Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.472/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_472/2012

Urteil vom 23. Januar 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug.

Gegenstand
Entsiegelung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 10. August 2012 des Strafgerichts des
Kantons Zug, Zwangsmassnahmengericht.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug führt auf Privatklage von Y.________ hin
eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt bzw. gegen die Verantwortlichen der
X.________ AG. Der Privatkläger machte geltend, ein Arbeitszeugnis von ihm sei
vernichtet oder beiseite geschafft worden. Dies sei in der Absicht geschehen,
ihm eine allfällige Beweisführung mit dieser Urkunde zu verunmöglichen. Das
Verhalten erfülle den Tatbestand der Unterdrückung von Urkunden (Art. 254 Abs.
1 StGB). Zudem sei ihm von seiner ehemaligen Arbeitgeberin nur in ungenügender
Weise Einsicht in sein Personaldossier gewährt worden, was eine Verletzung der
Auskunftspflicht gemäss Art. 34 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den
Datenschutz (DSG; SR 235.1) darstelle.
Die Zuger Polizei stellte am 19. August 2011 im Auftrag der Staatsanwaltschaft
bei der X.________ AG verschiedene Unterlagen sicher, worauf diese eine
umfassende Siegelung verlangte. Am 2. September 2011 beantragte die
Staatsanwaltschaft die Entsiegelung. Das Zwangsmassnahmengericht sistierte in
der Folge auf Gesuch der X.________ AG das Verfahren, bis über deren Antrag auf
Sicherheitsleistung rechtskräftig entschieden worden war (Urteil des
Bundesgerichts 1B_548/2011 vom 27. April 2012). Daraufhin nahm das
Zwangsmassnahmengericht das Verfahren wieder auf und hiess mit Verfügung vom
10. August 2012 den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Entsiegelung gut.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 22. August 2012 beantragt
die X.________ AG, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts sei aufzuheben
und die Sache sei zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Eventualiter sei das
Entsiegelungsgesuch abzuweisen, subeventualiter mit Ausnahme des vom 30.
September 2009 datierenden und unterschriebenen Arbeitszeugnis-Entwurfs sowie
des betreffenden Ausdrucks. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
beizulegen.
Das Zwangsmassnahmengericht und die Staatsanwaltschaft haben auf eine
Stellungnahme in der Sache verzichtet. In Bezug auf das Gesuch um aufschiebende
Wirkung beantragt die Staatsanwaltschaft die Abweisung.
Mit Präsidialverfügung vom 3. Oktober 2012 hat das Bundesgericht der Beschwerde
die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Gegen Entsiegelungsentscheide ist die Beschwerde in Strafsachen das
zutreffende Rechtsmittel (Art. 78 ff. BGG). Gegen den Entscheid des
Zwangsmassnahmegerichts steht direkt die Beschwerde ans Bundesgericht offen
(Art. 80 BGG, Art. 248 Abs. 3 lit. a und Art. 380 StPO; Urteil 1B_27/2012 vom
27. Juni 2012 E. 2 mit Hinweis).

1.2 Angefochten ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG. Dieser ist
der Beschwerde ans Bundesgericht nur dann zugänglich, wenn er entweder einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Es obliegt der
Beschwerdeführerin detailliert darzutun, dass die Eintretensvoraussetzungen von
Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit dies nicht offensichtlich der Fall ist (BGE
137 III 324 E. 1.1 S. 328 f.; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2 S. 632 f.; je mit
Hinweisen).

1.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid könnte
einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken und beruft sich in diesem
Zusammenhang auf den Schutz ihrer Privatsphäre gemäss Art. 13 BV. Überwiegende
Geheimhaltungsinteressen seien insbesondere dann zu beachten, wenn es an einem
konkreten Deliktskontext fehle.
Vorliegend bestehen die sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände aus
einem blauen Ordner (Sicherstellungsposition Nr. 1), einem schwarzen Ordner
(Sicherstellungsposition Nr. 2) und zwei Kuverts mit je einem Arbeitszeugnis
(Sicherstellungspositionen Nr. 3 und 4). Im angefochtenen Entscheid wird
ausgeführt, beim blauen Ordner handle es sich um eine Art Personaldossier des
Privatklägers und es sei in keinerlei Weise ein Geheimhaltungsinteresse
ersichtlich noch werde ein solches geltend gemacht. Im schwarzen Ordner würden
verschiedene Unterlagen aufbewahrt, welche die Beschwerdeführerin offenbar im
Zusammenhang mit dem Rechtsstreit zwischen ihr selbst und dem Privatkläger
gesammelt habe. Neben der ohnehin aktenkundigen Korrespondenz befänden sich
weitere Dokumente darin, welche teils eher ins normale Personaldossier
gehörten, hinsichtlich welcher jedenfalls aber auch weder ein schützenswertes
Geheimhaltungsinteresse geltend gemacht werde noch erkennbar sei.
Angesichts des Inhalts der vier Sicherstellungspositionen ist nicht
offensichtlich, inwiefern der angefochtene Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken könnte. Auch wenn bei Entsiegelungsentscheiden
in der Regel von einem drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil
ausgegangen werden kann (vgl. Urteil 1B_27/2012 vom 27. Juni 2012 E. 1 und die
dort zitierten Urteile), trifft dies nicht in jedem Fall zu. Nach den
Ausführungen der Vorinstanz betreffen die Unterlagen in erster Linie den
Privatkläger, auf dessen Geheimhaltungsinteressen sich die Beschwerdeführerin
allerdings nicht berufen kann, oder sind als Korrespondenz ohnehin bereits
aktenkundig.
Vor diesem Hintergrund ist es an der Beschwerdeführerin darzutun, inwiefern
ihre eigenen Geheimhaltungsinteressen (etwa Geschäftsgeheimnisse) berührt sind.
Dies hat sie jedoch nicht getan, weder im Verfahren vor dem
Zwangsmassnahmengericht noch im bundesgerichtlichen Verfahren. Im Ergebnis ist
deshalb ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse an den versiegelten
Aufzeichnungen und Gegenständen nicht ersichtlich und es kann nicht davon
ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin wegen der Entsiegelung ein
nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Unter diesen Voraussetzungen ist
auf ihre Beschwerde nicht einzutreten.

2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zug und dem Strafgericht des Kantons Zug, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. Januar 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold