Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.279/2012
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2012



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_279/2012

Urteil vom 11. Juli 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Forster.

1. Verfahrensbeteiligte
Firma A.________,
2. B.________ AG,
Beschwerdeführerinnen, beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Thomas Sprenger
und
Dominik Arnold,

gegen

Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des
Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Entsiegelung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 5. April 2012 des Zwangsmassnahmengerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität
des Kantons Thurgau führt eine Strafuntersuchung gegen Y.________ wegen des
Verdachts der Veruntreuung und Geldwäscherei. Im gleichen Zusammenhang hat die
Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung gegen Rechtsanwalt X.________
(nachfolgend: Beschuldigter) eröffnet. Ihm werden Urkundenfälschung,
Geldwäscherei sowie Gehilfenschaft zu Veruntreuung zur Last gelegt. Am 30.
August 2010 verfügte das (damals noch zuständige) Kantonale
Untersuchungsrichteramt bei der Bank A.________ (nachfolgend: Bank) die Edition
von Bankinformationen bzw. Kontenunterlagen betreffend den Beschuldigten. Mit
Schreiben vom 6. September 2010 teilte die Bank dem (damals für das
Entsiegelungsverfahren zuständigen) Präsidenten der kantonalen Anklagekammer
mit, dass sie dem Untersuchungsrichteramt die fraglichen Unterlagen zwar
ediert, aber gleichzeitig deren Siegelung verlangt habe. Am 8. Oktober 2010
stellte das Untersuchungsrichteramt das Entsiegelungsgesuch.

B.
Mit prozessleitender Verfügung vom 29. März 2011 entschied das (unterdessen
zuständig gewordene) kantonale Zwangsmassnahmengericht, dass die edierten
Bankunterlagen im Gewahrsam der (unterdessen die Untersuchung leitenden)
Staatsanwaltschaft verblieben und dass das Entsiegelungsverfahren durchzuführen
sei. Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 an die Staatsanwaltschaft verlangte die
Bank die Rückgabe der versiegelten Unterlagen. Am 27. Mai 2011 teilte das
Zwangsmassnahmengericht der Bank mit, dass das Entsiegelungsgesuch fristgerecht
gestellt worden sei und dass ihr Gelegenheit eingeräumt werde, am hängigen
Entsiegelungsverfahren mitzuwirken. Mit prozessleitender Verfügung vom 5. April
2012 stellte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau der Bank eine
Kopie des Entsiegelungsgesuches zu und räumte ihr Gelegenheit zur Stellungnahme
ein.

C.
Gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 5. April 2012 gelangten
die Bank A.________ und deren Rechtsnachfolgerin, die B.________ AG, mit
Beschwerde vom 10. Mai 2012 an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides.
Die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht beantragen je mit
Vernehmlassungen vom 15. bzw. 16. Mai 2012, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten. Die Beschwerdeführerinnen replizierten am 4. Juni 2012.

Erwägungen:

1.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine prozessleitende
Zwischenverfügung im Entsiegelungsverfahren, welche weder das Straf-, noch das
Zwangsmassnahmenverfahren abschliesst. Zu prüfen ist, ob die
Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt sind.

1.1 Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht
in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach
ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder
Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter
rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei
günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte (BGE 135
I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Zwischenentscheide sind grundsätzlich mit
Beschwerde gegen den Endentscheid anzufechten, soweit sie sich auf dessen
Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Sofern die Sachurteilsvoraussetzungen
nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich werden, obliegt es grundsätzlich
der beschwerdeführenden Partei darzulegen, inwiefern sie gegeben sind (vgl. BGE
133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356).

1.2 Prozessleitende Verfügungen im Entsiegelungsverfahren sind unter dem
Gesichtspunkt des drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils grundsätzlich
nicht anfechtbar (vgl. BGE 137 IV 189, 190 mit Hinweis auf Urteil 1B_200/2007
vom 15. Januar 2007 E. 2.3; Urteile 1B_108/2011 vom 6. Juni 2011 E. 1-2; 1B_351
/2010 vom 14. Januar 2011 E. 1.2-1.3; zur betreffenden Praxis s. auch Heinz
Aemisegger/Marc Forster, Basler Kommentar BGG, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 79 N.
40).

1.3 Im angefochtenen Entscheid wurde verfügt, dass der Beschwerdeführerin 1
eine Kopie des Entsiegelungsgesuches zuzustellen sei. Gleichzeitig wurde ihr
Gelegenheit zur fakultativen Stellungnahme bis zum 20. April 2012 eingeräumt,
mit dem Hinweis, dass nach unbenutztem Ablauf der Frist auf Verzicht zur
Stellungnahme (bzw. Einverständnis zur beantragten Entsiegelung) geschlossen
werde. Die Beschwerdeführerinnen sehen den nicht wieder gutzumachenden
Rechtsnachteil darin, dass sie sich "zu Unrecht" auf ein ihrer Ansicht nach
"rechtswidriges Verfahren" einlassen müssten, um eine Entsiegelung abzuwenden.
Ausserdem verfüge die Beschwerdeführerin 2 als kontenführende Bank nur über
"eingeschränkte Argumente"; Kontoinhaber sei der Beschuldigte.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Kurioserweise fechten die
Beschwerdeführerinnen eine prozessleitende Verfügung an, in der ihnen (nämlich
der Beschwerdeführerin 1 bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin) fakultativ
Verfahrensrechte eingeräumt wurden. Darin liegt offensichtlich kein
Rechtsnachteil. Die Frage, ob und allenfalls inwieweit eine Entsiegelung
erfolgen könnte, bildet nicht Gegenstand des angefochtenen Entscheides. Sie
wird durch das Zwangsmassnahmengericht im ausstehenden Entsiegelungsentscheid
zu prüfen sein. Analoges gilt für die diversen materiellen Vorbringen der
Beschwerdeführerinnen, wonach das Verfahren "mehrfach rechtswidrig" sei. Im
Übrigen hat die Vorinstanz auch noch dem beschuldigten Kontoinhaber Gelegenheit
zur Stellungnahme eingeräumt. Nach dem Gesagten ist hier kein nicht wieder
gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne der dargelegten Praxis erkennbar.

2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Mit diesem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der
Beschwerde hinfällig.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführerinnen die
Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen sowie der Staatsanwaltschaft für
Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität und dem
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juli 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster