Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.378/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_378/2012

Urteil vom 25. Oktober 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Karlen, Eusebio,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Wick,

gegen

Y.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Plüss,

Kantonale Staatsanwaltschaft Aargau, Bahnhofstrasse 29/33, 5001 Aarau 1 Fächer.

Gegenstand
Strafverfahren; Einstellungsverfügung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 15. Mai 2012
des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
Die kantonale Staatsanwaltschaft Aargau stellte am 29. Februar 2012 das
aufgrund einer Strafanzeige von Y.________ gegen X.________ wegen Veruntreuung,
Betrug und Urkundenfälschung geführte Strafverfahren gestützt auf Art. 319 Abs.
1 lit. a und b StPO ein.

Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die von Y.________ gegen diese
Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 15. Mai 2012
teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung teilweise auf und wies die
kantonale Staatsanwaltschaft an, mit Bezug auf den Vorwurf der Veruntreuung
gegen X.________ Anklage zu erheben.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 25. Juni 2012 beantragt X.________
sinngemäss, den Entscheid des Obergerichts vom 15. Mai 2012 aufzuheben und das
Strafverfahren in Bestätigung der Verfügung der kantonalen Staatsanwaltschaft
vom 29. Februar 2012 einzustellen oder die Sache eventualiter an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Die kantonale Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf
Vernehmlassungen. Y.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen.

In seiner Stellungnahme vom 25. September 2012 hält der Beschwerdeführer an
seinem Standpunkt fest.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit dem angefochtenen Entscheid wurde die kantonale Staatsanwaltschaft
angewiesen, mit Bezug auf den Vorwurf der Veruntreuung gegen den
Beschwerdeführer Anklage zu erheben. Der Entscheid betrifft damit eine
Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG. Das Obergericht ist Vorinstanz des
Bundesgerichts im Sinne von Art. 80 BGG. Beim angefochtenen
Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid, der das
Strafverfahren nicht abschliesst. Gegen Vor- und Zwischenentscheide, die weder
die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (vgl. Art. 92 BGG), ist die
Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig, wenn der
Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a)
oder die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die Eintretensvoraussetzungen von Art.
93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten. Dieses soll sich möglichst
nur einmal mit einer Sache befassen und sich überdies nicht bereits in einem
frühen Verfahrensstadium ohne genügend umfassende Sachverhaltskenntnis
teilweise materiell festlegen müssen. Können allfällige Nachteile in
verhältnismässiger Weise auch noch mit einer bundesgerichtlichen Beurteilung
nach Ausfällung des Endentscheids behoben werden, so tritt das Bundesgericht
auf gegen Vor- und Zwischenentscheide gerichtete Beschwerden nicht ein (BGE 135
II 30 E. 1.3.2 S. 34 f.).

1.2 Der Beschwerdeführer erachtet die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a
und b BGG als erfüllt. Diese Auffassung geht fehl:
1.2.1 Von einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs.
1 lit. a BGG wird gesprochen, wenn dieser auch durch ein nachfolgendes
günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 135
I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen
muss der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a
BGG nicht bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 136 IV 92 E.
4 S. 95). Die Durchführung eines Strafverfahrens begründet nach konstanter
bundesgerichtlicher Rechtsprechung keinen Nachteil rechtlicher Natur, der mit
einem für die beschuldigte Person günstigen Entscheid nicht behoben werden
könnte (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 140 f. mit Hinweisen).
1.2.2 Eine Anfechtung des vorinstanzlichen Zwischenentscheids gestützt auf Art.
93 Abs. 1 lit. b BGG fällt ebenfalls ausser Betracht. Das Bundesgericht legt
die Voraussetzung, wonach die Gutheissung der Beschwerde einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen muss,
im Strafverfahren restriktiv aus. Als beschuldigte Person ist der
Beschwerdeführer zudem ohnehin nicht befugt, die Einstellung des Verfahrens zur
Vermeidung von Kosten zu verlangen, da die Kosten eines ungerechtfertigten
Strafverfahrens nicht er zu tragen hätte (Urteil 6B_782/2008 vom 12. Mai 2009
E. 1.4, in: Pra 2009 Nr. 115 S. 787). Im Übrigen hat die kantonale
Staatsanwaltschaft unbestrittenermassen vor Erlass ihrer Einstellungsverfügung
bereits ein umfangreiches Beweisverfahren durchgeführt. Unter diesen Umständen
liegt es daher keineswegs nahe, dass mit der Fortführung des Strafverfahrens
ein "weitläufiges Beweisverfahren" im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG
verbunden ist (vgl. zum Ganzen auch Urteil 1B_425/2011 vom 5. Oktober 2011 E.
1.2).

2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat der obsiegenden Beschwerdegegnerin eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der kantonalen Staatsanwaltschaft Aargau und
dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Oktober 2012

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Merkli

Der Gerichtsschreiber: Stohner