Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.389/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_389/2012

Urteil vom 4. Dezember 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Winzeler,

gegen

1. Y.a.________,
2. Y.b.________,
Beschwerdegegner,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Kull-Baumgartner,

Gemeinderat Aeugst am Albis,
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Kull-Baumgartner.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 30. Mai 2012
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat Aeugst am Albis erteilte Y.a.________ und Y.b.________ am 10.
Juli 2007 die Baubewilligung für das Bauvorhaben "Teilabbruch und Teilneubau
Einfamilienhaus" auf dem Grundstück Kat.-Nr. 444 in der Wohnzone (W2). Als
Auflage wurde verfügt, dass keine zusätzlichen Geländeerhöhungen gestattet
seien in Bereichen, wo das bestehende Terrain bereits um mehr als 1.5 m höher
als das gewachsene Terrain liege; vor Baufreigabe seien der Gemeinde
entsprechende Schnittpläne zur Bewilligung einzureichen (Ziff. 2.5). Vor
Ausführung der Umgebungsarbeiten sei ein Umgebungsplan zur Bewilligung
vorzulegen (Ziff. 2.12).
Am 2. Oktober 2007 wurden Änderungen an der Dachneigung bewilligt.

B.
Am 13. Juli 2010 erteilte der Gemeinderat Aeugst am Albis Y.a.________ und
Y.b.________ die baurechtliche Bewilligung für die Terraingestaltung.
Dagegen erhob u.a. X.________ Rekurs an die Baurekurskommission II des Kantons
Zürich. Diese wies den Rekurs mit Entscheid vom 31. Januar 2012 ab. Die dagegen
gerichtete Beschwerde von X.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich am 30. Mai 2012 ab.

C.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat X.________ am 20. August 2012
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben.
Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
Die Beschwerdegegner, der Gemeinderat und das Verwaltungsgericht schliessen auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Die Beschwerdeführerin hat auf eine Replik verzichtet.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid des
Verwaltungsgerichts, der eine baurechtliche Bewilligung für die
Terraingestaltung bestätigt. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1
lit. d BGG). Die Beschwerdeführerin ist als Eigentümerin einer
Nachbarliegenschaft (Kat.-Nr. 1608) zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG); dies prüft
das Bundesgericht grundsätzlich von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die
Verletzung von Grundrechten (einschliesslich die willkürliche Anwendung von
kantonalem Recht) wird jedoch nur insoweit geprüft, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG); hierfür
gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254
mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und,
soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein.
Das Bundesgericht ist an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
gebunden, soweit dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden,
als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Umstritten sind Terrainveränderungen. Art. 17 der Bau- und Zonenordnung der
Gemeinde Aeugst am Albis vom 4. Dezember 1997 (BZO) bestimmt diesbezüglich
Folgendes:
"Gegenüber dem gewachsenen Boden sind bleibende Abgrabungen und Aufschüttungen
von mehr als 1.00 m in den Kernzonen und 1.50 m in den Wohnzonen nicht
gestattet. Davon ausgenommen sind Haus- und Kellerzugänge sowie Zufahrten zu
Sammelgaragen und bei einer guten Gesamtgestaltung auch für einzelne Garagen."
Streitig ist im vorliegenden Fall vor allem, ab welchem Terrainverlauf die
zulässige Höhe der Aufschüttungen (1.50 m) zu bestimmen ist.

2.1 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass bei Neubauten auf den
Terrainverlauf im Zeitpunkt der Baueingabe abzustellen sei. Auf frühere
Verhältnisse komme es nur bei Um- und Erweiterungsbauten an. Diese Praxis gelte
nicht nur für Bauprojekte auf bislang unbebauten Grundstücken, sondern auch
dann, wenn ein bestehendes Gebäude abgerissen und ein Neubau erstellt wird. Die
Baubewilligung vom 10. Juli 2007 sehe den Abbruch des bestehenden
Einfamilienhauses bis auf das Untergeschoss vor; dieses habe im Innern eine
Umgestaltung inklusive Grundrissänderungen erfahren. Über dem erneuerten
Untergeschoss seien sodann zwei neue Vollgeschosse erstellt worden. Die
Bausubstanz sei somit im Wesentlichen ausgetauscht worden. Damit sprenge das
bewilligte Projekt den Rahmen eines Umbaus und sei als Neubau zu qualifizieren.
Dass es in der ursprünglichen Baubewilligung vom 10. Juli 2007 als "Teilabbruch
und Teilneubau" bezeichnet worden sei, ändere daran nichts. Somit sei auf den
Terrainverlauf zum Zeitpunkt der Baueingabe 2007 abzustellen. Zwar sei die
Stammbaubewilligung vom 10. Juli 2007 vom gewachsenen Terrain von 1968
ausgegangen und habe keine zusätzlichen Terrainerhöhungen in den Bereichen
zugelassen, in denen die zulässige Aufschüttungshöhe von 1.5 m bereits
überschritten war. Der Gemeinderat habe jedoch in seinem Beschluss vom 13. Juli
2010 in Bezug auf die Terraingestaltung ein neues Projekt zu beurteilen gehabt.
Soweit dieses eine weitergehende als die bereits bewilligte Gestaltung vorsah,
sei der Gemeinderat nicht an frühere Entscheide gebunden gewesen. Es müsse den
kommunalen Behörden möglich sein, eine als falsch erkannte Praxis aufzugeben
und in einem neuen Bewilligungsverfahren zu korrigieren; dies zumindest dann,
wenn den Betroffenen daraus keine rechtlichen Nachteile erwachsen. Dies sei
vorliegend der Fall. Der Rechtsschutz der Beschwerdeführerin sei nicht
geschmälert worden.

2.2 Die Beschwerdeführerin hält es dagegen für unerheblich, ob das Bauvorhaben
aus heutiger Sicht als Neubau zu beurteilen sei; entscheidend sei, dass die
Baubewilligung 2007 von einem "Teilabbruch und Teilneubau" ausgegangen sei und
keine höheren Aufschüttungen als 1.5 m über dem gewachsenen Terrain von 1968
(gemäss Kanalisationsplan vom 30. Mai 1968) zugelassen habe. Auf diese Aussagen
hätten sich alle Beteiligten verlassen dürfen. Es widerspreche daher dem
Willkürverbot und dem Gebot von Treu und Glauben (Art. 9 BV), im Nachhinein von
einem Neubau auszugehen und für die Aufschüttungen auf das Terrain zur Zeit des
Baugesuchs 2007 abzustellen. Dieses Vorgehen habe eine willkürliche
Ungleichbehandlung und einen Rechtsnachteil für die Nachbarn zur Folge.

2.3 Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben statuiert ein
Verbot widersprüchlichen Verhaltens und verleiht einer Person Anspruch auf
Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges,
bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Voraussetzung für
eine Berufung auf Vertrauensschutz ist, dass die betroffene Person sich
berechtigterweise auf die Vertrauensgrundlage verlassen durfte und gestützt
darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig
machen kann. Die Berufung auf Treu und Glauben scheitert sodann, wenn ihr
überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (zu den Voraussetzungen im
Einzelnen vgl. BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f. mit Hinweisen).
Vorliegend kann offenbleiben, inwiefern die Beschwerdeführerin überhaupt auf
die Bezeichnung und die Bestandskraft der Stammbaubewilligung von 2007
vertrauen durfte, weil sie jedenfalls nicht darlegt, welche nachteilige, nicht
mehr rückgängig zu machende Disposition sie im Vertrauen auf diese Bewilligung
getätigt hat. Dies ist auch nicht ersichtlich.
Steht der Abänderung der Baubewilligung von 2007 somit das Prinzip des
Vertrauensschutzes nicht entgegen, ist nicht ersichtlich, weshalb es
willkürlich sein soll, eine zwischenzeitlich als falsch erkannte Auflage in
einem neuen Bewilligungsverfahren zu korrigieren.
Unbegründet ist auch die Rüge der Ungleichbehandlung, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann: Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die
Beschwerdeführerin oder andere Nachbarn in einer vergleichbaren Situation ohne
sachlichen Grund ungleich behandelt worden wären.

3.
Das Verwaltungsgericht ging weiter davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine
Überschreitung der nach Art. 17 BZO zulässigen Aufschüttung gegenüber dem
Terrain zur Zeit der Baueingabe 2007 (mit Ausnahme der ehemaligen
Garageneinfahrt, vgl. dazu unten E. 3.2) nicht hinreichend substanziiert
geltend gemacht habe und eine solche Überschreitung auch nicht ersichtlich sei
(E. 4.3 des angefochtenen Entscheids).

3.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet dies unter Berufung auf die von ihr
eingereichten Höhenkurvenpläne und Schnitte. Diese beruhen allerdings auf dem
angeblichen Terrainverlauf 1968 und nicht auf demjenigen bei Baueingabe 1970.
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht genügend auf, wo und inwiefern
Aufschüttungen von über 1.5 m gegenüber dem Terrainverlauf 1970 bewilligt
worden seien. Insofern ist auf ihre Beschwerde schon mangels genügender
Begründung nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG).

3.2 Unstreitig ist immerhin, dass die Aufschüttung im Bereich der ehemaligen
Garageneinfahrt mehr als 1.5 m beträgt.
Das Verwaltungsgericht hat jedoch (in E. 4.4) dargelegt, weshalb Senken und
Gruben, die durch den Abriss von Garagen, Untergeschossen und dergleichen
entstanden sind, für die Bestimmung des Terrainverlaufs nicht massgeblich
seien; auch Art. 17 BZO könne so verstanden werden, dass Aufschüttungen zur
Auffüllung von ehemaligen Garageneinfahrten ausgenommen seien. Die
Beschwerdeführerin setzt sich mit dieser Argumentation nicht auseinander und
legt nicht dar, inwiefern sie willkürlich sei.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 und 68 BGG). Bei der Bemessung der
Parteientschädigung ist allerdings zu berücksichtigen, dass Rechtsanwältin
Kull-Baumgartner auch im Namen der Gemeinde Aeugst am Albis gehandelt hat, die
ihrerseits keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat (Art. 68 Abs. 3
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Aeugst am Albis und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 4. Dezember 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber