Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.471/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_471/2012

Urteil vom 28. August 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Haag.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Postfach, 8610 Uster.

Gegenstand
Kosten- und Entschädigungsfolgen (Strafverfahren; Einstellungsverfügung),

Beschwerde gegen die Verfügung vom 9. Juli 2012 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Gegen den slowakischen und schweizerischen Staatsangehörigen X.________ wurde
in der Slowakei ein Strafverfahren geführt wegen "Angriffs auf eine Amtsperson
sowie wegen Ausschreitung" betreffend einen Vorfall bei einer
Strassenverkehrskontrolle in der Slowakei vom 6. November 2004. Mit Ersuchen
vom 29. April 2009 beantragte das slowakische Justizministerium die
strafrechtliche Verfolgung von X.________ in der Schweiz. Das Bundesamt für
Justiz überwies die Untersuchungsakten an die Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich. Mit Strafbefehl vom 11. Februar 2011 befand die
Staatsanwaltschaft See/Oberland X.________ schuldig der Gewalt und Drohung
gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB. Sie bestrafte ihn
mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 30.--
bei einer Probezeit von 2 Jahren und zu einer Busse von Fr. 300.--. Auf
Einsprache von X.________ hin stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren
wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte mit Verfügung vom 14. Oktober 2011 ein.
Die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 700.-- auferlegte sie X.________. Eine
Entschädigung oder Genugtuung sprach sie ihm nicht zu.

Auf Beschwerde von X.________ hin verfügte das Obergericht des Kantons Zürich,
dass die Verfahrenskosten auf die Staatskasse genommen werden. Im Übrigen wies
es die Beschwerde ab, soweit sie sich nicht als gegenstandslos erweise.

B.
Mit Beschwerde vom 20. August 2012 macht X.________ insbesondere geltend, das
Obergericht habe seinen Antrag, der gegen ihn erlassene internationale
Haftbefehl sei wirksam zurückzunehmen, zu Unrecht als gegenstandslos
bezeichnet. Weiter verlangt er eine Entschädigung und Genugtuung für das gegen
ihn geführte Strafverfahren. Ausserdem ersucht er sinngemäss um unentgeltliche
Rechtspflege.

Das Bundesgericht verzichtet auf einen Schriftenwechsel und den Beizug der
Vorakten (Art. 102 Abs. 1 und 2 BGG).

Erwägungen:

1.
1.1 Die vorliegende Angelegenheit betrifft die Einstellung einer
Strafuntersuchung und damit eine Strafsache, die der Beschwerde in Strafsachen
unterliegt (Art. 78 ff. BGG). Der Beschwerdeführer ist als Beschuldigter und
Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren zur Beschwerde berechtigt (Art.
81 Abs. 1 BGG). Gegenstand des Verfahrens ist die Verweigerung einer
Entschädigung und Genugtuung sowie die Frage, ob das Obergericht den Antrag des
Beschwerdeführers, der gegen ihn erlassene internationale Haftbefehl sei
wirksam zurückzunehmen, als gegenstandslos bezeichnen durfte. Insoweit kann
grundsätzlich Beschwerde beim Bundesgericht geführt werden.

1.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Dies setzt voraus,
dass sich ein Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des
angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Genügt die Beschwerdeschrift diesen
Begründungsanforderungen nicht, so ist darauf nicht einzutreten. Zwar wendet
das Bundesgericht das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG); dies setzt aber voraus, dass auf die Beschwerde überhaupt eingetreten
werden kann, diese also wenigstens die minimalen Begründungsanforderungen von
Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt. In dieser Hinsicht erweist sich die vorliegende
Beschwerde als mangelhaft. Soweit die Voraussetzungen von Art. 42 BGG nicht
erfüllt sind, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
Das Obergericht kam zum Schluss, die Voraussetzungen gemäss Art. 429 StPO (SR
312.0) für die Ausrichtung einer Entschädigung oder Genugtuung seien nicht
erfüllt. Der ohne Rechtsvertretung prozessierende Beschwerdeführer mache keine
konkrete Vermögenseinbusse geltend, und es sei auch nicht ersichtlich,
inwiefern er durch das Verfahren der Staatsanwaltschaft in seinen persönlichen
Verhältnissen verletzt worden sei. Im bundesgerichtlichen Verfahren verlangt
der Beschwerdeführer eine pauschale Entschädigung und Genugtuung von Fr.
7'730.-- ohne zu belegen, worauf er diese Forderung abstützt. Damit genügt
seine Beschwerde in diesem Punkt den Anforderungen von Art. 42 BGG nicht,
weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

3.
Weiter verlangt der Beschwerdeführer, der gegen ihn erlassene internationale
Haftbefehl sei wirksam zurückzunehmen. Das Obergericht habe diesen Antrag zu
Unrecht als gegenstandslos bezeichnet.

Das Obergericht hat berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer von keiner
schweizerischen Behörde zur Verhaftung ausgeschrieben wurde und die Aufhebung
des vom Kreisgericht Martin/Slowakei am 27. September 2006 erlassenen
Haftbefehls in die Zuständigkeit der slowakischen Behörden fällt. Nachdem das
Strafverfahren in der Schweiz nun rechtskräftig abgeschlossen ist, werden die
ergangenen Entscheidungen im Schriftverkehr zwischen den Justizministerien dem
ersuchenden Staat mitgeteilt (Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die
Rechtshilfe in Strafsachen, SR 0.351.1). Nach dem Grundsatz "ne bis in idem",
der nach Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK (SR 0.101.07) auch in der
Slowakei gilt, erscheint eine Verurteilung des Beschwerdeführers für den
vorliegenden Sachverhalt in der Slowakei grundsätzlich ausgeschlossen. Die
Aufrechterhaltung des Haftbefehls des slowakischen Kreisgerichts ist somit
nicht zu erwarten. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass sich die
slowakischen Behörden nicht an ihre internationalen Verpflichtungen halten
könnten. Zudem sind die schweizerischen Behörden nicht zuständig, einen
ausländischen Haftbefehl aufzuheben. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden,
dass die Vorinstanz den Antrag auf Rücknahme des internationalen Haftbefehls
als gegenstandslos bezeichnete.

4.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten
werden kann.

Da die Beschwerde als aussichtslos bezeichnet werden muss, kann dem Gesuch des
Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art.
64 Abs. 1 BGG). Es erscheint jedoch gerechtfertigt, ausnahmsweise auf die
Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem
unterliegenden Beschwerdeführer und den in ihrem amtlichen Wirkungskreis
obsiegenden Behörden steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und keine Parteientschädigungen
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft See/Oberland, der
Oberstaatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, sowie dem Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Haag