertungsanlage bereits ab
dem 1. Juli 2015 anzuliefern, wirtschaftliche Interessen der
Beschwerdeführerinnen beeinträchtigt werden (vgl. E. 4.6 des angefochtenen
Entscheids). Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, weil die
Beschwerdeführerinnen - wie nachfolgend aufzuzeigen ist - nicht im Sinne von
Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde ans Bundesgericht berechtigt sind, selbst
wenn man zum Schluss käme, sie würden durch die umstrittene Anordnung einen
finanziellen Schaden in der geltend gemachten Höhe erleiden.

3.3 Die Beschwerdeführerinnen legen nicht dar und es ist nicht ersichtlich,
inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG
gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen sein sollten. Die
Beschwerdeführerinnen handeln im Bereich der Abwasserreinigung gestützt auf
öffentliches Recht. Der Streit dreht sich auch nicht um finanzielle Leistungen
aus Rechtsverhältnissen, die zwar öffentlich-rechtlich geregelt sind, aber
Analogien haben zu entsprechenden privatrechtlichen Instituten wie etwa das
öffentliche Dienstrecht, das Staatshaftungsrecht oder das Enteignungsrecht
(vgl. BGE 138 II 506 E. 2.3 S. 511 mit Hinweisen). Allein der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin 1 öffentliche Aufgaben in der Form einer interkommunalen
Anstalt und damit eines (öffentlichen) Unternehmens erfüllt, führt nicht dazu,
dass die Beschwerdeführerinnen gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen
sind.

3.4 Die Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens wegen Betroffenheit in hoheitlichen
Befugnissen gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG setzt eine erhebliche Betroffenheit
in wichtigen öffentlichen Interessen voraus (BGE 138 II 506 E. 2.1.1 S. 509).
Auch finanzielle Interessen des Gemeinwesens, die mit einem angefochtenen
Entscheid verbunden sind, können unter Umständen für die Beschwerdeberechtigung
mitspielen. Es genügt zur Begründung des allgemeinen Beschwerderechts aber
nicht jedes beliebige, mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe direkt oder
indirekt verbundene finanzielle Interesse (BGE 138 II 506 E. 2.1.3 S. 510 mit
Hinweisen). Das Bundesgericht verneint daher die Legitimation, wenn es einzig
um die finanziellen Folgen der Verwaltungstätigkeit geht, welche das
Gemeinwesen in seiner Stellung als hoheitlich verfügende Behörde treffen. In
solchen Fällen deckt sich sein finanzielles Interesse mit der Frage der
richtigen Rechtsanwendung, was zur Legitimation nicht genügt (BGE 138 II 506 E.
2.3 S. 512 mit Hinweisen).
Sofern den Beschwerdeführerinnen durch die Verpflichtung, den bei der
Beschwerdeführerin 1 anfallenden Klärschlamm der zentralen
Klärschlammverwertungsanlage bereits ab dem 1. Juli 2015 anzuliefern,
tatsächlich ein finanzieller Schaden entsteht, ist dieser für die einzelnen
Beschwerdeführerinnen jedenfalls nicht derart hoch, dass bereits deswegen von
einer legitimationsbegründenden Betroffenheit in wichtigen Sachanliegen
gesprochen werden kann. Eine mit der umstrittenen Anordnung verbundene, über
den Einzelfall hinaus gehende präjudizierende finanzielle Belastung der
Beschwerdeführerinnen ist nicht ersichtlich, zumal sie nicht bestreiten, dass
die Klärschlammverwertung an einem zentralen Standort grundsätzlich
kostengünstiger ist. Dass die umstrittene Anordnung nicht nur wirtschaftliche
Interessen der Beschwerdeführerinnen, sondern weitere öffentliche Interessen
beeinträchtigen würde, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die
Beschwerdeführerinnen wenden sich gegen die Modalitäten der Umsetzung eines
Entsorgungskonzepts durch den übergeordneten (kantonalen) Aufgabenträger. In
solchen Fällen ist die Schwelle zur Anerkennung der für die allgemeine
Beschwerdebefugnis des nachgeordneten Gemeinwesens erforderlichen Betroffenheit
hoch anzusetzen. Streitigkeiten über die geeignete Erfüllung hoheitlicher
Sachaufgaben oder die Umsetzung von Konzepten im Verhältnis zwischen über- und
untergeordneten Gemeinwesen sind vorwiegend auf politischer Ebene zu bereinigen
und nicht vor den Gerichten auszutragen, da sie wenig justiziabel sind. Die
legitimationsbegründende Betroffenheit kann somit vorliegend nicht als erreicht
gelten.

3.5 Nichts anderes kann insbesondere auch für die Beschwerdeführerin 1 (ARA
Neugut) gelten. Diese verfügt zwar offenbar über eine eigene
Rechtspersönlichkeit (vgl. E. 1.3 des angefochtenen Urteils) und damit über
eine gewisse Selbständigkeit bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben
auf dem Gebiet der Abwasserreinigung. Indessen handelt es sich nur um den
Zusammenschluss der drei Verwaltungszweige der beteiligten
(beschwerdeführenden) Gemeinden zu einer interkommunalen Anstalt. Jedenfalls
wird nicht geltend gemacht, die Befugnisse und Aufgaben dieser Trägerschaft
seien umfassender als diejenigen der Gemeinden auf dem betreffenden Gebiet und
schliesse darüber hinaus gehende Aufgaben und Befugnisse mit ein. Auch die ARA
Neugut ist mithin - wie oben ausgeführt - nicht wie eine Privatperson
betroffen, sondern nur als Trägerin der übertragenen kommunalen
öffentlich-rechtlichen Aufgaben und hoheitlichen Interessen. Ihre Befugnis zur
selbständigen Vertretung öffentlicher Interessen auf dem Beschwerdeweg gestützt
auf Art. 89 Abs. 1 BGG geht demnach nicht über diejenige der Gemeinden hinaus,
die sich zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung zusammengeschlossen haben. Etwas
anderes wird nicht vorgebracht. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 ist
daher ebenso wenig zulässig wie diejenige der Beschwerdeführerinnen 2-4.

4.
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Den in ihrem
amtlichen Wirkungskreis handelnden Beschwerdeführerinnen sind keine
Gerichtskosten aufzuerlegen (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, dem Regierungsrat des Kantons
Zürich, Staatskanzlei, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung,
1. Kammer, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Mattle

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