Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.178/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_178/2012

Urteil vom 22. August 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Haag.

Verfahrensbeteiligte
A.________, Beschwerdeführerin,

gegen

1. Ehepaar B.________,
2. Ehepaar C.________,
3. D.________,
4. E.________,
5. Ehepaar F.________,
6. Ehepaar G.________,
7. Ehepaar H.________,
Beschwerdegegner,

Gemeinderat Altikon, Schloss, 8479 Altikon,
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich,
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitsbedingungen, Neumühlequai 10, 8090
Zürich.

Gegenstand
Windkraftanlage; Wartung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 22. Februar 2012 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
1. Abteilung, 1. Kammer.

Sachverhalt:

A.
A.________ betreibt als Eigentümerin auf ihrem Grundstück Kat.-Nr. 680 in
Altikon eine Kleinwindkraftanlage zur Stromerzeugung. Nachdem diese während
mehrerer Jahre zu keinen Beanstandungen Anlass gab, wandten sich im Jahr 2010
mehrere Nachbarn mit "Lärmklagen" an die Gemeinde Altikon. Der Gemeinderat
Altikon ersuchte daraufhin die Baudirektion des Kantons Zürich um eine
Beurteilung des Lärms und erliess am 21. März 2011 nach einer erfolglos
gebliebenen formlosen Aufforderung an die Eigentümerin der Anlage eine
Verfügung mit folgendem Wortlaut (Dispositiv Ziff. 1):
"Die Grundeigentümerin A.________ wird aufgefordert, innert 30 Tagen ab
Zustellung dieser Verfügung von der Herstellerfirma der Windkraftanlage oder
von einer anderen geeigneten Fachfirma eine Wartung der Anlage durchführen zu
lassen, und innert 10 Tagen nach Durchführung der Wartung dem Gemeinderat einen
Bericht der betreffenden Firma über die vorgenommenen Wartungsarbeiten
vorzulegen."
Einem allfälligen Rekurs entzog der Gemeinderat Altikon die aufschiebende
Wirkung. Den von A.________ gegen die Verfügung erhobenen Rekurs wies das
Baurekursgericht mit Entscheid vom 22. September 2011 ab, nachdem es die
aufschiebende Wirkung des Rekurses wiederhergestellt hatte.
Mit Beschwerde vom 20. Oktober 2011 gelangte A.________ mit dem Antrag an das
Verwaltungsgericht, die Verfügung vom 21. März 2011 und den Rekursentscheid
aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 22.
Februar 2012 ab und setzte die Frist für die Wartung der Windkraftanlage auf 30
Tage ab Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils an.

B.
Mit Eingabe an das Bundesgericht vom 30. März 2012 erhebt A.________ Beschwerde
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Sie bestreitet die Zuständigkeit des
Gemeinderats Altikon zum Erlass der Verfügung vom 21. März 2011 und kritisiert
die lärmrechtliche Beurteilung durch die Vorinstanzen.

Das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich teilt mit, die
lärmrechtliche Beurteilung falle in die Zuständigkeit der Gemeinde Altikon,
weshalb es auf eine Äusserung zu den materiellen Streitfragen verzichte. Der
Gemeinderat Altikon verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Verwaltungsgericht
stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Die Beschwerdegegner verlangen sinngemäss die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) kommt zum Schluss, dass der angefochtene
Entscheid mit der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes vereinbar sei.

In einer weiteren Eingabe vom 15. August 2012 hält die Beschwerdeführerin an
ihrer Beschwerde fest.

C.
Mit Präsidialverfügung vom 12. Juni 2012 wurde der Beschwerde aufschiebende
Wirkung beigelegt. Ein Wiedererwägungsgesuch der Beschwerdegegner, mit welchem
diese die Betriebseinstellung der Anlage während der Dauer des
bundesgerichtlichen Verfahrens verlangten, wurde am 16. Juli 2012 abgewiesen.

Erwägungen:

1.
1.1 Dem angefochtenen Entscheid liegt eine Verfügung der Gemeinde Altikon zur
Beschränkung der von der Windkraftanlage bewirkten Lärmimmissionen zugrunde. Es
handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, die vom
Verwaltungsgericht als letzte kantonale Instanz im Rahmen eines Endentscheids
beurteilt wurde (Art. 82 ff. BGG). Die Beschwerdeführerin hat am
vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Eigentümerin des
Grundstücks, auf welchem die umstrittene Anlage besteht, zur Beschwerde
berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG).

1.2 Rechtsschriften an das Bundesgericht haben unter anderem die Begehren und
deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG).
Die Beschwerdeschrift enthält keine Rechtsbegehren. Aus ihrer Kritik ergibt
sich lediglich sinngemäss, dass die Beschwerdeführerin die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids anstrebt.

Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist zudem in der Beschwerdebegründung in gedrängter
Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt
voraus, dass sich ein Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Genügt die Beschwerdeschrift diesen
Begründungsanforderungen nicht, so ist darauf nicht einzutreten. Zwar wendet
das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG); dies setzt aber voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten
werden kann, diese also wenigstens die minimalen Begründungsanforderungen von
Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt. Auch in dieser Hinsicht erweist sich die
vorliegende Beschwerde als mangelhaft. Soweit die Voraussetzungen von Art. 42
BGG nicht erfüllt sind, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
Die Beschwerdeführerin stellt wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren die
Zuständigkeit der Gemeinde Altikon zum Erlass der Verfügung vom 21. März 2011
infrage, weil die Kleinwindkraftanlage überwiegend einen gewerblichen Zweck
erfülle.

2.1 Für die Anwendung des Umweltschutzgesetzes des Bundes (USG; SR 814.01) und
seiner Ausführungsvorschriften sind im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens die
kommunalen Baubehörden zuständig, soweit eine Verordnung nicht eine andere
Zuständigkeit vorsieht (§ 318 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 7.
September 1975 [PBG/ZH]). Abweichungen von dieser Zuständigkeitsordnung sind
insbesondere im Anhang zur kantonalen Bauverfahrensverordnung vom 3. Dezember
1997 (BVV/ZH) enthalten. Nach dessen Ziff. 3.1 sind ortsfeste Anlagen der
Industrie, des Gewerbes und der Landwirtschaft gemäss Art. 2 Abs. 1 der
Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41), die beim Betrieb
Aussenlärm erzeugen, bezüglich ihrer Übereinstimmung mit den Vorschriften über
den Lärmschutz vom kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit zu prüfen.

2.2 Kleinwindkraftanlagen müssen als Energieanlagen die in Anhang 6 LSV
enthaltenen Grenzwerte für Anlagen der Industrie, des Gewerbes und der
Landwirtschaft einhalten (vgl. Ziff. 1 Abs. 2 Anhang 6 LSV). Dient die Anlage
aber nicht der öffentlichen Netzeinspeisung, sondern lediglich der privaten
Stromerzeugung (Hausnetzeinspeisung oder Inselanlage), verfolgt sie nach der
Praxis der kantonalen Behörden in der Regel keinen gewerblichen Zweck im Sinn
von Ziff. 3.1 Anhang BVV/ZH, sodass die kommunale Baubehörde zur
lärmrechtlichen Beurteilung zuständig bleibt.

Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, die Beschwerdeführerin
zeige mit ihrem unsubstanziierten Hinweis auf "Lager- und Gewerberäume für
stilles Gewerbe" in den Untergeschossen der Doppelliegenschaft Schlossacker 4/6
nicht auf, dass die Windkraftanlage in massgeblicher Weise gewerbliche Zwecke
erfülle. Die Zuständigkeit der Gemeinde Altikon, dessen Gemeinderat die
angefochtene Verfügung erlassen habe, sei deshalb nicht zu beanstanden. Die
Beschwerdeführerin bringt im bundesgerichtlichen Verfahren nichts vor, was
Zweifel an der vorinstanzlichen Beurteilung aufkommen liesse. Die Beschwerde
ist somit in diesem Punkt unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten
werden kann.

3.
Die Beschwerdeführerin kritisiert die vom Verwaltungsgericht vorgenommene
lärmrechtliche Beurteilung in verschiedener Hinsicht und wiederholt dabei im
Wesentlichen ihre bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten
Argumente. In diesem Zusammenhang beanstandet sie auch die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen, ohne im Einzelnen aufzuzeigen,
inwiefern die Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 BGG vorliegen. Dem
vorliegenden Urteil ist somit der Sachverhalt zugrunde zu legen, den das
Verwaltungsgericht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG).

3.1 Nach Art. 25 Abs. 1 USG und Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV dürfen ortsfeste
Anlagen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten
Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten. Das
streitbetroffene Grundstück liegt in einer Wohnzone, für welche die
Empfindlichkeitsstufe II festgelegt wurde (Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV). Laut
Anhang 6 LSV gilt für die vorliegende Kleinwindkraftanlage, die als
Energieanlage den Industrie- und Gewerbeanlagen in Bezug auf die
Belastungsgrenzwerte gleichgestellt ist (Ziff. 1 Abs. 2 Anhang 6 LSV), ein
Planungswert von 55 dB(A) (Tag) bzw. 45 dB(A) (Nacht). In der Lärmbeurteilung
der kantonalen Fachstelle Lärmschutz vom 10. September 2010 wurde am Fenster
des Nachbargebäudes ein Beurteilungspegel von 50,2 dB(A) ermittelt, womit der
anwendbare nächtliche Planungswert von 45 dB(A) deutlich überschritten wird.

3.2 Das Verwaltungsgericht hat die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die
vorgenommenen Messungen und Berechnungen im Einzelnen beurteilt und ist zum
Schluss gelangt, dass die Lärmbegutachtung durch die zuständige kantonale
Fachstelle nicht zu beanstanden sei. Das BAFU als Fachinstanz des Bundes legt
dar, dass die Lärmbeurteilung der kantonalen Fachstelle den Anforderungen von
Anhang 6 LSV nicht vollständig entspreche, da sie insbesondere die
unterschiedlichen Lärmphasen nicht berücksichtige. Damit sei der Nachweis, dass
die nächtlichen Planungswerte vorliegend überschritten seien, nicht eindeutig
erbracht. Weitere Abklärungen müssten jedoch nicht getroffen werden, da die
Kleinwindkraftanlage offensichtlich mehr Lärm verursache als vom Hersteller der
Anlage angegeben werde (50 dB(A) bei einer Windgeschwindigkeit von 2.5-3 m/s
statt 30 dB(A) bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s). Das BAFU und die
kantonalen Instanzen gehen zu Recht davon aus, dass die umstrittene Wartung zu
einer Reduktion der Lärmemissionen führen kann. Unter Berücksichtigung der
relativ geringen Kosten und der erheblichen Abweichung des Lärmpegels ist die
Durchführung der angeordneten Wartung jedenfalls verhältnismässig. Dem Argument
der Beschwerdeführerin, der Lärmpegel von 50 dB(A) sei durch Windgeräusche
verursacht worden, kann nicht gefolgt werden. Der Gutachter der kantonalen
Fachstelle erwähnt in der Lärmbeurteilung die hörbaren mechanischen Geräusche,
die sich mit einem ordnungsgemässen Funktionieren der Kleinwindkraftanlage, die
nach den Herstellerangaben lediglich einem Schallpegel von 30 dB(A) erreicht,
nicht vereinbaren lassen. Die Kritik der Beschwerdeführerin an der angeordneten
Wartung stösst somit ins Leere. Die Beschwerdeführerin ist bereits gestützt auf
Art. 11 Abs. 2 USG verpflichtet, die Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit
zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich
tragbar ist. Mit der Wartung besteht eine zweifellos wirtschaftlich tragbare
Massnahme zur Begrenzung der Lärmemissionen.

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die
Beschwerdeführerin, die Wartung der Windkraftanlage innert 30 Tagen ab
Zustellung seines Entscheids vorzunehmen. Diese Frist ist seither unbenützt
verstrichen. Es erscheint gerechtfertigt, die vom Gemeinderat Altikon
eingeräumte Frist zur Wartung der Anlage neu auf 30 Tage seit Zustellung des
vorliegenden Urteils anzusetzen.

Bei diesem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der
unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den
anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdegegnern steht keine Parteientschädigung
zu (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Frist zur Vornahme der Wartung der Windkraftanlage wird auf 30 Tage seit
Zustellung des vorliegenden Urteils des Bundesgerichts festgesetzt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Altikon, der
Volkswirtschaftsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1.
Abteilung, 1. Kammer, sowie dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. August 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Haag