Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.245/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_245/2012

Urteil vom 3. Oktober 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiberin Gerber.

1. Verfahrensbeteiligte
X.________,
2. Y.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Benno Lindegger,

gegen

Z.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Geiger,

Politische Gemeinde Neckertal, vertreten durch die Baukommission, Lettenstrasse
3, 9122 Mogelsberg,
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St.
Gallen.

Gegenstand
Baubewilligung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 20. März 2012
des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen.

Sachverhalt:

A.
Am 25. Januar 2011 erteilte die Baukommission der Gemeinde Neckertal Z.________
die Bewilligung zum Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 572S,
Grundbuch St. Peterzell. Die Einsprache von X.________ und Y.________,
Eigentümer der benachbarten Liegenschaft Nr. 682S, wies sie ab.

B.
Dagegen erhoben X.________ und Y.________ Rekurs beim Baudepartement des
Kantons St. Gallen. Dieses wies den Rekurs am 29. Juni 2011 ab. Die dagegen
gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 20.
März 2012 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Dagegen haben X.________ und Y.________ am 14. Mai 2012 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. Sie
beantragen, die Entscheide des Verwaltungsgerichts, des Baudepartements und der
Baukommission Neckertal seien aufzuheben und die Sache sei zur weiteren
Abklärung und zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Eventualiter sei die Baubewilligung für das Baugesuch des Beschwerdegegners zu
verweigern.

D.
Das Verwaltungsgericht und das Baudepartement St Gallen schliessen auf
Beschwerdeabweisung. Z.________ und die Baukommission Neckertal beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.

E.
Mit Verfügung vom 6. Juni 2012 wurde das Gesuch der Beschwerdeführer um
Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Erwägungen:

1.
Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) grundsätzlich
einzutreten.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht -
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden
(Art. 95 lit. a BGG). Die Anwendung des - vorliegend streitigen - kantonalen
Baurechts kann das Bundesgericht nur unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten, namentlich unter dem Blickwinkel des Willkürverbots,
überprüfen. Die Verletzung von Grundrechten wird vom Bundesgericht nur insoweit
geprüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Für derartige Rügen gelten qualifizierte
Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht ist an den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
gebunden, soweit dieser nicht offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 und Art. 97 Abs. 1
BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel können nur so weit vorgebracht werden,
als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Vor Verwaltungsgericht war u.a. streitig, ob das Bauvorhaben den
Bauvorschriften der Wohnzone 2 (W2) zur zulässigen Geschosszahl entspricht.
Gemäss Art. 8 Abs. 2 des Baureglements der politischen Gemeinde Neckertal
(BauR) gelten Geschosse, die bis Oberkant Decke gemessen, den Niveaupunkt nicht
mehr als 1.3 m überragen, als Untergeschosse. Als Niveaupunkt gilt der
Schwerpunkt des Gebäudegrundrisses auf dem gewachsenen Boden (Art. 60 Abs. 2
des St. Galler Gesetzes vom 6. Juni 1972 über die Raumplanung und das
öffentliche Baurecht [Baugesetz; BauG])
Die Beschwerdeführer vermuteten, dass das unterste Geschoss mehr als 1.3 m über
die Kote des Niveaupunktes hinausrage und deshalb nicht mehr als Untergeschoss,
sondern als (unzulässiges) drittes Vollgeschoss zu qualifizieren sei. Sie
machten geltend, der im Baugesuch angegebene Niveaupunkt sei aus einem früheren
Bauprojekt übernommen worden und müsse für das aktuelle Projekt neu berechnet
werden, gegebenenfalls durch eine Expertise. Dabei müsse nicht nur das
Hauptgebäude, sondern auch die überdachte Eingangshalle im Südosten des
Untergeschosses berücksichtigt werden.
Daraufhin liess der Beschwerdegegner den Niveaupunkt von der Geoinfo AG neu
ermitteln, und zwar einmal mit und einmal ohne Berücksichtigung der
Eingangshalle (Höhenkotenpläne vom 25. August 2011). Das Verwaltungsgericht
stellte im angefochtenen Entscheid auf diese neuen Berechnungen ab. Es hielt
fest, dass das Untergeschoss den Niveaupunkt um weniger als 1.3 m überrage,
unabhängig davon, ob für dessen Berechnung nur auf das Hauptgebäude abgestellt
oder auch die überdachte Eingangshalle im Südosten des Untergeschosses
miteinbezogen werde.

3.
Die Beschwerdeführer rügen zunächst, das Verwaltungsgericht habe offensichtlich
falsche Feststellungen zur Kote des Niveaupunkts getroffen. Es habe
festgehalten, dass dieser auf 843.34 m.ü.M. liege, wenn nur auf das
Hauptgebäude abgestellt werde, und auf 843.43 m.ü.M., wenn der Eingangsbereich
Südost miteinbezogen werde. Diese Feststellung sei offensichtlich falsch, weil
das Gelände der Bauparzelle im Bereich des Baukörpers von Norden nach Südosten
um rund 1.25 m abfalle, der Eingangsbereich Südost also tiefer liege als der
übrige Baukörper im Norden. Dies habe zur Folge, dass der Niveaupunkt unter
Einbezug des Eingangsbereichs Südost tiefer und keinesfalls höher liegen könne
als ohne diesen Bereich.
Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht - wie es selbst einräumt - die beiden
Höhenkotenpläne der Geoinfo AG verwechselt: Nach deren Berechnungen liegt die
Kote des Niveaupunkts ohne den Eingangsbereich auf 843.43 m.ü.M. und mit diesem
auf 843.34 m.ü.M., d.h. etwas tiefer. Dies ändert allerdings nichts am
Ergebnis, weil in beiden Fällen der Abstand zur Oberkant Decke (die unstreitig
auf 844.60 m liegt) weniger als 1.3 m beträgt. Dies hat zur Folge, dass das
unterste Geschoss als zulässiges Untergeschoss und nicht als unzulässiges
drittes Vollgeschoss zu qualifizieren ist. Die Verwechselung der beiden Pläne
durch die Vorinstanz führt daher nicht zur Aufhebung des angefochtenen
Entscheids (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG).

4.
Die Beschwerdegegner werfen dem Verwaltungsgericht ferner eine einseitige
Beweiswürdigung vor. Es hätte nicht unbesehen auf die vom Beschwerdegegner in
Auftrag gegebenen Berechnungen der Geoinfo AG abstellen dürfen, die als
Parteibehauptungen zu werten seien. Dies gelte umso mehr, als die eingereichten
Höhenkotenpläne Art und Grundlagen der Berechnung (gewachsenes Terrain,
Gebäudegrundriss) nicht erkennen liessen, ihre Richtigkeit daher nicht habe
überprüft werden können.

4.1 Die Beschwerdegegner wenden ein, die Geoinfo AG sei das grösste
Geometerbüro der Ostschweiz und betreue an vier Standorten die amtliche
Vermessung von über 50 Gemeinden in den Kantonen St. Gallen und Appenzell
Ausserrhoden. Hätten die Vorinstanzen (und nicht der Beschwerdegegner) das
Gutachten in Auftrag gegeben, wäre mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls
die Geoinfo AG beauftragt worden. Es gebe keinen Grund, an der Richtigkeit der
Vermessung zu zweifeln. Welchen Aufwand die Geoinfo AG für die Festlegung des
Niveaupunktes für beide Varianten betrieben habe, ergebe sich aus deren
Rechnung vom 9. September 2011. Zudem sei auf den Plänen angegeben, dass der
Niveaupunkt unter Bezugnahme auf die in den Plänen eingetragenen Polygonpunkte
ermittelt worden sei.

4.2 Die Berechnung des Niveaupunkts wurde von einem erfahrenen Geometerbüro
vorgenommen. In den Höhenkotenplänen sind die jeweils zugrunde gelegten
Grundrisse (rot), der Niveaupunkt (grün) sowie die Polygonpunkte (rot)
markiert. Aus der Rechnung vom 9. September 2011 ergibt sich, dass die von
einem Geomatiker berechneten Niveaupunkte im Gelände verpflockt und vermessen
wurden.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung oder die Vermessung
nicht korrekt vorgenommen worden wäre. Zwar kann es im Einzelfall schwierig
sein, das gewachsene Terrain eindeutig zu bestimmen, z.B. wenn
Geländeanpassungen oder Abgrabungen vorgenommen wurden. Die Beschwerdeführer
machen jedoch nicht geltend, dass solche besonderen Umstände vorliegen. Unter
diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht willkürfrei auf die von den
Beschwerdegegnern eingereichten Höhenkotenpläne abstellen und war nicht
verpflichtet, weitere Ermittlungen anzuordnen.

5.
Schliesslich rügen die Beschwerdeführer, die Kosten für sämtliche
vorinstanzlichen Verfahren seien ihnen auferlegt worden. Dies sei willkürlich,
weil ihre Beschwerde vor Verwaltungsgericht gestützt auf die erst nachträglich
eingereichten Höhenkotenpläne abgewiesen worden sei. Diese hätten nach Art. 20
Abs. 1 lit. d BauR bereits mit dem Baugesuch eingereicht werden müssen.
Dieser Umstand wurde jedoch vom Verwaltungsgericht berücksichtigt: Es führte im
angefochtenen Entscheid (E. 5.2 S. 16) aus, dass das Baugesuch die Messung des
Niveaupunkts zu enthalten habe (Art. 20 Abs. 1 lit. d BauR), weshalb es nicht
gerechtfertigt sei, die Bemühungen des Anwalts des Beschwerdegegners, die
dadurch erforderlich wurden, dass die Messung des Niveaupunktes erst im Rahmen
des Beschwerdeverfahrens erfolgte, ausseramtlich zu entschädigen. Das Gericht
erachtete daher eine Entschädigung von Fr. 4'500.-- (anstatt der in der
Kostennote in Rechnung gestellten Fr. 6'177.60) für ausreichend und entschied,
dass es Sache des Beschwerdegegners sei, die Rechnung der Geoinfo AG zu
begleichen.
Unter diesen Umständen war es nicht willkürlich, die übrigen Verfahrens- und
Parteikosten den in der Sache unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen,
zumal diese im kantonalen Verfahren nicht nur den Niveaupunkt beanstandet,
sondern weitere Rügen erhoben hatten, die sich allesamt als unbegründet
erwiesen.

6.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens werden die Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 66 und 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Neckertal, dem
Baudepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 3. Oktober 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Gerber