Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.273/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_273/2012

Urteil vom 11. Juli 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Forster.

1. Verfahrensbeteiligte
Y.________ AG, Eisenbahnstrasse 41, Postfach, 9401 Rorschach,
2. X.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera Delnon,

gegen

Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des
Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld.

Gegenstand
Entsiegelung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. und 12. April 2012 des
Zwangsmassnahmengerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität
des Kantons Thurgau führt eine Strafuntersuchung gegen X.________ wegen des
Verdachts von Steuerbetrug. In diesem Zusammenhang stellte die
Staatsanwaltschaft am 16. März 2012 in den Räumlichkeiten von Z.________, dem
ehemaligen Revisor der Y.________ AG, diverse Aufzeichnungen und Gegenstände
sicher, welche versiegelt wurden. Am 2. April 2012 stellte die
Staatsanwaltschaft das Entsiegelungsgesuch.

B.
Mit prozessleitender Verfügung vom 4. April 2012 stellte das
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau Z.________ das Entsiegelungsgesuch
zu und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Mit Schreiben vom 12.
April 2012 beantragten die Y.________ AG bzw. X.________ (als Alleinaktionär,
einziger Verwaltungsrat und Geschäftsführer der AG) beim
Zwangsmassnahmengericht die wiedererwägungsweise Aufhebung der Verfügung vom 4.
April 2012 und die Einräumung von Parteirechten (auch an sie) im hängigen
Entsiegelungsverfahren. Mit Antwortschreiben vom 12. April 2012 verfügte das
Zwangsmassnahmengericht Folgendes:
"Es mag umstritten sein, ob und welche Rechte Ihrem Mandanten im
Entsiegelungsverfahren zustehen. Selbst unter der Annahme, dass er die
Siegelung verlangen kann, steht ihm aber im besten Falle das Recht zu,
allfällige Entsiegelungshindernisse geltend zu machen. Dies kann er im
Verfahren, das bereits eröffnet wurde, ebenfalls tun. Genau aus diesem Grunde
wurde Ihnen sicherheitshalber eine Kopie der Verfügung zugestellt. (...) Herr
Z.________ hat eine Fristerstreckung bis 15. Mai 2012 zur Einreichung der
Stellungnahme beantragt. Diese ist ihm einmalig bewilligt worden. Sie haben die
Möglichkeit, Ihre Stellungnahme innert der gleichen Frist einzureichen."

C.
Gegen die Verfügungen des Zwangsmassnahmengerichts vom 4. April bzw. 12. April
2012 gelangten die Y.________ AG und X.________ mit Beschwerde vom 7. Mai 2012
an das Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung der angefochtenen
Entscheide.
Die Staatsanwaltschaft und das Zwangsmassnahmengericht beantragen je mit
Vernehmlassungen vom 14. bzw. 16. Mai 2012, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten. Die Beschwerdeführer replizierten am 4. Juni 2012.

Erwägungen:

1.
Bei den angefochtenen Entscheiden handelt es sich um prozessleitende
Zwischenverfügungen im Entsiegelungsverfahren, welche weder das Straf-, noch
das Zwangsmassnahmenverfahren abschliessen. Zu prüfen ist, ob die
Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erfüllt sind.

1.1 Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht
in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach
ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder
Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter
rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei
günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte (BGE 135
I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Zwischenentscheide sind grundsätzlich mit
Beschwerde gegen den Endentscheid anzufechten, soweit sie sich auf dessen
Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Sofern die Sachurteilsvoraussetzungen
nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich werden, obliegt es grundsätzlich
der beschwerdeführenden Partei darzulegen, inwiefern sie gegeben sind (vgl. BGE
133 II 249 E. 1.1 S. 251, 353 E. 1 S. 356).

1.2 Prozessleitende Verfügungen im Entsiegelungsverfahren sind unter dem
Gesichtspunkt des drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils grundsätzlich
nicht anfechtbar (vgl. BGE 137 IV 189, 190 mit Hinweis auf Urteil 1B_200/2007
vom 15. Januar 2007 E. 2.3; Urteile 1B_108/2011 vom 6. Juni 2011 E. 1-2; 1B_351
/2010 vom 14. Januar 2011 E. 1.2-1.3; zur betreffenden Praxis s. auch Heinz
Aemisegger/Marc Forster, Basler Kommentar BGG, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 79 N.
40).

1.3 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer wird in den angefochtenen
Entscheiden noch nicht über die "Kenntnisnahme geschützter Informationen durch
die Strafbehörde" entschieden. Zwar wurde in den prozessleitenden Verfügungen
die Frage aufgeworfen, ob und inwiefern die Beschwerdeführer im hängigen
Entsiegelungsverfahren Parteirechte beanspruchen können. Diese Frage wurde
jedoch vom Zwangsmassnahmengericht in der Hauptsache ausdrücklich noch offen
gelassen. Sie wird im Entsiegelungsentscheid abschliessend zu beurteilen sein.
Das Bundesgericht hat sich damit nicht jetzt schon auseinanderzusetzen. Die
Beschwerdeführer können ihre Beanstandungen nötigenfalls im Rahmen einer
Anfechtung des Entsiegelungsentscheides vorbringen (vgl. auch die mit dem
vorliegenden Verfahren konnexen Urteile des Bundesgerichtes 1B_215/2011 vom 6.
September 2011 E. 1 und 1B_351+353/2010 vom 14. Januar 2011 E. 1, betreffend
separate prozessleitende Verfügungen in Entsiegelungsverfahren). Im Übrigen hat
das Zwangsmassnahmengericht in der angefochtenen Verfügung vom 12. April 2012
auch den Beschwerdeführern ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme bis am
15. Mai 2012 eingeräumt. Sie bestätigen zudem, dass sie am 19. April 2012
"teilweise Akteneinsicht" erhalten haben, insbesondere in das
Entsiegelungsgesuch. Nach dem Gesagten ist hier kein nicht wieder
gutzumachender Rechtsnachteil im Sinne der dargelegten Praxis erkennbar.

2.
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten.
Mit diesem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der
Beschwerde (bzw. Anordnung der einstweiligen Sistierung des
Entsiegelungsverfahrens) hinfällig.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft für
Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität und dem
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juli 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster