Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.115/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_115/2012

Urteil vom 23. Mai 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiberin Scherrer Reber.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde Steinhausen, handelnd durch den Gemeinderat, vertreten durch
Rechtsanwalt Rolf Weber,
Regierungsrat des Kantons Zug, Seestrasse 2, Postfach 156, 6301 Zug.

Gegenstand
Enteignung (Durchleitungsrecht für Meteorwasserleitung),

Beschwerde gegen das Urteil vom 31. Januar 2012
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer.

Sachverhalt:

A.
Die Einwohnergemeinde Steinhausen plant den Bau einer Meteorwasserleitung zur
Erschliessung von Grundstück Nr. 143 und zur Entwässerung der Gebiete Hinterhöf
und Vorderhöf. Die Leitung führt unter anderem durch das Grundstück Nr. 312 von
X.________. Damit sie realisiert werden kann, bedarf es neben der
Baubewilligung des Durchleitungsrechts zulasten des betroffenen Grundstücks Nr.
312. Eine Baubewilligung für das Leitungsprojekt liegt inzwischen vor (Urteil
des kantonalen Verwaltungsgerichts vom 17. August 2010 [V 2010 60] und Urteil
des Bundesgerichts 1C_433/2010 vom 28. September 2010). X.________ war indessen
nicht bereit, der Einwohnergemeinde das erforderliche Durchleitungsrecht zu
erteilen, weshalb der Gemeinderat am 28. April 2009 bei der
Schätzungskommission des Kantons Zug ein Verfahren zur formellen Enteignung des
Durchleitungsrechts einleitete.

B.
Mit Verfügung vom 3. Juni 2009 informierte die Schätzungskommission X.________
über die formelle Enteignung, wogegen dieser fristgerecht Einsprache erhob. An
der am 26. Januar 2010 durchgeführten Einigungsverhandlung nahm der Einsprecher
nicht teil. Die Schätzungskommission stellte entsprechend am 8. September 2010
fest, über die formelle Enteignung sei keine Einigung zustande gekommen. Mit
Beschluss vom 22. bzw. 25. November 2010 wies der Gemeinderat Steinhausen die
Einsprache von X.________ ab und enteignete ihn als Eigentümer von Grundstück
Nr. 312 insofern, als zulasten dieser Parzelle und zugunsten der
Einwohnergemeinde ein Durchleitungsrecht für eine Meteorwasserleitung gemäss
der Baubewilligung vom 22. Februar 2010 als Dienstbarkeit im Grundbuch
einzutragen sei.

C.
Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ am 3. Dezember 2010 an den
Regierungsrat des Kantons Zug. Dieser wies die Beschwerde am 16. August 2011
ab. Das hierauf angerufene Verwaltungsgericht schützte den regierungsrätlichen
Entscheid mit Urteil vom 31. Januar 2012, soweit es auf die Beschwerde eintrat.

D.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 18. Februar 2012 beantragt X.________ dem
Bundesgericht die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und die
Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz. Gleichzeitig
ersucht er um Durchführung eines Augenscheins.
Die Gemeinde Steinhausen und das Verwaltungsgericht des Kantons Zug schliessen
je auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, der unter keinen Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 BGG fällt und daher grundsätzlich mit dem ordentlichen Rechtsmittel der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht
weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Für
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde bleibt damit kein Raum.

1.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung einer Beschwerde in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht
verletzt. Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht
zulässigen Beschwerdegründe.
Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten
(einschliesslich der willkürlichen Anwendung von kantonalem Recht und Willkür
bei der Sachverhaltsfeststellung; dazu BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255) geltend
gemacht wird. Dies prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur
insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Für derartige Rügen gelten die gleichen
Begründungsanforderungen, wie sie gestützt auf Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die
staatsrechtliche Beschwerde gegolten haben (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit
Hinweisen). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz
gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw.
welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid
verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene
und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des
Willkürverbots geltend gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im
Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und
offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweisen).

1.3 Der entscheidrelevante Sachverhalt ergibt sich mit hinreichender Klarheit
aus den Akten, weshalb der Antrag auf Durchführung eines Augenscheins
abzuweisen ist.

2.
Die vorliegende Beschwerde vermag den Begründungsanforderungen über weite Teile
nicht zu genügen, da der Beschwerdeführer im Wesentlichen sinngemäss die
gleichen Rügen vorbringt wie vor den kantonalen Instanzen, ohne darzutun,
inwiefern der angefochtene Entscheid kantonales oder eidgenössisches Recht
verletzten soll. Soweit er sich gegen den Bau der Durchleitung und deren
Standortgebundenheit wendet, wurde darüber bereits im rechtskräftig gewordenen
Baubewilligungsverfahren entschieden. Indes hat der Regierungsrat dem
Beschwerdeführer gegenüber eingeräumt, dass die Koordinationspflicht vorliegend
nicht gewahrt worden sei, da zunächst über die Baubewilligung und erst danach
über die Enteignung entschieden worden sei (Beschluss des Regierungsrats vom
26. August 2011 E. 3). Der Vollständigkeit halber seien darum nochmals die
gesetzlichen Grundlagen genannt, auf welche sich die kantonalen Behörden
stützen.

2.1 Die Erteilung des Enteignungsrechts berührt die Eigentumsgarantie (Art. 26
BV). Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage,
müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten
Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1-3 BV).

2.2 Die gesetzliche Grundlage für Enteignungen findet sich im kantonalen
Planungs- und Baugesetz vom 26. November 1998 (PBG/ZG; BGS 721.11). In dessen §
53 Abs. 1 ist geregelt, dass Kanton und Einwohnergemeinden für öffentliche
Zwecke das Enteignungsrecht besitzen. Abs. 2 der zitierten Norm zählt
beispielhaft ("namentlich") auf, für welche Zwecke das Gemeinwesen das
Enteignungsrecht beanspruchen kann. Gemäss § 53 Abs. 2 lit. d PBG/ZG wird das
Enteignungsrecht u.a. für Werkleitungen erteilt. Dass die kantonalen Instanzen
eine Meteorwasserleitung darunter subsumieren, ist ihnen nicht vorzuwerfen und
stellt keine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts dar. § 93 des kantonalen
Gesetzes über die Gewässer vom 25. November 1999 (GewG/ZG; BGS 731.1) verweist
denn für das Enteignungsverfahren auch ausdrücklich auf das PBG/ZG. Nachdem
Art. 19 Abs. 2 RPG die öffentliche Erschliessungspflicht von Grundstücken in
der Bauzone statuiert, ist der Gemeinde auch nicht vorzuwerfen, dass sie das
Enteignungsrecht für den Bau der Meteorwasserleitung beansprucht, wurde doch
das zu erschliessende Grundstück Nr. 143 mit der Ortsplanungsrevision vom 28.
November 2004 der Bauzone zugeteilt. Mit Beschluss vom 9. September 2008 hat
der Regierungsrat des Kantons Zug der Einwohnergemeinde Steinhausen sodann das
(vorbehaltlose) Enteignungsrecht für sämtliche im Generellen Entwässerungsplan
(GEP) enthaltenen Entwässerungsanlagen gewährt, mithin auch für die als Projekt
"G" bezeichnete Meteorwasserleitung.

2.3 Damit lässt sich in einem ersten Zwischenschritt festhalten, dass die
gesetzliche Grundlage für die Erteilung des Enteignungstitels gegeben ist und
dass die Erschliessung von Bauzonen-Land im öffentlichen Interesse liegt.

2.4 Sodann hat sich das Verwaltungsgericht eingehend mit der
Verhältnismässigkeit des Eigentumseingriffs auseinander gesetzt und detailliert
dargetan, welche alternativen Linienführungen aus welchen Gründen verworfen
werden mussten (E. 3d/bb des angefochtenen Urteils). Der Beschwerdeführer hält
diesen Ausführungen seine eigene Auffassung entgegen, ohne darzutun, inwiefern
das Verwaltungsgericht den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt haben
soll. Nicht belegt ist insbesondere der Vorwurf, die Einholung des Gutachtens
bei der Balz & Partner AG vom 7. Mai 2010 (Beilage 2 der Gemeinde, Akten der
Baudirektion) stelle lediglich eine Alibiübung der Schätzungskommission dar.
Mit der Beauftragung des genannten Ingenieurbüros hat die Schätzungskommission
im Gegenteil dargetan, dass ihr die fachliche Prüfung anderer Lösungsvarianten
wichtig war. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.

2.5 Zusammenfassend hält das Vorgehen der kantonalen Behörden vor Bundes- und
Verfassungsrecht stand, zumal der Beschwerdeführer sich kaum rechtsgenüglich
mit den massgeblichen Erwägungen auseinandersetzt.

3.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
hat der Beschwerdeführer für die Kosten vor Bundesgericht aufzukommen (Art. 66
Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen, da die Gemeinde im
Rahmen ihres amtlichen Wirkungskreises obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Parteientschädigungen werden keine zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Steinhausen, dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Mai 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Die Gerichtsschreiberin: Scherrer Reber