Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.364/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_364/2012

Urteil vom 6. November 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Z.________,
c/o Sozialbehörde Eglisau, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Kull
Baumgartner,

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Postfach, 8401 Winterthur,

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich.

Gegenstand
Ermächtigung zur Eröffnung einer Strafuntersuchung.

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 6. Juli 2012.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 6. April 2011 ersuchte X.________ die Sozialbehörde Eglisau,
ihm unter Anordnung vorsorglicher Massnahmen ein Besuchs- und Ferienrecht für
seinen Sohn A.________, geb. 23. März 2007, einzuräumen.

Am 7. April 2011 sandte Z.________, Sekretärin der Sozialbehörde Eglisau, diese
Eingabe an X.________ zurück mit der Begründung, B.________ sei seit längerem
nicht mehr in Eglisau wohnhaft, weshalb sie auf das Gesuch nicht eintreten
könnten.

Mit Eingabe vom 27. April 2011 hielt X.________ der Sozialbehörde Eglisau u.a.
vor, sie sei nicht befugt, ihm sein Gesuch zurückzusenden, sondern
verpflichtet, es der zuständigen Behörde weiterzuleiten.

Am 2. Mai 2011 teilte Z.________ X.________ mit, sie habe sein Gesuch nun an
die zuständige Verwaltungsbehörde weitergeleitet.

B.
Am 22. August 2011 erstattete X.________ bei der Staatsanwaltschaft Winterthur/
Unterland Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs und ungetreuer Amtsführung. Darin
führt er aus, sein Gesuch sei nunmehr an die zuständige Sozialbehörde
weitergeleitet worden. Er wisse nicht, um welche es sich handle, da sich die
Sozialbehörde Eglisau unter Berufung auf eine ihm nie eröffnete und damit nicht
rechtskräftige Adresssperre weigere, sie ihm zu nennen. Die Mitglieder der
zuständigen, ihm nicht bekannten Verwaltungsbehörde - die Beschuldigten - seien
nunmehr seit vier Monaten im Besitz seines Gesuchs, hätten ihm aber weder eine
Eingangsbestätigung zugestellt, noch vorsorgliche Massnahmen angeordnet noch
einen erstinstanzlichen Entscheid erlassen, was nach den §§ 4a und 10 Abs. 2
des Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) zwingend
gewesen wäre. Dadurch hätten sie sich des Amtsmissbrauchs und der ungetreuen
Amtsführung schuldig gemacht.

Am 30. April 2012 überwies die Staatsanwaltschaft die Sache ans Obergericht mit
dem Antrag, über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur
Durchführung einer Strafuntersuchung zu entscheiden.

Am 6. Juli 2012 beschloss das Obergericht, der Staatsanwaltschaft die
Ermächtigung zur Strafverfolgung von Z.________ und Unbekannt nicht zu
erteilen.

C.
Mit Beschwerde vom 30. Juli 2012 beantragt X.________, diesen obergerichtlichen
Beschluss aufzuheben, die Sache an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und
diese anzuweisen, die unbekannte, geheime Vormundschaftsbehörde bekannt
zugeben. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

D.
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung.

Z.________ verzichtet in ihrer Vernehmlassung auf einen Antrag, weist aber
daraufhin, dass das Obergericht des Kantons Zürich als Aufsichtsbehörde der
Vormundschaftsbehörden am 28. Februar 2012 die Zuständigkeit zur Behandlung der
Besuchsrechtsbegehren von X.________ geregelt habe. Dabei habe es angeordnet,
ihm die Wohnsitzgemeinde der früheren Ehefrau und des Sohnes A.________ nicht
bekannt zugeben; für die Behandlung des Gesuchs von X.________ vom 6. April
2011 sei die Vormundschaftsbehörde einer Drittgemeinde eingesetzt worden. Vor
dem Hintergrund des in Rechtskraft erwachsenen Obergerichtsentscheids vom 28.
Februar 2012 sei die Behauptung X.________s, ihm werde die für seine
Familienrechtsangelegenheit zuständige Behörde widerrechtlich nicht bekannt
gegeben, nicht nachvollziehbar.

X.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde fest und weist erneut darauf
hin, dass sich seine Strafanzeige nicht gegen Z.________, sondern gegen die
Mitglieder der "unbekannten" Sozialbehörde gerichtet habe.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. § 148 des Zürcher
Gerichtsorganisationsgesetzes vom 10. Mai 2010 (GOG) entscheidet das
Obergericht über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung
gegen Beamte im Sinn von Art. 110 Abs. 3 StGB wegen im Amt begangener Vergehen
oder Verbrechen. Mit dem angefochtenen Entscheid hat es das Obergericht
abgelehnt, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung der Sekretärin der
Sozialbehörde Eglisau und der Mitglieder der "unbekannten" Sozialbehörde zu
ermächtigen. Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung
des Strafverfahrens, womit das Verfahren abgeschlossen ist. Angefochten ist
damit ein Endentscheid (Art. 90 BGG), gegen den nach der Rechtsprechung die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (BGE137 IV
269 E. 1.3.1). Der Beschwerdeführer war am kantonalen Verfahren als Partei
beteiligt (Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG). Ob er mit Blick auf die durch die Art.
312 und 314 StGB geschützten Rechtsgüter auch als unmittelbar in ihren Rechten
verletzte Person im Sinne von Art. 115 StPO gelten kann (vgl. dazu Urteil des
Bundesgerichts 1B_432/2011 vom 20. September 2012, E. 2, zur Publikation
bestimmt) und als möglicher Geschädigter über ein schutzwürdiges Interesse an
der Anfechtung des obergerichtlichen Entscheids verfügt (vgl. Art. 89 Abs. 1
lit. b und c BGG), erscheint hinsichtlich des Tatbestands von Art. 314 StGB als
von vornherein ausgeschlossen und in Bezug auf Art. 312 StGB zumindest
fraglich. Die Frage kann jedoch aufgrund der nachfolgenden Erwägungen offen
bleiben.

2.
Unangefochten ist der Entscheid des Obergerichts insoweit, als er die
Ermächtigung zur Strafverfolgung der Sekretärin der Sozialbehörde Eglisau
verweigert. Der Beschwerdeführer hat deren Verhalten zwar sowohl in seiner
Strafanzeige als auch im weiteren Verfahren stets kritisiert, sie indessen nie
strafbarer Handlungen bezichtigt. Seine Strafanzeige richtete sich ausdrücklich
allein gegen die Mitglieder der "unbekannten Sozialbehörde", und auch in der
Beschwerde verlangt er einzig deren Strafverfolgung.

3.
Des Amtsmissbrauchs im Sinn von Art. 312 StGB macht sich schuldig, wer als
Mitglied einer Behörde seine Amtsgewalt missbraucht, um sich oder einem anderen
einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem anderen einen Nachteil
zuzufügen. Das Obergericht legt im angefochtenen Entscheid zutreffend dar, dass
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mitglieder der "unbekannten"
Sozialbehörde diesen Tatbestand erfüllten. Es ist weder ersichtlich, inwiefern
sie durch eine allfällig schleppende Behandlung des Gesuchs des
Beschwerdeführers ihre Amtsgewalt missbraucht haben sollten, noch bestehen
irgendwelche Hinweise dafür, dass sie sich damit einen unrechtmässigen Vorteil
verschafft oder einem anderen einen Nachteil zugefügt haben könnten. Das
Obergericht weist zudem unwidersprochen daraufhin, dass der Beschwerdeführer
wusste, dass die "unbekannte" Sozialbehörde der Aufsicht des Bezirksrats Bülach
untersteht, und er sich dementsprechend an diesen hätte wenden können, um deren
seiner Auffassung nach rechtswidrige Amtsführung korrigieren zu lassen.

Ebenfalls zu Recht führt das Obergericht aus, auch in Bezug auf den Vorwurf der
ungetreuen Amtsführung im Sinn von Art. 314 StGB bestehe kein relevanter
Tatverdacht. Der Tatbestand dieser Strafbestimmung setzt voraus, dass ein
Behördenmitglied bei einem (privatrechtlichen) Rechtsgeschäft die von ihm zu
wahrenden öffentlichen Interessen schädigt, um sich oder einem Dritten einen
unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Die Mitglieder der "unbekannten"
Sozialbehörde haben einerseits kein Rechtsgeschäft im Sinne dieser
Strafbestimmung abgeschlossen, und anderseits bestehen keinerlei Hinweise, dass
sie sich oder Dritten einen unrechtmässigen Vorteil verschafften bzw.
verschaffen wollten.

Was der Beschwerdeführer in seiner Strafanzeige vorbrachte, ist somit nicht
geeignet, einen Anfangsverdacht zu begründen, der die Eröffnung einer
Strafuntersuchung gegen die Mitglieder der "unbekannten" Sozialbehörde
rechtfertigen könnte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Obergericht
der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zu ihrer Verfolgung nicht erteilte.

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eintreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs.
1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gestellt, welches jedoch abzulehnen ist, da die Beschwerde
aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
und 2 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG),
da Z.________ auf die Ausübung von Parteirechten verzichtet hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Winterthur/ Unterland
sowie der Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. November 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi