Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.198/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_198/2012

Urteil vom 26. November 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
X.a.________ und X.b.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,

Einwohnergemeinde Wisen, Bau- und Umweltkommission,
Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn.

Gegenstand
Bauen ausserhalb der Bauzone (Remise, Silo, Fotovoltaikanlage),

Beschwerde gegen das Urteil vom 20. März 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn.

Sachverhalt:

A.
Am 19. Januar 2012 erteilte die Bau- und Umweltkommission der Einwohnergemeinde
Wisen Y.________ die Bewilligung für den Bau einer neuen Remise, eines neuen
Silos sowie einer Fotovoltaikanlage auf den Dächern der neuen Remise und einer
bestehenden Scheune. Das kantonale Bau- und Justizdepartement hatte das
Vorhaben bereits am 15. November 2011 bewilligt. X.a.________ und X.b.________
fochten die kantonale Bewilligung beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
an. Dieses wies das Rechtsmittel am 20. März 2012 ab, soweit es darauf eintrat.

B.
X.a.________ und X.b.________ erheben gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts Beschwerde beim Bundesgericht und beantragen, es sei der
Erweiterungsbau mit neuem Silo und Remise nicht zu bewilligen. Zudem seien die
zwei bestehenden Hochsilos stillzulegen oder von einem offenen in ein
geschlossenes Betriebssystem zu überführen.
Y.________ ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Denselben Antrag stellt das Verwaltungsgericht. Das Bau- und Justizdepartement
beantragt die Abweisung des Rechtsmittels. Das ebenfalls zur Vernehmlassung
eingeladene Bundesamt für Umwelt (BAFU) erklärt, dass das Bauvorhaben zwar mit
den eidgenössischen Bestimmungen über die Luftreinhaltung, aber nicht mit dem
Gewässerschutzrecht des Bundes zu vereinbaren sei. Die Beteiligten nehmen in
weiteren Eingaben nochmals Stellung.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 89 Abs. 1 BGG setzt das Recht, beim Bundesgericht Beschwerde zu
erheben, eine besondere Betroffenheit durch den angefochtenen Entscheid voraus.
Sie wird bei Nachbarn, die in einer Distanz bis zu 100 Metern von einem
Bauprojekt wohnen, regelmässig bejaht. Es handelt sich bei dieser Entfernung
allerdings nicht um einen verbindlichen Wert; vielmehr ist die
Beschwerdelegitimation auch für weiter entfernt lebende Personen zu bejahen,
sofern sie mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit von Immissionen der
projektierten Anlage betroffen sein werden (Urteil 1C_346/2011 vom 1. Februar
2012 E. 2.3 und 2.4, in: URP 2012 692; BGE 136 II 281 E. 2.3 S. 284 ff.; je mit
Hinweisen). Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid
ist das Haus der Beschwerdeführer über 200 Meter vom Bauernbetrieb des
Beschwerdegegners entfernt. Da es am Rand der Bauzone liegt, besteht jedoch
eine Sichtverbindung auf den etwas tiefer liegenden Bauernhof, insbesondere
auch auf den geplanten, fast 20 Meter hohen Siloturm. Ausserdem kann nicht von
vornherein ausgeschlossen werden, dass das Bauprojekt Geruchsimmissionen
verursacht, die zumindest bei Westwind auf der Liegenschaft der
Beschwerdeführer noch wahrnehmbar sind. Die Legitimation der Beschwerdeführer
ist daher zu bejahen.
Die in der Beschwerde erhobenen Anträge auf Stilllegung der bestehenden zwei
Silotürme bzw. auf deren Überführung in ein geschlossenes Betriebssystem sind
unzulässig. Denn diese Silobauten sind nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens. Die Beschwerdeführer legen selber dar, dass diese rechtskräftig
bewilligt sind.
Die übrigen Voraussetzungen zur Beschwerdeführung sind erfüllt. Auf das
Rechtsmittel ist daher mit dem soeben angebrachten Vorbehalt einzutreten.

2.
Streitgegenstand bildet die Bewilligungsfähigkeit eines dritten Siloturms und
einer neuen Remise auf dem Bauernhof des Beschwerdegegners. Demgegenüber ist
die Einrichtung einer Fotovoltaikanlage nicht umstritten.
Die Vorinstanz hält das neue Silo und die neue Remise unter
raumplanungsrechtlichen Gesichtspunkten für zulässig. Sie legt dar, dass diese
Bauten betrieblich notwendig seien und sich in ausreichender Weise in das
Landschaftsbild einfügten. Die Bauten seien daher gemäss Art. 16a Abs. 1 RPG
(SR 700) zonenkonform und überdies vereinbar mit der Juraschutzzone gemäss
kantonalem Richtplan. Da die Beschwerdeführer diese Beurteilung nicht in Frage
stellen und auch nicht ersichtlich ist, dass sie unzutreffend wäre, braucht
darauf nicht weiter eingegangen zu werden. Näher zu prüfen ist allein, ob die
geplanten Neubauten die eidgenössischen Vorschriften über die Luftreinhaltung
und den Gewässerschutz einhalten.

3.
Das geplante neue Silo und die neue Remise bilden Teil des
Landwirtschaftsbetriebs des Beschwerdegegners. Entgegen der vorinstanzlichen
Auffassung sind in einem solchen Fall die Anforderungen der Luftreinhaltung
nicht für die neuen Anlagenteile allein, sondern für den gesamthaften Betrieb
zu beurteilen (vgl. Urteil 1C_437/2009 vom 16. Juni 2010 E. 7.1, in: ZBl 112/
2011 209).
Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz führt das Bauvorhaben
nicht zu einer Betriebsvergrösserung. Vielmehr soll das neue Silo bereits
bestehende Silos ersetzen, und die neue Remise ist als geschützter Lagerplatz
für Maschinen und Futter vorgesehen, die schon bisher vorhanden waren. Wie das
Bundesamt für Umwelt in seiner Vernehmlassung zu Recht darlegt, sind unter
diesen Umständen vom neuen Bauvorhaben keine höheren oder anderen Emissionen zu
erwarten als bisher, so dass bei der gebotenen gesamthaften Betrachtung unter
dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung keine neue Anlage vorliegt (vgl. Art. 2
Abs. 4 der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 [LRV; SR
814.318.142.1]).
Anwendbar sind somit die Bestimmungen über bestehende stationäre Anlagen (Art.
7 ff. LRV). Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was das Bauprojekt unter
diesem Gesichtswinkel als bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Sie machen zwar
geltend, die Geruchsimmissionen auf ihrer Liegenschaft seien schon bisher
übermässig gewesen (vgl. Art. 9 LRV). Wie bereits ausgeführt wurde, bilden
jedoch die bereits früher errichteten Bauten nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens (vgl. E. 1 hiervor). Es bestehen auch keine genügenden
Anhaltspunkte, dass die frühere Beurteilung der Immissionen offensichtlich
unzutreffend wäre. Die kantonalen Behörden stützen sich auf Auskünfte der
Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT), wonach in einer
Distanz von mehr als 200 Meter von den Silotürmen eine Gefahr für die
Gesundheit ausgeschlossen werden könne und dort auch keine störende
Geruchsbelästigung zu erwarten sei.
Bereits die Baubewilligung vom 27. Juni 2005 enthält die Auflage, dass keine
störenden Gesuchsimmissionen in die Wohnzone gelangen dürfen. Falls wegen einer
ungenügenden Siliertechnik tatsächlich übermässige Geruchsbelästigungen
auftreten sollten, hätten die Beschwerdeführer deshalb Anspruch, dass dieser
Auflage Nachachtung verschafft wird. Dafür müssten indessen nähere
Anhaltspunkte bestehen. Solche sind zurzeit nicht dargetan, zumal sich bisher -
soweit bekannt - ausser den Beschwerdeführern niemand über die
Geruchsbelästigungen beschwert hat und die Beschwerdeführer selber einräumen,
dass Geruchsbelästigungen nur zeitweise (bei Westwinden) auftreten und keine
aussagekräftigen Messungen vorliegen.

4.
Der Bauernbetrieb des Beschwerdegegners liegt in der Schutzzone II B der
Tunnelquelle, die in Läufelfingen im angrenzenden Kanton Basel-Landschaft liegt
und der Trinkwasserversorgung Oberes Homburgertal dient. Die genannte
Schutzzone wurde im Jahr 1986, also einige Zeit vor dem Inkrafttreten der neuen
Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV; SR 814.201) erlassen. Sie
steht noch in Kraft; die längst erforderliche Anpassung der Schutzzone an die
neue Gewässerschutzverordnung ist zurzeit noch im Gang.
Nach dem Schutzzonenreglement vom 21. Juli 1986 sind in der Schutzzone II B
landwirtschaftliche Neubauten zulässig, soweit sie für die landwirtschaftliche
Nutzung des Kulturlandes notwendig sind (Hofsiedlungen, Feldscheunen etc.),
hingegen keine anderen Bauten (Art. 2 Ziff. 2.3 lit. a). Die kantonalen
Instanzen gehen indessen davon aus, dass in der fraglichen Schutzzone II B
heute die strengeren Vorschriften des Bundes für die Grundwasserschutzzone S2
massgebend seien. Nach Ziff. 222 Abs. 1 lit. a des Anhangs 4 zur GSchV ist das
Erstellen von Anlagen in dieser Zone grundsätzlich unzulässig; die Behörde kann
allerdings aus wichtigen Gründen Ausnahmen gestatten, wenn eine Gefährdung der
Trinkwassernutzung auszuschliessen ist.
Der Vollzug der eidgenössischen Gewässerschutzverordnung obliegt grundsätzlich
den Kantonen (Art. 45 Abs. 1 GSchV). Letztere haben auch die bundesrechtlich
vorgesehenen Grundwasserschutzzonen auszuscheiden (Art. 20 GSchG). Da die
erforderliche Anpassung der alten Schutzzonen bisher nicht erfolgt und das alte
Schutzzonenreglement nicht aufgehoben worden ist, erscheint es zweifelhaft, ob
die erwähnte neue strengere Vorschrift des Bundesrechts für die fragliche
altrechtliche Schutzzone gilt. Soweit erforderlich, hätte für die Zeit bis zur
Anpassung der Schutzzone eine Planungszone erlassen werden können (vgl. § 23
des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember 1978 [BGS
711.1]), was jedoch unterblieben ist. Ob die Vorschriften für die
Grundwasserschutzzone S2 hier anwendbar sind, braucht aus den nachstehenden
Gründen indessen nicht geklärt zu werden. Ebenso kann offen bleiben, ob nach
Ziff. 222 Abs. 1 lit. a des Anhangs 4 zur GSchV für das umstrittene Bauvorhaben
eine Ausnahmebewilligung erteilt werden könnte, wie dies die kantonalen
Instanzen im Unterschied zum Bundesamt für Umwelt annehmen.
Die Anforderungen des Gewässerschutzes sind gleich wie jene der Luftreinhaltung
nicht isoliert für die einzelnen Teile des Bauernbetriebs des Beschwerdegegners
zu beurteilen. Da das neue Silo an die Stelle von drei alten, undichten Silos
tritt, handelt es sich um eine Ersatzbaute, welche die Gefahr einer
Gewässerverschmutzung verringert. Die neue Remise dient nach der ergänzenden
Vernehmlassung des Bau- und Justizdepartements vom 3. September 2012 dazu,
Maschinen und Siloballen künftig nicht mehr im Freien, sondern im Trockenen
unterbringen zu können. Mit Blick auf den Gewässerschutz wird damit ebenfalls
eine deutliche Verbesserung erzielt. Das umstrittene Bauvorhaben dient somit
nicht einer Betriebsvergrösserung, sondern der Verbesserung der
Produktionsbedingungen, namentlich auch mit Blick auf den Gewässerschutz. Es
umfasst somit nicht Anlagen, die Ziff. 222 Abs. 1 lit. a des Anhangs 4 zur
GSchV untersagen will. Selbst wenn diese Norm anwendbar sein sollte, stünde sie
dem Bauvorhaben nicht entgegen.

5.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der nicht anwaltlich vertretene private
Beschwerdegegner hat praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Wisen, Bau- und
Umweltkommission, dem Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Umwelt
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. November 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold