Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.73/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_73/2012

Urteil vom 3. April 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Yves Waldmann,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft,
Hauptabteilung Arlesheim, Kirchgasse 5, Postfach,
4144 Arlesheim.

Gegenstand
Strafverfahren; Beweisanträge; amtliche Verteidigung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2011 des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Arlesheim, führt gegen
X.________ eine Strafuntersuchung wegen Drohung, Nötigung, Beschimpfung,
Tätlichkeiten, Missbrauch des Telefons sowie Ungehorsam gegen amtliche
Verfügungen. Am 9. Juli 2011 wurde X.________ in Untersuchungshaft versetzt.
Mit Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts Basel-Landschaft vom 26. August 2011
wurde die Untersuchungshaft auf Antrag der Staatsanwaltschaft gestützt auf den
Haftgrund der Ausführungsgefahr für die Dauer von drei Monaten bis zum 23.
November 2011 verlängert. Die von X.________ gegen diesen Entscheid erhobene
Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Beschluss vom 11.
Oktober 2011 gut, hob den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts auf und
ordnete die unverzügliche Haftentlassung von X.________ unter Festsetzung von
Ersatzmassnahmen an.

B.
Mit Verfügung vom 6. September 2011 erteilte die Staatsanwaltschaft Dr. med.
Karen Fürstenau den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung von X.________.
Mit Verfügung vom 26. September 2011 wies die Staatsanwaltschaft die
Beweisanträge von X.________ vom 19. September 2011 ab, im Rahmen der
Begutachtung auf die Fragen zur Rückfallgefahr zu verzichten, der Gutachterin
hingegen konkrete Fragen zur Ausführungsgefahr zu unterbreiten. Zur Begründung
führte die Staatsanwaltschaft aus, das forensisch-psychiatrische Vorabgutachten
von Dr. med. Karen Fürstenau vom 5. August 2011 habe sich auf die Frage der
Ausführungsgefahr der von X.________ angedrohten Straftaten (Tötung der
ehemaligen Lebenspartnerin und der gemeinsamen Kinder respektive Entführung der
Kinder) beschränkt und hierzu detailliert Stellung genommen, weshalb sich
insoweit eine erneute Begutachtung erübrige. Demgegenüber solle mit dem
Begutachtungsauftrag vom 6. September 2011 die Rückfallgefahr bezüglich der dem
Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten abgeklärt werden.
Diese Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 26. September 2011 focht X.________
mit Eingabe vom 10. Oktober 2011 beim Kantonsgericht an, welches mit Beschluss
vom 6. Dezember 2011 nicht auf die Beschwerde eintrat. Die Verfahrenskosten des
Beschwerdeverfahrens von insgesamt Fr. 550.-- auferlegte es X.________. Dessen
Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege wies es ab. Zur
Begründung führte das Kantonsgericht aus, die Staatsanwaltschaft habe über die
im Vorabgutachten vom 5. August 2011 abgeklärte Frage der Ausführungsgefahr
keinen erneuten Beweis führen müssen, zumal der Beschwerdeführer in seinen
Eingaben jeweils ausdrücklich festgehalten habe, das Vorabgutachten beruhe auf
einer sorgfältigen Untersuchung, sei umfassend und in sich schlüssig. Der
Beschwerdeführer habe seine Rüge, das Zwangsmassnahmengericht habe aus dem
Vorabgutachten in rechtlicher Hinsicht nicht die korrekten Schlüsse gezogen,
richtigerweise mit Beschwerde gegen den Haftentscheid des
Zwangsmassnahmengerichts vom 26. August 2011 vorgebracht (vgl. Sachverhalt lit.
A). In Bezug auf die Tatbestände der vorliegenden Strafuntersuchung seien die
Zusatzfragen des Beschwerdeführers zur Ausführungsgefahr hingegen nicht
relevant. Mangels Beschwer sei daher nicht auf die Beschwerde einzutreten. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend habe der Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten zu tragen. Infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde könne die
amtliche Verteidigung für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt werden.

C.
Mit Eingabe vom 1. Februar 2012 erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen ans
Bundesgericht sinngemäss mit den Anträgen, der Beschluss des Kantonsgerichts
vom 6. Dezember 2011 sei in Bezug auf die Kostenauflage und die Verweigerung
der amtlichen Verteidigung aufzuheben. Die Sache sei an die Vorinstanz
zurückzuweisen, um den Zeitaufwand des Rechtsvertreters für das
Beschwerdeverfahren festzustellen. Des Weiteren beantragt X.________ die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer aus, die Vorinstanz sei in
Verletzung von Bundesrecht von der Aussichtslosigkeit seiner Beschwerde
ausgegangen. Er habe sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung am 10.
Oktober 2011 noch in Untersuchungshaft befunden, weshalb er ein Interesse
gehabt habe, der Gutachterin Ergänzungsfragen zum Haftgrund der
Ausführungsgefahr unterbreiten zu lassen. Seine Beschwerde an die Vorinstanz
sei erst während des laufenden Beschwerdeverfahrens - nämlich mit Rechtskraft
des Haftentlassungsentscheids des Kantonsgerichts vom 11. Oktober 2011 -
gegenstandslos geworden. Die Beschwerde sei somit nicht von vorneherein
aussichtslos gewesen.
Das Kantonsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft verzichtet
auf eine Stellungnahme. Die Eingaben wurden dem Beschwerdeführer zur
Kenntnisnahme zugestellt.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit dem angefochtenen Beschluss trat die Vorinstanz auf eine Beschwerde des
Beschwerdeführers gegen die Abweisung von Beweisanträgen durch die
Staatsanwaltschaft nicht ein, auferlegte dem Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten und verweigerte ihm die unentgeltliche Rechtspflege. Der
Beschluss schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab; es
handelt sich daher um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid. Gegen
einen Zwischenentscheid, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft
(vgl. Art. 92 BGG), ist die Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1
BGG zulässig, wenn der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil
bewirken kann (lit. a) oder - was indes hier von vorneherein ausser Betracht
fällt - wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid
herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein
weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Soweit der
Zwischenentscheid mit Beschwerde in Strafsachen anzufechten ist, muss der nicht
wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht
bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein. Dabei ist es Sache des
Beschwerdeführers darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG erfüllt sind, sofern dies nicht offenkundig ist (BGE 133 III 629 E. 2.3 S.
632).

1.2 Der Beschwerdeführer legt nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass
der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
kann. Zwar kann nach der Rechtsprechung die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege mit irreparablen Nachteilen verbunden sein (BGE 133 IV 335 E. 4 S.
338). Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die amtliche Verteidigung einzig
fürs Beschwerdeverfahren betreffend die Abweisung von Beweisanträgen
verweigert; der Entscheid bezieht sich hingegen nicht aufs Hauptverfahren. Da
das kantonale Beschwerdeverfahren abgeschlossen ist, droht nicht die Gefahr,
dass der Beschwerdeführer durch die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtspflege seine Rechte nicht wahrnehmen kann. Vielmehr geht es - wie auch
der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz
zur Feststellung des Zeitaufwands des Rechtsvertreters für das
Beschwerdeverfahren deutlich macht - einzig um die nachträglich zu
beantwortende Frage, von wem der Rechtsvertreter für sein Tätigwerden im
Beschwerdeverfahren honoriert wird. Dem Beschwerdeführer steht es offen, seine
Rügen der zu Unrecht verweigerten unentgeltlichen Rechtspflege und der
rechtswidrigen Kostenauflage mit Beschwerde gegen den Endentscheid vorzubringen
(Art. 93 Abs. 3 BGG). Sollte das kantonale Verfahren mit einem für ihn
günstigen Entscheid enden, können die beiden streitigen Punkte unmittelbar im
Anschluss an den unterinstanzlichen Entscheid mit Beschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden (vgl. zum Ganzen BGE 133 V 645 E. 2.2. S. 647 f.).

2.
Nach dem Gesagten kann der angefochtene Zwischenentscheid für den
Beschwerdeführer keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der
Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. April 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner