Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.180/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_180/2012

Urteil vom 13. Juni 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Bader und
Rechtsanwältin Barbara Gmür,

gegen

Einwohnergemeinde Bern, vertreten durch die Baubewilligungsbehörde,
Bauinspektorat,
Bundesgasse 38, Postfach, 3001 Bern,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse
11, 3011 Bern.

Gegenstand
Bauvorhaben; Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses, Rechtsfolgen des
Beschwerderückzugs,

Beschwerde gegen das Urteil vom 16. Januar 2012
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern.

Sachverhalt:

A.
Am 3. Juli 2009 beantragte X.________ die Gesamtbaubewilligung für den Abbruch
der bestehenden Bauten und den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauskomplexes
mit Einstellhalle auf den Parzellen Bern Gbbl. Nrn. 162, 164, 171, 174, 198 und
201. Am 28. September 2010 erteilte die Einwohnergemeinde (EG) Bern die
anbegehrte Bewilligung. Auf Beschwerde hin hob die Bau-, Verkehrs- und
Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) die Gesamtbaubewilligung mit Entscheid
vom 8. Februar 2011 auf und erteilte den Bauabschlag. Hierauf erhob X.________
Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern, wobei sie mit der
Beschwerde ein Projektänderungsgesuch einreichte. Nach Durchführung einer
Verhandlung hob das Verwaltungsgericht den Entscheid der BVE im Einvernehmen
mit allen Verfahrensbeteiligten auf und wies die Sache zu neuem Entscheid unter
Berücksichtigung des Projektänderungsgesuchs an die BVE zurück (Urteil vom 6.
Juni 2011).

B.
Aufgrund einer Stellungnahme des kantonalen Amts für Gemeinden und Raumordnung,
welches Zweifel an der Bewilligungsfähigkeit des geänderten Projekts geäussert
hatte, forderte die BVE die Bauherrschaft auf, ihr mitzuteilen, ob sie am
Projektänderungsgesuch festhalte (Verfügung vom 2. August 2011). In der Folge
zogen die ehemaligen Projektgegner ihre vormals bei der BVE eingereichte
Beschwerde am 15. August 2011 "aufgrund anderweitiger Einigung mit der
Bauherrschaft" zurück, worauf die BVE das Beschwerdeverfahren mit Entscheid vom
29. August 2011 als erledigt vom Geschäftsverzeichnis abschrieb, den
Gesamtbauentscheid vom 28. September 2010 aufhob und die Sache zu neuem
Entscheid unter Berücksichtigung des Projektänderungsgesuchs an die EG Bern
zurückwies. Hiergegen erhob X.________ wiederum Beschwerde beim
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, wobei sie namentlich beantragte, es sei
festzustellen, dass der Gesamtbauentscheid in Rechtskraft erwachsen sei. Mit
Urteil vom 16. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat.

C.
Am 3. April 2012 hat X.________ gegen dieses Urteil Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben. Sie
beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Beschwerdeverfahren
vor der BVE abzuschreiben, eventuell die Sache an die BVE zurückzuweisen. Die
Beschwerdeführerin rügt namentlich die Verletzung des Willkürverbots, des
Prinzips der Gewaltentrennung, der Eigentumsgarantie und des
Rechtsgleichheitsgebots.
Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die EG Bern und
die BVE haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid in einer
öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit.
d sowie Abs. 2 BGG). Ein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG liegt nicht vor.
Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist
durch das angefochtene Urteil besonders berührt und hat ein schutzwürdiges
Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 BGG). Die Beschwerde wurde
form- und fristgerecht erhoben (Art. 42 und 100 Abs. 1 BGG).

1.2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die
Angelegenheit nicht abschliessend beurteilt, sondern einen
Rückweisungsentscheid der kantonalen Fachdirektion (BVE) bestätigt, welcher der
Baubewilligungsbehörde (EG Bern) einen erheblichen Entscheidungsspielraum
belässt. Ein derartiger die Rückweisung bestätigender Entscheid stellt keinen
Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG dar, sondern einen Zwischenentscheid
(vgl. BGE 134 II 124 E. 1.3 S. 127). Ein Zwischenentscheid ist - von den hier
nicht gegebenen Ausnahmen gemäss Art. 92 BGG abgesehen - beim Bundesgericht nur
unter den Voraussetzungen von Art. 93 BGG anfechtbar, d.h. wenn er einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung
der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen
bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren
ersparen würde (lit. b). Nach Meinung der Beschwerdeführerin sind die
Voraussetzungen beider Ausnahmefälle gegeben.
Jedenfalls die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG können hier als
erfüllt gelten. Der Beschwerdeführerin geht es - obwohl dies in ihren
Rechtsbegehren nicht zum Ausdruck kommt - um die Bestätigung, dass die
ursprüngliche von der EG Bern erteilte Gesamtbaubewilligung vom 28. September
2010 (vgl. Sachverhalt Lit. A.) in Rechtskraft erwachsen ist und sie davon
Gebrauch machen darf. Mit dem Rückweisungsentscheid wurde die EG Bern indessen
von der BVE angewiesen, über das modifizierte Bauvorhaben gemäss
Projektänderungsgesuch vom 11. März 2011 zu befinden. Einerseits würde ein
gutheissendes Erkenntnis somit unmittelbar zum von der Beschwerdeführerin
angestrebten Endentscheid führen, und andererseits würde es sie davon entheben,
langwierige Bewilligungs- und allenfalls Rechtsmittelverfahren für ein
Grossbauvorhaben mit den damit verbundenen Beweismassnahmen durchlaufen zu
müssen, um erst hernach die sie schon jetzt vorrangig interessierende
Rechtsfrage zur endgültigen Entscheidung bringen zu können. Auf die Beschwerde
ist daher einzutreten.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das Verwaltungsgericht habe Art. 39 Abs. 1 des
bernischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 23. Mai 1989 (VRPG/BE) und Art.
43 des Baubewilligungsdekrets des Kantons Bern vom 22. März 1994 (BewD)
willkürlich angewendet. Die erstgenannte Vorschrift bestimme, dass ein
Verfahren nach dem Rückzug der Begehren zwingend abzuschreiben sei; die zweite
Norm schliesse nicht aus, dass das ursprüngliche Baugesuch bzw. die
ursprünglich erteilte Baubewilligung Verfahrensgegenstand bleibe, auch wenn im
Verlauf des Verfahrens eine Projektänderung erfolge. Indem die Vorinstanz nur
noch das geänderte Projekt als Gegenstand des Verfahrens, den Beschwerderückzug
als nicht entscheidend und die ursprünglich erteilte Baubewilligung als
hinfällig bezeichnet habe, sei sie in Willkür verfallen.

2.2 Das Verwaltungsgericht hat erwogen, wenn während laufendem Verfahren eine
Projektänderung im Sinne von Art. 43 BewD eingereicht werde, trete nach Lehre
und ständiger Rechtsprechung das geänderte Projekt an die Stelle des
ursprünglichen; dieses sei nicht mehr Verfahrensinhalt und stehe nicht mehr zur
Diskussion. Mit Einreichung ihres Projektänderungsgesuchs habe die
Beschwerdeführerin somit auf ihr ursprüngliches Projekt verzichtet. Dieses sei
hinfällig und der Gesamtbaubewilligung vom 28. September 2010 die Grundlage
entzogen worden; sie könne nicht wieder aufleben. Im Umfang der geänderten
Teile des Bauvorhabens sei das angehobene Beschwerdeverfahren, aus dem sich die
Opponenten zurückgezogen hätten, gegenstandslos geworden. Zu prüfen gewesen sei
indessen noch das geänderte Projekt. Der BVE als Beschwerdeinstanz habe es nach
ausdrücklicher Vorschrift (Art. 43 Abs. 3 Satz 2 BewD) freigestanden, das
geänderte Projekt nicht selber zu prüfen, sondern dieses an die
Bewilligungsbehörde (EG Bern) zurückzuweisen.

2.3 Gemäss Art. 39 Abs. 1 VRPG/BE ist nach dem Wegfallen des rechtserheblichen
Interesses am Erlass eines Entscheids im Verlaufe des Verfahrens insbesondere
zufolge Rückzugs der Begehren das Verfahren von der instruierenden Behörde als
erledigt vom Geschäftsverzeichnis abzuschreiben. Art. 43 BewD umschreibt den
Begriff der Projektänderung (Abs. 1) und lässt diese unter Einhaltung
bestimmter formeller Erfordernisse während des Baubewilligungsverfahrens (Abs.
2) und während eines anschliessenden Baubeschwerdeverfahrens vor der BVE (Abs.
3) zu. Vor dem Verwaltungsgericht sind Projektänderungen im Grundsatz
ausgeschlossen (Abs. 4). Für Projektänderungen während der Bauausführung regelt
Abs. 5 die Zuständigkeit für das diesfalls anzuhebende nachlaufende Verfahren.
Die erwähnten Normen gehören zum kantonalen Recht, dessen Auslegung und
Anwendung das Bundesgericht nur auf Verfassungskonformität, insbesondere
Willkür, überprüfen kann (Art. 95 BGG). Willkür in der Rechtsanwendung liegt
nach ständiger höchstrichterlicher Praxis vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen angefochtenen Entscheid aber nur auf, wenn nicht bloss
die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht
(statt vieler BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 m.H.).

2.4 Die Auslegung von Art. 43 BewD durch die Vorinstanz, wonach eine während
des Baubewilligungs- oder Baubeschwerdeverfahrens eingereichte Projektänderung
nicht im Sinne eines Eventualbegehrens neben das ursprüngliche Projekt tritt,
sondern dieses ersetzt mit der Folge, dass es nicht mehr Verfahrensgegenstand
ist, ist keineswegs willkürlich. Sie entspricht der Lehre (vgl. insbesondere
ALDO ZAUGG/ PETER LUDWIG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, 3. Aufl.,
2007, Bd I, N 13c zu Art. 32 BauG) und publizierten Praxis (BVR 1989 S. 400 E.
2 S. 401 m.H.). Im Unterschied zum Zivilprozess, in dem eine Klagenhäufung aus
prozessökonomischer Sicht sinnvoll sein kann, erfordert ein
Baubewilligungsverfahren oft umfangreiche und aufwendige Abklärungen. Diese
sollen auf das beabsichtigte Vorhaben beschränkt bleiben und nicht auf
Varianten ausgedehnt werden können. Nicht nur die Verwaltungsarbeit, sondern
auch die Mitwirkung Dritter würde übermässig erschwert, wenn zugleich mehrere
Varianten zu prüfen wären, von denen letztendlich höchstens eine realisiert
werden kann (vgl. BVR 1989 S. 400 E. 2b S. 402). Es liesse sich auch die Frage
aufwerfen, ob ein Gesuchsteller überhaupt noch ein hinreichendes
Rechtsschutzinteresse an der Prüfung des ursprünglich beabsichtigten
Bauvorhabens und an der Weiterführung des diesbezüglichen Verfahrens hat,
nachdem er das Projekt in veränderter Form eingereicht hat und verwirklichen
will. Jedenfalls ist es in keiner Weise abwegig oder unvertretbar, die erwähnte
Vorschrift in dem Sinne auszulegen, dass jeweils nur ein Projekt - das aktuell
unterbreitete - Gegenstand der Prüfung durch die Baubewilligungs- und
Rechtsmittelbehörden sein kann.

2.5 Bei diesem Ergebnis ist es nicht unhaltbar, sondern logisch und
folgerichtig, das ursprünglich angehobene, obsolet gewordene Bewilligungs- bzw.
Rechtsmittelverfahren als gegenstandslos zu betrachten, soweit überhaupt
erforderlich als erledigt abzuschreiben und das Verfahren nur noch mit dem
geänderten Bauvorhaben weiterzuführen. Eine ursprünglich erteilte, aber
angefochtene Baubewilligung ist im Falle der Projektänderung während des
Verfahrens nicht mehr Verfahrensgegenstand und kann, da über sie
oberinstanzlich nicht mehr entschieden wird, nicht in Rechtskraft erwachsen.
Sie wird mit der Ersetzung des ursprünglichen Vorhabens durch ein neues bzw.
der Abschreibung des Verfahrens hinfällig, wie das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass ein nach
erfolgter Projektänderung erklärter Rückzug der Gegnerschaft aus dem Verfahren
nur das noch laufende Verfahren (betreffend das geänderte Projekt) betreffen
kann. Mit Bezug auf ein bereits gegenstandslos gewordenes Verfahren entfaltet
eine Rückzugserklärung keine Rechtswirkungen. Wenn die kantonalen Behörden dem
Beschwerderückzug der Gegenerschaft daher nur für das künftige Verfahren
(betreffend das geänderte Projekt) Bedeutung zugemessen haben, kann ihnen
deshalb keineswegs eine willkürliche Anwendung von Art. 39 Abs. 1 VRPG/BE
vorgeworfen werden. Ihre Rechtsauffassung erscheint vielmehr überzeugend.
Zutreffend ist auch, dass die BVE nach dem Beschwerderückzug mit dem geänderten
Projekt befasst blieb, für das noch keine Baubewilligung vorlag. Zu Recht
bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass es der BVE unbenommen war, das
modifizierte Projekt zur weiteren Prüfung an die Baubewilligungsbehörde
zurückzuweisen (Art. 43 Abs. 2 Satz 2 BewD).

2.6 Im Übrigen scheint die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 11. März
2011 mit Projektänderungsgesuch an das Verwaltungsgericht noch die gleiche
Rechtsauffassung vertreten zu haben. Jedenfalls schrieb sie in dieser
Rechtsschrift, "das Projektänderungsgesuch ersetzt das ursprüngliche
Bauvorhaben" (Art. 2 S. 5 und Art. 11 S. 38) und sie stellte auch klar, dass
nicht etwa die Projektänderung, sondern die Rückweisung an die BVE eventualiter
beantragt werde (Art. 5 S. 6). Es ist nicht recht nachvollziehbar, wie sie nun
zum Ergebnis gelangen kann, das ursprüngliche Bauvorhaben sei im Sinne eines
Eventualbegehrens doch Verfahrensgegenstand geblieben und die seinerzeit
erteilte Baubewilligung sei mit dem später erklärten Beschwerderückzug der
Gegenerschaft in Rechtskraft erwachsen.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin bringt unter Hinweis auf Art. 69 Abs. 4 lit. a KV/BE
weiter vor, das angefochtene Urteil verstosse gegen das Prinzip der
Gewaltentrennung, weil die zitierte Dekretsnorm keine genügende gesetzliche
Grundlage zur Weiterführung eines (Beschwerde-)Verfahrens trotz Rückzugs der
Beschwerde abgebe. Hierzu ist zum einen festzuhalten, dass der
Beschwerderückzug - wie ausgeführt (E. 2.5 hiervor) - ein Rechtsmittel betraf,
das wegen Änderung des Projekts im weiteren Verfahrensverlauf bereits
gegenstandslos geworden war; die Frage der Weiterführung eines Verfahrens trotz
Rückzugs der Beschwerde betreffend den gleichen Streitgegenstand stellte sich
richtig besehen gar nicht. Zum andern genügt Art. 43 BewD durchaus als
gesetzliche Basis für das gerügte Vorgehen: Die Art. 69 Abs. 1 und 74 Abs. 1 KV
/BE erlauben grundsätzlich die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen des
Volkes an den Grossen Rat, wenn die Delegation auf ein bestimmtes Gebiet
beschränkt ist und das Gesetz den Rahmen der Delegation festlegt (BGE 124 I 216
E. 4a S. 219; vgl. auch ROLAND FEUZ, Altrechtliche Dekrete unter der neuen
Kantonsverfassung; ein Beitrag zur Auslegung von Art. 69 KV, in BVR 2001 S. 145
ff.). Das trifft für das Baubewilligungs- und -beschwerdeverfahren zu, dessen
nähere Regelung durch Art. 143 Abs. 1 lit. b des bernischen Baugesetzes vom 9.
Juni 1985 ausdrücklich auf die Dekretsstufe verwiesen wird. Das weitere
Erfordernis, wonach alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen
Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen sind (Art. 69 Abs. 4 KV/BE), gibt
ebenfalls zu keinen rechtlichen Bedenken Anlass. Zwar handelt es sich bei der
Regelung der Zulässigkeit und der Modalitäten von Projektänderungen während des
laufenden (Beschwerde-)Verfahrens durchaus um Fragen mit einem gewissen Gewicht
(vgl. BGE 124 I 216 E. 4b S. 219; WALTER KÄLIN/URS BOLZ, Handbuch des
bernischen Verfassungsrechts, 1995, S. 132; BEAT STALDER, Das Dekret im
bernischen Recht, in BVR 1990 S. 265 ff., S. 320). Indessen geht es -
jedenfalls soweit hier interessierend - klarerweise um Bestimmungen von
sekundärer Bedeutung, um typisches Ausführungsrecht (vgl. ROLAND FEUZ, a.a.O.,
S. 151 f.). Art. 43 BewD eröffnet die Möglichkeit der Projektanpassung nach
angehobenem Bewilligungsverfahren und beschränkt sie zugleich. Die Regelung
berührt aber die Rechtsstellung des Bauherrn nur marginal und auferlegt ihm
namentlich keine besonderen Verpflichtungen. Es bleibt ihm unbenommen, im
Rahmen der anwendbaren Bau- und Planungsvorschriften nacheinander Projekte zur
Prüfung vorzulegen wie es ihm beliebt. Art. 43 BewD betrifft nur die
Änderungsmöglichkeiten während der Prüfungsphase und der Bauausführung. Von
einer Bestimmung über "die Grundzüge der Rechtsstellung des einzelnen" (vgl.
Art. 69 Abs. 4 lit. a KV/BE), die der Gesetzesform bedürfte, kann entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers nicht die Rede sein. Die Dekretsform erscheint
für Regelungen wie die streitbetroffene im Übrigen ohne Weiteres geeignet (vgl.
ROLAND FEUZ, a.a.O., S. 152). Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb der
erwähnten Norm nicht die Funktion einer gesetzlichen Basis für das zu
beurteilende behördliche Vorgehen zukommen sollte.

3.2 Die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) bzw. der
Baufreiheit ist ebenfalls unbegündet. Wie soeben ausgeführt, greift die
Regelung von Art. 43 BewD höchstens am Rande in die Rechtsstellung des Bauherrn
ein und genügt sie den verfassungsmässigen Anforderungen an eine gesetzliche
Grundlage für derartige Beschränkungen.

3.3 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das angefochtene Urteil
verstosse gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV),
rügt er ein verfassungsmässiges Prinzip, aber kein Grundrecht (BGE 134 I 153 E.
4.1 S. 156). Im Zusammenhang mit der Überprüfung von kantonalem Recht fällt
diese Rüge mit dem Willkürvorwurf zusammen (BGE 134 I 153 E. 4.2 u. 4.3 S. 157
f.). Hierzu kann auf das bereits Ausgeführte (E. 2.4 und 2.5) verwiesen werden.

3.4 Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist ebenfalls
unbegründet. Es bestehen sachliche Gründe, um einen Beschwerderückzug vor der
Änderung eines Projekts verfahrensmässig anders zu behandeln als einen Rückzug
der seinerzeitigen Beschwerde nach der Vornahme einer Projektänderung. Anders
als die Beschwerdeführerin meint (S. 36 der Beschwerde), liegt die richtige
Anwendung der bau- und planungsrechtlichen Vorschriften nicht nur im Interesse
der direkt betroffenen Privatpersonen, sondern auch im öffentlichen (bzw.
Allgemein-)Interesse. Ein aufgegebenes, nie rechtskräftig bewilligtes Vorhaben
kann deshalb nicht einfach als zulässig und bewilligt gelten, weil die
seinerzeitigen Opponenten erklären, sie liessen ihre Einwände gegen dieses
Projekt fallen. Eine solche Erklärung wäre - auch aus dem Blickwinkel der
Rechtsgleichheit - nur erheblich, wenn nicht nur das geänderte, sondern
ebenfalls noch das ursprüngliche Projekt Verfahrensgegenstand wäre. Das aber
durften die kantonalen Behörden in willkürfreier Anwendung des einschlägigen
kantonalen Rechts verneinen.

4.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde unbegründet und abzuweisen. Bei diesem
Ergebenis wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Einwohnergemeinde Bern, der
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Mattle