Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.385/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1C_385/2012

Urteil vom 17. Dezember 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Verfahrensbeteiligte
Peter Wildberger,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Thurgau, Regierungsgebäude, Postfach, 8510
Frauenfeld, vertreten durch Markus Bürgi, Rechtsanwalt,
Grosser Rat des Kantons Thurgau, Staatskanzlei, Parlamentsdienste,
Schlossmühlestrasse 9, 8510 Frauenfeld,

Gegenstand
Volksabstimmung vom 23. September 2012 zum Beschluss vom 14. März 2012 über die
Erweiterung des Strassennetzes (Netzbeschluss) und zur Änderung vom 28. März
2012 des Gesetzes über die Strassenverkehrsabgaben,

Beschwerde gegen den Netzbeschluss des Grossen Rates und gegen die Botschaft
des Regierungsrates zur Volksabstimmung.

Sachverhalt:

A.
Der Grosse Rat des Kantons Thurgau fasste am 14. März 2012 den Beschluss über
die Erweiterung des Strassennetzes (Netzbeschluss) durch zwei neue
Kantonstrassen (Bodensee-Thurtalstrasse, BTS; Oberlandstrasse, OLS). Der
Beschluss hat folgenden Wortlaut:
"1. Gestützt auf § 5 Absatz 3 des Gesetzes über Strassen und Wege werden die
nachfolgenden Strassenverbindungen in das Netz der Kantonsstrassen aufgenommen:

1.1 Bodensee-Thurtalstrasse (BTS)
Wigoltingen-Weinfelden-Amriswil-Arbon
(...)

1.2 Oberlandstrasse (OLS)
Kemmental-Langrickenbach-Amriswil
(...)

2. Es wird festgestellt, dass die beiden Strassenverbindungen gemäss Ziffer 1
dieses Beschlusses keine Ortsumfahrungen im Sinne von § 27 Absatz 1 des
Gesetzes über Strassen und Wege darstellen und damit keine Gemeindebeiträge
erhoben werden.

3. Ziffer 1 dieses Beschlusses untersteht der Volksabstimmung."

B.
Die Volksabstimmung über den genannten Netzbeschluss setzte der Regierungsrat
des Kantons Thurgau auf den 23. September 2012 fest. Er erliess am 26. Juni
2012 die Botschaft zuhanden der Stimmberechtigten und publizierte sie im
Amtsblatt des Kantons Thurgau vom 13. Juli 2012. Darin erläuterte er die
Vorlage und sprach sich mit dem Grossen Rat für die Annahme des Netzbeschlusses
aus.
Gleichzeitig mit dem Netzbeschluss war für den 23. September 2012 die
Volksabstimmung über die Änderung vom 28. März 2012 des Gesetzes über die
Strassenverkehrsabgaben angesetzt. Der Regierungsrat veröffentlichte die
Botschaft zuhanden der Stimmberechtigten in derselben Ausgabe des Amtsblatts.

C.
Peter Wildberger hat am 12. August 2012 (Postaufgabe am 13. August 2012) beim
Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde erhoben. Die Beschwerde betrifft nach ihrer
Überschrift sowohl den Netzbeschluss wie auch die Änderung des Gesetzes über
die Strassenverkehrsabgaben. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der
regierungsrätlichen Abstimmungsbotschaften, allenfalls die Aufhebung der
Abstimmungen. Er macht zum einen geltend, mit dem Netzbeschluss werde das Gebot
der Einheit der Materie verletzt, zum andern, die Abstimmungsbotschaften
hielten vor dem Gebot der Neutralität und Objektivität nicht stand.
Das Büro des Grossen Rates beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf eingetreten werden könne. Denselben Antrag stellt der Regierungsrat.
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer am Antrag auf Aufhebung der
Abstimmung über den Netzbeschluss fest; in Bezug auf das Gesetz über die
Strassenverkehrsabgaben hat er seine Beschwerde wegen Gegenstandslosigkeit
zurückgezogen. An seinen Anträgen hält auch der Regierungsrat in seiner Duplik
fest. Daraufhin hat sich der Beschwerdeführer nochmals kurz vernehmen lassen.

D.
Anlässlich der Volksabstimmung vom 23. September 2012 haben die
Stimmberechtigten den Netzbeschluss mit 46'267 Ja-Stimmen gegen 38'506
Nein-Stimmen angenommen. Die Änderung des Gesetzes über die
Strassenverkehrsabgaben haben sie verworfen (Amtsblatt vom 28. September 2012,
S. 2413).

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde in Bezug auf die Änderung des
Gesetzes über die Strassenverkehrsabgaben zurückgezogen. Davon ist Vormerk zu
nehmen.

1.2 Die vorliegende Beschwerde ist eine Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von Art.
82 lit. c BGG. Angefochten werden Vorbereitungshandlungen zu einer
Volksabstimmung. Streitgegenstand bildet zum einen der Beschluss des Grossen
Rates über die Erweiterung des Strassennetzes (Netzbeschluss), dem der
Beschwerdeführer eine Verletzung der Einheit der Materie vorwirft. Zum andern
die Abstimmungsbotschaft des Regierungsrats, die nach Auffassung des
Beschwerdeführers das Gebot der Objektivität verletzen soll. Beides kann nach
Art. 88 Abs. 2 BGG direkt beim Bundesgericht angefochten werden, da in dieser
Hinsicht kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung steht. Die gegen eine
Vorbereitungshandlung gerichtete Beschwerde wird, wenn der Urnengang in der
Zwischenzeit ergangen ist, als gegen die Abstimmung gerichtet verstanden (vgl.
BGE 136 I 376, nicht publ. E. 1.1; Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E.
1.2, in ZBl 111/2010 S. 162); in diesem Sinne ersuchte der Beschwerdeführer
zulässigerweise von Anfang an auch um Aufhebung der Abstimmung.

1.3 Der Regierungsrat erachtet die Beschwerde als verspätet und beantragt ein
Nichteintreten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Mängel hinsichtlich von
Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen sofort und vor
Durchführung des Urnenganges zu rügen. Diese Praxis bezweckt, dass Mängel
möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und der
Urnengang nicht wiederholt zu werden braucht. Unterlässt dies der
Stimmberechtigte, so verwirkt er im Grundsatz das Recht zur Anfechtung der Wahl
oder Abstimmung. Es wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht
vereinbar, wenn ein Mangel vorerst widerspruchslos hingenommen wird und
hinterher die Wahl oder Abstimmung, soweit deren Ergebnis nicht den Erwartungen
entspricht, wegen eben dieses Mangels angefochten würde (BGE 118 Ia 271 E. 1d
S. 274; 118 Ia 415 E. 2a S. 417; 110 Ia 176 E. 2a S. 178 ff.; zum Ganzen Urteil
1C_217/ 2008 vom 3. Dezember 2008 E. 1.2, in ZBl 111/2010 S. 162; Urteil 1P.223
/2006 vom 12. September 2006 E. 1, in: ZBl 108/2007 S. 332).
Für die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist eingehalten
und rechtzeitig Beschwerde erhoben hat, ist zwischen den beiden
Streitgegenständen zu differenzieren.
In Bezug auf die Botschaft des Regierungsrats an die Stimmberechtigten ist
davon auszugehen, dass diese am 26. Juni 2012 verabschiedet und am 13. Juli
2012 im Amtsblatt Nr. 28 des Kantons Thurgau veröffentlicht worden ist. Von da
an begann die Beschwerdefrist zu laufen. Sie beträgt nach der allgemeinen Regel
von Art. 100 Abs. 1 BGG dreissig Tage. Entgegen der Auffassung des
Regierungsrats bedeutet die Praxis des Bundesgerichts nicht, dass die
ordentliche Rechtsmittelfrist nicht voll ausgenützt werden dürfte (vgl. BGE 110
Ia 176 E. 2a S. 178). Mit Blick auf die Publikation im Amtsblatt - und zudem
unter Berücksichtigung von Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG - ist die Beschwerdefrist
mit der am 13. August 2012 zur Post gegebenen Beschwerde gewahrt. Unter diesem
Gesichtswinkel ist auf die Beschwerde einzutreten.
In Bezug auf den Netzbeschluss des Grossen Rates vom 14. März 2012 ist darauf
abzustellen, dass er im Amtsblatt Nr. 12 vom 23. März 2012 veröffentlicht
worden ist. Die Frist zur Anfechtung wegen Verletzung der Einheit der Materie
hat mit diesem Datum zu laufen begonnen (vgl. Urteil 1P.223/2006 vom 12.
September 2006 E. 1, in: ZBl 108/2007 S. 332). Dies bedeutet, dass die
Beschwerde vom 13. August 2012 bezüglich des Netzbeschlusses offensichtlich
verspätet ist. Der Netzbeschluss kann daher nicht mehr angefochten werden. Auf
die Beschwerde ist demnach nicht einzutreten, soweit mit ihr eine Verletzung
des Grundsatzes der Einheit der Materie gerügt wird.
Gleich verhält es sich mit den Vorbringen, in Anbetracht einer möglichen
Übernahme der BTS durch den Bund handle es sich bei der Abstimmung um eine
unzulässige Konsultativabstimmung. Auch auf die Rüge der Verletzung der
Rechtsgleichheit, weil eine Ausnahme vom Grundsatz der Kostenbeteiligung der
umfahrenen Gemeinden vorgesehen werde, kann nicht eingetreten werden. Diese
Rügen zielen auf den Inhalt des Netzbeschlusses ab. Dieser kann, wie dargetan,
im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt werden.

1.4 Unter dem Titel "Vernachlässigung der Aufsichtspflicht" wirft der
Beschwerdeführer den Thurgauer Gemeindebehörden in pauschaler Weise "einseitige
Lobreden auf die Strassenprojekte" vor und macht geltend, das zuständige
Departement habe es unterlassen, die Gemeinden zur Neutralität anzuhalten. Er
nimmt zwar Bezug auf einen Vorstoss von Markus Bösch, unterlässt es indes,
seine Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen. In
diesem Punkt ist auf die Beschwerde ebenfalls nicht einzutreten.

1.5 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. In Bezug auf
Grundrechte sind entsprechende Rügen vorzubringen und zu begründen. Mit der
vorliegenden Beschwerde rügt der Beschwerdeführer zwar nicht ausdrücklich
Verletzungen von Art. 34 Abs. 2 BV oder der darin enthaltenen
Abstimmungsfreiheit, nimmt aber Bezug auf die entsprechende bundesgerichtliche
Praxis und beanstandet die mangelnde Objektivität der regierungsrätlichen
Abstimmungsbotschaft. Obwohl der Beschwerdeführer teils appellatorische Kritik
übt, kann unter dem Gesichtswinkel der Begründungserfordernisse auf die
Beschwerde eingetreten werden.

2.
Der Beschwerdeführer rügt in mancherlei Hinsicht Verletzungen des Gebots der
Neutralität und der Objektivität. Er wirft dem Regierungsrat einerseits vor,
die Argumente der Gegner der Vorlage in der Abstimmungsbotschaft nur kurz und
verkürzt zum Ausdruck zu bringen, anderseits, fachlich unhaltbare und falsche
Behauptungen, Aussagen und Prognosen zu machen und damit die Stimmberechtigten
irrezuführen.

2.1 Die in Art. 34 Abs. 2 BV als Grundrecht verankerte Abstimmungsfreiheit gibt
den Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und
unverfälscht zum Ausdruck bringt. Es soll garantiert werden, dass jeder
Stimmberechtigte seinen Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und
umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen und entsprechend mit seiner
Stimme zum Ausdruck bringen kann. Die Abstimmungsfreiheit gewährleistet die für
den demokratischen Prozess und die Legitimität direktdemokratischer
Entscheidungen erforderliche Offenheit der Auseinandersetzung (vgl. BGE 138 I
61 E. 6.2 S. 82; 135 I 292 E. 2 S. 293, je mit Hinweisen).
Das Ergebnis eines Urnengangs kann u.a. durch eine unzulässige behördliche
Beeinflussung der Willensbildung der Stimmberechtigten im Vorfeld von
Urnengängen verfälscht werden. Eine solche fällt namentlich in Bezug auf
amtliche Abstimmungserläuterungen in Betracht (vgl. BGE 138 I 61 E. 6.2 S. 82;
135 I 292 E. 2 S. 293, je mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung sind behördliche Abstimmungserläuterungen oder
Abstimmungsbotschaften, in denen eine Vorlage erklärt und zur Annahme oder
Ablehnung empfohlen wird, unter dem Gesichtswinkel der Abstimmungsfreiheit
zulässig. Die Behörde ist dabei zwar nicht zur Neutralität verpflichtet - und
darf eine Abstimmungsempfehlung abgeben -, wohl aber zur Sachlichkeit. Sie
verletzt ihre Pflicht zu objektiver Information, wenn sie über den Zweck und
die Tragweite der Vorlage falsch orientiert. Dem Erfordernis der Objektivität
genügen Abstimmungserläuterungen, wenn die Aussagen wohlabgewogen sind und
beachtliche Gründe dafür sprechen, wenn sie ein umfassendes Bild der Vorlage
mit ihren Vor- und Nachteilen abgeben und den Stimmberechtigten eine
Beurteilung ermöglichen oder wenn sie trotz einer gewissen Überspitzung nicht
unwahr und unsachlich bzw. lediglich ungenau und unvollständig sind. Die
Behörde muss sich nicht mit jeder Einzelheit einer Vorlage befassen und nicht
alle denkbaren Einwendungen, welche gegen eine Vorlage erhoben werden können,
erwähnen. Im Sinne einer gewissen Vollständigkeit verbietet das Gebot der
Sachlichkeit indessen, in den Abstimmungserläuterungen für den Entscheid des
Stimmbürgers wichtige Elemente zu unterdrücken, für die Meinungsbildung
bedeutende Gegebenheiten zu verschweigen oder Argumente von gegnerischen
Referendums- oder Initiativkomitees falsch wiederzugeben (vgl. BGE 138 I 61 E.
6.2 S. 82, 135 I 292 E. 4.2 S. 297, je mit Hinweisen).

2.2 Die umstrittene Abstimmungsbotschaft enthält in einem ersten Kapitel "Worum
geht es?" eine kurze Einführung über den Abstimmungsgegenstand. Im Kapitel "Die
Vorlage im Überblick" wird der Netzbeschluss erläutert, in den Zusammenhang mit
dem neuen kantonalen Richtplan ("Ziele der Raumordnungspolitik" und
"Raumkonzept Thurgau") gestellt und als Teil einer umfassenden Verkehrspolitik
dargestellt. Dieser Teil enthält die Einschätzungen zur Zunahme und Umlagerung
des Strassenverkehrs, auf denen das Projekt basiert. Darin findet sich auch die
Darstellung der Argumente der Gegnerschaft. Das Kapitel "Generelle
Linienführung" enthält Erläuterungen, Kartenausschnitte und Fotomontagen zu
einzelnen Streckenabschnitten. Die "Zahlen und Fakten zu BTS und OLS" zeigen
die Grundlagen des Netzbeschlusses auf. Am Schluss finden sich die Empfehlung
des Regierungsrats und der Text des Netzbeschlusses des Grossen Rats.

2.3 Der Beschwerdeführer bezieht sich teils auf die regierungsrätlichen
Ausführungen zur Volksabstimmung vom 25. September 2005. Diese bilden nicht
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Teils weist der Beschwerdeführer
auf die Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom 13. Dezember 2011
hin. Diese richtete sich ausschliesslich an den Grossen Rat, wurde den
Stimmberechtigten nicht zugestellt und betrifft daher deren politische Rechte
nicht (vgl. BGE 138 I 61 E. 7.3 S. 86). Ebenso wenig werden die
Stimmberechtigten durch die kritisierte parlamentarische Diskussion betroffen.
Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

2.4 Vorerst bemängelt der Beschwerdeführer, dass die Abstimmungserläuterungen
von rund 40 Seiten den Contra-Argumenten weniger als eine Seite widmeten. Dabei
übersieht er, dass die Erläuterungen zum Netzbeschluss lediglich 19 Seiten
umfassen und diese zudem Texte, Diagramme und Kartenausschnitte einschliessen.
Ein gewisser Teil davon entfällt auf allgemeine Erklärungen zur Ausgangslage,
zu vorangegangenen Vorlagen und zur Natur von Netzbeschlüssen. Demgegenüber
werden die Argumente der Gegnerschaft auf einer knappen Seite dargelegt. Die
Darstellung dieser Argumente erscheint trotz ihrer Kürze sehr umfassend,
neutral und informativ. Sie erlaubt es den Stimmberechtigten, sich ein gutes
Bild über die ernsthaften Bedenken der Gegner zu machen, diese den
befürwortenden Ausführungen des Regierungsrats gegenüber zu stellen und sich
auf diese Weise eine eigene Meinung zu bilden. Im Übrigen stammt dieser Text
weitestgehend von den Projekt-Gegnern selber und kann insoweit Authentizität
beanspruchen. Schliesslich verkennt der Beschwerdeführer, dass der
Regierungsrat nach konstanter Rechtsprechung nicht zur Neutralität verpflichtet
ist, sondern das Gebot der Sachlichkeit zu beachten hat. Es ist ihm daher
unbenommen, den Abstimmungsgegenstand in befürwortenden Sinne zu präsentieren
und dazu eine Abstimmungsempfehlung abzugeben (vgl. Urteil 1C_412/2007 vom 18.
Juli 2008 E. 5.2, in: ZBl 111/2010 S. 507). Eine Verletzung der
Abstimmungsfreiheit liegt in dieser Hinsicht nicht vor. Zu prüfen verbleibt, ob
die Abstimmungsbotschaft dem Gebot der Sachlichkeit entspricht.

2.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Botschaft enthalte in
verschiedenster Hinsicht unhaltbare und falsche Behauptungen, irreführende,
irreleitende und falsche Aussagen sowie Verniedlichung und Schönfärberei von
Sachproblemen; teils fehlten darin wichtige Angaben. Im Einzelnen bezieht sich
seine Kritik auf 1) die Entwicklung und Zunahme des Verkehrs und dessen
Schwerpunkte, 2) die Lenkung und Kanalisierung des Verkehrsaufkommens, 3) die
Lösung der Verkehrsprobleme, 4) die Entlastung der Ortschaften von Verkehr,
Lärm und Abgasen, 5) die Rahmenbedingungen der Wirtschaft, 6) die Wirkung des
Vorhabens auf die Landwirtschaft, 7) die Qualifizierung von BTS und OLS als
wichtiges Zukunftsprojekt, 8) die Klarheit der Kosten und Finanzierung, 9) die
positiven Effekte der Vorlage, 10) den Inhalt der Vorlage, 11) die
Verkehrsverlagerung und 12) den Mehrverkehr. Bemängelt wird darüber hinaus das
Fehlen von Angaben zur künftigen Verkehrssicherheit.
Diesen Beanstandungen ist gemeinsam, dass sie sich einerseits auf
Einschätzungen der aktuellen Situation, andererseits auf Prognosen und
Erwartungen beziehen, die der Regierungsrat der Abstimmungsbotschaft zugrunde
legte. Einschätzungen von Ausgangssitutationen können je nach Blickwinkel
unterschiedlich ausfallen, und es haften ihnen in verschiedener Hinsicht
Unsicherheiten an. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sie nicht teilt oder
er gestützt auf andere Unterlagen zu abweichenden Bewertungen gelangt, belegt
für sich allein keine Irreführung durch den Regierungsrat (vgl. Urteil 1C-373/
2010 vom 21. Februar 2011 E. 4.3, in: ZBl 112/2011 S. 382). Insoweit ist nicht
zu beanstanden, dass in den Erläuterungen von einem überdurchschnittlichen
Wachstum der Thurgauer Bevölkerung, von einem stark gewachsenen
Verkehrsaufkommen und von einer starken Verkehrsbelastung auf der Thurtal-/
Aachtal-Achse und in den Agglomerationsgemeinden Kreuzlingen und Frauenfeld die
Rede ist.
Ähnlich verhält es sich mit Prognosen und Erwartungen. Sie basieren auf
Modellen und Szenarien, weisen in die Zukunft und sind von vornherein von
unterschiedlichsten und unabsehbaren Entwicklungen beeinflusst. Dementsprechend
können die Bewertungen je nach Blickwinkel stark auseinandergehen, ohne dass
eine Irreführung der Stimmberechtigten oder eine Verletzung der
Abstimmungsfreiheit angenommen werden müsste (vgl. Urteil 1P.63/1997 vom 18.
Juni 1997 E. 4c, in: ZBl 99/1998 S. 89). Auch der Umstand, dass in
Abstimmungserläuterungen enthaltene Prognosen sich im Nachhinein als
unzutreffend oder falsch erweisen, stellt für sich genommen keine Irreführung
der Stimmberechtigten dar. Denn es kann nie ausgeschlossen werden, dass äussere
Umstände in unvorhersehbarer Weise Veränderungen in den tatsächlichen
Verhältnissen hervorrufen. Das trifft insbesondere auf Vorhersagen im Bereich
der wirtschaftlichen Entwicklung zu. Es gilt gleichermassen für Vorhersagen
über das Wachstum von Bevölkerung oder Verkehrsaufkommen, desgleichen für die
Auswirkung von lenkenden Massnahmen. Unter dem Gesichtswinkel der
Abstimmungsfreiheit wird den Stimmberechtigten im Allgemeinen zugetraut, mit
Prognosen richtig umzugehen und deren Relativität in ihre Meinungsbildung
einzubeziehen. Von Bedeutung ist, in welchem Umfeld den Stimmberechtigten die
entsprechenden Vorhersagen vorgelegt werden (vgl. zum Ganzen BGE 138 I 61 E.
8.4 S. 91).
Im vorliegenden Fall beruft sich der Regierungsrat für die Entwicklung von
Bevölkerung und Verkehr auf das sog. mittlere Szenario des Bundesamtes für
Statistik, das er für plausibel hält. Er zieht Studien und Modellrechnungen in
seine Darstellung ein. Er vergleicht die Zahlen zum durchschnittlichen
täglichen Verkehr auf dem Thurgauer Strassennetz (DTV) von heute mit den
Prognosen für 2030. Im Kapitel "Zahlen und Fakten" führt er den DTV 2011, die
Prognose DTV 2030 ohne BTS und OLS und die Prognose DTV 2030 mit BTS und OLS
auf und weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Zahlen Ungenauigkeiten
aufweisen. Gestützt auf diese Angaben konnten die Stimmberechtigten die
Relativität der Prognosen und Zahlen erkennen und diesen allenfalls für ihre
Meinungsbildung abweichende Auffassungen oder Berechnungen gegenüberstellen
(vgl. BGE 138 I 61 E. 8.4 S. 91 mit Hinweis auf die bundesgerichtliche Praxis).
In diesem Sinne beruft sich denn auch der Beschwerdeführer etwa darauf, dass
bei den Berechnungen gewisse Faktoren ausser acht gelassen worden seien oder
dass Studien eines Ingenieurbüros in verschiedener Hinsicht zu abweichenden
Ergebnissen gelangten. Solche unterschiedliche Sichtweisen und die im
vorliegenden Fall ausgewiesenen Unsicherheiten vermögen keine Irreführung der
Stimmberechtigten zu belegen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der
Regierungsrat nicht jegliche Quelle namentlich nannte, hat er sich doch um
Kürze und Leserlichkeit der Erläuterungen zu bemühen. Die Kritik des
Beschwerdeführers am Strassenprojekt als solchem kann nicht mit der
Beanstandung der Abstimmungserläuterungen gleichgesetzt werden (vgl. Urteil
1C_373/ 2010 vom 21. Februar 2011 E. 4.3, in: ZBl 112/2011 S. 382).
Ähnlich verhält es sich mit den in der Abstimmungsbotschaft genannten Zielen:
1) Bereitstellung zeitgemässer regionaler Strassenverbindungen, 2) Entlastung
der Ortsdurchfahrten von Verkehr, Lärm und Abgasen, 3) Schonung, Erhaltung und
Stärkung der Thurgauer Landschaft, Landwirtschaft und Natur, 4) Stärkung des
Wirtschaftsstandorts Oberthurgau, 5) Bereitstellung eines leistungsfähigen und
koordinierten Gesamtverkehrssystems (privater Verkehr, öffentlicher Verkehr und
Langsamverkehr, 6) besserer Verkehrsfluss in der Osthälfte des Kantons ohne
Transiteffekte. Die Angabe dieser Ziele wird unter dem Gesichtswinkel der
Abstimmungsfreiheit nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beschwerdeführer
Zweifel daran hegt und etwa geltend macht, Natur und Landwirtschaft würden
durch den Bau der beiden umstrittenen Strassen nicht geschützt oder die
Rahmenbedingungen für die Wirtschaft nicht nachhaltig gefördert. Abweichende
Auffassungen des Beschwerdeführers vermögen für sich keine Irreführung der
Stimmberechtigten durch den Regierungsrat zu begründen.

2.6 Schliesslich hält der Beschwerdeführer dem Regierungsrat vor, in der
Abstimmungsbotschaft keinerlei Hinweise auf die Verkehrssicherheit und auf die
Gefahren von zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsunfällen aufgenommen zu haben.
In der Abstimmungsbotschaft wird darauf hingewiesen, dass die Autostrasse BTS
mit einer Geschwindigkeit von 80-100 km/h, die Hauptstrasse OLS mit einer
solchen von 50-80 km/h befahren würden. Im Gegensatz zur Vorlage von 2005 sind
tiefere Fahrgeschwindigkeiten vorgesehen. Die OLS soll neu nicht mehr als
kreuzungsfreie Autostrasse, sondern als Hauptstrasse erbaut werden.
Schliesslich finden sich in der Botschaft die Befürchtungen der Gegner der
Vorlage, dass es auf der als Autostrasse konzipierten BTS mit Tempi zwischen 80
und 100 km/h zu schweren Unfällen kommen könnte.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Stimmberechtigten über hinreichende
Kenntnisse betreffend die mit dem Bau von Strassen im Allgemeinen und von
Autostrassen im Speziellen verbundenen Gefahren verfügen. Die
Abstimmungsbotschaft weist die vorgesehenen Strassentypen aus. Die darin
enthaltenen Hinweise erlauben den Stimmberechtigten ohne Weiteres eine eigene
Meinungsbildung. Die Abstimmungsbotschaft ist auch unter dem Gesichtswinkel der
erforderlichen Vollständigkeit nicht zu beanstanden.

2.7 Gesamthaft gesehen vermittelt die Abstimmungsbotschaft des Regierungsrats
einen ebenso instruktiven wie sachlichen und wohlausgewogenen Eindruck. Bei
dieser Sachlage kann gesamthaft nicht gesagt werden, sie missachte das Gebot
der Sachlichkeit und der Regierungsrat verletze die Abstimmungsfreiheit. Die
Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.

3.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Für eine Entschädigung des
Beschwerdeführers besteht kein Raum. Dem Grossen Rat und dem Regierungsrat
steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Grossen Rat und dem
Regierungsrat des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Dezember 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Steinmann