Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.182/2012
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_182/2012

Urteil vom 20. August 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwältin
Dr. Stefanie Wiget,
Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinderat Muotathal, Postfach 142, 6436 Muotathal,
Regierungsrat des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 9, 6430 Schwyz.

Gegenstand
Planungs- und Baurecht (Nutzungsplanung),

Beschwerde gegen den Entscheid vom 23. Februar 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz, Kammer III.

Sachverhalt:

A.
Vom 27. November bis zum 28. Dezember 2009 wurde ein revidierter Zonenplan und
ein revidiertes Baureglement der Gemeinde Muotathal öffentlich aufgelegt.
Vorgesehen war, im Gebiet "Aport" Teile der Parzellen Nrn. 16 und 17 von der
Landwirtschaftszone in die Wohnzone W2 umzuzonen (Objekt Nr. 44 im Umfang von
1'323 m2 auf Parzelle Nr. 16 und Objekt Nr. 45 im Umfang von 9'785 m2 auf
Parzelle Nr. 17, gesamthaft somit 11'108 m2). A.________, Eigentümer der an
Objekt Nr. 45 angrenzenden Parzelle Nr. 34, erhob mit zwei verschiedenen
Eingaben Einsprache. Er beantragte, die Objekte Nrn. 44 und 45 seien in der
Landwirtschaftszone zu belassen und der Randbereich seines eigenen Grundstücks
sei ebenfalls der Landwirtschaftszone zuzuweisen. Der Gemeinderat Muotathal
hiess die erste der beiden Einsprachen teilweise gut und teilte den
Zufahrtsbereich zum Gebiet Aport der Wohn- und Gewerbezone WG2 zu. Die zweite
Einsprache hiess er vollumfänglich gut und wies die Parzelle Nr. 34 mit
Ausnahme des darauf stehenden Wohnhauses der Landwirtschaftszone zu.

Vom 27. Mai bis zum 27. Juni 2011 legte der Gemeinderat eine überarbeitete
Fassung des revidierten Zonenplans und des revidierten Baureglements öffentlich
auf. Im Unterschied zur ersten Fassung sieht diese vor, vom südöstlichen Teil
der Parzelle Nr. 17 2'646 m2 als Objekt Nr. 45a der Wohn- und Gewerbezone WG2
zuzuweisen. Am 7. Juni 2011 erhob A.________ erneut Einsprache. Mit Beschluss
vom 15. Juni 2011 trat der Gemeinderat auf das Vorbringen nicht ein. In der
Folge reichte mit Eingabe vom 23. Juni 2011 auch der Sohn und Mitbewohner von
A.________, X.________, Einsprache ein. Diese Einsprache wurde vom Gemeinderat
mit Beschluss vom 29. Juni 2011 abgewiesen. Auf eine von X.________ dagegen
erhobene Verwaltungsbeschwerde trat der Regierungsrat des Kantons Schwyz mit
Beschluss vom 20. Dezember 2011 nicht ein. Daraufhin gelangte X.________ ans
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Dieses wies seine Beschwerde mit
Entscheid vom 23. Februar 2012 ab.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 4. April 2012
beantragt X.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und
die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Dieses sei anzuweisen, das Objekt Nr. 45a in der Landwirtschaftszone zu
belassen.

Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Gemeinderat
Muotathal hat sich nicht vernehmen lassen. Der Regierungsrat beantragt, die
Beschwerde sei abzuweisen. In seiner Stellungnahme dazu hält der
Beschwerdeführer an seinen Anträgen und Rechtsauffassungen fest.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a
BGG steht auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Der
Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und macht
geltend, das Verwaltungsgericht habe Bundesrecht verletzt, indem es den
Nichteintretensentscheid des Regierungsrats bestätigte. Zu dieser Rüge ist er
im bundesgerichtlichen Verfahren ungeachtet seiner Legitimation in der Sache
berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG, vgl. BGE 136 IV 41 E. 1.4 S. 44 mit Hinweisen).
Der Streitgegenstand ist jedoch auf diese Frage beschränkt (Urteil 1B_53/2012
vom 23. April 2012 E. 1.3 mit Hinweisen). Deshalb kann insofern nicht auf die
Beschwerde eingetreten werden, als der Beschwerdeführer darüber hinaus
verlangt, die Rückweisung zur Neubeurteilung sei mit konkreten
materiell-rechtlichen Anweisungen zu verbinden.

2.
2.1 Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung seines Entscheids aus, es sei
fraglich, ob der Beschwerdeführer als Sohn und Mitbewohner des Grundeigentümers
ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse habe. Dies könne jedoch offen bleiben,
da im Rahmen einer Zweitauflage gegen eine Nutzungsplanung ohnehin nur insoweit
Einsprache erhoben werden könne, als gegenüber der Erstauflage wesentliche
Änderungen bestehen. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Zuweisung des
Objekts Nr. 45a zur Bauzone wehre, hätte er deshalb bei der ersten Auflage
Einsprache erheben müssen, da bereits damals die Zuweisung dieses
Landwirtschaftslands zur Bauzone vorgesehen gewesen sei. Der Unterschied
zwischen der ersten und der zweiten Auflage habe diesbezüglich lediglich darin
bestanden, dass statt einer Zone W2 eine Zone WG2 vorgesehen worden sei.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Grundeigentümer habe gestützt auf
eine behördliche Auskunft darauf vertrauen dürfen, dass er gegen die Einzonung
von Land nördlich seines Grundstücks noch später Einsprache erheben könne,
ändere an diesem Ergebnis nichts. Der Inhalt dieser mündlichen Auskunft könne
grundsätzlich nicht rekonstruiert werden und zudem sei sie nicht dem
Beschwerdeführer selbst, sondern dessen Vater erteilt worden. Zu
berücksichtigen sei schliesslich, dass der Vater des Beschwerdeführers und
Eigentümer der Parzelle Nr. 34 den ihn betreffenden Entscheid des Gemeinderats
nicht angefochten und damit die Zonenplanänderung akzeptiert habe.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, im Zweitauflageverfahren sei erneut
vollumfänglich über die Zonenplanung informiert worden. Daraus habe gefolgert
werden dürfen, dass die gesamte Revision nochmals anfechtbar sei. Er habe
Einsprache erhoben, weil nördlich der Parzelle Nr. 34 nach wie vor eine Bauzone
geplant war, was ursprünglich und aufgrund von Aussagen der Behörden nicht
verbindlich vorgesehen gewesen sei. Die Bauzone sei zudem um 1'489 m2
vergrössert worden. Auch habe mit der Zweitauflage der Zufahrtsbereich nördlich
des Objekts Nr. 45a geändert. Mithin liege eine wesentliche Änderung des
Zonenplans vor und die Vorinstanz habe den Sachverhalt falsch festgestellt und
§ 26 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987 (SRSZ
400.100; im Folgenden: PBG) willkürlich angewendet, indem sie vom Gegenteil
ausgegangen sei. Ebenso wenig habe das Verwaltungsgericht berücksichtigt, dass
er den Rechtsweg im Vertrauen auf eine behördliche Aussage beschritten habe. Es
spiele keine Rolle, dass die Auskunft anlässlich der Besprechung vom 21. Januar
2010 an seinen Vater gerichtet gewesen sei. Sein Vater habe aufgrund der
damaligen Auskunft der Orts- und Richtplankommission darauf vertraut, dass er
seine Interessen anlässlich eines zweiten Auflageverfahrens nochmals einbringen
könne. Davon habe er auch ihn, seinen Sohn, unterrichtet.
2.3
2.3.1 § 26 Abs. 3 PBG sieht vor, dass der Gemeinderat das Auflage- und
Einspracheverfahren wiederholt, wenn die Entscheide im Einsprache- oder
Beschwerdeverfahren eine wesentliche Änderung des Entwurfs zur Folge haben. Der
Beschwerdeführer geht fehl in der Annahme, das Verwaltungsgericht habe eine
wesentliche Änderung im Sinne dieser Bestimmung verneint. Aus dem Umstand der
Durchführung eines zweiten Auflage- und Einspracheverfahrens geht im Gegenteil
hervor, dass die Behörden eine wesentliche Änderung der Planung bejahten. Das
Verwaltungsgericht hält indessen für entscheidend, dass der Beschwerdeführer
seine Kritik bereits im ersten Einspracheverfahren hätte anbringen können und
müssen.

Das Bundesgericht hat sich bereits im Urteil 1P.277/1989 und 1P.361/ 1990 vom
3. Oktober 1990 mit § 26 Abs. 3 PBG befasst. In diesem Urteil wird ausgeführt,
dass die Neuauflage des wesentlich geänderten Nutzungsplans nebst der
allgemeinen Orientierung der Öffentlichkeit bezweckt, jenen von der Änderung
Betroffenen Gelegenheit zur Einsprache zu geben, die sich zuvor dazu nicht
haben äussern können. Das Bundesgericht folgerte, dass es einem prozessualen
Leerlauf gleichkäme, wenn Grundeigentümer, welche sich bereits im ersten
Einspracheverfahren äussern konnten, dieselben Vorbringen nochmals im zweiten
Einspracheverfahren vortragen dürften (a.a.O., E. 4b). Diese Überlegungen
müssen im Grundsatz auch gelten, wenn im zweiten Auflageverfahren nicht
nochmals derselbe, sondern ein anderer Betroffener Einsprache erhebt (in diese
Richtung auch die Hinweise bei AEMISEGGER/HAAG, Praxiskommentar zum
Rechtsschutz in der Raumplanung, 2010, N. 29 zu Art. 33 RPG, und WALDMANN/
HÄNNI, Raumplanungsgesetz, N. 14 zu Art. 33 RPG). Es stellt deshalb keine
willkürliche Anwendung von § 26 Abs. 3 PBG dar und verletzt auch nicht Art. 33
Abs. 3 lit. a RPG oder Art. 111 BGG, wenn das Verwaltungsgericht den
Beschwerdeführer mit Rügen ausschliessen will, die er bereits im ersten
Verfahren hätte vorbringen können.

Entscheidend ist somit, ob der Beschwerdeführer bereits im Rahmen der ersten
Auflage Anlass hatte, Einsprache zu erheben. Dies ist zu bejahen. Sowohl in
seiner Beschwerde an die Vorinstanz als auch in jener im bundesgerichtlichen
Verfahren verlangt er in materieller Hinsicht ausschliesslich die
Nichteinzonung des Objekts Nr. 45a (auf Parzelle Nr. 17). Die Einzonung dieses
Objekts war indessen schon Teil der ersten Version des revidierten Zonenplans.
Es lässt sich auch nicht sagen, dass sie angesichts des auch in weiteren
Punkten geänderten Plans in einem anderen Lichte erschiene. Dass die zweite
Version im betreffenden Bereich nicht mehr eine Wohnzone W2, sondern eine Wohn-
und Gewerbezone WG2 vorsieht, ist nicht entscheidend, zumal dies für den
Beschwerdeführer und seinen Vater sogar eine Verbesserung bedeutet. Die für die
Zone WG2 geltende Empfindlichkeitsstufe dürfte nämlich das vom Beschwerdeführer
befürchtete Konfliktpotenzial noch etwas entschärfen, welches zwischen dem von
seinem Vater geführten Landwirtschaftsbetrieb und künftigen Nachbarn entstehen
könnte (vgl. in diesem Zusammenhang Art. 63 des Baureglements der Gemeinde
Muotathal vom 18. Dezember 1997). Mit anderen Worten hatte der Beschwerdeführer
bei der ersten Auflage sogar noch mehr Anlass zur Einsprache. Unterliess er
diese damals, so kann er dem Verwaltungsgericht keine willkürliche Anwendung
von § 26 Abs. 3 PGB vorwerfen, weil es seine Einsprache im zweiten
Auflageverfahren als verspätet ansah. Die betreffende Rüge ist unbegründet.
Dasselbe gilt für die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe in diesem
Zusammenhang den Sachverhalt falsch festgestellt. Die Kritik des
Beschwerdeführers betrifft die Rechtsanwendung, nicht die
Sachverhaltsfeststellung.
2.3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich schliesslich auf den Grundsatz von Treu
und Glauben (Art. 9 BV). Er macht wie bereits erwähnt geltend, seine Einsprache
in guten Treuen erhoben zu haben und sich dabei auf eine behördliche Auskunft
vom 21. Januar 2010 an seinen Vater verlassen zu haben.

Der Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz
des berechtigten Vertrauens in unrichtige Zusicherungen, Auskünfte,
Mitteilungen oder Empfehlungen einer Behörde, wenn die Behörde in einer
konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat, die Behörde
für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war, der Bürger die
Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres erkennen konnte, er im Vertrauen
auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne
Nachteil rückgängig gemacht werden können, und die gesetzliche Ordnung seit der
Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat (BGE 132 II 240 E. 3.2.2 S. 244;
131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; 130 I 26 E. 8.1 S. 60; je mit Hinweisen).

Von einer Betätigung schutzwürdigen Vertrauens könnte unter den vorliegenden
Umständen von vornherein nur dann gesprochen werden, wenn es der
Beschwerdeführer im Vertrauen auf eine behördliche Auskunft unterlassen hätte,
bereits im Rahmen der ersten Auflage Einsprache zu erheben. Dies ist jedoch
nicht möglich, da die Einsprachefrist bereits am 28. Dezember 2009 ablief (§ 25
Abs. 3 PBG), somit noch vor der seinem Vater am 21. Januar 2010 angeblich
erteilten Auskunft. Der Beschwerdeführer konnte somit nicht von einer am 21.
Januar 2010 erteilten Auskunft davon abgehalten worden sein, Einsprache zu
erheben. Darüber hinaus könnte eine falsche Auskunft ohnehin kein
Beschwerderecht schaffen, das sonst nicht besteht (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 701). Die Rüge des
Beschwerdeführers ist unbegründet.

2.3.3 Es ergibt sich, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem
sie den Nichteintretensentscheid des Regierungsrats bestätigte. Wie es sich mit
der Frage verhält, ob der Beschwerdeführer als Sohn und Mitbewohner des
Grundeigentümers ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse hat, kann unter diesen
Umständen offen bleiben.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat keinen Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Gemeinderat Muotathal, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, und
dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. August 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Dold