Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.316/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_316/2012

Urteil vom 1. Oktober 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, Moosweg 7a, 8501 Frauenfeld,

Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau, Löwenstrasse
12, 8280 Kreuzlingen.

Gegenstand
Entzug des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder; unentgeltliche
Rechtspflege.

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
16. Mai 2012.

Sachverhalt:

A.
Am 10. Januar 2012 entzog das Strassenverkehrsamt Thurgau X.________ das
Kontrollschild und den Fahrzeugausweis des Motorrads TG Nr.________. Zur
Begründung führte es an, er habe trotz zweimaliger Mahnung die Rechnung für
eine Fahrzeugprüfung (Fr. 55.--) und Mahngebühren (Fr. 20.--) nicht bezahlt,
weshalb es gestützt auf Art. 16 SVG den erwähnten Fahrzeugausweis und das
Kontrollschild einziehe. Er habe es innert 5 Tagen dem Strassenverkehrsamt
zurückzugeben. Falls er innert der gleichen Frist die erwähnten Beträge sowie
die Gebühr der Verfügung von Fr. 120.--, insgesamt Fr. 195.--, bezahle, falle
der Entzug dahin.

Am 17. Januar 2012 beglich X.________ die Rechnung für die Fahrzeugprüfung
inkl. Mahngebühren in Höhe von insgesamt Fr. 75.--.

Am 20. März 2012 wies die Rekurskommission für Strassenverkehrssachen den
Rekurs von X.________ gegen die Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 10.
Januar 2012 ab. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies sie wegen
Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ab. Sie erwog, mit der Bezahlung der
Grundforderung habe X.________ sinngemäss zum Ausdruck gebracht, dass diese zu
Recht erhoben worden sei. Die Verfügungsgebühr von Fr. 120.-- entspreche der
einschlägigen Verordnung des Regierungsrats. Soweit er sinngemäss Verrechnung
mit eigenen Guthaben in Höhe von insgesamt Fr. 1'355.-- geltend mache, so sei
deren Existenz fraglich und nicht belegt, und eine Verrechnung gegen den Willen
des Gemeinwesens wäre nach Art. 125 Ziff. 3 OR ohnehin nicht zulässig.

B.
X.________ erhob Beschwerde ans Verwaltungsgericht mit dem Antrag, diesen
Entscheid der Rekurskommission vollumfänglich aufzuheben.

Am 18. April 2012 setzte der Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons
Thurgau X.________ eine Frist von 14 Tagen zur Leistung eines Kostenvorschusses
von Fr. 700.-- an mit der Androhung, dass bei nicht fristgerechter Leistung des
Vorschusses auf die Beschwerde nicht eingetreten würde.

Am 7. Mai 2012 stellte X.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Am 16. Mai 2012 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ab und setzte X.________ eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft
des Entscheids zur Bezahlung eines Kostenvorschusses von Fr. 700.-- an unter
der Androhung, dass bei dessen nicht fristgerechter Leistung auf die Beschwerde
nicht eingetreten würde.

C.
Mit Beschwerde ans Bundesgericht vom 15. Juni 2012 beantragt X.________, diesen
Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.

D.
Der Präsident der Rekurskommission und das Verwaltungsgericht beantragen in
ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde abzuweisen.

E.
In seiner Replik hält X.________ an der Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit welchem das
Eintreten auf eine Beschwerde gegen einen Fahrzeugausweisentzug von der
Bezahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht wird. Gegen diesen
Entscheid, der das Verfahren nicht abschliesst, steht die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen, sofern er
einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG). Das ist vorliegend der Fall, da der angefochtene Entscheid zum
Prozessverlust führt, wenn der Beschwerdeführer den Kostenvorschuss nicht
rechtzeitig bezahlt bzw. nicht bezahlen kann. Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten
ist.

2.
Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass das Verwaltungsgericht
nach dem einschlägigen Verfahrensrecht - § 81 Abs. 1 des Thurgauer
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 23. Februar 1981 - die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und damit das Absehen von der Einholung eines
Kostenvorschusses von intakten Erfolgsaussichten der Beschwerde abhängig machen
durfte. Er macht indessen sinngemäss geltend, das Verwaltungsgericht habe seine
Beschwerde zu Unrecht als aussichtslos beurteilt.

Das ist nicht der Fall. Nach der zutreffenden Rechtsauffassung der
Rekurskommission könnte der Beschwerdeführer allfällige Forderungen ohne
Einverständnis des Strassenverkehrsamts nicht mit dessen Gebührenforderungen
verrechnen (Art. 125 Ziff. 3 OR). Zu den Verskehrssteuern und -gebühren im Sinn
von Art. 16 Abs. 4 lit. b SVG zählen auch die Verfahrensgebühren für den Erlass
der Entzugsverfügung (Urteil des Bundesgerichts 6P.100/2006 vom 9. August 2006,
E. 5.3.2).

Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, das Strassenverkehrsamt habe einer
Verrechnung durch ihn zugestimmt. Dieses ist daher am 10. Januar 2012, als es
den Einzug des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder verfügte,
offensichtlich zu Recht davon ausgegangen, seine Gebührenforderung sei trotz
Mahnung nicht beglichen worden. Damit war das Strassenverkehrsamt nach Art. 16
Abs. 4 lit. b SVG zum Einzug des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder
befugt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die der Beschwerdeführer damit
begründet, das Strassenverkehrsamt hätte den Fahrzeugausweis und die
Kontrollschilder nicht einziehen dürfen, weil er die umstrittene Gebühr
beglichen habe, wurde vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid daher
zu Recht als aussichtslos eingestuft.

3.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege fällt ausser Betracht, da die Beschwerde ans
Bundesgericht aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Hingegen ist bei der
Festsetzung der Gerichtsgebühr den beengten finanziellen Verhältnissen des
Beschwerdeführers Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons
Thurgau, der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi