Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.603/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_603/2012

Urteil vom 31. Januar 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Steinmann.

Verfahrensbeteiligte
A.X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Büro B-2, Weiherallee 15, Postfach, 8610
Uster,
Einzelgericht in Strafsachen des Bezirksgerichtes Meilen, Untere Bruech 139,
Postfach 881, 8706 Meilen.

Gegenstand
Amtliche Verteidigung

Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. August 2012 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland erhob beim Bezirksgericht Meilen gegen
A.X.________ und deren Bruder B.X.________ Anklage wegen falscher Anschuldigung
und Nötigung (Anklageschrift vom 18. Januar 2012, Verfahren 2/2009/4706). Sie
wirft ihnen vor, gegen ihre Schwester C.X.________, deren Lebenspartner
Y.________ und deren Rechtsanwalt Z.________ wider besseren Wissens
Strafanzeige wegen Betrugs und Urkundenfälschung eingereicht und damit in einer
erbrechtlichen Auseinandersetzung bezweckt zu haben, die Schwester zur
Auflösung ihres Mandats zu Rechtsanwalt Z.________ und damit zu einer
schnelleren Erbteilung zu bewegen.
Nach erfolglosen Vorstössen in den Jahren 2010 und 2011 ersuchte A.X.________
am 9. März 2012 das Bezirksgericht Meilen, es sei ihr eine Aufforderung zur
Bestimmung einer Wahlverteidigung zu stellen, allenfalls eine amtliche
Verteidigung anzuordnen. Den ablehnenden Entscheid vom 13. März 2012 focht
A.X.________ beim Obergericht des Kantons Zürich an. Dieses wies die Beschwerde
mit Beschluss der III. Strafkammer vom 23. August 2012 (Geschäftsnummer:
UP120016-O/U/KIE) ab. Das Obergericht führte im Wesentlichen das Folgende aus:
Es sei nicht Sache der Gerichte, eine beschuldigte Person zur Bestimmung einer
Wahlverteidigung aufzufordern; es liege kein Fall von notwendiger Verteidigung
gemäss Art. 130 lit. c StPO vor; gemäss Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO werde eine
amtliche Verteidigung angeordnet, soweit die beschuldigte Person nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung der Interessen
geboten ist; es liege kein Bagatellfall im Sinne von Art. 132 Abs. 3 StPO vor;
der Strafsache liege eine Erbstreitigkeit unter den Geschwistern X.________
zugrunde; der A.X.________ zur Last gelegte Lebenssachverhalt sei umgrenzt, gut
überblickbar und nicht kompliziert; diese sei mit der Sache vertraut und könne
sich darin trotz des beträchtlichen Aktenumfangs gut zurecht finden;
umfangreiche Beweisanträge seien nicht erforderlich; zudem sei A.X.________
akademisch gebildet, übe ihren Arztberuf selbstständig aus und verfüge über die
sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten, die Thematik zu erfassen, sich
adäquat zu äussern und ihren Standpunkt zu vertreten; der zu beurteilende
Sachverhalt biete keine besondern rechtlichen Schwierigkeiten; es sei nicht von
Bedeutung, dass C.X.________ sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lasse;
zusammenfassend ergebe sich, dass A.X.________ zur Wahrung ihrer Interessen
keine amtliche Verteidigung benötige; daher bräuchten die finanziellen
Verhältnisse, zu denen die Gesuchstellerin bisher jegliche Auskunft verweigert
hatte, nicht abgeklärt zu werden.

B.
Gegen diesen Beschluss des Obergerichts hat A.X.________ beim Bundesgericht am
10. Oktober 2012 Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei ihr ein amtlicher
Verteidiger zu bestellen, eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland beantragt mit ihrer Vernehmlassung die
Abweisung der Beschwerde. Der Präsident der III. Strafkammer des Obergerichts
weist darauf hin, dass Ausführungen zu den finanziellen Verhältnissen der
Beschwerdeführerin fehlen, und verzichtet im Übrigen auf Bemerkungen. Der
Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Meilen hat von einer
Vernehmlassung abgesehen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht am 14. Januar 2013 eine
Stellungnahme zu den Vernehmlassungen zukommen lassen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig. Die Sachurteilsvoraussetzungen
geben zu keinen Bemerkungen Anlass (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 81
Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 lit. a, Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde kann
grundsätzlich eingetreten werden.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Es ist im
entsprechenden Sachzusammenhang zu prüfen, ob die Beschwerde diesen
Anforderungen genügt.
Mit dem angefochtenen Entscheid ist der Beschwerdeführerin die amtliche
Verteidigung mit der Begründung verweigert worden, zur Wahrung ihrer Interessen
benötige sie keine amtliche Verteidigung. Im bundesgerichtlichen Verfahren
ersucht die Beschwerdeführerin nicht um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege. Bei dieser Sachlage würde eine allfällige Gutheissung der
Beschwerde zwar zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führen, hätte aber
für sich nicht die Gewährung der amtlichen Verteidigung zur Folge. Vielmehr
wären im kantonalen Verfahren mit Blick auf Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO vorerst
noch die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zu prüfen.

2.
Die Beschwerdeführerin ersucht um Gewährung einer amtlichen Verteidigung. Das
Obergericht hat im angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Voraussetzungen für
eine notwendige Verteidigung gemäss Art. 130 lit. c StPO nicht gegeben seien
(E. 2b). Die Beschwerdeführerin stellt dies nicht in Frage. Es ist daher einzig
zu prüfen, ob nach Art. 132 StPO Anspruch auf eine amtliche Verteidigung
besteht. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin terminologisch nicht
strikt zwischen notwendiger und amtlicher Verteidigung unterscheidet.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV, weil der
angefochtene Entscheid den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen
nicht genügen soll. Diese Rüge erweist sich in Anbetracht des ausführlichen
Obergerichtsentscheids von vornherein als unbegründet. Es reicht aus, dass das
Obergericht die aus seiner Sicht wesentlichen Umstände darlegt; hingegen ist es
nicht geboten, auf sämtliche Einwände der Parteien einzugehen (BGE 136 I 229 E.
5.2 mit Hinweisen). Es war der Beschwerdeführerin denn auch ohne weiteres
möglich, den Obergerichtsentscheid sachgerecht anzufechten).

4.
Die Beschwerdeführerin erhebt in verschiedener Hinsicht die Rüge der
offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung. Teils wirft sie damit
Rechtsfragen auf, die keinen Bezug zur Sachverhaltsfeststellung aufweisen;
teils haben die Vorbringen keine eigenständige Bedeutung. Auf die Rüge ist
daher nicht näher einzugehen.

5.
Das Obergericht hat im Einzelnen geprüft und dargelegt, weshalb die
Beschwerdeführerin im vorliegenden Sachzusammenhang für die Wahrung ihrer
Interessen keines amtlichen Rechtsvertreters bedürfe. Auf diese zutreffende
Begründung kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG). Anzufügen sind die
folgenden Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin vermag nicht darzulegen, weshalb der in Frage stehende
Lebenssachverhalt besondere Schwierigkeiten bieten soll. Im Wesentlichen geht
es um die Erbenversammlung vom 8. August 2008, den nachfolgenden Mail-Verkehr
und die Strafanzeigen vom November 2008 und Juli/August 2009. An dieser
Einschätzung vermögen auch Beweisbegehren nichts zu ändern. Ferner hat die
Beschwerdeführerin den angeblichen fehlerhaften Aktenzustand bereits in der
vorliegenden Beschwerde dargelegt. Die das vorliegende Verfahren betreffenden
Akten sind trotz ihres Umfangs überschaubar. Dass in parallel geführten
Verfahren weitere umfangreiche Akten bestehen, ist nicht massgebend.
Ebenso ist nicht ersichtlich, welche besondern Schwierigkeiten die Strafsache
in rechtlicher Hinsicht bieten soll. Mit Blick auf die konkreten Umstände kann
nicht gesagt werden, dass die Tatbestände der falschen Anschuldigung und der
Nötigung von grosser rechtlicher Komplexität wären. Konkurrenzfragen stellen
sich in Anbetracht der konkreten Anklage kaum. Der Hinweis auf die mangelnde
Anklagegrundsatzkonformität genügt den Begründungsanforderungen nicht. Die
Bestreitung der örtlichen Zuständigkeit ist für sich allein kein Hinweis auf
rechtliche Schwierigkeiten. Die Voreingenommenheit des Richters wirft ebenfalls
keine schwerwiegenden Fragen auf.
Das Obergericht hat ferner darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin über
eine gute Ausbildung verfügt, als selbstständige Ärztin praktiziert, über die
erforderlichen sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten verfügt und demnach
in der Lage sei, sich adäquat zu äussern, ihren Standpunkt sachgerecht zu
vertreten und sich demnach ohne amtlichen Vertreter zu verteidigen. Was die
Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, belegt keine Rechtsverletzung.
Insbesondere ändert an der Begründung des Obergerichts nichts, dass ihre
Rechtsschriften bisher weitgehend von ihrem rechtskundigen und ebenfalls
beschuldigten Bruder verfasst worden sind.
Gesamthaft gesehen bildet der blosse Umstand, dass im vorliegenden Verfahren je
nach Prozessverlauf schwierige Fragen auftauchen können, für sich allein
genommen zurzeit keinen Grund dafür, an der Fähigkeit der Beschwerdeführerin,
sich selber sachgerecht verteidigen zu können, zu zweifeln und deshalb einen
amtlichen Verteidiger zu bestellen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.

6.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft See/Oberland,
dem Einzelgericht in Strafsachen des Bezirksgerichtes Meilen und dem
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Januar 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Steinmann